„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Ihr Suchbegriff Erinnerungsattacken

Erinnerungsattacken abbrechen: weitere Möglichkeiten

17.09.2016 Veröffentlicht von Strategien 2 Kommentare

Mich erreichte diese Tage eine eMail mit zwei weiteren Strategien wie man Flashbacks unterbrechen kann.
Zum einen hat frischen Ingwer kauen geholfen, zum anderen kleine Perlen in die Schuhe zu legen. Die Perlen sollen aber keine Schmerzen verursachen, sondern nur spürbar sein und die Durchblutung anregen. Vielleicht könnten auch entsprechende Massage-Schuheinlagen mit Noppen hilfreich sein.

Danke für die Tipps!

Weitere Strategien, um mit Erinnerungsattacken umzugehen, finden Sie auch hier.

Und wer neu hier ist, möchte sich vielleicht erstmal in das Thema einlesen: Alle Artikel dazu finden sich hier.

Leserfrage: Warum ist die PTBS eine Krankheit, obwohl es immer heißt, es sei eine normale Reaktion auf eine abnormale Situation? (Teil1)

26.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo Frau Rösch,

Ihre Beiträge zur Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sind sehr gut verständlich. Aber ein Aspekt fehlt mir irgendwie.

Es heißt doch, die PTBS sei eine normale Reaktion auf eine abnormale Situation. Warum wird die PTBS dennoch als Krankheit geführt?

Liebe Leserin,

herzlichen Dank für Ihre freundlichen Worte und die spannenden Fragen.

Ganz grundsätzlich definieren wir eine Psychische Störung am empfundenen Leid. Also eher an der Tatsache, dass Betroffene selbst den Eindruck haben, dass etwas nicht mit ihnen stimmt und dass sie unter ihren Beschwerden leiden. Zu diesen Beschwerden gehören ständige Erinnerungen an das Erlebte mit den dazugehörigen belastenden Gefühlen. Dazu gehören auch Alpträume, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme, welche das Familienleben oder die Ausübung eines Berufes stark und dauerhaft beeinträchtigen. Das ausgeprägte Vermeidungsverhalten hindert Betroffene an einem freien Leben. All das verursacht für Betroffene Leid und ein Gefühl von Belastung. Das ist der Grund, warum die PTBS als psychische Störung bezeichnet wird. In der Regel heutzutage nicht mehr als Krankheit.

Ja, ich schreibe von einer gesunden Reaktion auf eine bedrohliche Situation, aus der es kein Entkommen gibt.

Normal“ finde ich persönlich ein unglückliches Wort.

Schließlich ist es durchaus normal, dass im Grunde fast jeder Mensch einmal in seinem Leben eine Erfahrung macht, die traumatisch wirken könnte. Insofern dürften wir das Wort „normal“ in diesem Zusammenhang nicht mehr benutzen. Normal heißt in der Psychologie ungefähr zwei Drittel von 100%. Also wenn zwei Drittel von 100% der Bevölkerung ein bestimmtes Verhalten zeigen, dann gilt das als „normal“. Das ist ein mathematischer, in diesem Fall ein statistischer Begriff.

Natürlich benutzen wir das Wort auch, wenn etwas für uns selbstverständlich oder sehr nachvollziehbar ist. Über Rot zu gehen ist dagegen durchaus normal, weil man es selbst auch schon oft getan hat.

Ich denke, dass diese Formulierung der Versuch von Wissenschaftlern war, dem Eindruck von Betroffenen zu entsprechen. Wenn Sie Opfer einer Straftat werden, dann finden Sie das nicht normal, weil es Ihnen in der Regel das erste Mal passiert ist.

Sie merken, das ist ein schwieriger Begriff in diesem Zusammenhang.

Deswegen sollten wir vielleicht genauer sagen, eine PTBS entsteht aus einer gesunden Reaktion auf eine bedrohliche Situation.

Die Diagnose der Posttraumatische Belastungsstörung wird in der Regel gestellt, wenn Sie als Betroffene sich so schlecht fühlen, dass Sie Hilfe dafür suchen.

Zum Thema Diagnosen stellen habe ich mich an anderer Stelle bereits ausgelassen.

Wir nennen Gruppen von psychischen Beschwerden (Schlafprobleme, Ängste, Erinnerungsattacken, Flashbacks…) inzwischen psychische Störung (PTBS, Depression, Psychose,…), weil wir die Ursache für diese Beschwerden im ungesunden / gestörten Ablauf psychischer Prozesse sehen. Gesund bedeutet dabei immer: So, dass es Ihnen damit gut geht.

Zum Beispiel geht es um psychische Prozesse wie die Ursachenzuschreibung.

Wenn wir als Menschen davon überzeugt sind, dass die Welt nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert, dann sehen wir die Welt auch so. Also wenn ich von einer Spinne gebissen werde (Ursache) ist es natürlich, dass ich Angst habe (Wirkung). Ich komme gar nicht auf die Idee, dass ich die Angst zufällig haben könnte.

Wir gehen von einer Ursache (Biss)-Wirkungs (Angst)-Beziehung aus, beispielsweise weil der Biss weh getan hat. Vielleicht habe ich die Spinne gesehen. Ich habe den Schmerz wahrgenommen und zusammen mit der Vorstellung, dass die Spinne giftig sein und ich sterben könnte, habe ich dann Angst bekommen. Also finde ich es logisch, dass ich Angst vor der Spinne habe. Allerdings würde sich das Ergebnis in dem Beispiel schon ändern, wenn ich sicher weiß, dass es nicht die Spinne war, die mich gebissen hat, sondern die Biene war, die mich gestochen hat. Oder das Ergebnis ändert sich, wenn ich mir sicher bin, dass die Spinne kein tödliches Gift hat oder wenn ich weiß, was ich gegen den Biss tun kann, um ihn unschädlich zu machen. All diese anderen Gedanken verändern das Erleben des Schmerzes im Zusammenhang mit dem Biss einer Spinne und damit auch das Entstehen von Angst vor Spinnen.

Ob ich also auf Spinnen mit Angst reagiere, hängt nicht allein vom Biss ab, sondern von vielen anderen Faktoren, die ich in meinem Kopf in Ursache- und Wirkungsbeziehungen zueinander setze. Menschen sind sehr komplex. Meine Erklärung gilt für das Beispiel mit der Spinne, nicht aber für Gewalterfahrungen durch Mitmenschen. Da wird es noch deutlich komplexer.

Dazu nächste Woche mehr…

Bis dahin viel Kraft für die nächsten Tage, Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Leserfrage: Wie wirkt sich das Nähe-Distanzverhältnis in der psychosozialen Beratung von Menschen mit einer diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus?

21.08.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Trauma-Informations-Zentrum

Liebe Leserin,

Eine Posttraumatische Belastungsstörung wirkt sich im Leben von Betroffenen an vielen Stellen aus. Lesen Sie dazu meine PTBS-Reihe. Ein Bereich sind Beziehungen und damit der Umgang mit Nähe und Distanz.

Eine PTBS von Klientinnen wirkt sich natürlich auch auf die Arbeit von Mitarbeitenden in psychosozialen Berufen aus. Ein wichtiger Faktor ist die Beziehung und damit das Thema „Nähe und Distanz“. Schauen wir uns das zusammen an.

Nähe und Distanz: Für PTBS-Betroffene

Über Nähe und Distanz drücken wir Respekt aus. Wir drücken Zuneigung darüber aus. Nähe und Distanz sind wichtige Faktoren für unsere Sicherheit. Nur in körperlicher Nähe kann man Gewalt ausüben. Sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt geht nur über Nähe und Anfassen.

Zu viel Nähe empfinden wir als respektlos. Wir fühlen uns bedroht, wenn uns jemand zu nahekommt und wir das nicht wollen.

Zu viel Distanz gibt uns vielleicht das Gefühl von Einsamkeit oder auch von Schutzlosigkeit, von Verlust.

Ganz besonders spielt dieses Thema eine Rolle, wenn PTBS-Betroffene Opfer von menschlicher Gewalt wurden. Im Gegensatz zu Betroffenen von Naturkatastrophen oder Kriegserfahrungen ganz allgemein. Wenn Körperlichkeit eine besondere Rolle bei der Traumatisierung gespielt hat, beispielsweise durch Verletzungen oder traumatische Operationserfahrungen, kann Nähe und Distanz oder Berührung ebenfalls ein schwieriges Thema sein.

Nähe und Distanz: In der Arbeit mit PTBS-Betroffenen

Für Helfer bedeutet es in erster Linie, dass zu viel Nähe Erinnerungsattacken auslösen können. Nähe kann also eine Warnreaktion bewirken. Ich erkläre das gerne mit den Worten: „Das Hirn verwechselt die Situation gerade. Ich bin nicht der Täter oder die Täterin und deswegen wird jetzt nichts passieren. Sie sind sicher.“

Wenn die Erinnerungsattacke schon am Laufen ist, kann man versuchen, Betroffene mit der Hier und Jetzt Übung dabei zu unterstützen, den Flashback zu beenden.

Flashbacks können wir weder in der therapeutischen noch in der beratenden Tätigkeit vollständig verhindern.

Foto von GM Rajib von Pexels

Das ist in meinen Augen auch nicht das Ziel. Betroffene wollen lernen, Flashbacks möglichst schnell wieder zu beenden und dadurch zu erleben, dass sie sehr wohl Kontrolle darüber hat, was das Hirn mit Ihnen macht. Flashbacks hören irgendwann wieder auf. Wie das geht, lernt man in einer Traumatherapie.

Grundsätzlich ist es aber einfach. Wenn wir als Helferinnen einfach fragen, was noch okay ist und was nicht, sind wir auf der sicheren Seite. Wenn wir den Abstand respektieren, den der andere benötigt, sollte es okay sein. Wir können den anderen in der Beratung und in der Therapie viele kleine Dinge entscheiden lassen, zum Beispiel die Sitzposition oder ob unser Gegenüber etwas zu trinken möchte oder nicht.

Eine PTBS beeinträchtig nicht die Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Symptome sind schlimm, aber Betroffene leben in der Regel schon eine Weile damit und haben oft herausgefunden, wie sie Flashbacks vermeiden können oder was ihnen guttut oder nicht. Danach können Sie als Beratende erstmal fragen und das berücksichtigen, um Ihrer Beratungstätigkeit nachzugehen.

Was wenn der oder die Betroffene seinen oder ihren Körper nicht spürt?

Wenn Betroffene eine kPTBS (komplexe Posttraumatiche Belastungsstörung) haben, also komplex traumatisiert sind, dann kann es sein, dass man demjenigen über viele Jahre hinweg abgesprochen hat, selbst zu entscheiden, was noch angenehm ist oder eben auch nicht. Welche Berührungen er oder sie mochte und welche eben nicht. Wenn die Grenzen eines Menschen wieder und wieder ignoriert wurden oder vielleicht sogar mit Gewalt auf den Versuch reagiert wurde, sich zu wehren, dann kann es besonders schwierig sein eine respektvolle Zusammenarbeit herzustellen.

Dann ist es umso wichtiger Abstand zu halten und auf kleinste Anzeichen von Angst und Rückzug zu achten. Ein anderer Anhaltspunkt für einen guten Abstand ist, was wir selbst noch angenehm finden und im Zweifel darauf noch eine Armlänge dazuzurechnen.

Lieber ein wenig mehr Abstand als zu viel Nähe.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit, Ihre Stefanie Rösch

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Ihre Stefanie Rösch

Jeder Mensch ist eine Stadt: Dissoziative Identitätsstörung in Bildern erklärt. (Teil 5)

17.07.2021 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare
Photo by intraNature from Pexels

Die Rolle von Auslösereizen / Triggern

Und dann kommt es nun auch häufiger vor, dass ich mich zum Beispiel zu Hause voll fertig von der Arbeit auf das Sofa schmeiße und mein Hund mir Trost und Halt gibt. Im nächsten Moment stehe ich plötzlich am Fluss in Outdoorkleidung, die ich zuvor nicht anhatte.

Eine Leserin

Bei diesen Erfahrungen geht es darum, darauf zu achten, was das Letzte ist, woran Sie sich erinnern, bevor sie „plötzlich“ woanders sind. In der Regel ist es so, dass es ein „Signal“, einen „Code“, also einen Auslösereiz für dieses Verhalten gibt. Das ist so, als wenn der Feind einem seiner Spione anruft und dem Spion den Befehl gibt, sich mit ihm da oder dort zu treffen. Daraufhin schmeißt der Spion Sie ins Dunkle-Loch-Gefängnis, zieht sich an und geht los. Es ist mühsam diesen Moment mitzubekommen. Aber im Grunde gibt es immer ein Signal (= Auslösereiz)

Bewusstlosigkeit als Symptom

Ich kippe auch öfter einfach um. Aber körperlich wurde alles abgeklärt. Da bin ich super fit.

EIne Leserin

Bewusstlosigkeit tritt als letzte Reaktion des Körpers auf zu viele Reize auf. Wenn die Bedrohung zu lange und zu schlimm ist, dann sagt der Körper und das Hirn: „Ich kann nicht mehr“ und zieht vollends die Sicherung raus. Dann hat die Stadt einen vollkommenen Stromausfall. Der Vorteil ist, dass in diesem Zustand, keine Erinnerungen mehr entstehen. Der Nachteil ist, dass Sie nicht wissen, was in dieser Zeit mit ihrer Stadt (= Körper) geschehen ist. Das ist für viele Menschen sehr belastend.

Wenn die Bewusstlosigkeit im Alltag auftritt, dann auch nur, wenn es einen Auslösereiz (= Trigger) dafür gibt. Insofern können Sie auch hier nur immer wieder überlegen, was das Letzte war, bevor Sie umgekippt sind. Vielleicht können Sie Ihr Bürger-Team um Hilfe bitten, sich besser erinnern zu können?

Mögliche Ursachen für Kopfschmerzen

Photo by Felix Mittermeier from Pexels

Dasselbe mit Kopfschmerzen, die ich eigentlich immer habe und mal mehr mal weniger und man medizinisch einfach nichts findet.

Eine Leserin

Kopfschmerzen sind sehr häufig, weil Traumafolgestörungen immer mit vermehrten Stressreaktionen und mit starker Anspannung einhergehen. Das heißt, die Kopfschmerzen können von der ständigen Anspannung sein. An dieser Stelle könnten Entspannungstechniken oder ganz normal ein Schmerzmittel helfen.

Kopfschmerzen können aber auch reiner Flashback (= Erinnerungsattacken = Fehlalarme) sein. Das würde bedeuten, dass etwas passiert ist, wobei sie ebenfalls Kopfschmerzen hatten. Also zum Beispiel kann ein Schlag Kopfschmerzen gemacht haben. Ein Schmerzmittel hilft bei dieser Art Kopfschmerzen oft nicht. Dafür werden die Kopfschmerzen besser, wenn es Ihnen gelingt, sich zu vergewissern, dass Sie jetzt gerade in Sicherheit sind. Also schauen Sie sich um, gehen Sie durch die Wohnung und reden Sie laut mit sich, was Sie sehen und hören und sagen Sie sich „Ich bin jetzt sicher. Es ist vorbei.“

Manchmal entstehen die Kopfschmerzen auch, weil einfach zu viel los ist im Kopf. Das macht dann auch zu viel Stress und damit Anspannung. Dann könnte sowas wie die Übung „Der Sichere Ort“ helfen, mit Ihrem Hund spielen oder Basteln. Etwas tun, das Sie gerne tun und worauf Sie sich konzentrieren können. Ein Schmerzmittel könnte hier möglicherweise auch helfen.

Nächste Woche …

… fällt es anderen Menschen auf, dass etwas nicht stimmt und plötzlich tauchen auch noch unterschiedliche Handschriften in den Therapieaufschreiben auf. Wenn Sie den ganzen 15-seitigen Artikel zusammen mit weiteren Artikeln zum Thema, sowie exklusiven Arbeitsmaterialien im Umfang von insgesamt 40 Seiten Information lesen wollen, können Sie den Artikel für 3 Euro in unserem Shop kaufen.

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Ihre Stefanie Rösch

Jeder Mensch ist eine Stadt: Dissoziative Identitätsstörung in Bildern erklärt. (Teil1)

19.06.2021 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Inzwischen häufen sich die Fragen rund um das Thema Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und all die damit verbundenen Beschwerden wie Stimmen im Kopf, Bewusstlosigkeit, Selbstverletzendes Verhalten, Erinnerungslücken, extreme Erinnerungsattacken und andere Formen dissoziativen Erlebens.

Mit dieser Artikelreihe unternehme ich den Versuch, ein wenig Licht in dieses dunkle Thema zu bringen.

Da es insgesamt mehr als 15 Seiten Informationen sind, habe ich für alle Ungeduldigen diese 15 Seiten, zusammen mit weiteren Artikeln zu diesem Thema, sowie ein paar exklusiven Arbeitsmaterialien zu einem knapp 40-seitigen Informationspaket zusammengestellt, das für 3 Euro unter diesem Link ab sofort zu erstehen ist. Danke für die Unterstützung meines Blogs. Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, einige Angst macht, wenn Sie merken, dass verschiedene Dinge bei Ihnen anders sind als bei den Menschen um Sie herum.

Dieser Artikel ist mein Versuch, Ihnen ein hoffnungsvolles Bild dafür zu geben, was in Ihnen geschieht und warum das so ist. Da es dabei um sehr komplizierte psychologische Prozesse geht, werde ich auf Bilder zurückgreifen. Bilder helfen abstrakte, nicht direkt beobachtbare Abläufe vorstellbar und damit verstehbar zu machen. Je nach Frage, gibt es unterschiedliche Bilder, auf die ich zurückgreife. Suchen Sie sich das passende Bild für sich heraus. Fangen wir mit einem an:

Ein Mensch ist wie eine Stadt

Eine Stadt mit einer Bürgermeisterin und vielen Bürgern. Sie sind die Bürgermeisterin. Bürger sind unsere körperlichen und psychischen Bedürfnisse, unsere automatischen Gedanken, unsere Filter, mit denen wir Reizen eine Bedeutung geben, unsere Bewältigungsstrategien und auch unsere Erinnerungen. Die Stadt selbst ist der Körper, in dem das alles stattfindet.

Wenn die Stadt angegriffen wird, ist es die Aufgabe der Bürgermeisterin, die Stadt zu beschützen und für Sicherheit zu sorgen. Wenn aber die Bürgermeisterin noch zu jung ist und der Angriff zu übermächtig, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger mithelfen, die Stadt und ihre Bürgermeisterin zu verteidigen und zu schützen. Wenn es mehrere Angriffe gibt, dann kann es sein, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr geübt darin sind, ihre Bürgermeisterin zu beschützen. Dann darf die Bürgermeisterin gar nicht mitkämpfen, sondern wird manchmal von ihren eigenen Bürgern eingesperrt, in einen Panikraum. Dort bekommt sie nicht mehr mit, wie ihr Bürger-Team die Stadt verteidigt. Aus diesem Grund weiß sie auch nicht, welcher Bürger welche Rolle bei der Verteidigung der gemeinsamen Stadt spielt.

