„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

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Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und die Maskenpflicht: Eine Leserinnenerfahrung (Teil 3)

21.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

In Teil 1 und 2 ging es um die Auswirkungen von Masken auf komplex traumatisierte Menschen, sowie die Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Worten und anderen Reizen.

Mit welchen Schwierigkeiten Betroffen sonst noch im Alltag zurecht komemn müssen, zeigt der folgende Abschnitt.

Die Einschränkungen von komplex traumatisierten Menschen

Ich habe mich jetzt zwei Jahre massiv eingeschränkt und kann wegen meine Traumabeschwerden kaum noch arbeiten, denn als freiberufliche Beraterin müsste ich raus zu den Kunden. Bis auf einen kleinen Obstladen, wo ich mich komplett geoutet habe mit meiner Symptomatik und wo ich mit der Verkäuferin meistens allein bin, war ich seit April 2020 nicht mehr einkaufen. Das war alles ok für mich. Wir haben Pandemie. Was für mich nicht ok ist, dass mir trotz Inzidenzen im unteren einstelligem Bereich Gruppentherapie wegen der Masken verschlossen blieben, die für mich hinsichtlich der Erhaltung meiner Erwerbsfähigkeit wichtig sind. Es gibt Tests und viele, inkl. meiner Person, sind geimpft. Zeitgleich öffnen Diskotheken & Co. ohne Maske und Menschen reisen in alle möglichen Länder, aber Gruppentherapie gibts nur mit Maske …

Ich musste ein gutes halbes Jahr um einen halben Satz in der Corona-Schutzverordnung kämpfen, damit Menschen im Kontakt mit Menschen wie mir die Maske absetzen können, ohne dass horrende Strafen drohen. Dabei ging es nicht um Spaß, nicht mal um ganz normale Alltagsbesorgungen wie z.B. Frisör oder Einkaufen, nein, es ging um notwendige behördliche und therapeutische Leistungen oder Versorgung mit Hilfsmitteln, z.B. beim Optiker. Ausnahmen wurden z.B. für sehbehinderte Menschen in der Kommunikation problemlos erlaubt, aber unsereins fiel wieder hinten runter… keine Lobby… leider. Es ist ja „nur“ psychisch. Wir alle bilden uns das nur ein und … Masken sind ein „mildes Mittel“… und wir müssen nur üben.

Ich kann es nicht mehr hören! Ich übernehme für mich im Rahmen meiner Möglichkeiten Verantwortung, aber die (oftmals wegschauende) Bevölkerung, die Institutionen, die Politik … stehen genauso in der Verantwortung und sei es heute nur, auch uns gegenüber tolerant zu sein. Von mir wird ja auch Toleranz erwartet. Ich muss mich ohne Maske fast komplett einschränke mit aller gesundheitlichen und wirtschaftlichen Konsequenz. Gleichzeitig soll ich Menschen nicht anfeinden, die bei strahlendem Sonnenschein im Wald in 3 Metern Abstand mit FFP2-Maske an mir vorbei gehen, obwohl sie mich triggern (und Masken in diesem Umfeld mehr als unnötig sind, was kaum wer hinterfragt…).

Ich will nur nochmal deutlich sagen, dass für viele Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen die Situation seit den letzten eineinhalb Jahren einem Trigger-Minenfeld gleicht, was mal nicht soeben nebenher mit ein bisschen Üben entschärft werden kann. Vor allem nicht mit teilweise eingeschränkten Therapien. Wobei die körperlichen Distanzregeln wiederum bei unsereins teilweise sehr positiv empfunden wurden.

Ich wünsche mir zu derartigen Themen einen etwas differenzierteren und sensibleren öffentlichen Umgang besonders von Fachpersonen. Das würde vielleicht auch zu mehr Akzeptanz und Entstigmatisierung unsereins in der Umwelt beitragen.

Vielen Dank.

Liebe Leserin,

ich bin mir sicher, dass weder ich, noch viele andere therapeutisch arbeitende Menschen auf die Idee kommen, dass es für Sie und alle anderen Menschen mit DIS oder kPTBS „leicht“ wäre oder „mit ein bisschen Üben“ getan ist.