Wenn die Belagerung andauert

Wenn die Belagerung der Stadt lange Zeit andauert, kann es passieren, dass es den Angreifern (=Tätern) gelingt, Spitzel in die Stadt einzuschleusen. Spitzel heißen in Psychologensprache Täterintrojekte. Dieses Wort beschreibt psychologische Funktionen, die Täterverhalten schützen anstatt die Stadt und ihre Bürgermeisterin. Diese Spione können sich in der Stadt in Positionen bringen, in denen sie die Stadt steuern, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger das so richtig merken. Die Bürgermeisterin kann sich dann immer wieder frei in ihrer Stadt bewegen, solange es eben keine Angriffe gibt. Bei einem Angriff wird Sie von ihren besorgten Bürgern schnell wieder im Panikraum eingesperrt, damit sie sicher ist, während ihr treues Volk für sie kämpft.

Wenn das so ist, dann denkt die Bürgermeisterin zwar, sie wäre die Chefin in ihrer Stadt, aber eigentlich hat ihr Volk die Regierung übernommen, zumindest was das zentrale Thema Sicherheit angeht. Später vertraut das Volk seiner Bürgermeisterin nicht mehr, dass diese für Sicherheit sorgen kann. Auch wenn die Bürgermeisterin inzwischen erwachsen und damit größer, stärker und erfahrener geworden ist. Die Bürgermeisterin denkt auch, dass sie nicht für Sicherheit sorgen kann. Deswegen geht sie ohne das Verhalten ihres Volkes in Frage zu stellen in den Panikraum, wenn ihre Beschützer ihr das sagen und sie schnell dorthin bringen. So fühlt sie sich sicher genug, um in der restlichen Zeit zu arbeiten, zu essen, zu trinken und andere Dinge zu tun.

Die Bürgermeisterin spürt irgendwann, dass etwas nicht stimmt

Allerdings geht es der Bürgermeisterin nicht gut mit dem Panikraum und ihrem eigenmächtigen Bürger-Team. Sie spürt einfach, dass etwas nicht stimmt. Sie hat nicht gemerkt, wie sie die Macht über ihre Stadt verloren hat, aber sie spürt durch Spaziergänge außerhalb der Stadtmauern und durch Begegnungen mit anderen Menschen aus anderen Dörfern, dass bei ihr irgendwas anders ist. Aber sie weiß trotzdem nicht so recht, was los ist und was sie tun könnte, um das zu ändern. Irgendwann geht es ihr so schlecht, dass sie ihre Stadt verlässt und nach Hilfe sucht.

Sie sucht und findet Hinweise auf Mentoren, Lehrerinnen und externe Beraterinnen (= Psychotherapeutin). Die Bürgermeisterin will lernen, wie sie wieder besser regieren und für ihre Bürgerinnen und Bürger sorgen kann. Es ist ihr noch nicht klar, dass sie dafür lernen muss, ihre Stadt vor Gefahren zu schützen und wie das geht.

Irgendwann trifft sie auf eine externe Beraterin (=Therapeutin).

Die externe Beraterin bringt ihr das eine oder andere bei, damit sie nicht immer in den Panikraum flüchten muss. Sie sorgt dafür, dass die Bürgermeisterin einen Hund bekommt, der sie daran erinnert, dass sie die Bürgermeisterin ist. Vor allem dann, wenn die ängstlichen Bürgerinnen und Bürger ihre Bürgermeisterin in den Panikraum bringen wollen, obwohl es gar keine Gefahr gibt. Mit der Zeit lernt die Bürgermeisterin, dass nicht immer alles gefährlich ist, auch wenn ihre Bürger sich so verhalten und sie in Sicherheit bringen wollen, obwohl es gar keine Gefahr gibt.

Die Bürger sind so ängstlich geworden, dass sie bei allem ständig überall Gefahr sehen und gar nicht mehr prüfen, ob es ein echter Angriff ist oder aber ein Fehlalarm. Das ist das erste, was die Bürgermeisterin lernen will, echte Angriffe von Fehlalarmen zu unterscheiden. Gleichzeitig will sie unbedingt lernen, wie sie ihre Stadt beschützen kann, damit ihre Bürgerinnen und Bürger wieder ihrem normalen Leben nachgehen können. Denn es ist die Aufgabe der Bürgermeisterin, die Stadt zu beschützen. Eine verantwortungsvolle Bürgermeisterin sorgt dafür, dass ihre Bürger genügend zu essen und zu trinken haben. Sie ist dafür zuständig, gute Beziehungen zu ihren Nachbarn zu unterhalten und ihren Bürgerinnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Leider waren ihre Lebensumstände so, dass sie niemanden hatte, der ihr beibrachte, was eine Bürgermeisterin können muss, um gut für ihre Bürgerinnen und Bürger sorgen zu können. Das ist sehr traurig. Jedoch kann die Bürgermeisterin alles lernen, was notwendig ist, um diesen Job zur Zufriedenheit ihrer Bürgerinnen und Bürger und zu ihrer eigenen Freude ausführen zu können

Nächste Woche …

… wird es darum gehen, wie das mit den Feinden (Tätern) funktioniert, wie die Bürgermeisterin ihre Stadt befreien kann und warum Wissen Macht ist. Wenn Sie den ganzen 15-seitigen Artikel zusammen mit weiteren Artikeln zum Thema, sowie exklusiven Arbeitsmaterialien im Umfang von insgesamt 40 Seiten Information lesen wollen, können Sie den Artikel für 3 Euro in unserem Shop kaufen.

Wenn Ihnen meine Seiten Unterstützung sind, freue auch ich mich über eine freiwillige Gabe.
Sie können diese Internetseite und im Besonderen diesen Blog über meinen PayPal-Link fördern.
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Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Wie gehe ich mit dem Hin und Her in der Beziehung zu meiner Freundin mit komplexer PTBS um?

01.04.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Guten Tag,

meine Freundin ist seit sechs Wochen wegen ihrer komplexen PTBS in einer Klinik.

Am Anfang der Therapie suchte sie zu mir den Kontakt und brauchte ihn sehr. Gleichzeitig versuchte sie immer wieder Abstand zu haben. Wir telefonierten viel und schickten uns Nachrichten. Nach zwei Wochen trennte sie sich von mir. Sie begründete diesen Schritt damit, sie bräuchte eine Pause. Sie könne gerade nicht damit umgehen, dass jemand sie liebt und sie deswegen braucht. Sie könne keine Verantwortung für die Beziehung übernehmen.

Ich weiß, wie schwer ihr das gefallen ist und wie überfordert sie mit dieser Situation war. Sie hat sehr viele Gefühle für mich. Nach mehreren Jahren hin und her mit ihrem letzten Freund, trennte sie sich und kam mit mir zusammen.

Seitdem ging es ihr immer schlechter und schließlich wurde die PTBS diagnostiziert. Zwischen uns lief es gut, allerdings konnte sie nur noch mit mir Kontakt haben. Sie zog sich von ihren Freunden zurück. Ende letzten Jahres wurde sie krankgeschrieben und ist seitdem arbeitsunfähig.

Ich habe mich vor dem Klinik-Aufenthalt intensiv um sie gekümmert und war immer für sie da. Sie brauchte mich sehr. Wir hatten einen liebevollen und vertrauten Umgang. Wir sprachen auch über Zukunftspläne.

Die Trennung sprach sie in einer kühlen, sachlichen Mail aus. Wir telefonierten anschließend per Video. Sie bekräftigte die Trennung mehrfach, nahm sie aber auch mehrfach zurück als sie merkte, wie sehr mich das überforderte.

Sie brach das Telefonat ab und ging ins Stationszimmer, weil es ihr sehr schlecht ging. Später an dem Tag schrieb sie, dass sie „kurz Pause“ brauche.

Seitdem ist so eine Art Schwebezustand eingetreten. Ich bin ratlos. Ich habe seit zwei Wochen keinen Kontakt zu ihr, bis auf eine kurze Nachricht, dass in ihrer Wohnung alles ok ist. Sie bedankte sich. Dann wieder nichts mehr.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun? Soll ich sie weiter in Ruhe lassen. Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Ich beschäftige mich seit Wochen sehr mit komplexer PTBS, finde auch vieles dazu an Lektüre, aber nirgends finde ich Rat, wie ich mich in so einer Situation als Partner verhalten soll.

Ich schwanke hin und her zwischen „Beziehung aufgeben“ und „auf sie warten“. Ich muss auch schauen, was für mich gesünder ist, egal wie sehr ich sie liebe. Ich weiß nicht, wann sie wieder zurückkommt. Ich weiß nicht, wie ich mich in den nächsten Wochen verhalten soll und kann.

Trauma-Informations-Zentrum

Lieber Leser,

Ihre Schilderung macht sehr deutlich, wie schwierig die Situation für Sie ist und wie Sie versuchen, mit dieser Herausforderung umzugehen. Bevor ich ihre Fragen konkret beantworte, möchte ich ein paar Worte zum Thema komplexe PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) schreiben.

Was ist eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung?

Belastende Lebenserfahrungen wirken auf zwei Ebenen. Die Wirkung auf den Körper/Hirn bewirkt die Beschwerden der Posttraumatischen Belastungsstörung mit Erinnerungsattacken, häufig dissoziativem Erleben (Notabschaltung), erhöhter Erregung und vor allem Vermeidungsverhalten, weil die Erinnerungsattacken so unangenehm sind.

Belastende Erfahrungen, vor allem wenn sie häufig geschehen und früh im Leben ertragen werden müssen, bewirken, dass wir die Welt und uns selbst auf eine bestimmte Weise sehen. Es ist als wenn man die Welt und sich selbst durch Filter sieht, die nur bestimmte Informationen durchlassen. Das macht es oft schwer, gesunde Beziehungen zu leben. Misstrauen in den anderen oder ein übersteigertes Verantwortungsgefühl sind zwei sehr häufige Filter, die Beziehungen erschweren. Ein Filter ist eine Überzeugung, die bewirkt, dass wir Informationen durch diese Überzeugung wahrnehmen und bewerten. Diese Filter oder Überzeugungen werden auch als Glaubenssatz oder Affirmation bezeichnet.

Filter bestimmen, wie wir Informationen verstehen

Foto von Susanne Jutzeler von Pexels

Ich könnte zum Beispiel davon überzeugt sein, dass ich dafür verantwortlich bin, dass es dem anderen gut geht. Wenn ich das glaube, dann werde ich besonders darauf achten, wie es dem anderen geht. Bemerke ich, dass es dem anderen nicht gut geht, neige ich dazu zu glauben, dass es an mir liegt. Ich werde versuchen, den anderen aufzumuntern. Wenn ich Glück habe, dann gelingt mir das. Wenn nicht, dann werde ich mich schlecht, hilflos und womöglich noch schuldig fühlen.
Wenn mein Partner ebenfalls davon überzeugt ist, für meine Gefühle verantwortlich zu sein, könnte es ja sein, dass er bereits gemerkt hat, wie anstrengend und erschöpfend das ist und wie oft er sich deswegen hilflos fühlt. Wenn er für sich sorgen will, weil er einfach nicht mehr kann, würde er sich erstmal zurückziehen.

Einfach, um etwas anderes auszuprobieren, anstatt so wie immer zu reagieren. Bisher hat er immer versucht, mich aufzumuntern oder es mir Recht zu machen. Jetzt zieht er sich zurück, um in Ruhe zu spüren, wie es ihm damit geht, dass es mir nicht gut geht. Vielleicht kommt er dann zu dem Schluss, dass er gar nicht für meine Gefühle verantwortlich ist. Alleine dieser Gedanke könnte ein Gefühl von Erleichterung bewirken. Und er könnte sich überlegen, wie er anders damit umgehen kann, wenn es mir schlecht geht.

Filter schicken uns in Hamsterräder

Foto von ROMAN ODINTSOV von Pexels

Wenn beide Partner glauben, für die Gefühle des anderen verantwortlich zu sein, kann das im Alltag zu unglücklichen Situationen führen. Zum Beispiel:

Der eine fühlt sich schlecht, weil er eine PTBS hat. Der andere versucht zu helfen. Aber weil es eine PTBS ist, greift die Hilfe nicht. Er kann nur ohnmächtig zuschauen, wie es dem anderen immer schlechter geht. Das bewirkt, dass die Person ohne PTBS, aber mit der gleichen Überzeugung (Filter) sich überfordert fühlt. Sie möchte, dass es dem anderen besser geht, kann aber nichts tun. Die Person mit PTBS möchte ebenfalls, dass es dem Partner gut geht, kann aber nichts tun, weil sie PTBS hat. Sie fühlt sich zusätzlich schlecht, weil sie glaubt, dass der andere sich wegen ihr schlecht fühlt.

Jetzt sind beide in einem Hamsterrad. Jeder sieht die Situation aufgrund seines Filters, kann aber nichts tun, weil die Überzeugung verhindert, andere Lösungen zu finden.

Noch ein Beispiel:

EIn Beispiel, Hamsterrad, Filter: Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer
(c) Stefanie Rösch, 2021

Wie kommt man aus einem Hamsterrad wieder raus?

Foto von Johannes Plenio von Pexels

Jetzt kommen wir zur Beantwortung ihrer Frage: Sie wollen wissen, was Sie tun können? Sie wissen schon, dass sie für sich sorgen müssen. Das ist unser aller Pflicht: Zuerst für uns zu sorgen, damit wir gut für die da sein können, die wir lieben.

Liebe ist selbstlos. Das heißt, die Liebe sieht nur, was der andere zum Glücklichsein braucht. Sie respektiert den anderen bedingungslos und erträgt auch den Schmerz, wenn der andere für sein Glück vorübergehend oder dauerhaft allein weiterleben möchte. Das ist die schwerste Form: Den anderen in Liebe gehen lassen. Aber das wissen Sie ja schon.

Zum Hamsterrad gehören immer zwei

Aus dem Hamsterrad kommt man am besten raus, wenn man akzeptiert, dass immer zwei dazu gehören. Wir alle haben Filter, sprich Überzeugungen, die unsere Wahrnehmungen filtern. Wir alle haben gelernt, auf bestimmte Reize mit bestimmten Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu reagieren. Wir alle haben die Möglichkeit, unser Verhalten, unsere Gefühle und unsere Gedanken zu hinterfragen.

Als Menschen können wir uns selbst hinterfragen. Welche Lebenserfahrungen haben dazu geführt, dass wir zum Beispiel davon überzeugt sind, für die Gefühle von anderen verantwortlich zu sein? Andere häufige Überzeugungen sind: Ich bin wertlos, ich bin nicht liebenswert, niemand glaubt mir, niemand interessiert sich für mich, ich werde nur geliebt, wenn ich es dem anderen Recht mache und so weiter.

Überzeugungen sind schwer zu entdecken. Manchmal geht das nur mit einem Therapeuten oder in einer Klinik. Ganz besonders wenn die Überzeugungen zusammen mit einer PTBS auftreten. Manchmal kann man das nur über Abstand herausfinden.

Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Die Klinik sollte Ihnen aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB und Verschwiegenheit) keine Auskunft geben. Insofern können Sie es lassen.

Soll ich sie weiter in Ruhe lassen?

Im Moment ja. Sie können ihr einen Brief schreiben. Darin können Sie sagen, wie Sie die Situation gerade erleben. Was Sie brauchen. Zum Beispiel einmal die Woche ein Lebenszeichen. Übernehmen Sie volle Verantwortung für Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihr Handeln. Das klingt einfacher, als es ist. Sie könnten ihrer Freundin sagen, dass sie nicht dafür verantwortlich ist und auch keine Schuld daran hat, wenn Sie überfordert sind. Versuchen Sie herauszufinden, welche Überzeugungen für Sie zentral sind. Es ist gut, das zu wissen. Situationen, in denen wir sehr emotional reagieren sind ein guter Hinweis dafür, dass gerade ein alter Filter aktiv ist. Übermäßig starke Gefühle sind sozusagen ein Indiz für einen aktiven Filter. Wenn wir wissen, warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen, können wir leichter Verantwortung dafür übernehmen.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun?

Ja, sie können Ihre Freundin unterstützen – wenn sie es will und wenn Sie keine Gegenleistung erwarten. Die beste Unterstützung für ihre Freundin ist, wenn Sie selbstlos handeln können.

Lassen Sie ihre Freundin bestimmen – so lange es Ihnen damit gut geht. Fragen Sie, was sie von Ihnen braucht, was ihr guttut. Geben Sie ihr die Freiheit herauszufinden, was sie will und braucht. Erwarten Sie, dass der Heilungsweg bei einer komplexen PTBS oft Jahre dauert. Selten ist es mit einem Klinikaufenthalt getan.

Deswegen ist es immer auch gut, selbst Unterstützung zu haben. Gehen Sie diesen Weg nicht alleine. Freunde und Freundinnen sind gute Begleiter.

Für Ihren Weg wünsche ich Ihnen viel Kraft,

Ihre Stefanie Rösch

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Inhalte dieser Seiten ein. Herzlichen Dank für Ihr soziales Engagement und Ihre Großzügigkeit.
Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Einbruch und PTBS

14.03.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Kann ein Hauseinbruch, bei dem der Bewohner selbst nicht im Haus war, bei diesem eine PTBS verursachen? Obwohl somit nicht lebensbedrohlich?

Foto von Visually Us von Pexels

Liebe Leserin,

Ihre Frage wirft verschiedene weitere Fragen auf.

  1. Ihre Frage wirft die Frage nach dem Traumakriterium auf. Eine Posttraumatische Belastungsstörung gehört zu den wenigen psychischen Störungen, für deren Diagnose ein auslösendes Ereignis notwendig ist. Wie lautet dieses Kriterium und fällt ein Hauseinbruch, bei dem der Bewohner nicht daheim ist, darunter?
  2. Eine zweite Frage betrifft das Thema von psychischer Belastung durch Einbrüchen.
  3. Und eine dritte Frage ist, warum brauchen wir überhaupt Diagnosen?

Warum brauchen wir Diagnosen?

Grundsätzlich gibt es zwei Systeme, nach denen wir psychische Störungen diagnostizieren. Das eine heißt Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Das ICD wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben.

Und das andere heißt Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM). Das DSM wird von der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) herausgegeben.

In Deutschland ist für das Gesundheitssystem das ICD das entscheidende Klassifikationssystem. Wann immer die Krankenkassen eine Leistung übernehmen, hat irgendeine Fachperson einen ICD Code vergeben. Das ist ein Grund für eine Diagnose.

Wir brauchen Diagnosen auch, um uns als Fachleute schnell über komplexe Sachverhalte unterhalten zu können. So können wir viele Informationen austauschen, die sich alle hinter einer Störungsbezeichnung verbergen. Zum einen über die Entstehung einer Störung, über deren häufige Beschwerden, deren Verlauf und auch über deren Behandlungsmöglichkeiten.

Diese Klassifikationssysteme werden laufend anhand aktueller Erkenntnisse weiter ausgearbeitet und angepasst. Im Abstand von mehreren Jahren kommen Revisionen heraus. Insofern gibt es aktuell das DSM in seiner fünften Überarbeitung und beim ICD steht die elfte Überarbeitung vor der Tür. In beiden Versionen wurde das Traumakriterium für die Neufassung geändert.

Posttraumatische Belastungsstörung: Das Traumakriterium

Foto von Caleb Kwok von Pexels

Um eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren zu können, müssen verschiedene Beschwerden (Symptome) erfüllt sein. Darunter auch das Erleben eines auslösenden Ereignisses. Das ist das Traumakriterium.

Schauen wir uns die beiden Klassifikationen für das Traumakriterium im Vergleich an.

Das Traumakriterium im ICD

ICD 10: Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)ICD 11: Posttraumatische Belastungsstörung (F 6B40)  
Die PTBS entsteht als eine verzögerte oder über einen längeren Zeitraum andauernde Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß,

die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.  
Die PTBS entsteht als Reaktion auf ein extrem bedrohliches oder katastrophales Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen.





Tabelle 1: Das Traumakriterium im ICD, alte Fassung gegenüber neuer Fassung

Im ICD-10 wurde noch berücksichtigt, dass Menschen ganz unterschiedlich auf belastende und bedrohliche Ereignisse reagieren. In der Neufassung wurde das subjektive Erleben herausgelassen. Hier geht es nur noch um ein „objektives“ Kriterium. Denn wer legt fest, was extrem bedrohlich oder katastrophal ist? Hier maßen sich Fachpersonen an, sie wüssten wie jemand ein bestimmtes Ereignis erlebt. Die Anmaßung liegt natürlich bei den Fachleuten, welche diese Kriterien festlegen. Aber auch bei denen, die im Alltag Menschen unterstützen wollen, die ganz unterschiedliche Erfahrungen machen mussten. Diese Fachleute müssen sich an die Diagnose-Kriterien halten und deswegen eine Einschätzung festlegen.

Das Traumakriterium im DSM

DSM-IV: Posttraumatische BelastungsstörungDSM-V: Posttraumatische Belastungsstörung
Die Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, bei dem die beiden folgenden Kriterien vorhanden waren: Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung oder Gefahr der körperlichen Unversehrtheit durch ein oder mehrere Ereignisse
(1) Selbst erlebtes Ereignis: der eigenen Person oder
(2) Beobachtetes Ereignis: anderer Personen

Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.  



Konfrontation mit tatsächlichem oder drohenden Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten
(1) Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse
(2) Persönliches Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse bei anderen Personen
(3) Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind (Unfall / Gewalt)
(4) Erfahrung wiederholter/ extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren traumatischen Ereignissen. Beachte: Konfrontation durch TV und Medien erfüllen das Kriterium 4 nicht, es sei denn es ist berufsbedingt.  
Tabelle 2: Das Traumakriterium im DSM, alte Fassung gegenüber neuer Fassung

Im DSM hat man in der Neufassung ebenfalls das subjektive Erleben der belastenden Erfahrung weggelassen. Auch hier entscheiden letztendlich Fachpersonen darüber, ob etwas traumatisch war oder nicht. Unabhängig vom subjektiven Erleben.

Ich bin der Meinung, dass diese Veränderungen in den Diagnosekriterien das fehlende Störungsmodell für die PTBS wiederspiegelt. Die Kriterien werden anhand von klinischen Beobachtungen oder wissenschaftlichen Befragungen zusammengestellt. So versuchen wir als Fachleute, Gruppen von Beschwerden zusammenzufassen, um anhand von Diagnosen entsprechend wirkungsvolle Therapieangebote machen zu können. So der Plan.

Mein Stressmodell (Video in meinem YouTube-Kanal) erklärt, wie es zu einem Erleben kommt, dass in der Folge zu PTBS-Symptomen führen kann. Aus meiner Erfahrung ist das Kriterium für das erhöhte Risiko einer PTBS nach einer belastenden oder bedrohlichen Lebenserfahrung die subjektive Begegnung mit dem Tod. Ich nenne das, dem Tod ins Gesicht sehen. Dieser Moment entscheidet darüber, ob das Gehirn in einen Ausnahmezustand (Notabschaltung) gerät, in dem die Erinnerungen an das Ereignis so abgespeichert und verarbeitet werden, wie PTBS-Betroffene es dann erleben: Als Warnreaktion mit belastenden Fehlalarmen in Form von sich aufdrängenden Erinnerungen als der Beschwerde, die am meisten belastet.

Folgen von Einbrüchen in Wohnungen und Häuser

Foto von Kendall Hoopes von Pexels

Gerade Wohnungseinbrüche stellen eine Gruppe von Ereignissen dar, die subjektiv sehr unterschiedlich erlebt werden können.

Natürlich würde man erstmal davon ausgehen, dass wenn der Einbruch in Abwesenheit der Bewohner stattgefunden hat und damit keine direkte, lebensbedrohliche Situation entstanden ist, keine PTBS-Symptomatik entstehen sollte. Andere Beschwerden mit Bezug auf den Einbruch kann es trotzdem geben, aber eben keine Posttraumatische Belastungsstörung. Sehr wohl können Ängste entstehen, auch Ängste die man als psychische Störung diagnostizieren kann (Anpassungsstörung oder Phobie als Beispiel).

Wenn es eine PTBS-Symptomatik gibt, also sich aufdrängende Erinnerungen, dann würde ich das erstmal als Hinweis sehen, dass die betroffene Person durchaus eine subjektiv lebensbedrohliche Erfahrung gemacht hat. Ich würde mich dafür interessieren und versuchen herauszufinden, worin die Lebensbedrohung bestand, durch die es zu den sich aufdrängenden Erinnerungen kommt. Dabei sind die Erinnerungen das zentrale Symptom. Alle anderen Beschwerden leiten sich daraus ab. (–> Meine PTBS-Reihe mit ausführlichen Erklärungen finden Sie hier.)

Das heißt, wenn es sich aufdrängende Erinnerungen gibt, dann ist das das zentrale Symptom der PTBS. Dann geht es im Grunde darum zu verstehen, was genau die betroffene Person als lebensbedrohlich erlebt hat. Denn aus meiner Erfahrung heraus, entstehen Erinnerungsattacken nur dann, wenn die Person dem Tod ins Gesicht gesehen hat. Es geht also nicht in erster Linie um das Ereignis, sondern um die Erinnerungsattacken in der Folge.

Andere, belastende Folgen von Wohnungseinbrüchen

Sieht man von der PTBS als Folge von Wohnungseinbrüchen ab, dann wird schnell deutlich, dass ein Wohnungseinbruch ein sehr belastendes Ereignis sein kann. Wollinger und andere (2014) befragten für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) knapp 1400 Personen aus fünf Großstädten. Die Ergebnisse können Sie im Bericht Wohnungseinbruch: Tat und Folgen / Ergebnisse einer Betroffenenbefragung in fünf Großstädten nachlesen. Der Bericht enthält spannende Informationen über typische Tatabläufe von Wohnungseinbrüchen. In nur 20% der Einbrüche war überhaupt ein Bewohner im Haus . Einbrecher wollen also lieber einbrechen, wenn niemand da ist.

Die Untersuchung befragte ihre teilnehmenden Personen auch, welche psychischen Folgen der Einbruch hatte. Betroffene schildern unter anderem folgende Beschwerden, die auch noch Monate nach dem Einbruch bestehen können:

„Dreiviertel der Befragten (75,3 %) fühlten sich aufgrund der Tat in ihrer gewohnten Umgebung unsicher. Bei fast der Hälfte(46,5 %) hielt dies längere Zeit an. Gefühle der Macht- und Hilflosigkeit wurden ebenfalls von über der Hälfte der Betroffenen berichtet, wobei diese ebenfalls recht häufig langfristig bestanden. Weiterhin wurden häufig Stress und Anspannung als Folge des Erlebten angegeben. Der Wohnungseinbruch löste daneben bei zwei von fünf Befragten starke Angstgefühle aus. Auch Schlafstörungen wurden in vergleichbarer Häufigkeit berichtet. Des Weiteren wurde angegeben, sich aufgrund des Erlebten geekelt und erniedrigt gefühlt zuhaben. Versuche, nicht über die Tat nachzudenken, berichtete ein Viertel der Betroffenen. Ein ähnlicher Anteil der Befragten gab das Erleben von Albträumen an. Seltener wurde berichtet, im Umgang mit anderen Menschen unsicher geworden zu sein. […] Die Ergebnisse zu den emotionalen Folgen zeigen zum einen, dass ein (versuchter) Wohnungseinbruch weitreichende Folgen wie Gefühle der Hilflosigkeit, starke Angstgefühle und Anspannung auslösen kann. Andererseits gibt ein nicht unerheblicher Teil der Befragten an, nicht bzw. nicht langandauernd unter den jeweiligen Folgen gelitten zu haben. Insgesamt gaben 10,0 % aller Betroffenen an, keiner der […] aufgeführten emotionalen Folgen erlebt zu haben.“

Wollinger und andere, 2014 / S. 53 ff

Die Beantwortung Ihrer Frage

Foto von Sindre Strøm von Pexels

Es ist denkbar, wenn auch unwahrscheinlich, dass unter den genannten Umständen eine PTBS entsteht. Ein erster Hinweis sind sich aufdrängende Erinnerungen an den Einbruch. Erinnerungen zeigen an, was als bedrohlich erlebt wurde. Nur ein Ereignis, das von der betroffenen Person als lebensbedrohlich erlebt wurde, kann meiner Meinung nach eine PTBS verursachen.

Unabhängig von einer PTBS kann ein Wohnungseinbruch ein sehr belastendes und auch krankmachendes Ereignis sein.

Für Ihren Weg wünsche ich Ihnen viel Kraft,

Stefanie Rösch

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Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Leserfrage: Ist Emotionslosigkeit typisch für die Posttraumatische Belastungsstörung?

03.03.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Foto von Melanie Wupperman von Pexels

Guten Tag,
Meine Frau ist von PTBS Betroffene. Auslöser sind Misshandlungen in ihrer Jugend. Wir sind nun seit mehreren Jahren ein Paar. Wir haben gemeinsam so vieles geschafft und überwunden. Es wird für mich immer schwerer, trotz ständiger Bemühungen und Geduld, einen Tag ohne Streitereien zu gestalten.
Ich möchte gerne wissen, ob es für PTBS ein typisches Symptom ist, sich zurückhaltend und emotionslos zu verhalten?! Ich bin mittlerweile verzweifelt. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Lieber Leser,

ja, es ist ein typisches Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), emotional abgeschaltet oder entfernt zu wirken. Es ist typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung, dass Betroffene nicht mehr angemessen emotional auf ihre Mitmenschen reagieren zu können. Allerdings geht das nicht allen PTBS-Betroffenen so.

Das was Sie als zurückhaltend und emotionslos erleben ist sehr wahrscheinlich das, was Sie sehen, wenn Ihre Frau dissoziiert, wie wir das in Psychologinnensprache ausdrücken.

Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.
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Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.

Wenn sich jemand bedroht fühlt, wird er zuerst wütend, solange das Hirn „der Meinung ist“, dass man noch Handlungsmöglichkeiten (Kampfstrategien) hat. Fühlt man sich bedroht, sieht aber keine Handlungsmöglichkeiten mehr, dann sagt einem die Angst: „Nix wie weg hier“. Bleibt man in der als lebensbedrohlich empfundenen Situation gefangen, dann kann aus der Angst Todesangst werden und man erkennt, dass man absolut hilflos ist. Menschen erkennen in solchen Momenten, dass das eigene Überleben von der Situation abhängt oder aber vom Willen ihres Angreifers.

Tritt dazu noch ein Moment ein, in dem die betroffene Person den Eindruck gewinnt, dass Ihr Leben jetzt zu Ende ist (ich nenne das „dem Tod ins Gesicht sehen“), dann sind die Gefühle und Reize so überwältigend, dass das Hirn/Körper und die Seele sich vor dem weiteren Empfinden dieser Todesangst und ggf. auch körperlicher Schmerzen schützen. Was dann passiert, nenne ich Notabschaltung. Die Notabschaltung kann sich auf unterschiedliche Weise auswirken.

Eine Reaktion ist, das Hirn schaltet alle Gefühle ab (emotionsloser Typ).

Die betroffene Person empfindet dann keine Todesangst mehr. Sie kann sich weiterhin bewegen und sie kann auch auf Denkprozesse zurückgreifen und Wissen. Allerdings alles nur automatisiert und damit ohne willentliche Kontrolle.

Verläuft die Bewältigung der Bedrohungssituation gesund, dann hört dieser Zustand wieder auf, wenn das Hirn erkennt, dass die Lebensbedrohung nicht mehr besteht, sondern Seele und Körper wieder sicher sind. Sobald der Mensch erkennt „Es ist vorbei, ich bin sicher“, entlädt sich der Körper mit Zittern und Weinen und anderen heftigen Körper- und emotionalen Reaktionen. Der Körper baut auf diese Weise die Stresshormone und die ganze Energie ab, die er für den Überlebenskampf bereitgestellt hat.

Eine andere Reaktion auf die Begegnung mit dem Tod ist die Schreckstarre.

Wie der Name schon sagt, lähmt sich der Körper und erstarrt. Gleichzeitig erlebt die Person bei vollem Bewusstsein, was mit ihr geschieht und dass sie absolut ausgeliefert und hilflos ist. Dazu hat sie natürlich weiterhin Todesangst. Weil dieser Zustand absolut unerträglich ist, nutzt das Hirn Denkstrategien oder Denkprozesse, um sich zu beschäftigen und damit von den überwältigenden Gefühlen „abzulenken“.

Eine Strategie, die es dafür nutzen kann, ist zählen. Es gibt immer etwas zu zählen. Schauen Sie sich um! Sie werden etwas finden. Heizkörper, Tapetenmuster, Kacheln, Blätter an einer Pflanze, Tassen im Regal oder Bücher. Selbst Schneeflocken oder die Huppel in einer Raufasertapete lassen sich zählen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, sich wegzudenken. In die Wand hineinzudenken. Also eine Phantasie darüber zu entwickeln, nicht im eigenen Körper zu sein, sondern außerhalb zum Beispiel in der Deckenleuchte oder im Teppichboden oder draußen im Baum vor dem Fenster.

Eine dritte Möglichkeit, sich wegzudenken ist, sich vorzustellen, wie das Geschehen nicht aus dem Blickwinkel meiner Augen aussieht, sondern wie es zum Beispiel aussehen würde, wenn ich an einer anderen Stelle im Raum bin. Diese Fähigkeit, sich etwas aus einer anderen Perspektive vorzustellen haben wir alle. Wenn das Gehirn diese Strategie wählt, dann entsteht der Eindruck, die Person habe ihren Körper verlassen. Weil sie die Gefühle nicht mehr bewusst wahrnehmen kann, weil die Denkprozesse alles Bewusstsein verbrauchen oder füllen, entsteht der Eindruck von Getrenntsein vom Körper. Betroffene schildern das als „neben sich stehen“ oder „wie im Film“, weil die Gefühle fehlen. Die werden in diesem Zustand nicht mehr wahrgenommen.

Es gibt Menschen, die bleiben in einem dissoziativen Zustand stecken.

Wenn das Gehirn nicht erkennen kann, dass die Gefahr vorbei ist, dann kann es sein, dass Menschen in so einem abgeschalteten Zustand wie hängen bleiben. Sie leben dann in einem ständigen Alarmzustand, der auf Dauer sehr anstrengend ist.

Eine andere variante kann sein, dass jemand so oft in einem lebensbedrohlichen Zustand war, dass das Gehirn/der Körper sich beim ersten Anzeichen von Gefahr „wegbeamt“, also „wegdenkt“ anstatt andere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Neues zu lernen macht vielen Menschen Angst. Es ist leichter auf Strategien zurückzugreifen, die automatisch ablaufen, weil sie gut geübt sind. Da es um Überlebensmechanismen geht, sind diese Prozesse im Körper und im Hirn so verankert, dass sie automatisch ablaufen und deswegen viel Anstrengung brauchen, weil sie nur durch bewusste Entscheidungen zu verändern sind. Das wiederum setzt voraus, dass man diese automatischen Prozesse lernen muss, bewusst wahrzunehmen, um dann überhaupt eingreifen zu können. Das ist der Grund, warum gerade der Umgang mit dissoziativen Zuständen so zeitaufwendig ist und Therapien lange dauern.

Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.
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Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.

Eine PTBS nennen wir eine Gruppe von Beschwerden, die im Grunde der Versuch unseres Gehirns ist, uns vor weiteren Gefahren zu schützen.

Erinnerungsattacken sind der Versuch unseres Gehirns, uns vor einer drohenden Gefahr zu warnen, indem es sagt: Schau, das war doch gefährlich, das passiert gleich wieder! Achtung! Aufgepasst! In den meisten Fällen handelt es sich um einen Fehlalarm, weil es keine Gefahr gibt. Während das Gehirn diese Warnung durch die Erinnerung „ausspricht“, bereitet es den Körper durch Stresshormone auf den Kampf oder die Flucht vor. Wenn das ständig passiert, dann entstehen dadurch alle anderen Beschwerden der PTBS: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Anspannung, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche. Das ist so unangenehm, dass Betroffene versuchen, die Erinnerungsattacken (sich aufdrängende Erinnerungen, Intrusionen, Flashbacks) zu vermeiden.

Keine Gefühle spüren zu können ist für die meisten Menschen sehr unangenehm.

Auf der anderen Seite fühlt es sich kurzfristig besser an, große und starke Gefühle nicht zu spüren. Das ist wie eine Sicherung, die vor Überspannung im Haus sorgt. Wenn die Spannung zu groß wird, schaltet die Sicherung ab. Im Grunde macht das Gehirn das gleiche. Zum Schutz.

Als Angehöriger ist es erstmal wichtig, diese Dinge zu verstehen. Es ist wichtig, dass Sie wissen und sich immer wieder bewusst machen, emotionslose Reaktionen auf der Seite Ihrer Frau sind kein böser Wille und haben nichts mit Ihnen zu tun. Auf der anderen Seite ist verständlich, dass es Sie schmerzt und dass Sie ja auch das Bedürfnis nach emotionalem Austausch haben. Das ist in der Tat eine schwere Zeit. Jetzt kommt es darauf an, gut für sich selbst zu sorgen und sich in echter, bedingungsloser Liebe zu üben. Bedingungslose Liebe bedeutet für mich, dem anderen die volle Verantwortung für sein Denken, Fühlen und Handeln zu überlassen und gleichzeitig eine helfende Hand anzubieten, egal was der andere tut. Das ist schwerer als man im ersten Moment denkt.