Meine Erfahrung entspricht da Ihrer, dass es zu wenig allgemeines Wissen über die Schwierigkeiten gibt, mit denen Sie tagtäglich ringen, obwohl Sie nichts dafür können, wie man Sie behandelt hat und welchen Weg Ihr Gehirn gegangen ist, um Sie zu schützen. Denn das sind die Symptome, das Ergebnis von Schutzmechanismen. Diese Schutzmechanismen sind nicht krank, sondern gesund – natürlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen: Einem Leben mit vielen Gewalterfahrungen, die schon früh im Leben überlebt werden müssen. Wie das Gehirn zu diesem Zeitpunkt, das Problem „Gewalt“ löst, darauf haben Sie als Betroffene keinen Einfluss. Ich empfinde diese Lösungsmechanismen, einschließlich dissoziativer Überlebensstrategien zu diesem Zeitpunkt als gesunde Reaktion auf eine sehr ungesunde Lebenssituation. Das passiert einfach.

Später im Leben, oft erst dann, wenn sich die äußeren Umstände vielleicht nicht vollständig aber zumindest teilweise geändert haben, kann man merken, dass „etwas“ nicht stimmt. Einfach, weil man andere Menschen sieht und die Reaktionen von anderen mitbekommt. Irgendwann geht es einem so schlecht, dass man trotz aller Angst, trotz aller Beschwerden und Dissoziationen Hilfe sucht. Das ist gut und mutig.

Ich habe es im ersten Teil dieses Artikels geschrieben: Ein Blogartikel kann niemals eine Therapie ersetzen und jede Technik, jeder Vorschlag wird für manche funktionieren und für andere nicht. Deswegen sucht man sich eine kompetente Therapeutin und findet gemeinsam mit ihr heraus, welche Techniken, welcher Heilungsweg für Sie als einzigartigen Mensch hilfreich sind.

Aber sollte ich deswegen gar nicht schreiben? Weil es hundertprozentig sicher ist, dass es viele Leserinnen gibt, denen es ähnlich wie Ihnen geht? Weil ich davon ausgehen muss, dass es Menschen gibt, für die ein Artikel nicht hilfreich oder sogar belastend ist? Sollten deswegen die anderen, für die der Tipp oder eine Erklärung hilfreich ist, deswegen darauf verzichten müssen?

Ich kann nicht vorhersagen, wer wie auf meine Worte reagiert oder was der einzelne Leser oder die einzelne Leserin mit meinen Worten in ihrem Kopf macht. Ich bemühe mich nach bestem Wissen und Gewissen um eindeutige, klare und wertschätzende Worte und Erklärungen.

Es kann weder in Ihrem Interesse sein, noch ist es meins, nicht zu schreiben, weil der eine oder andere meine Worte missversteht. Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um Missverständnisse handelt, die wir so wie Sie und ich es gerade versuchen, klären können. Wenn ich von Missverständnis reden, dann meine ich nicht automatisch, dass SIE mich missverstehen. Genauso gut kann es sein, dass ICH mich missverständlich ausdrücke. An einem Missverständnis sind immer beide beteiligt, Sprecher und Zuhörer, Autorin und Leserin. Solange beide an der Klärung interessiert sind, ist die auch möglich.

Ich glaube, erst wenn wir es großflächig so wie Sie und ich hier machen, wird sich etwas ändern. Wenn Sie und ich im Gespräch bleiben, in gegenseitiger Wertschätzung, so wie wir es tun, dann kann sich daraus Öffentlichkeit entwickeln und damit Aufklärung und damit Veränderung. Deswegen habe ich große Teile Ihrer Mail an mich hier veröffentlich, damit interessierte Menschen sich informieren und Verständnis für Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen entwickeln können. Wenn dabei für den einen oder anderen Betroffenen noch eine hilfreiche Technik mit herausspringt, dann macht mich das glücklich.

Deswegen nochmal, ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht und den Mut aufgebracht haben, mir zu schreiben.

Ich wünsche Ihnen Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich schicke meine Antworten in den meisten Fällen zuerst an meine Leserin oder Leser, damit sie einen letzten Blick auf meine Antwort werfen können, bevor ich sie veröffentliche.

An dieser Stelle möchte ich mich einmal bei allen entschuldigen, die allen Mut zusammengenommen haben, um mir zu schreiben und deren Anfragen ich bisher nicht beantworten konnte oder gar nicht beantworten werde, einfach, weil ich im Alltag nicht immer ausreichend Zeit dafür finde. Ich lese alle Anfragen und bin sehr dankbar für jede einzelne Mail. Ich würde gerne mehr schreiben. Aber leider lässt sich damit kein Geld verdienen. Deshalb wähle ich aus.