Ich wünsche Ihnen, dass sie diese bedingungslose Liebe in sich finden.

Ich wünsche Ihnen alle übernatürliche Kraft, um diese Zeit zu überstehen.

Stefanie Rösch

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Leserfrage: Kann sich eine PTBS bei einer Soldatin erst nach Jahren entwickeln?

21.01.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Kann sich eine PTBS nach Jahren entwickeln?
Foto von Pixabay von Pexels

Ich habe eine grundlegende Frage: Seit ca. 1 1/2 Jahren habe ich eine Beziehung zu einer Frau, die bis 1997 als Berufssoldatin insgesamt zehn Jahre lang in der Armee gedient hat. Während dieser Zeit gehörte sie auch zu den UN-Truppen, welche 1995 in Srebrenica stationiert waren.

Mich beschäftigt die Frage, ob es möglich ist, dass meine Lebensgefährtin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden könnte, welche erst jetzt intensiv „zum Vorschein kommt“.

Ich muss hinzufügen, dass meine Lebensgefährtin seit fünf Jahren einen Laden in der Nähe einer Schießanlage betreibt. Das Thema „Schießsport“ spielt eine große Rolle in ihrem Leben. Sie ist Mitglied in mehreren Schießvereinen – und gruppen. Es gibt also viele Verbindungen mit ihrem früheren Beruf.

Meine konkrete Frage ist daher: Ist es unter diesen Bedingungen und nach so langer Zeit möglich oder gar wahrscheinlich, dass sich eine posttraumatischen Belastungsstörung erst jetzt bemerkbar macht?

Andere Symptome einer PTBS sind übrigens durchaus vorhanden.

Vielen Dank und herzliche Grüße

Kann eine Symptome einer PTBS nach langer Zeit zum  Vorschein kommen?
Foto von Elias Tigiser von Pexels

Lieber Leser,

Die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) können auch erst verzögert, also nach Wochen oder Monaten, manchmal erst nach Jahren auftauchen. Aus meiner Erfahrung hat das mit dem Erleben äußerer Sicherheit zu tun.

Die Symptome entstehen erst dann, wenn die Person im Außen keinen Überlebensdruck mehr hat. Das ist eine Erklärung dafür, dass es Senioren mit Kriegserfahrungen gibt, die erst in der Rente Symptome entwickeln.

Meine Erklärung dafür ist, dass diese Menschen beginnend mit den Kriegserfahrungen jeden Tag mit Überleben beschäftigt waren. Bis zur Rente. Da gibt es plötzlich keine Anforderungen von außen mehr. Man muss nicht mehr zur Arbeit gehen oder Kundenbedürfnisse befriedigen oder es „richtig“ machen. Es gibt keinen aufwendigen Alltag mehr zu regeln, keine Kinder großzuziehen oder gesundheitliche Probleme von Familienangehörigen zu bewältigen. Viele Dinge, mit denen man ein Leben lang beschäftigt ist, hindern einen daran, sich selbst wahrzunehmen. Gefühlte Unsicherheit kann druch verschiedene Anforderungen und Lebenserfahrungen aufrecht erhalten werden.

Es ist, als wenn die Bedrohung trotz Kriegsende nie aufgehört hat.

Foto von SplitShire von Pexels

Das ist natürlich ein ganz subjektives Empfinden.

Dann kommt die Rente und niemand will mehr etwas von einem. Belastende Beziehungen fallen weg, ebenso das eine oder andere Hobby. Oder vielleicht gab es keinen Plan für die Zeit nach der Rente und völlig überraschend ist man auf sich selbst zurückgeworfen. Das Geld zum Überleben kommt jeden Monat vom Staat und plötzlich meldet sich das Hirn und sagt: „Hallo, ich habe hier noch ein paar unerledigte Dinge. Können wir uns darüber mal unterhalten?“

Insofern können Erinnerungen und die daran hängenden Erinnerungsattacken, die das Kernsymptom der PTBS sind auch erst nach Jahren auftreten.

Soldatinnen können eine PTBS auch ohne Schusswaffengebrauch entwickeln

PTBS bei Soldatinnen muss nicht durch Erfahrungen mit Schusswaffen entstehen.
Foto von Katalin RHorvát von Pexels

Soldaten und Soldatinnen, die eine PTBS entwickeln, müssen diese nicht aufgrund von Erfahrungen mit Schusswaffen haben. Es klingt für mich, als wenn es das ist, was Sie irritiert. Ich habe diesen Eindruck, weil Sie die Kombination Soldatin und täglichen Kontakt mit Schusswaffen in der Gegenwart, bzw. Schussgeräuschen so hervorheben.

Natürlich müsste ich mir die konkrete Geschichte anhören und viele Fragen stellen, um Ihre Frage konkret beantworten zu können. Diese Möglichkeit habe ich nicht.

Aber ich weiß, wie eine PTBS funktioniert und das erlaubt mir ein paar Annahmen zu machen, die Ihnen vielleicht weiterhelfen.

Eine PTBS entsteht in einer Situation, in der eine Person die Überzeugung gewinnt, jetzt sterben zu müssen oder mitzuerleben wie andere Menschen Leid, Sterben und Tod erfahren. Wenn Sie Srebrenica erwähnen, dann fallen mir dazu natürlich die Berichte über systematische Vergewaltigungen von Frauen ein. Neben allen Kampfsituationen, in denen geschossen wurde.

Eine Posttraumatische Belastungsstörung entsteht aus einer Situation heraus, in der die betroffene Person „dem Tod ins Gesicht“ sieht. Das Hirn speichert diese Erinnerung ab und kommt dann seiner Aufgabe nach, die Person vor weiteren, ähnlichen Situationen zu warnen. Diese Warnung geschieht über das Auftauchen von Erinnerungsinhalten, meist Erinnerungsbildern oder auch Körpererinnerungen wie Schmerz oder Atembeschwerden. Aber auch Geräusche, Gesprochenes, Gerüche und Gedanken können auftauchen, eben alles, was wir wahrnehmen können. Das wird auch als Flashback bezeichnet oder als Warnreaktion.

Natürlich kann eine Warnreaktion durch die Erfahrung ausgelöst werden, dass auf einen geschossen wird, ein Kamerad verwundet oder getötet wird oder man jemanden erschießen muss.

Natürlich gibt es auch ganz andere Erfahrungen, die das können: Eine Vergewaltigung zum Beispiel oder einer Vergewaltigung zuschauen zu müssen. Oder einen lebensbedrohlichen Unfall zu haben oder zu sehen, wie jemand anderes einen solchen Unfall hat.

Die Frage ist also, was genau hat Ihre Freundin erlebt?

Erinnerungsattaken sind spezifische Überlebensreaktionen.
Foto von Gabriela Palai von Pexels

Das traumatische Ereignis wird sich in den Erinnerungsattacken (Flashback / Warnreaktion) widerspiegeln. Eine PTBS ist eine biologisch sinnvolle Überlebensreaktion, die veraltet ist. Als Menschen haben wir uns zu schnell weiterentwickelt, so dass die Evolution für den Umgang mit Gefahren einfach nicht hinterhergekommen ist. Unsere Gefahren heute sind andere als vor 10.000 Jahren.

Traumareaktionen sind sehr spezifisch. Das heißt, die Erinnerungsinhalte spiegeln das belastende Ereignis wider.

Dazu kommt, dass das Hirn lernen kann, dass bestimmte Reize keine guten Warnreize sind. Dann löst das Hirn auch keine Erinnerungsattacken, also keine Warnreaktion aufgrund dieser Reize (z.B. Schussgeräusche, Schreie) mehr aus. Das ist das Ziel der Traumatherapie: Nur noch dann eine Warnreaktion zu haben, wenn es tatsächlich eine gefährliche Situation ist.

Das heißt, wenn es eine Situation war, in der Schüsse eine Rolle gespielt haben, kann es trotzdem sein, dass das Hirn Ihrer Freundin über die Jahre hinweg gelernt hat, dass Schüsse kein zuverlässiger Warnreiz sind und deswegen spielt dieser Aspekt keine große Rolle mehr.

Insofern kann es, (1) je nachdem was Ihre Freundin erlebt hat, (2) was zwischen dem Zeitpunkt der Erfahrung und Heute geschehen ist und (3) in Abhängigkeit davon wie ihr Hirn mit der Erinnerung in der Zwischenzeit „umgegangen“ ist, sehr wohl sein, dass sie als Soldatin und trotz täglichem Kontakt mit Schusswaffen, erst viele Jahre nach dem Ereignis eine PTBS entwickelt.

Die Antwort ist also: Ja, das ist möglich. Über die Wahrscheinlichkeit kann ich nichts sagen, weil ich dafür zu wenig weiß.

Ich wünsche Ihnen weiterhin einen neugierigen Geist und das Interesse, die Dinge zu hinterfragen.

Ihre Stefanie Rösch

Entdecken und hinterfragen Sie die Dinge.
Foto von Kristina Paukshtite von Pexels

Leserfrage: Ich habe Angst vor meiner Freundin. Was kann ich tun?

20.11.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo,
mein Name ist Anja und ich bin 16 Jahre alt. Ich leide seit Jahren unter PTBS und weiß einfach nicht mehr weiter. Seit ein paar Monaten habe ich eine feste Beziehung mit meiner Freundin und habe oft bzw. immer Panik, wenn sie mich berührt oder wir Sex haben. Ich kriege fast immer körperliche Erinnerungen und habe Flashbacks und schaffe es nicht, das zu unterscheiden was real ist und was nicht. Wir wohnen zusammen in einer Wohngruppe und dürfen am Wochenende zusammen in einem Zimmer schlafen. Wenn wir bei ihr im Zimmer schlafen kriege ich Panik, weil es nicht mein Zimmer ist obwohl ich mich in meinem Zimmer auch nicht wirklich wohl fühle. Ich habe eine Therapeutin und auch eine Psychiaterin aber denen traue ich mich nicht zu sagen, dass ich vor meiner eigenen Freundin Angst habe, da mir das sehr unangenehm ist. Ich habe meiner Freundin das erzählt und sie reagierte sehr einfühlsam. Aber trotzdem habe ich Angst, dass sie das genauso mitnimmt wie mich. Ich bin trotz all dem intim mit ihr aber es wird immer schlimmer. Könnten sie mir vielleicht sagen, was ich dagegen tun kann?

Ich habe Angst vor meiner Partnerin. Das fühlt sich an wie im Nebel.
Danke an Snapwire auf Pexels

Liebe Anja,

als erstes möchte ich Ihnen Mut machen, mit Ihrer Therapeutin darüber zu sprechen. Im Grunde ist die Angst in intimen Situationen eine völlig normale Reaktion, wenn man entsprechende Erfahrungen im Leben gemacht hat. Ihre Therapeutin weiß das sicher und ist bereit, offen und wertschätzend mit Ihnen darüber zu reden.

Falls Sie mit Ihrer Therapeutin nicht über Ihre Ängste sprechen wollen, gibt es auch die Möglichkeit, darüber zu schreiben. Eine Anleitung, wie man über belastende Erfahrungen schreiben kann, finden Sie hier: Über belastende Erinnerungen schreiben.

Ich vermute, dass Sie nicht vor ihrer Freundin Angst haben, sondern vor ihren eigenen unangenehmen Körperreaktionen, oder? Die Vorstellung, wieder Panik zu haben, macht Ihnen Angst. Zumindest hört es sich für mich so an. Das ist etwas, was ich häufig höre von Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Kein Wunder, dass sich der Körper daran erinnert.

Hier meine Erklärung dazu, wie ein Trauma entsteht und was Flashbacks sind.

Es gibt zwei Themen in ihrer Frage: Das Zimmer und die Freundin

Wenn Sie sich in einem Zimmer nicht wohlfühlen, also weder in ihrem eigenen noch in dem ihrer Freundin, dann ist es wichtig, herauszufinden, warum das so ist. Meine Vermutung ist, dass Sie sich in beiden Zimmern nicht sicher fühlen. Wenn Sie sich nicht sicher fühlen, dann versuchen Sie bitte herauszufinden, woran das liegt.

Es könnte daran liegen, wer bestimmt, wer das Zimmer betreten darf und verlassen muss. Entscheiden Sie, wer reinkommen darf und wer raus muss? Kann jeder einfach reinkommen?

Sollte das der entscheidende Faktor sein, ist es vielleicht nötig, sich Sicherheit zu verschaffen. Beispielsweise könnten Sie etwas vor die Tür legen, das Krach macht, wenn jemand gegen ihren Willen reinkommt. Auf diese Weise hören Sie es frühzeitig und können reagieren.

Überlegen Sie sich, wie sie reagieren wollen, wenn jemand unaufgefordert in das Zimmer kommt, zum Beispiel könnten Sie sagen: „Ich möchte nicht, dass Du ohne meine Erlaubnis in mein Zimmer kommst. Ich fühle mich deswegen hier nicht sicher.“ Haben Sie sich vorher konkrete Strategien überlegt, können Sie diese in Gedanken üben (Mentales Training), damit sie sich vorbereitet fühlen. Dazu kann ich Ihnen keine konkreteren Ideen anbieten, weil ich nicht weiß, wie die Abläufe bei Ihnen sind und wer das Zimmer aus welchem Grund betreten könnte.

Es könnte natürlich noch andere Gründe geben, warum Sie sich in keinem der Zimmer sicher fühlen. Überlegen Sie, ob Ihnen noch etwas einfällt.

Ihre Freundin möchte Ihnen guttun

Ihre Freundin haben Sie gern. Deswegen wollen Sie mit ihr zusammen sein und Zeit verbringen und vielleicht auch die körperliche Seite dieser Beziehung leben. Zärtlichkeit zu teilen und auch Sexualität ist ein wichtiger Bestandteil von einer Beziehung. Unter anderem werden Hormone ausgeschüttet, welche die Bindung und damit die Beziehung fördern. Gleichzeitig wird durch diese Hormone auch Stress reduziert, was für unsere Gesundheit förderlich ist. Damit das klappt, sollten sich beide Partnerinnen sicher und wohl fühlen.

Aber Ihr Gehirn hat, wie es aussieht, gelernt, dass Berührung und Sexualität gefährlich sind und deswegen macht es diese Alarmreaktionen (Flashbacks, hier als Körpererinnerung), die Sie so unangenehm finden und als Panik bezeichnen. Also geht es jetzt darum, dem Gehirn beizubringen, dass Ihre Freundin sie nicht misshandeln oder verletzten wird.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, es langsam angehen zu lassen und erstmal die nichtsexuellen Berührungen wieder zu üben. Langsam, damit das Gehirn lernt, Berührung ist angenehm.

Nur die Person, die Sie verletzt hat, ist gefährlich, ihre Freundin nicht.

Die Vorstellung, alle oder alle intime körperliche Berührung sei gefährlich, entsteht dadurch, dass das Hirn unnötige Verallgemeinerungen macht. Das hat etwas mit unserer Entwicklung als Menschen zu tun. Dieser Mechanismus war ursprünglich dafür ausgelegt, uns vor weiteren Gefahren zu schützen, wenn wir einmal Gefahr in einer bestimmten Situation erlebt haben. In Zeiten von Säbelzahntigern war das sehr hilfreich, weil alle Säbelzahntiger gefährlich sind. In unserer heutigen Welt schießt das Hirn jedoch gerne Mal über sein Ziel hinaus. Das nennen wir dann Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Ich gehe für die folgenden Erklärungen jetzt einfach Mal von einer Person aus, die Sie verletzt hat. Wenn es mehrere Personen waren, ist der Mechanismus umso fester im Gehirn verankert.

Ihr Gehirn denkt im Moment noch: Ein Mensch hat mich verletzt, also sind alle Menschen gefährlich. Ihr Hirn möchte Sie vor weiteren Verletzungen schützen und warnt Sie deswegen mit Panik (Erinnerungsattacken/Flashbacks). Es spricht mit Ihnen auf seine eigene Weise: mit Erinnerungen. „Hallo Du, ich mache gerade Panik, weil wir das hier (Erinnerungen/Flashback/Körpererinnerungen/Angst) erlebt haben. Nur, damit Du Bescheid weist.“ Das Gehirn zeigt Ihnen durch Erinnerungen die Situationen, vor denen es Sie schützen möchte.

Eine Erinnerungsattacke/Flashback ist der Versuch Ihres Gehirns, Sie vor einer drohenden Gefahr zu warnen.

Was ihr Hirn jetzt lernen muss, ist, dass nicht jede Berührung gefährlich ist, sondern eben nur ganz wenige, gefährliche Personen. Ich nenne diese Personen „Täter“. Das heißt, Sie wollen „aussortieren“, welche Reize (Täter sehen, Berührungen, Gerüche, Gedanken, Geräusche) diese Warnreaktion auslösen kann. Machen Sie sich im Kontakt mit Ihrer Freundin immer wieder die Unterschiede der Situationen bewusst. Die Berührung Ihrer Freundin ist anders als der Kontakt mit dem Täter. Vergleichen Sie und beobachten Sie ganz genau, was anders ist. Am besten sagen Sie sich diese Unterschiede laut vor.

So bringen Sie dem Hirn bei, weniger und schließlich keinen Alarm mehr auszulösen, wenn ihre Freundin Sie berührt.

Wenn Sie mit Ihrer Freundin zusammen sind und die äußere Sicherheit gewährt ist, muss das Gehirn keinen Alarm mehr schlagen.

Sie können Ihrem Hirn beibringen, weniger und schließlich keinen Alarm mehr auszulösen. Das machen Sie, indem Sie mit Ihrer Freundin üben, dass Körperkontakt angenehm ist. Sie bestimmen, was angenehm ist und was Sie unangenehm finden. Wichtig ist dabei, genau auf den Körper zu hören. An dieser Stelle braucht der Körper etwas Übung, seien Sie nachsichtig mit ihm und üben Sie in kleinen Schritten.

Sie können sich zum Beispiel Rücken an Rücken setzen. Der Körperkontakt ist nur am Rücken, sodass Gewalt nicht möglich ist. Überlegen Sie, welche Berührungen sie ohne schlechtes Gefühl aushalten können. Eine Hand festhalten, Finger verschränken? Fingerspitzen berühren? Zehenspitzen berühren? Bekleidet oder auf der Haut? Das ist etwas, was Sie im Gespräch mit Ihrer Freundin herausfinden können.

Ziel der Übung soll sein, sich mit Ihrer Freundin sicher zu fühlen und ihr bei Berührungen vertrauen zu können.

Treffen Sie eine Vereinbarung mit Ihrer Freundin: Sobald sich etwas unangenehm oder nicht richtig anfühlt, sagen Sie klar und deutlich „Stopp!“. Ihre Freundin sollte dann augenblicklich aufhören, Sie zu berühren. So können Sie erfahren, dass Sie sich darauf verlassen können, dass Sie die Kontrolle behalten, wie und ob Sie jemand berührt. Das ist ein entscheidender Unterschied zu Gewalterfahrungen.

Eine weitere Übung, mit der Sie anfangen könnten, ist folgende: Ihre Freundin legt ihre Hand auf Ihren Rücken, etwa zwischen die Schulterblätter. Bei vielen Menschen hat diese Berührung eine beruhigende Wirkung. Probieren Sie es aus und spüren Sie genau nach, wie sich die Berührung anfühlt. Können Sie das aushalten? Ist die Berührung vielleicht sogar angenehm?

Was findet Ihre Freundin angenehm und was auch nicht? Reden Sie darüber und probieren Sie vorsichtig aus, was geht und was unangenehm ist. Wenn Sie spüren, dass es unangenehm ist, versuchen Sie es drei Sekunden auszuhalten und sagen sie dann „Stopp!“. So kann das Gehirn lernen, dass diese Art von Kontakt mit Ihrer Freundin ungefährlich ist und, dass Sie die Kontrolle haben. Langfristig haben Sie so eine Chance, Berührung und Intimität wieder genießen zu können.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft auf Ihrem Weg,

Stefanie Rösch

Leserfrage: Wie kann ich mit dem Schweigen meines traumatisierten Partners umgehen?

30.07.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Guten Morgen.

Ich habe folgendes Problem. Vor über 2 Jahren habe ich meinen derzeitigen Partner kennengelernt. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis er mir von seiner PTBS erzählt hat, die durch seinen gefährlichen Beruf entstanden ist. Genaueres kann ich nicht sagen, denn oftmals kann ich nur vermuten, was los ist, da er nicht mit mir spricht. Ich muss generell alles immer genau hinterfragen, damit er mir überhaupt etwas erzählt.

Letztes Jahr im Dezember habe ich die Beziehung beendet. Denn ich hatte ehrlich gesagt, nicht mehr die Kraft dafür. Nach zwei Monaten Trennung sind wir wieder zusammengekommen. Ich habe dafür die Initiative übernommen, weil ich gemerkt habe, wie sehr er mir fehlt. Wenige Monate später bekam er gesundheitliche Probleme und musste ins Krankenhaus. Durch diese schlimme Situation, sind wir uns wieder ein Stück nähergekommen.

Trotzdem ist es immer wieder so, dass er mich tageweise ignoriert. Es kommt keine Nachricht zurück, er lässt meine Anrufe unbeantwortet. Ich fühle mich dann wie auf die Reservebank gesetzt. Ich weiß, dass er nicht dafür verantwortlich ist, wie ich mich fühle.
Aber ich bekomme keinen wirklichen Zugang zu ihm. Er blockt alles ab. In guten Momenten habe ich versucht, mit ihm darüber zu reden. Vergebens.

Ich liebe ihn. Und ich möchte ihn nicht verlieren.

Vielleicht können sie mir, einen Tipp geben, wie ich in solchen Situationen reagieren soll. Denn meine bisherigen Versuche sind immer gescheitert.
Vielen Dank im Voraus.

Liebe Leserin,

das ist wirklich eine schwierige Situation. Da lieben Sie einen Mann und es fühlt sich so an, als würde er sich nicht lieben lassen wollen.

Die Situation hat wie immer mehrere Aspekte:

Vermeidungsverhalten

Das Nicht-Darüber-Reden-Wolllen ein sehr typisches Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung, von der er Ihnen ja erzählt hat.

Menschen, die in gefährlichen Berufen arbeiten, wollen ganz oft, ihre Familien vor den Grausamkeiten und dem Leid ihrer Berufe schützen und nicht damit belasten. Das ist einer der Gründe, warum Menschen nicht erzählen, was sie belastet.

Leider ist es im Fall der Posttraumatischen Belastungsstörung genau das Gegenteil von hilfreich. Tatsächlich führt das Schweigen dazu, dass die belastenden Beschwerden wie Erinnerungsattacken, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und Schreckhaftigkeit weiter fortbestehen. Das Gehirn kann unter diesen Umständen den Unterschied zwischen heute und der Situation in der Erinnerung nicht lernen. Aber genau das ist notwendig, um sich besser zu fühlen.

Das sollte nicht unbedingt in einer Partnerschaft stattfinden, sondern durch eine Traumatherapie.

Psychotherapie machen

Das Problem mit der Traumatherapie ist, dass es immer noch viel zu viele Vorurteile gegenüber Psychotherapie gibt. Das macht es besonders für unseren „starken“ Männern in den gefährlichen Berufen als Betroffene schwer, sich Unterstützung zu holen.

Dabei kann es mit der richtigen Unterstützung sehr schnell gehen. Ein Mann, der über zwei Jahre arbeitsunfähig war, kaum noch das Haus verlassen, geschweige denn am Leben teilhaben konnte, kann innerhalb von wenigen Wochen wieder fröhlich die meisten Dingen des Lebens ohne Beschwerden bewältigen. Einfach weil er eine gute Traumatherapeutin hatte. In der Traumatherapie geht es darum zu verstehen, warum wir uns fühlen wie wir uns fühlen oder warum wir Erinnerungsattacken haben. Wenn man das verstanden hat, dann kann man Strategien lernen, mit denen man dem Hirn beibringen kann, sich wieder sicher zu fühlen und nicht einen Fehlalarm (=Erinnerungsattacke) nach dem anderen auszulösen.

Vielleicht können Sie Ihrem Partner helfen zu verstehen, was es mit dem Vermeidungsverhalten auf sich hat und dass es Hilfe in einer Traumatherapie gibt, damit er sich diese Hilfe holt und dafür sorgt, dass es ihm besser geht.

Die Rolle der Partnerin

Als Partnerin kann man da nicht viel tun, außer immer wieder Mut zur Traumatherapie machen.

Was ist für Sie Liebe? Ist Liebe bedingungslos? Wollen wir alle geliebt werden? Was muss geschehen, um sich geliebt zu fühlen? Ich finde, das sind zentrale Fragen. Was bewirkt, dass wir uns geliebt fühlen? Es klingt, als wenn für Sie dazugehört, Zeit miteinander zu verbringen. Das erinnert mich an die Liebessprachen von Gary Chapman, kennen Sie das? Hier ein Link zum Wikipedia-Artikel mit einer Zusammenfassung des Models oder das Amazonpartnerlink zu seinem Buch Die fünf Sprachen der Liebe . Ich finde, das ist ein gutes Modell, um zu verstehen, warum wir uns geliebt fühlen oder eben auch nicht. Das ist für Sie wichtig, aber auch für ihren Partner und die Kinder.

Wir sind soziale Wesen

Letzten Endes geht es darum, dass wir soziale Wesen sind, Herdentiere. Gleichzeitig sind wir jeder für sich selbst voll verantwortlich. Das haben Sie sehr treffend geschrieben „Ich weiß, dass er nicht dafür verantwortlich ist, wie ich mich fühle.“

So ist es. Als Herdentier brauchen Sie Kontakt, Beziehung, die er Ihnen im Moment oder noch lange nicht oder nie so anbieten kann, wie Sie es brauchen (Liebessprache!). Sie sind für Ihr Wohlergehen verantwortlich.

Wie können Sie ihn so akzeptieren wie er ist und gleichzeitig gut für sich sorgen?

In der Liebe und mit Trauma gibt es leider keine einfachen Antworten.

Wie oft habe ich mir das schon gewünscht! Aber so funktioniert das Leben eben nicht. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir können den anderen so annehmen wie er ist. Wir können Mut machen zur Auseinandersetzung mit der belastenden Erinnerung im Rahmen einer Traumatherapie. Wir können für uns selbst sorgen und am Ende nur beten oder hoffen, dass der andere all seinen Mut zusammennimmt und tut, was getan werden muss, damit es ihm wieder besser geht.

Erst dann wird sich herausstellen, ob sein Schweigen Teil der Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen Lebenserfahrung war oder Teil seiner Persönlichkeit ist.

Sie können immer wieder nur nachspüren, ob Sie noch gut für sich sorgen, je nachdem wie er sich verhält. Und manchmal bedeutet das auch, festzustellen, dass er vielleicht nicht die Person ist, die Sie auch liebt, Traumareaktion hin oder her.

Ich wünsche Ihnen sehr, dass er Sie liebt und bereit ist, all seinen Mut zusammenzunehmen und seiner PTBS genauso ins Gesicht zu sehen, wie den Gefahren in seinem Beruf.

Viel Kraft für Ihren Weg

Stefanie Rösch

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Leserfrage: Warum bezeichnen Sie Emotionale Anteile als „Hausbesetzer“? (Teil 1)

28.06.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Anregung: (Hoch-)Emotionale Anteile als „Hausbesetzer“ zu bezeichnen erscheint mir nicht als der passende Begriff. Ein Ziel für Menschen mit Stimmen-Erleben aus dem dissoziativem Spektrum ist, einen wohlwollenden gemeinschaftlichen Kontakt zu lernen. Kommunikation mit dem Innen-(Er)leben ist das wichtigste Ziel, um Kompromisse zu schließen und nicht einen einzigen „Bestimmer“ zu haben. Emotionale Anteile haben ihre Gründe, weshalb sie was wie zu welcher Zeit mitteilen, sie haben es nicht anders erlernt in der Vergangenheit, wissen sich nicht anders zu helfen, können sich nicht anders ausdrücken, übernahmen „alte Schallplatten“ von toxischen Menschen und geben sie ungefiltert wieder. Ungewollte oder unangepasste Anteile zu „entsorgen“ ist genau der falsche Weg und erinnert Betroffene an die Aussagen / Verhaltensweisen der Täter (oder welcher Begriff in diesem Zusammenhang als passender erscheint) aus der Vergangenheit.
Innere Kommunikation ist meiner Erfahrung nach bei nahtlos allen Betroffenen einer (p)DIS der Schlüssel zum individuellem „heil werden“.

Ein Kommentar unter dem Video: Stefanie Rösch liest: Was ist mit mir los? Ich höre 4 verschiedene Stimmen in meinem Kopf.

Wenn Sie sich den Artikel mit Ergänzungen vorlesen lassen wollen, können Sie das hier tun.

Liebe Zuschauerin,

danke für Ihren Kommentar. Danke für die Gelegenheit, dieses große Thema weiter zu vertiefen.

Und ich möchte Ihren Kommentar auf zwei Ebenen beantworten

  • Auf der psychologischen Ebene hinsichtlich des Heilungsweges
  • Auf der sprachlichen Ebene hinsichtlich erfolgreicher Kommunikation

Die psychologische Ebene

Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, wenn es um die wohlwollende innere Kommunikation geht. Das ist ein guter Weg.

Meine Erfahrung ist an ein paar Stellen eine andere. Deswegen möchte ich Ihnen einen Teil von meinem „Menschenmodell“ erzählen. Dieses Modell ist die Grundlage für meinen therapeutischen Ansatz. Dieses Modell gibt den groben Weg, die grobe Richtung der Therapie bei DIS für mich und meine Klienten vor. Das heißt, aus diesem Modell leite ich meine Interventionen ab. Es ist für mich nicht das einzige Modell, aber eben das für DIS, also eine Dissoziative Identitätsstörung.

In meinem Modell ist die Innere Welt eine Abbildung der Äußeren Welt.

Meiner Meinung nach können wir nur über „Modelle inneren Erlebens“ sprechen. Kein Mensch kann wirklich verstehen, was ein anderer Mensch in seinem Kopf oder Körper erlebt und wie es sich anfühlt. Deswegen ist es oft so schwer, Worte dafür zu finden.

In meinem Modell funktioniert die Innere Welt nach sehr ähnlichen Regeln wie die Äußere Welt. Das ist meine Annahme, um eine halbwegs gemeinsame Sprache finden zu können.

Die Grafik zeigt die groben Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Die Grafik zeigt die groben Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

In der Äußeren Welt hat jeder einen eigenen Körper. Im Fall einer DIS wird der Körper in der Inneren Welt von allen Innenpersonen geteilt.

Sowohl innen wie außen gilt in meinem Modell das Gesetz der Bundesrepublik Deutschland, dem Land, in dem wir leben.

Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch einen freien Willen hat, die gleiche Annahme mache ich für Innenpersonen. Das ist für mich die Voraussetzung dafür, jeden vollkommen ernst zu nehmen. Das ist für mich auch die Voraussetzung dafür, dass jeder vollverantwortlich für sein Verhalten und dessen Konsequenzen ist, innen wie außen.

Für alle Menschen, mit und ohne DIS, gilt folgendes:

Es gibt Prozesse, die nicht bewusst sind, Erinnerungen, die verdrängt oder weggesperrt wurden und Verhaltensweisen, die automatisiert und damit meist unbemerkt ablaufen.

Insofern gestehe ich es jedem Menschen und Inneren Anteil zu, solange nicht verantwortlich für sein Handeln zu sein, wie es ihm oder ihr nicht bewusst ist.

Also ich gestehe es jemandem zu, dass er unter Alkohol Auto fährt und erwischt wird und mit einer geringen Strafe davonkommt, weil ihm noch niemand gesagt hat, dass er ein Alkoholproblem hat. In dem Moment, wo ihm jemand diese Information gibt, hat die Person die Freiheit zu entscheiden, ob sie sich dafür interessiert oder nicht und in der Folge etwas ändert oder nicht. Unabhängig wie schwer es ist, etwas zu ändern. Von da an sehe ich diese Person grundsätzlich erstmal für alles voll verantwortlich an, was sie tut. Das ist eine Grundhaltung, die den Einzelfall nicht berücksichtigt.

Genau den gleichen Maßstab lege ich an eine Innenperson an. Das macht keine Aussage darüber, wie ich mich im Einzelfall verhalten werde, weil konkrete Situationen immer sehr vielschichtig sind und deswegen genau angeschaut werden müssen. Aber ich schaue es mir aus dieser Haltung heraus an.

In meinem Modell gibt es verschiedene innere Anteile.

Solche, die entstanden sind, weil das betroffene Kind in einer lebensfeindlichen Umgebung überleben musste, die nenne ich Teammitglieder. Dann gibt es aber auch welche, die explizit und sehr gezielt von den Tätern „hineingeschickt“ wurden, die nenne ich Groupis, also „Fans“ von den Tätern/Täterinnen. Dazu gibt es auch welche, die mir schaden wollen, die wir erstmal als die „Dunklen“ bezeichnen wollen. Sie sind besonders lästig, ohne jetzt weiter darauf eingehen zu wollen.

Verhältnis von Innerer und Äußerer Welt.

In der Äußeren Welt habe ich mit Menschen zu tun, die mir wohlgesonnen sind, Menschen, die mir gegenüber gleichgültig sind, und anderen, die mir aus irgendwelchen Gründen schaden. Es gibt die, die mir unabsichtlich schaden. Das kann im Grunde jeder sein. Aber dann gibt es auch die, die mir absichtlich schaden, die bezeichne ich als Täterinnen und Täter.

Damit es in der Äußeren Welt möglich ist, ein gesundes und gewaltfreies Leben zu leben, braucht es einen Sicherheitsbeauftragten, den nenne ich Chef oder Chefin.

Das ist in der Regel die Person, die in Therapie kommt und keine Lust mehr auf Symptome und Gewalt hat. Diese Person kommt, um zu lernen wie das gehen kann, keine Gewalt mehr zu erleben und gesund zu werden.

Das ist für mich die Sicherheitsbeauftragte.

Das ist die Person, die alles lernen will, um für Sicherheit sorgen zu können. Dazu gehört für mich der Umgang mit Erinnerungsattacken (Flashbacks), Umgang mit der Angst, aber auch Strategien und Techniken zu lernen, wie ich aus dem Kontakt mit Tätern herauskomme, um die Gewalt zu beenden oder sich bei der nächsten Drohung angemessen wehren zu können. Der oder die Sicherheitsbeauftragte muss, um für Sicherheit sorgen zu können, der Teamleiter oder die Teamleiterin sein. Man kann nur dann für die Sicherheit für alle Sorgen, wenn alle am gleichen Strang ziehen und einer weiß wie es geht.

Wie ein gutes Team funktioniert, wie Sicherheit hergestellt werden kann und welche Rolle Groupis und Teammitglieder dabei spielen, darum wird es im nächsten Artikel gehen.

Viel Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

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Leserfrage: Was, wenn bei der Exposition wirklich etwas Schlimmes passiert? Was ist der Unterschied zwischen Exposition, Überkompensation und Hochrisikoverhalten?

04.06.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Sehr geehrte Frau Rösch und Team,
herzlichen Dank für Maskenpflicht löst Panikaus! Sehr hilfreich und eingängig erklärt. Allerdings ist es bei Gegenständen, noch dazu von einem selbst angelegt, einfach. Schwieriger wird es bei Orten und ganz schwierig bei Personen. Die Trennlinie Täter/Nichttäter zieht sich ja nicht an simplen Eigenschaften wie blond/schwarzhaarig, hell-/dunkelhäutig, Mann/Frau oder deutsch/nichtdeutsch entlang. Und wenn man sich erst das reale Verhalten anschaut, kann es zu spät sein. Jemand kann aggressiv sein oder einfach nur friedlich seiner Wut Ausdruck verleihen. Auch ein ehemals Krimineller kann reuig umgekehrt sein oder eben nicht, jemand mit psychiatrischer Erkrankung kreuzgefährlich sein oder auch nicht.
An einem sozialen Brennpunkt können auch friedliche Menschen leben, die wenig Geld haben oder es nicht besser wussten.
Hintergrund meiner Frage: Was, wenn bei der Exposition wirklich etwas Schlimmes passiert? Was ist der Unterschied zwischen Exposition, Überkompensation und Hochrisikoverhalten? Im focus gab es mal einen Beitrag über Menschen, die ein Trauma mit dem Anschauen von Gewaltvideos heilen wollten, was der falsche Weg sei.
In der Woche, in der mein Therapeut mit mir eine Expo machen wollte, hat der Mann, vor dem ich „irrationale“ Ängste hatte, am Ort der Exposition jemanden ermordet (wir waren nicht da). Als mir ein weiterer Therapeut ebenfalls eine Exposition dort vorschlug, geschah just in jener Woche ein SEK-Einsatz. Als ich (nachts und allein wg. Personalmangel) dort arbeiten musste, bekam ich tatsächlich eine Morddrohung und die Polizei fragte mich, ob ich wahnsinnig sei.
Exposition brachte also keinerlei Verbesserung meiner Angst. Die Lernerfahrung „es ist vorbei“ fällt hier also weg.
Danke und freundliche Grüße

Sie können sich diesen Arikel auf YouTube von mir vorlesen lassen. Klicken Sie hier.

Liebe Leserin,

Lassen Sie mich ein paar Begrifflichkeiten definieren. Sie bilden die Grundlage dafür, wie ich Ihre Mail verstehe:

Als Täter bezeichne ich nur die Person, die gegen Sie als Betroffene gewalttätig wurde. Als eigene Gewalterfahrung beschreiben Sie eine Morddrohung. Die Person, die gedroht hat, ist Ihr Täter. Sonst niemand aus dem, was Sie hier geschildert haben.