Um so mehr freut es mich, wenn ich dann auf meine Vorab-Versendung eine Reaktion wie folgende bekomme:

Liebe Frau Rösch,

ich hoffe, dass es Ihnen den Umständen entsprechend gut geht. Ganz herzlichen Dank für ihre ausführliche Antwort. Ich hatte ehrlich gesagt gar nicht mehr damit gerechnet. (Rösch: Ich bekam die Mail vor über 7 Monaten).

Ich muss sagen, dass ich sehr glücklich darüber bin, dass Sie diesen Artikel veröffentlichen. Ja, es ist wichtig, gesehen zu werden, aber um gesehen werden zu können, müssen wir uns sichtbar machen, …als die, die wir sind. Das ist ungemein schwierig. Auf diesem Weg bin ich nicht nur auf Verständnis , sondern auch auf sehr viel Unverständnis, Abwertung und Ignoranz gestoßen… teils unter Gleichgesinnten, die selbst den Mut nicht aufbringen, unter Mitpatienten, unter Ärzten, Ämtern, Behörden, Regierung, Arbeitskollegen…  Das hat mich oft sehr wütend und hilflos zurückgelassen und vor allem allein. Ich habe während der Pandemie manchmal neidig auf Verbände geschaut, die sich überregional für ihre Menschen stark machten und habe das für unsereins irgendwie vermisst oder es ist an mir vorbeigegangen.

Sie schrieben, dass ich in der glücklichen Lage bin, eine Therapeutin zu haben…

Ich bin sogar so froh darüber, dass ich vor einiger Zeit beschlossen hatte (nach dem aussichtslosen Kampf mit gewissen SV-Trägern), den halbwegs sicheren Hafen einer Festanstellung zu verlassen und mich selbständig zu machen. Mit einem „normalen“ Job hätte ich diese Möglichkeit gar nicht, da die verschiedenen Therapien im Rahmen der ambulanten Versorgung in der Ambulanz einer kleineren Klinik auf dem Land zwischen 8:00 Uhr und 16:00 Uhr stattfinden – mit Festanstellung in meinem Beruf … keine Chance.

Auch diese Antwort zeigt uns, auf welche Hindernisse Betroffene in ihrem Alltag stoßen, die uns als „Gesunde“ gar nicht bewusst sind. Selbst wenn jemand gesund werden und ein produktives Mitglied unser aller Gemeinschaft sein oder werden will, werden diesem Menschen Hürden in den Weg gelegt. Dabei könnten wir ihr auch alle gewünschten und notwendigen Hilfen an die Hand zu geben, um möglichst schnell ein gesundes, freies und für die Gemeinschaft gewinnbringendes Leben genießen zu können.

Ich hoffe sehr, dass es uns als Gesellschaft gelingt, Betroffenen mit mehr Liebe und Unterstützung zu begegnen anstatt mit dem Unglauben an Heilung und dem gierigen Blick auf Geld, ohne die gesellschaftlichen Kosten und das menschliche Leid zu berücksichten.

Ich danke allen Menschen, die den Mut aufbringen, mit ihren Mails an mich, ihre Stimme zu erheben. Danke dass Sie auf diese Missstände aufmerksam machen und mir die Gelegenheit geben, mein Wissen und meine Erfahurngen mit Ihnen zu teilen. Herzliche Dank dafür und – viel Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und die Maskenpflicht: Eine Leserinnenerfahrung (Teil 2)

18.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Im ersten Teil haben wir festgestellt, dass Masken für komplex traumatisierte Menschen eine riesige Herausforderung und häufige Trigger sind. Dazu tragen Täter genauso Masken wie alle anderen, so dass man sie dann schlecht erkennen kann. Auf der anderen Seite gilt das Abstandsgebot für alle gleich. Das bedeutet, dass man alle Menchen auf einen sicheren Abstand halten darf. Auch Täter. Es ist nicht mehr nötig zu unterscheiden.