Täter ist die Person, die Sie angegriffen und verletzt hat.

Natürlich ist mir bewusst, dass es mehr als eine Person gibt, die gewalttätig gegen andere wird oder werden kann. Aber für die Erklärungen hinsichtlich Traumareaktionen kann es nur um die persönlichen Gewalterfahrungen gehen. Traumatisierung entsteht in meinem Verständnis des Begriffs „Trauma“ durch persönliche Betroffenheit (Video: Krise vs. Trauma). Persönliche Betroffenheit entsteht auch, wenn ich unmittelbar Zeuge von Gewalt und Tod bin.

Von allen anderen Menschen wissen Sie es nicht. Sie wissen vielleicht, dass eine Person ein Gewaltpotential hat, weil Sie wissen, dass diese Person schonmal gewalttätig war. Aber das bedeutet in keinem Fall zwingend, dass diese Person auch Ihnen gegenüber gewalttätig oder in Zukunft überhaupt gewalttätig wird. Die Vorstellung, dass irgendeine Person mit Gewaltpotential Ihnen etwas tut, ist eine Sorge, also ein angstauslösender Gedanken.

Der Tatort ist der Ort der persönlichen Gewalterfahrung

Das gleiche gilt für Orte. Ein Tatort, bezogen auf eine traumatische Erfahrung, ist der Ort, an dem die Gewalterfahrung gemacht wurde. Alle anderen Orte sind für Sie als Betroffene keine Tatorte.

Natürlich bezeichnen wir allgemein und die Polizei Orte, an denen irgendjemand Gewalt erlebt hat, auch als Tatort. Aber das spielt für die persönliche Erfahrung und eine Traumatherapie keine Rolle. Die Vorstellung, dass ein Ort, an dem irgendjemand Gewalt erlebt hat, ein Tatort ist und deswegen dort Gewalt passiert, ist ebenfalls eine Sorge und kann insofern auch Angst auslösen.

Gewaltbereite Menschen sind nicht 24/7 gewalttätig

Meine Erfahrung in Bezug auf die Gefährlichkeit von Menschen ist eine andere als Ihre. Wobei Gefährlichkeit in meinem Verständnis den aktuellen Zustand einer Person beschreibt, in dem es zu gewalttätigem Verhalten kommen kann, aber nicht muss. Natürlich gibt es andere Zusammenhänge, in denen wir das Wort Gefährlichkeit benutzen. Für die Gefahr in einer konkreten Situation ist die aktuelle Gefährlichkeit einer Person ausschlaggebend für Ihre Sicherheit und damit für Ihr Sicherheitsverhalten.

In meinen Augen ist gewalttätiges Verhalten grundsätzlich erstmal gelernt. Ob jemand gewalttätiges Verhalten gelernt hat, wissen wir nur dann, wenn jemand bereits gewalttätig war. Aber auch das bedeutet nicht, dass die Person willkürlich gewalttätig also ununterbrochen gefährlich ist. In der Regel gibt es Auslöser für aggressives Verhalten: Frustration, Angst oder Erleben von Ungerechtigkeit. Dazu benötigt es in einer Situation um gewalttätig, also gefährlich zu sein, in den allermeisten Fällen einer (beobachtbaren) Stressreaktion, sprich Muskelspannung. Gewalttätiges Verhalten ist situativ und nicht so unberechenbar wie Sie es vermutlich empfinden.

Sicherheitsverhalten kann man lernen

Wer einen gefährlichen Arbeitsplatz hat, lernt in der Regel Strategien und Verhaltensweisen, um angemessen auf gefährliche Situationen reagieren zu können. Polizisten, Feuerwehrleute und Soldaten gehören dazu, aber zunehmend auch Mitarbeitende in Behörden. Gefährlich ist eine Situation, wenn unmittelbar Gefahr droht, d.h. wenn man die Gefahr wahrnehmen kann.

Der beste Schutz ist, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Sagt das Bauchgefühl „heute nicht“ dann folgen Sie dem. Wenn es sagt „nicht da lang“ machen Sie einen Umweg. Hier eine Buchempfehlung zu diesem Thema: (Amazonpartnerlink: https://amzn.to/2yz0d8R, den Blog unterstützen).

Zum Sicherheitsverhalten gehört, dass jemand weiß, wann und wo Sie einen Ortstermin haben und wann Sie planen zurück im Büro zu sein. Dazu gehört, die Anzeichen einer Stressreaktion erkennen zu können, um eine Situation frühzeitig verlassen zu können. Eine Trillerpfeife kann hilfreich sein, um Hilfe zu holen, oder so eine Tröte wie in den Fußballstadien. Richtig laut muss es sein. Auch ein Pfefferspray kann Ihnen einen Moment verschaffen zu flüchten. Das ist immer das Ziel: Flüchten aus der gefährlichen Situation.

Wer die Waffe hat, hat die Macht.

Grenzen setzen, laut werden können, und deutliche Stopp-Signale setzen sind ebenfalls Strategien, die Sie beherrschen sollten. Werden Sie unmittelbar bedroht und der Angreifer stellt eine Forderung, tun Sie was der Angreifer will (z.B. Geld geben, weggehen, den Blick abwenden). Wenn der Angreifer etwas will, hat man die beste Überlebenschance, wenn man ihm gibt, was er will. Wenn er Ihr Leben will, dann heißt es um sein Leben kämpfen, mit allem was man hat und ohne sich zurückzuhalten. Wird der Angreifer dabei verletzt, ist das seine eigene Schuld. Er hätte nicht angreifen müssen. Das war seine Wahl und Sie haben eine Notwehr gemacht.

Der Arbeitgeber ist für Ihren Arbeitsschutz zuständig. Informieren Sie sich.

Es könnte hilfreich sein, sich in diesem Punkt von Ihrer Berufsgenossenschaft beraten zu lassen. Eine Gefährdungsanalyse (Hier eine Internetseite mit entsprechenden Informationen) ist Aufgabe des Betriebes. Weisen Sie ihren Arbeitsgeber schriftlich darauf hin, dass ihr Arbeitsplatz ein besonderes Gefährdungspotential hat und es deswegen besonderer Schutzmaßnahmen bedarf wie eben doch zu zweit unterwegs zu sein. Dann können Sie beweisen, dass Sie ihren Arbeitgeber auf die Gefährdung hingewiesen haben. Sollte es während der Arbeitszeit zu einer Bedrohungssituation mit entsprechenden psychischen Folgen kommen, handelt es sich grundsätzlich erstmal um einen Berufsunfall, für dessen Abwicklung die Berufsgenossenschaft zuständig ist, nachdem der Arbeitgeber eine Unfallmeldung gemacht hat. Psychische Symptome einem Berufsunfall zuzuordnen wird in manchen Fällen gutachterlich geklärt werden müssen.

Exposition soll Erinnerungsinhalte verändern, damit es Ihnen besser geht.

Sich den Erinnerungen aussetzen und damit beschäftigen, das bedeutet Exposition. Exposition soll Erinnerungsinhalte so verändern, dass der Fehlalarm nicht mehr ständig ausgelöst wird. Das ist die Sache mit dem Sortieren der Warnreize, die ich in dem Video Maskenpflicht geschildert habe.

Als Therapeutin prüfe ich zuerst, ob ich eine Exposition vor Ort an einem Tatort sicher durchführen kann. Das ist in meinen Augen Voraussetzung. Wenn ich das nicht sicherstellen kann, kann ich keine Exposition vor Ort machen. Ich will auf jeden Fall verhindern, dass die Exposition gestört wird. Ziel der Exposition vor Ort ist ja, dem Gehirn zu zeigen, dass der Ort selbst keine Gefährdung darstellt, also nicht per se gefährlich ist. Allerdings geht es nicht darum, dass an diesem Ort nicht zu einem anderen Zeitpunkt etwas passiert. Es geht ausschließlich darum, dass die Exposition sicher durchgeführt werden kann. In den meisten Fällen ist der Tatort an sich nicht gefährlich, weswegen man diese Sicherheit aus meiner Erfahrung in den allermeisten Fällen herstellen kann. Expositionen vor Ort mache ich nicht alleine, sondern nehme eine Praktikantin oder andere zweite Person mit. So sind wir zu dritt. Zur Sicherheit.

Exposition, Risikoverhalten, Überkompensation: Am Beispiel des Kletterns

Wenn Sie in einen Klettersteig gehen, ohne entsprechende Ausrüstung und Vorsichtsmaßnahmen, dann würde ich das als Risikoverhalten bezeichnen.

Sie werden eine gute und sichere Erfahrung machen, wenn Sie sich durch einen Mit-Bergsteiger oder einen Anleiter sichern lassen. Sind Sie eine erfahrene Bergsteigerin, werden die sowohl den Wetterbericht berücksichtigen, wie auch geeignete Ausrüstung dabeihaben. So sorgen Sie für Sicherheit bei einer durchaus gefährlichen Tätigkeit. Das ist gesundes Verhalten.

Natürlich können Sie auch doppelt und dreifach sichern, bei der kleinsten Wolke zu Hause bleiben oder viel zu viel Essen mitnehmen. Es wäre dann zwar sicher, aber die Sichererungsmaßnahmen würden nicht mehr im Verhältnis zur Gefahr stehen. Das würde man wohl als Überkompensation bezeichnen. Allerdings ist das kein Wort, dass zu meinem psychologischen Wortschatz gehört. Der Begriff wurde von Alfred Adler geprägt, einem Arzt und Psychotherapeuten mit tiefenpsychologischem Hintergrund. Also ein grundsätzlich anderes Menschenbild mit einer anderen Sprache als der von mir bevorzugten verhaltensorientierten Sichtweise.

Da ist es wieder dieses Kommunikationsproblem, dieses Thema mit der Sprache, über das ich an verschiedener Stelle schon gesprochen habe (Link: Videos-Komunikation: Warum glaubt mir keiner? / Trauma und Kommunikation: noch ein Beispiel).

Was-wäre-gewesen-wenn-Schleife

Sie schildern zwei Besuche in einem sozialen Brennpunkt, die als Exposition gedacht waren. Da ich keine näheren Informationen dazu habe, kann ich Ihnen dazu keine konkrete Antwort geben. Ich habe es so verstanden, dass Sie diese Therapietermine mit dem Mord und dem SEK-Einsatz verbinden. Das sind beides Ereignissen, von denen Sie persönlich nicht betroffen waren, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich kann mir vorstellen, dass das erstmal sehr gruselig ist, wenn wenige Stunden oder Tage, bevor oder nachdem man irgendwo war, dort etwas Schlimmes passiert. Unser Hirn fängt dann gerne an die Was-wäre-gewesen-wenn-Schallplatte aufzulegen. Fakt ist aber: Es ist Ihnen nichts passiert. Zumindest hatte ich das so verstanden. In solchen Momenten ist es wichtig, die Was-wäre-gewesen-wenn-Schallplatte sofort wieder abzuschalten und bei den Tatsachen zu bleiben. Die Tatsache ist, dass Ihnen nichts passiert ist. Sie sind nicht betroffen, sondern sicher.

Sie sorgen sehr gut für Ihre Sicherheit

Es scheint mir, dass Sie ein gutes Bauchgefühl / eine gute Intuition haben. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, dann hatten Sie das Gefühl, dass der Mörder gefährlich ist, bevor er getötet hat. Ich gehe davon aus, wenn Sie sich auf Ihre Intuition verlassen, werden Sie auch weiter gut für Ihre Sicherheit sorgen können. Ihr Bauchgefühl kann echte gefährliche Situationen rechtzeitig erkennen.

Ihre Schilderung von der Drohung sagt mir auch, dass Sie gut für Ihre Sicherheit sorgen. Die Morddrohung hat Ihnen Angst gemacht, aber Sie wurden nicht getötet. Das bedeutet, wie immer Sie sich verhalten haben, war sehr gut in dem Moment der Bedrohung. Sie haben gut für Ihre Sicherheit gesorgt. Anschließend haben Sie sogar Anzeige erstattet, wenn ich das richtig verstanden habe. Auch das ist der richtige Weg. Egal was ein Polizist dazu sagt.

Nur eine persönliche Erfahrung kann „vorbei“ sein

„Es ist vorbei“ bezieht sich immer nur auf die konkrete, eigene traumatische Erfahrung. Nur diese Erfahrung ist vorbei.

Zusammengefasst

Es geht wohl darum, dass Sie zusätzliches Sicherheitsverhalten lernen. Damit können Sie sich selbst wieder mehr vertrauen. Sie können gefährliche Situationen rechtzeitig erkennen und weiterhin gut für Ihre Sicherheit sorgen.

Das angstauslösende Was-wäre-wenn-Gedankenspiel oder die Was-wäre-gewesen-wenn-Schallplatte gehören beide in den Müll. Stattdessen machen Sie sich bewusst, wie kompetent Sie mit bisherigen gefährlichen Situationen umgegangen sind und dass Ihnen nichts passiert ist.

Wenn es konkrete traumatische Erfahrungen mit entsprechenden Erinnerungsattacken gibt, dann gehören diese in eine qualifizierte Traumatherapie.

Vielleicht ist folgender Text noch hilfreich, um mehr Klarheit in dieses Thema zubringen. Es geht in Ihrem Brief in meinen Augen um unterschiedliche Ebenen, die noch nicht klar sind: Was passiert in einer Traumatherapie?

Ich hoffe, diese Erklärungen helfen Ihnen weiter.

Viel Kraft für Ihren Weg

Stefanie Rösch

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Warum haben wir Angst? Drei Formen von Angst und was Sie tun können.

21.05.2020 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Im Video „Warum ist es für Traumabetroffene so schwer wütend zu sein“ habe ich über die wichtige Rolle der Wut in unserem Leben erzählt. Heute soll es um die Angst gehen.

Warum haben wir Angst?
Hier geht es zum Podcast dieses Artikels auf YouTube

Warum haben wir überhaupt Angst?

So wie Wut zum Kampfmodus gehört, gehört die Angst zu unserem Fluchtmodus. Während die Wut den Bewegungsimpuls „auf zu“ hat, hat die Angst den Bewegungsimpuls „weg von“.

Angst sorgt mit „weg von“ dafür, dass wir uns von der Gefahr entfernen, dass wir flüchten. Das spielt dann eine Rolle, wenn man keine Kampfstrategien mehr hat. Schließlich ist man immer dann am sichersten, wenn man möglichst weit weg ist von der Gefahr. Trivial aber wahr.

Angst ist unsere Freundin. Sie will uns genau wie die Wut beschützen. Sie sagt uns, wenn wir keine Handlungsmöglichkeiten mehr haben und uns überfordert fühlen. Sie sagt uns, dass wir Abstand zwischen uns und die Gefahr bringen sollen.

Im Zusammenhang mit unserer Überlebensreaktion und den daraus entstandenen Traumareaktionen ist das die Bedeutung von Angst.

Das Wort Angst wird auch gleichbedeutend mit Sorge verwendet.

Wenn mir Menschen erzählen, dass Sie Angst haben oder Panik schieben, dann meinen Sie häufig, dass sie ständig daran denken müssen, dass etwas Schlimmes passieren wird. Gedanken darüber, dass mir etwas Schlimmes passiert, bezeichne ich als Sorge. Sorge ist ein Gedanke, konkreter noch ist Sorge eine Phantasie. Das Problem an dieser Phantasie ist, dass unser Gehirn nicht zwischen Phantasie, also Sorge und Realität oder Erinnerung unterscheiden kann.

Das führt dazu, dass unser Hirn Alarm auslöst, wenn wir über gefährliche oder bedrohliche Situationen nachdenken. Alarm bedeutet Stress. Alarm auslösen bedeutet, über Stresshormone eine Körperreaktion in Gang setzen.

Wir spüren diese Alarmreaktion durch Herzrasen. Wir müssen schneller atmen und unsere Muskeln spannen sich an. Genau in dem Moment ist unser Körper handlungsbereit.

Blöd ist nur, dass wir diese Körperreaktion zusammen mit den Sorgen, also den Phantasien von Gefahr unangenehm finden.

Das bezeichnen wir dann als Angst haben.

In diesem Fall ist Angst eine Kombination aus Sorgen und der Körperreaktion.

Angst kann aber auch die Kombination aus Erinnerungen und Körperreaktion sein: Das nennt man dann Flashback oder Erinnerungsattacke oder Fehlalarm.

In der Menschheitsentwicklung ist Angst entstanden als Kombination aus aktuell wahrgenommener Bedrohung, also Gefahr, z.B. Säbelzahntiger, und der Körperreaktion, die es uns möglich macht, uns zu schützen.

Es macht also Sinn, wenn man Angst hat, einmal genau hinzuschauen, warum man Angst hat oder aus welchen Teilen die Angst besteht.

Gemeinsam ist allen Formen von Angst die Körperreaktion, die den Körper in Handlungsbereitschaft versetzt.

Entscheidend für Gegenmaßnahmen ist der zweite Teil.

Wenn es Erinnerungen sind, dann will man lernen, wie man diese Erinnerungsattacken abbricht.

Wenn es Sorgen sind, also bedrohliche Phantasien, dann ist es gut zulernen, diese Phantasien nicht mehr zu haben oder sie so zu verändern, dass sie keine Angst mehr machen.

Und wenn es sich um eine echte aktuelle Gefahr handelt, dann ist es gut, wenn man ein paar Deeskalationsstrategien hat, oder aber etwas über Sicherheitsverhalten lernt.

Angst ist unsere Freundin.

Wir haben nur nicht gelernt, uns für ihre Probleme zu interessieren. Fragen Sie Ihre Angst mal, was Sie will. Welche Art von Angst sie ist. Gegenwärtige Angst (aktuelle Bedrohung), Erinnerungsangst (Flashback, Fehlalarm) oder Sorge (Gefahrenphantasie).

Viel Kraft für Ihren Weg!

Ihre Stefanie Rösch

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Was passiert in einer Traumatherapie?

01.05.2020 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Die drei wichtigsten Aufgabenbereiche in einer Traumatherapie.

Aus meiner Erfahrung gibt es drei Bereiche, denen eine erfolgreiche Traumatherapie sich widmet. (1) Eine bedrohliche Situation bewirkt eine Stressreaktion, die typische Beschwerden macht. (2) Diese Erfahrung kann unser Selbst- und Weltbild verändern. (3) Außerdem zeigt sie manchmal, dass wir zusätzliche Strategien lernen wollen, um noch besser für unsere Sicherheit zu sorgen.

Diese drei Themen sind Inhalt einer erfolgreichen Traumatherapie. Im Folgenden habe ich das noch ein wenig für Sie aufgeschlüsselt:

Wie werde ich die Erinnerungstacken los?

Das ist die Frage nach den typischen Symptomen, die durch eine traumatische Erfahrung entstehen können. Durch Erinnerungsattacken entstehen alle weiteren Beschwerden von Traumafolgestörungen, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der Link führt Sie an den Beginn meiner Artikelreihe zum Thema PTBS.

Um Erinnerungsattacken loszuwerden, muss das Gehirn den Unterschied zwischen hilfreichen und ungeeigneten Warnreizen kennen. Wenn das Hirn diesen Unterschied gerlent hat, gibt es immer weniger Fehlalarme, sprich Erinnerungsattacken, sprich Flashbacks. Dadurch entsteht Freiheit.

Wie kann ich für meine Sicherheit sorgen?

Als Menschen haben wir verschiedene Grundbedürfnisse. Eines davon ist Sicherheit. Eine traumatische Erfahrung zeigt uns, dass wir nicht für unsere Sicherheit sorgen konnten. Deswegen ist es wichtig, zusätzliches Sicherheitsverhalten zu lernen. Zum einen geht es darum, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und dann Verhaltensstrategien zur Verfügung zu haben, die man anwenden kann.

Wenn man eine Gefahr rechtzeitig erkennt, kann man auch rechtzeitig darauf reagieren. Damit reduziert man das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. Unser bester Schutz ist unser Bauchgefühl oder unsere Intuition. In beruflichen oder anderen Situationen, in denen Menschen auf Menschen treffen, ist das rechtzeitige Erkennen der Stressreaktion beim anderen unser bester Schutz.

Angemessene Verhaltensstrategien zu lernen kann sehr schwer sein. Je mehr Gewalterfahrungen jemand gemacht hat, desto mehr neue Strategien sind zu lernen. Das braucht oft einen langen Atem. Jahre von Therapie sind keine Seltenheit. Aber es gibt immer Hoffnung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass für jeden und jede Heilung möglich ist. Die Frage ist nur, ob Sie bereit sind, den Preis in Anstrengung, Schmerz, Mut und Durchhaltevermögen zu investieren.

Strategien, die das Risiko minimieren, Opfer von Gewalt zu werden sind zum Beispiel: Seinem Bauchgefühl vertrauen / sich selbst vertrauen / rechtzeitig weggehen / sich bekannten Tätern nicht nähern / nein sagen, wenn ich etwas nicht möchte / Hilfe bei anderen holen / die Polizei rufen / an belebte Orte flüchten / laut werden und so weiter.

Wie denke ich über die Welt?

Traumatische Erfahrungen, vor allem wiederholte, können das Selbst- und Weltbild von Betroffenen zu deren Nachteil verändern (giftige Gedanken). Hier ein paar Beispiele für hilfreiche Gedanken: (1) Wenn ich glaube, dass Gefahren zum Leben dazu gehören, tue ich mir leichter damit, mich darauf vorzubereiten. (2) Wenn ich glaube, dass ich nicht alles unter Kontrolle habe, aber das meiste in meinem Leben beeinflussen kann, dann kann ich mich auf alles vorbereiten, worauf man sich vorbereiten kann. Ich kann dann auch akzeptieren, wenn Dinge geschehen, die nicht zu verhindern waren. (3) Wenn ich davon überzeugt bin, dass ich immer die bestmögliche Entscheidung treffe, dann kann ich aus der Vergangenheit lernen, ohne in Schuldgefühlen gefangen zu sein. (4) Wenn ich weiß, dass ich allein dafür verantwortlich bin, wie ich mich fühle, was ich denke und wie ich mich verhalte, dann brauche ich keine Schuldzuweisungen mehr und bin frei. (5) Wenn ich weiß, dass ich wertvoll bin, fällt es mir leichter Hilfe zu holen und anzunehmen. (6) Wenn ich weiß, dass die meisten Menschen wohlwollend sind, dann ist es leichter einen Vertrauensvorschuss zu geben.

Es gibt viele positive Überzeugungen, die es leichter machen, auch mit negativen oder belastenden Erfahrungen umzugehen.

Eine Traumatherapie wird sich all diesen Themen widmen. Die Kunst in der Zusammenarbeit zwischen Klientin und Therapeutin besteht darin, herauszufinden, welches Thema gerade Vorrang hat. Jeder Mensch ist einzigartig und so ist auch jede Traumatherapie einzigartig.

Viel Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Verkehrsunfälle: Hilfe finden

27.09.2019 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Verkehrsunfälle können je nach Ausmaß für Betroffene oder unmittelbar Beteiligte Traumafolgestörungen auslösen. Etwa jede/r vierte Schwerverletze entwickelt nach einem Unfall eine ernstzunehmende psychische Beeinträchtigung1. Besonders häufig sind Angstsymptome / Fahrangst, Depressionen und die Posttraumatische Belastungsstörung.

Es ist nicht nur die Schwere der Verletzung, welche psychische Folgeschäden auslösen kann. Verkehrsunfälle, ohne sichtbare Verletzungen der Beteiligten oder großen Sachschaden, können ebenfalls eine psychische Verletzung zur Folge haben. Das direkte Umfeld kann ohne direkt am Unfall beteiligt gewesen zu sein mit den Folgen zu kämpfen haben. Im Schnitt sind 113 Personen (Familie, Freunde, Polizisten, Feuerwehr, Sanitäter…) von den Folgen eines tödlich ausgegangenen Verkehrsunfalls betroffen².

Betroffene wissen nicht unbedingt, dass ihr Befinden bereits die Schwelle zu einer psychischen Störung überschritten hat, für die professionelle Hilfe angezeigt ist. Leider ist der Gang zum Psychologen immer noch mit einem Stigma belegt, so dass Betroffene keine Hilfe holen trotz ernsthafter Probleme wie dauerhaften Schlafstörungen, Erinnerungsattacken an den Unfall, plötzlichen und unerklärlichen Ängsten in Bezug auf das Fahren, nicht mehr als Beifahrer mitreisen zu können oder keine Überholmanöver mehr zu fahren wie vor dem Unfall. Hilfe zu holen ist dann oft mit der Vorstellung verbunden, dass man als verrückt abgestempelt wird. Dabei hat die Psychotherapie in solchen Fällen erstklassige Therapiekonzepte anzubieten, die schnell Besserung bringen können.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat nun eine äußerst hilfreiche Internetseite online gestellt auf welcher viele wichtige und informative Dienste angeboten werden. Unter www.hilfefinder.de finden Betroffene, oder Angehörige von Betroffenen, übersichtlich aufbereitete Informationen.

Unter anderem bietet das Portal einen „Trauma-Check“ an. Um in Selbst- oder Fremdbeurteilung mit nachvollziehbaren Aussagen zu testen, ob man möglicherweise von psychischen Unfallfolgen betroffen ist.

Ebenso kann man sich auf der Internetseite ausgiebig über Sofort-Hilfe und passende Psychotherapeuten, sowie über Behandlungsmethoden und psychische Störungen im Allgemeinen informieren.

Was uns an dieser Seite besonders gut gefällt ist, dass auch über die Rechte von Betroffenen sowie über mögliche Kostenträger der verschiedenen Versicherungstypen aufgeklärt wird. Es werden Leitfäden für einen Erstkontakt mit psychologischen Einrichtungen, mit der Krankenversicherung und Beratungsstellen angeboten. In diesen wird ausführlich beschrieben was und wie man als Betroffener etwas unternehmen kann, um möglichst schnell ganz persönliche Hilfe zu erhalten. Wer sich also unsicher ist, ob er/sie Hilfe suchen soll, findet hier einen guten Start in diese Thematik.

Psychotherapeuten finden auf dieser Seite interessante Veröffentlichungen zum Thema Unfallfolgen. Unter dem Reiter „Forschung“ kann man sich über allgemeine Zahlen und den Stand der aktuellen Forschung informieren.

Unser Fazit: Tolle, gut strukturierte und informative Internetseite, die Betroffenen einen guten Überblick über ihre aktuelle Situation und Wege aus der Krise aufzeigt. Sie macht Mut und regt zu „Hilfe zur Selbsthilfe“ an.

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1AUERBACH, K. (2014). Psychische Folgen von Verkehrsunfällen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Unterreihe Mensch und Sicherheit (M 245). Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW.

²DVR Report, Fachmagazin für Verkehrssicherheitsarbeit, 2/2017, S. 8

Leserfrage: Ich habe zu viel Mitleid mit meiner traumatisierten Freundin, was tun?

19.09.2019 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo,
meine Freundin leidet unter einer PTBS nach zwei Vergewaltigungen und hat schwere Depressionen. Sie befindet sich leider noch nicht in professioneller Hilfe. Irgendwie scheint sie nicht bereit zu sein, sich in intensive Traumatherapie zu begeben, obwohl sie zu wissen scheint, welche Therapie ihr guttun würde und dass sie keine Kraft mehr hat, so zu leiden.
Ich verstehe nicht, warum sie nicht in eine gute Klinik geht und versucht Hilfe zu bekommen. Ich merke, dass ich nicht mehr kann, weil es ihr so schlecht geht, dauernd hat sie Alpträume, Panikattacken und Angst.
Das Problem ist, dass ich mich von ihren Themen nicht abgrenzen kann. Ich leide oft mit und bin einfach erschöpft. Meine Hoffnung war immer, dass sie bald in guten Händen sein wird und es mir dadurch auch bessergehen wird. Jedoch kann ich nicht mehr auf irgendwas warten. Mein Kopf und meine Emotionen sind total durcheinander. Ich habe Gewaltfantasien gegen ihren Vergewaltiger. Ich stelle mir die Vergewaltigung immer wieder vor, das ist so ekelig. Ich kann das nicht kontrollieren, es passiert einfach.
Ich will lernen nicht mitzuleiden, mich abzugrenzen, ohne dass ich emotional komplett zu mache. Ich will da drunter nicht leiden, nicht mitleiden. Ich fühle mich so hilflos. Ich kann ihr nicht helfen und drängen ist gar nicht gesund, ich kann nur was für mich tun. Wissen sie wo ich vielleicht Unterstützung bekommen kann?
Ich wünsche mir einfach so sehr, dass wir beide Leichtigkeit bekommen. Ich liebe sie von Herzen. Sie ist so liebevoll und zärtlich, so witzig und auch so mutig. Aber ich habe Angst, dass ich Sie verliere.
Liebe Grüße und Danke für ihre Hilfe!!!

Lieber Leser,

warum Ihre Freundin sich bisher keine Hilfe in einer Therapie geholt hat, kann nur ihre Freundin wissen. Meine Vermutung ist, dass die eine Vorstellung davon hat, was in einer Therapie geschieht, die ihr zum einen Angst macht und zum anderen wahrscheinlich nicht dem entspricht, wie es tatsächlich ist. Das kann dann dazu führen, dass sie aus Angst einen Bogen um eine Traumatherapie macht. Das ist zumindest einer der häufigsten Gründe, warum Menschen sich keine Hilfe holen.

Den wesentlichen Schritt haben Sie jedoch schon gemacht: Die Erkenntnis, dass Sie nur für sich selbst sorgen können. Niemand kann jemand anderen retten.

Sie können sich bewusstmachen, dass es eine Form von Respektlosigkeit ihrer Freundin gegenüber ist, wenn Sie für etwas leiden, dass Sie nicht einmal selbst erlebt haben. So wie es sich anhört, leiden Sie fast genauso stark unter ihren Phantasien wie Ihre Freundin unter dem tatsächlich Erlebten. Das ist keine Hilfe. Gut, dass Sie das erkannt haben! Übernehmen Sie dafür Verantwortung, das zu ändern.

Wir sind nicht verantwortlich für das Leid eines anderen. Wir sind auch nicht dafür verantwortlich, dass es einem anderen gut geht. Wir sind grundsätzlich nicht für die Gefühle von anderen zuständig.

Insofern ist es in meinen Augen Ausdruck von Respekt vor den freien Entscheidungen des anderen, ihm sein Leid zu lassen und auch die Freiheit zu entscheiden, ob man wieder gesundwerden will. Ja es ist unglaublich anstrengend und es ist eine gruselige Sache, mit den Folgen traumatischer Erfahrungen umzugehen. Aber es kann einem das niemand abnehmen. Jede betroffene Person muss es selbst machen. Wir anderen können nur fragen, wie wir unterstützen können. In meinem Fall bedeutet das, die Erinnerungen zusammen mit meinen Klienten zu sortieren. In Ihrem Fall bedeutet das, sich gut zu informieren, ein paar Techniken zu lernen (s.u.) und Mut zur Traumatherapie zu machen.

Der Rest liegt in der Entscheidung desjenigen, der etwas erlebt hat.

Hier die notwendigen ersten Informationen für Sie:

Erster Schritt für Sie: Suchen Sie für sich einen Psychotherapeuten, um die Rache- und Gewaltphantasien wieder loszuwerden. Sie können sehr wohl beeinflussen, was Sie denken und was nicht, auch wenn es sich im ersten Moment nicht so anfühlt.

Zweiter Schritt: Informieren Sie sich über Traumareaktionen, zum Beispiel in unserem Blog (PTBS1 bis 12). In der PTBS-Reihe finden Sie unter anderem auch Strategien zum Umgang mit Erinnerungsattacken und Angstattacken. Lernen Sie alles, was Sie finden können über die PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), um ihrer Freundin weiterhin Mut machen zu können, eine Traumatherapie zu machen. Eine geeignete Therapeutin zu finden, wird möglicherweise nicht leicht werden. Aber da können Sie mit diesem Link unterstützen.

Dritter Schritt: Lernen Sie Strategien, welche Ihrer Freundin kurzfristig helfen können: zum Beispiel haben wir eine Übung, die heißt „Hier und Jetzt“ und diese hilft den meisten Menschen Erinnerungs- und Panikattacken abzubrechen. Hier ein Artikel zu Schlafstörungen: und ein sicherer Ort kann auch helfen. Hier ein Artikel, wie man mit Alpträumen umgehen kann.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg und den Mut, für sich selbst zu sorgen.

Herzliche Grüße, Stefanie Rösch

Leserfrage: PTBS und Partnerschaft? Wie kann das gehen?

10.03.2019 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo Frau Rösch,
ich führe seit knapp einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann, der an einer PTBS erkrankt ist. Die PTBS hat er bereits seit mehreren Jahren, Ursache war ein Bundeswehr-Einsatz im Ausland. Er hat mir zu Beginn der Beziehung zwar erzählt, dass er eine PTBS hat und wegen dieser auch in Therapie war, allerdings hat er mir wenig über seine „Probleme“ im Alltag erzählt und diese in den ersten Monaten vor mir versucht zu „verstecken“.
Inzwischen weiß ich, dass er innerlich unruhig ist, wenn sein Haushalt nicht nach einem bestimmten System gemacht ist. Er vermeidet öffentliche Plätze, geht nicht ins Kino und Bus- und Bahnfahrten bedeuten für ihn Stress. Er hat sich am Anfang der Beziehung durch all solche Situationen durchgekämpft, ohne dass ich davon wusste.
Nach knapp einem Jahr weiß ich nicht mehr weiter. Er ist seit einiger Zeit wieder in Psychotherapie und hat nun aber auch eingesehen, dass eine weitere Therapie in der Tagesklinik hilfreich sein kann. Unsere Beziehung leidet sehr unter der derzeitigen Situation.
Mein Freund zieht sich oft zurück. Gemeinsame Aktivitäten sind schwer, weil für ihn nahezu alles mit Stress verbunden ist. Ich kann nicht zu Besuch kommen, weil ich aufgrund meines Hundes für mehr Haushalt bei ihm sorge. Er vermeidet es, sich um „Probleme“ zu kümmern, seien es finanzielle oder welche, die in der Beziehung auftauchen. Er versucht ständig es mir recht zu machen ohne auf seine eigenen Bedürfnisse einzugehen.
Ich stoße an meine Grenzen. Ich ärgere mich oft über sein Verhalten. Vor allem, wenn er sich nicht um Dinge kümmert und es mich dann mitbetrifft, z.B. weil wir uns dann nicht sehen können. Wenn er mir dann noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht. Was mir momentan am meisten Sorge bereitet ist, dass er angefangen hat zu trinken, wenn er weiß, dass er in Situationen kommen wird, die er sonst vermeiden würde. Darüber hinaus gibt es in unserer Beziehung keine Nähe mehr. Wenn er mich berührt, fühlt es sich distanziert an. Als ob er mir Nähe schenkt, weil es sich so gehört in einer Beziehung. Er meint, er liebt mich und er möchte die Beziehung mit mir. Aber seine Distanziertheit und diese steifen Annäherungsversuche, wenn er es überhaupt versucht, die tun sehr weh. Wenn ich auf ihn zugehe und ihn umarme, dann kommt nichts zurück. Wenn ich ihn küsse, kommt nichts zurück. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Er meint, dass er innerlich zu unruhig ist, um sich fallen zu lassen. Vielleicht können Sie mir auch ein paar Ratschläge geben, um die Beziehung aufrecht halten zu können und richtig reagieren zu können … Lieben Gruß Maya

Liebe Maya,

es gibt kein „richtig“. Den Anspruch können wir nicht haben, wenn wir mit traumatisierten Menschen arbeiten. Dass Ihr Freund traumatisiert ist, haben Sie an seinen Beschwerden und Problemen gut beschrieben. Allerdings frage ich mich bei manchen Beschwerden, wie sie mit einem militärischen Einsatz zu erklären sind.

Schwierigkeiten, die ich mir gut in diesem Zusammenhang vorstellen kann, sind Öffentliche Plätze, Bus, Bahn und Kino als Problemsituationen. Grundsätzlich mal Ordnung zu halten, kann der Versuch sein, ein Gefühl von Kontrolle wiederherzustellen. Zwanghaftes Verhalten hat Angst als Ursache. In dem Fall wäre es die Angst vor den Erinnerungen und davor, die Kontrolle zu verlieren. Dass vor allem Männer versuchen, Traumareaktionen mit Alkohol zu bekämpfen ist weithin bekannt. Es liegt nahe Alkohol zu trinken, um entspannt genug zu sein, dass man Situationen bewältigen kann, vor denen man Angst hat.

Allgemein ist Vermeidungsverhalten ein Teil der Posttraumatischen Belastungsstörung, allerdings der Teil, der dazu führt, dass es nicht besser werden kann.

Probleme mit körperlicher Nähe und Sexualität sind für mich auf den ersten Blick nicht mit einem Einsatzgeschehen zu erklären. Auf den zweiten Blick könnten diese Probleme durch die fortgesetzte Stressreaktion entstehen (inneren Unruhe), die sexuelles Verlangen und sexuelle Aktivität unterdrückt. Schließlich geht es in Bedrohungssituationen (Trauma) ums Überleben und nicht um die Fortpflanzung (Stressreaktion).

Finanziellen Probleme wären bei weitem nicht das erste, was mir einfällt, wenn ich an Belastungssituationen in Krisengebieten denke. Das klingt für mich erstmal nach etwas, dass schon länger und in einem anderen Zusammenhang besteht.

Traumareaktionen sind sehr spezifisch. Sie haben in der Regel einen unmittelbar nachvollziehbaren Zusammenhang zur Belastungssituation. Schließlich handelt es sich bei Traumareaktionen um Fehlalarme des Gehirns. Das Hirn will uns warnen. Leider haben sich die Gefahren in der Welt geändert und das Hirn hat das noch nicht verstanden. Also warnt es uns, was wir als einschießende Erinnerungen, Flashbacks oder Erinnerungsattacken bezeichnen. Aber im Grunde ist es nur ein Fehlalarm. Die Traumasituation ist meist sehr einzigartig. Ganz besonders bei Kriegserfahrungen. Wir leben hier in Deutschland nicht im Krieg. Die Gefahren, die wir hier haben, sind andere als in einem Krisengebiet. Das Gehirn kann das erstmal nicht unterscheiden. Aber es kann lernen, ungeeignete Warnreize (Trigger) auszusortieren und dann auch keinen Alarm (Erinnerungsattacke) mehr auszulösen. Dabei hilft eine Traumatherapie.

Insofern bin ich mir jetzt erstmal nicht sicher, ob wirklich alle Reaktionen und Probleme durch den Bundeswehreinsatz erklärt werden können. Zuverlässig einschätzen kann ich es nicht, weil ich zu wenig weiß. Dafür braucht es die angestrebte und hoffentlich begonnene Therapie und Zeit. Es ist gut, dass Ihr Freund Hilfe sucht.

Was diese Situation mit Ihnen macht, kann ich gut nachvollziehen. Menschen, die traumatisiert sind, bringen ihr Umfeld immer wieder in den Zustand der Hilflosigkeit. So hört es sich an, was Sie beschreiben. Sie möchten eine gesunde, gleichberechtigte und führsorgliche Beziehung und das Leben Ihres Freundes wird von Angst bestimmt. Das ist auf Dauer anspruchsvoll.

Leider ist es so, dass außer ihrem Freund, niemand für seinen Heilungsweg verantwortlich ist. Wenn er nicht hart daran arbeitet, gesund zu werden, wird er traumatisiert bleiben. Wenn er in der Angst und damit im Vermeidungsverhalten bleibt, dann kann das Gehirn nicht lernen, dass die Welt weniger gefährlich ist, als das Gehirn denkt. Es kann auch nicht lernen, dass Ihr Freund besser für seine Sicherheit sorgen kann, als sein Gehirn denkt.

Was Sie machen können? Sie können auf sich selbst aufpassen und ihm die Verantwortung für seine Beschwerden lassen. Nur er kann lernen, auf eine gesunde Art damit umzugehen. Sie dürfen die Forderung stellen, dass er sich darum bemüht. Solange er sich bemüht, übt, trainiert und zur Therapie geht, seien Sie geduldig und fragen Sie, wie Sie ihn unterstützen können. Das geht durchaus. Man kann sich langsam an die schöne Seite von körperlicher Nähe herantasten. Das können Sie gemeinsam tun. Sie können ihm auch mit den Erinnerungsattacken helfen.

Aber wenn er für sich entscheidet, in der Angst zu bleiben, dann ist es umso wichtiger, dass Sie gut für sich sorgen, indem Sie klare Grenzen setzen, was Sie mittragen können und was nicht.

„Wenn er mir dann noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht.“

Das hier klingt für mich, als wären sie verärgert darüber, dass er die PTBS als Erklärung/Ausrede für sein Vermeidungsverhalten benutzt. So meine Vermutung. Wenn dem so ist, dann ist es eine sehr gesunde Reaktion, sich schlecht dabei zu fühlen. Es würde bedeuten, dass Sie wissen, dass es sich um eine Ausrede handelt. Gleichzeitig haben Sie Mitgefühl, weil er nichts dafürkann, was er bei diesem Einsatz erlebt hat. Da entsteht Spannung. Ärger auf die Ausrede und Mitgefühl für das Leid.

An der Stelle mache ich Ihnen Mut dazu, diese widerstreitenden Gefühle anzusprechen und zu schauen, wie er darauf reagiert. Kämpft er oder bleibt er in der Angst? Will er den Konflikt lösen? Macht er Sie verantwortlich? Oder appelliert er an ihr Mitgefühl?

Schauen Sie gut nach sich selbst. Welcher Kompromiss ist noch ein Kompromiss und wo wird er zur Selbstaufgabe? Letzteres wird Sie früher oder später krankmachen. Das wäre nicht gut und kann nicht das sein, was Sie wollen. Wenn Sie merken, dass Sie da an eine Grenze kommen, und das haben Sie geschrieben, dann holen Sie sich ebenfalls professionelle Hilfe. Es ist leichter mit einem menschlichen Gegenüber zu schauen, wie Sie gut für sich sorgen können. Dazu möchte ich Sie ermutigen!

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.

Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Was tun bei chronischen Schmerzen?

11.02.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ich bin komplex traumatisiert und habe sehr viele Therapien hinter mir. Seit 3 Jahren leide ich an höllischen Nervenschmerschmerzen von den Sitzhöckern bis runter in die Füße. Die Schmerzen treten sofort nach dem Aufwachen auf und verschwinden auch durch Akupunktur, KG etc. nicht. An Medikamenten habe ich Tavor, Opium etc. genommen, was keine Dauerlösung ist.

Liebe Leserin,

Nervenschmerzen sind eine üble Sache. Sie machen ohnmächtig. Sie zermürben. Sie rauben alle Kraft, die wir für anderen Dinge sinnvoller einsetzen könnten.

Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Wenn medizinische Gründe ausgeschlossen sind, dann ist die spannende Frage, ob gängige Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) anschlagen. Wenn ja, wäre das für mich immer erstmal ein Hinweis auf eine aktuelle körperliche Komponente des Schmerzes, also zum Beispiel Spannungs(kopf)schmerzen, Wirbel verschoben.

Aber ich erlebe auch immer wieder Fälle, in denen Schmerzmittel nicht anschlagen. Das ist für mich ein Hinweis auf einen Flashback, einen Fehlalarm, eine Erinnerungsattacke.

Wenn es eine Körpererinnerung (Flashback) ist, dann kann es hilfreich sein, sich in den Schmerz hinein zu spüren und ihn ganz genau wahrzunehmen. Das bringt manchmal die dazugehörigen restlichen Erinnerungsteile zurück.

Eine hilfreiche Frage ist: Was, lieber Körper, was lieber Schmerz willst Du mir sagen? Wenn wir hinspüren, kann so manchmal eine Antwort kommen.

Bei mir selbst ist es manchmal so, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn Klienten mit einem geistlichen Thema kommen, wenn es darum geht, dass Gott Großes mit ihnen vorhat. Dann bekomme ich als Ausdruck des geistlichen Angriffs Kopfschmerzen. Mein Glaube an die Wirkung von Schmerzmitteln ist allerdings so groß, dass sie helfen, obwohl es erstmal keine körperliche Ursache gibt. Anspannung vielleicht, ja, das mag sein. Manchmal ist der Schmerz allerdings nicht so stark oder taucht schlagartig während einer Sitzung auf, wenn das Thema von Psychologie hin zu Glaube wechselt. Und wenn die Person geht, ist der Schmerz, die Müdigkeit und andere Beschwerden schlagartig wieder weg.

Man könnte jetzt sagen, das kommt von der Entspannung, sozusagen der Erleichterung, weil das „schwierige“ Gespräch vorbei ist und ich froh bin, dass der andere weg ist. Mag sein. Ich erlebe es anders. Es sind oft die besonders berührenden und heilsamen Gespräche, die durch solche Kopfschmerzattacken „behindert / attackiert“ werden.

Wenn es um Entspannung gehen würde, müsste eine Entspannungstechnik helfen. Tut sie aber nicht. Allein mein Glaube – an die Medikamente und an Gott, in Form eines Gebets hilft. Manchmal auch ein gemeinsames Gebet.

Ich weiß nicht, welche Ursache, Ihre Nervenschmerzen haben könnten. Aber ein Entspannungsverfahren sehr gut zu lernen kann hilfreich sein, wenn sie mit Stress (Flashback-Schmerzen = Körpererinnerung) verknüpft sind. Alle Strategien, die gegen Erinnerungsattacken helfen, können Entlastung bringen (Hier und Jetzt, der Sichere Ort) oder aber genau das Gegenteil: Sich in den Schmerz hineinspüren und ihn fragen, was er mir sagen will. Allen Mut zusammen zu nehmen und den Körper nach dem Rest der Erinnerung fragen. Was nur funktionieren kann, wenn die Schmerzen Teil einer Erinnerung sind.

Frei nach Louise Hay könnte folgende Interpretation eine Hilfe sein:

Schmerz, Dauerschmerz verweist auf Schuldgefühle, die im Schmerz ihre Bestrafung finden. Dem kann ich mit einem neuen Gedankenmuster (Giftige Gedanken) entgegenwirken: „Liebevoll lasse ich die Vergangenheit los. Die anderen sind frei und ich bin frei. Alles ist jetzt gut in meinem Herzen.“

Komplexe Traumafolgestörungen gehen oft damit einher, dass Täter einen zwingen, Täterverhalten zu zeigen. Sie wollen, dass sich ihre Opfer genauso schuldig fühlen wie die Täter selbst sich schuldig machen. Sie reden ihren Opfern Schuld ein. Aber ein Opfer hat keine Wahl und damit auch keine Schuld. Schuldgefühle, wenn sie die Ursache der Schmerzen sein könnten, sind ein wichtiger und komplexer Schutzmechanismus gegen Ohnmacht (Schuldgefühle). Sollte das ein Thema sein, so geht es darum zu sehen, dass Sie keine Wahl hatten und deswegen ohne Schuld sind. Sie hatten in der Gewaltsituation keine Wahl, auch wenn das von heute aus betrachtet anders aussehen mag.

Ich bin tief und fest davon überzeugt, dass niemand sich schuldig machen würde, wenn er eine echte, freie Wahl sehen würde. Aber oft haben wir sie nicht oder sehen sie nicht. Als Opfer von Gewalt reden wir uns ein, wir hätten eine Wahl, wo es nie eine gab, um die Ohnmacht nicht mit aller Macht spüren zu müssen und so die Illusion von Einfluss auf die Situation und damit das eigene Wohlbefinden aufrecht erhalten zu können.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie die Ursache der Schmerzen entdecken und ans Licht bringen und sich so davon befreien können.

Herzliche Grüße und viel Kraft für diesen Weg

Stefanie Rösch

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Leserfrage: Was ist der Unterschied zwischen giftigen Gedanken und Täterintrojekten?

24.06.2017 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 4 Kommentare

Liebe Frau Rösch, ich habe viele Ihrer Artikel in diesem Blog gelesen, vor allem das Thema giftige Gedanken berührt mich sehr. Ich habe eine Frage und hoffe, dass Sie vielleicht weiterhelfen können. Ich habe eine Traumkonfrontationstherapie gemacht, jedoch nicht erfolgreich. Die Therapeutin sagte, ein zu starkes Täterintrojekt würde die Zusammenarbeit unmöglich machen. Jetzt bin ich etwas ratlos, wie wird das behandelt? Ich weiß, dass diese giftigen Gedanken sehr stark sind und kämpfe dagegen an wo ich kann. Gibt es dabei eine Möglichkeit zur Unterstützung für mich? Seit dem Abbruch der Therapie habe ich fast jeden Tag Panikattacken und weiß nicht mehr weiter.

Liebe Leserin,

könnte es sein, dass Ihre „Panikattacken“ im Grunde Flashbacks sind (–> Erinnerungsattacken/Fehlalarme des Hirns)? Dann könnte alles helfen, was bei Flashbacks hilft (–> Was hilft gegen Flasbacks, weitere Möglichkeiten).

Dringender scheint mir jedoch die Frage nach den giftigen Gedanken und dem Täterintrojekt zu sein. Dazu möchte ich zuerst versuchen zwischen giftigen Gedanken und einem Täterintrojekt zu unterscheiden.

Giftige Gedanken, sind negative Gedanken, die im Autopiloten (–> Was ist der Autopilot?) in unserem Hirn unterwegs sind und uns meist, indem sie Angst auslösen, daran hindern frei zu sein. Aber es sind nur Gedanken. Wenn man sie entdeckt hat, dann reicht als Gegenmaßnahme, den Autopiloten „neu zu programmieren“, was aus meiner Erfahrung in erster Linie durch blanke Wiederholung erreicht werden kann (–> Giftige Gedanken). Hilfreich ist es, wenn man noch subjektive Beweise für den neuen, gesunden, positiven Gedanken finden kann.

Ein Beispiel: Wenn ich denke „Ich bin wertlos“, dann ist das ein giftiger Gedanke, der mich daran hindert frei zu sein. Bei allem, was ich tue, flüstert dieser Gedanke im Hintergrund, dass ich es nicht schaffe, weil ich wertlos bin. Wenn ich diesen Gedanken entlarvt habe (1), dann entscheide ich zuerst, dass ich in Zukunft „Ich bin wertvoll“ über mich selbst denken will (2), oder vielleicht auch „Ich liebe und akzeptiere mich so wie ich gerade bin“ (2). Dann wiederhole ich den Satz, täglich über mindestens 3 Wochen (3). Aus der Sportpsychologie weiß man, dass es ein paar Tausend Wiederholungen braucht, um einen Bewegungsablauf automatisch abrufen zu können. Für giftige Gedanken kann man sich das einfach genauso vorstellen. Wenn man jetzt noch dazu aufschreibt, was dafürspricht, dass man wertvoll ist (4), z.B., weil es Freundin A und B gibt, oder mein Hund sich freut, mich zu sehen, oder die Verkäuferin freundlich gelächelt hat, dann kann man den neuen Gedanken in den Autopilotenzustand (unbewusst/automatisiert) bringen.

Ein Täterintrojekt, wie ich es verstehe und meine, wenn ich in meinem Blog darüber schreibe, ist ein Bündel von Gedanken, das ein intensives Eigenleben führt. Im Grunde wie eine eigene Person (auch Ich-Zustand genannt). Meist sind diese inneren Anteile in ihrer Zeit (Zeitpunkt einer traumatischen Erfahrung) eingefroren. Sie können auf unterschiedliche Weise in Erscheinung treten. Bis dahin, dass sie das Handeln der Person übernehmen wie bei der Dissoziativen Identitätsstörung (DIS –> Definition und Beschreibung).

Täterintrojekt werden diese Erinnerungs- /Ich-Zustände genannt, weil sie Verhalten und Forderungen eines Täters in unseren Köpfen weiterleben lassen (Introjekt = im Inneren abgebildet = wie eine Kopie des Täters in unserem Kopf). Man kann mit ihnen sprechen. Mit einem giftigen Gedanken kann man nicht sprechen, es ist nur ein einzelner Gedanke. Wie eine Haltung oder eine Erwartung. Ein Täterintrojekt ist komplexer. Mehrere Gedanken, Erwartungen und Haltungen, die täterfreundlich sind oder sich verhalten, um einem Täter zu gefallen, weil das mit weniger Gewalt oder Geschenken oder sonst wie belohnt wird. Sie beschützen die Täter durch ihr Verhalten.

Täterintrojekte behandle ich wie eigenständige Menschen, wie eine Person im Kopf meiner Klienten. Ich rede mit ihnen und versuche herauszufinden, was sie wollen. Manchmal verraten sie es und manchmal zicken sie rum. Wenn Sie rumzicken oder schaden wollen, zum Beispiel durch selbstverletzendes Verhalten, dann ermutige ich die Klientin, sich im Kopf zu wehren. (–>Täterintrojekte, das Recht auf Notwehr)

Damit das klappt, so meine Erfahrung, braucht es äußere Sicherheit. Also Sicherheit für den eigenen Körper. Es braucht eine stabile Beziehung (die Therapeutin), die zur inneren Notwehr ermutigt und Ideen liefert, wie das gehen kann. Die Therapeutin hilft zu erkennen, dass nichts passieren kann, wenn man sich gegen die Stimmen im eigenen Kopf wehrt. Täterintrojekte versuchen, Ihnen Angst zu machen. Lassen Sie das nicht zu! Was auch immer es ist, zum Zeitpunkt der Therapiesitzung ist es vorbei und Sie sind sicher. Davon gehe ich jedenfalls aus, denn sonst wäre die Therapeutin/der Therapeut Täter.

Alles, was in Ihrem Kopf stattfindet, können Sie lernen zu beherrschen. Machen Sie sich bewusst, wer da unterwegs ist und was derjenige von Ihnen will. Bisher habe ich den Eindruck, dass das nur mit einem furchtlosen Gegenüber (Therapeutin) geht, das Sie unterstützt und manchmal vorlebt, wie man sich wehrt.

Das kann ein sehr langer Prozess sein, aber man kann sich auch von hartnäckigen Täterintrojekten befreien. Bisher konnten meine Klienten und ich in meinen Therapien noch jedes Täterintrojekt in die Knie zwingen und rauswerfen.

Auch wenn es ein ziemlicher Kampf sein kann. Ja, ein Kampf. Immer ein innerer und manchmal auch äußerer Kampf, wenn zum Beispiel das Täterintrojekt meint, es muss den Therapieraum verlassen, um die Therapie abzubrechen. Für diese Fälle habe ich mit der Klientin dann VORHER abgesprochen, dass ich es daran hindere, seinen Plan auszuführen, indem ich mich zwischen Tür und Täterintrojekt im Körper der Klientin stelle und so verhindere, dass das Täterintrojekt gehen kann. Gleichzeitig spreche ich wie vereinbart mit der Klientin und sage ihr, dass sie jeder Zeit gehen kann, wenn sie will, aber sie muss es mir selbst sagen. Von Täterintrojekten lasse ich mir nichts sagen 🙂

Wenn die Introjekte durch rituelle Gewalt entstanden sind, dann mögen sie es gar nicht, wenn man laut ein Gebet spricht oder ein Lobpreislied singt und sie dann wegschickt. Aber auch Lieder wie „Die Gedanken sind frei“ haben sich schon als hilfreich herausgestellt. Manchmal passiert dann so etwas wie im Filmausschnitt am Ende bildlich dargestellt: Die Böse Hexe des Westens (unser Täter) schmilzt (verschwindet aus dem Kopf) nachdem Dorothy versehentlich einen Eimer Wasser über sie kippt (sich gewehrt hat/Notwehr) als Sie ihren Freund Vogelscheuche retten will, den die Hexe in Brand gesteckt hat (Letztendlich retten Sie sich selbst).

Ich hoffe, Sie finden jemanden, der diesen Kampf gegen das Täterintrojekt wieder mit Ihnen aufnimmt und an Ihrer Seite kämpft und Ihnen Mut macht, sich zu wehren. Ich weiß, dass Sie die Macht haben, das Täterintrojekt zu besiegen. Sie können es rauszuwerfen oder innerlich töten, wenn es sein muss. Auch wenn Sie das noch nicht glauben können. Ich bin mir sicher, dass Sie die Kraft dafür haben werden.

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