Die Leserin schreibt weiter:

Das Problem sind die Dissoziationen und der Schlag ins Gesicht

Mit komplexen Traumaerfahrungen ist es natürlich deutlich schwerer bis nahezu unmöglich, einem maskierten Umfeld einen „Vertrauensvorschuss“ zu geben. Panik in solchen Situationen wären mein geringeres Problem. Das Problem sind die Dissoziationen. Ja, ich bin an den Triggern schon lange therapeutisch dran und daher klingen Ihre Ausführungen … „Wenn die Ursache Ihrer Angst etwas mit einer Lebenserfahrung zu tun hat, dann wird es mit dieser Technik besser werden.“ … für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin wieder unfähig und schuld, dass es mir nicht besser geht, sagen mir viele innere Stimmen und andere innere Stimmen, welche diese kleinen Kindanteile immer wieder wegen ihrer Unfähigkeit und Angst treten, werden durch solche Aussagen noch bestärkt. Ich müsste nur üben, mehr nicht … Ich bin zu doof dazu … Das heizt das innere Chaos immer wieder neu an. Mein erwachsenes Ich weiß sich davon zum Glück mittlerweile zu distanzieren, denn es hat nicht mit nur „einer Lebenserfahrung“ zu tun. Das kostet jedes Mal wieder viel Energie. Es gab und gibt reale Täter und allein die sind schuld, dass ich jetzt in dieser Situation bin. Meine Verantwortung heute liegt darin, mir Hilfe zu suchen, um die Konsequenzen zu mildern … und solche pauschalen Ratschläge helfen mir persönlich nicht weiter, im Gegenteil.

Selbst- und Weltbild und unser Filter: Interpretation ist der Schlüssel

Sie schildern an dieser Stelle ein so typisches und häufiges Problem, mit dem Betroffene von komplexen Traumafolgen zu ringen haben: Reize (hier Sätze) werden zum eigenen Nachteil ausgelegt.

Da geht es in den meisten Fällen um das Selbst- und das Weltbild. Ich schreibe, „Wenn die Ursache Ihrer Angst etwas mit einer Lebenserfahrung zu tun hat, dann wird es mit dieser Technik besser werden…“ und Ihr Gehirn oder Ihr inneres Team macht daraus: „Ich bin wieder unfähig und selbst schuld, dass es mir nicht besser geht.“

Wenn ich sagen wollte, dass es an der Unfähigkeit des Übenden hängt, würde ich das auch so schreiben: „Und wenn es mit dieser Technik nicht besser wird, dann haben Sie einfach nicht genug geübt.“ Aber so vermessen bin ich nicht.

Ich weiß, dass es so viele Gründe wie Menschen gibt, warum eine bestimmte Strategie nicht funktioniert. Ich gehe immer davon aus, dass jemand, der bereits Therapie macht, wahnsinnig viel Mut beweist. Vor allem mit einer komplexen Traumafolgestörung. Einfach weil die Auseinandersetzung mit Gewalterinnerungen nichts für feige Menschen ist. Also erstmal Hut ab, dass Sie diesen Weg gehen!

Dass der oder die Täter Ihnen eingeredet haben, dass Sie selbst schuld sind oder nicht gut genug sind oder die Gewalt verdient hätten, diese Aussagen bewirken, dass das Hirn oder innere Anteile irgendwann auch ohne Tätereinfluss anfangen, Erfahrungen in diesem Sinn zu interpretieren. Es entsteht ein „Du bist unfähig“-Filter und ein „Du bist zu dumm“-Filter im Gehirn. Wenn also etwas nicht gleich klappt, dann kommt das Hirn schon automatisch zu der Annahme, dass „ich wieder unfähig und selbst schuld bin“.

Dabei wäre eine zutreffendere Erklärung wohl eher: „Das funktioniert bei mir so nicht, weil ich nicht nur eine Gewalterfahrung gemacht habe, sondern viele. Es funktioniert so nicht, weil ich dissoziiere und gar nicht so üben kann. Es funktioniert schlicht und ergreifend deswegen nicht, weil diese Strategie für mich nicht geeignet ist.“ Alle diese Interpretationen wären in meinem Empfinden zutreffender und hilfreicher. ABER traumatische Erfahrungen über einen längeren Zeitpunkt bewirken, dass eine Äußerung wie „es wird besser werden, wenn sie üben“ als Schlag ins Gesicht wahrgenommen wird, wenn eine Technik nicht funktioniert.

Im Grunde ist diese Interpretation „Es liegt an mir“ der verzweifelte Versuch des Gehirns oder der inneren Anteile, die Vorstellung von Beeinflussbarkeit im Leben aufrecht zu erhalten.

Das ist so wie mit Schuldgefühlen, die in meinen Augen auch zu nichts nutze sind, außer sich selbst die Illusion aufrecht zu erhalten, man hätte Einfluss auf Erfahrungen, denen man ohnmächtig ausgeliefert ist. Unser Gehirn macht das, weil wir Menschen Ohnmacht so unerträglich finden. Wir benötigen die Vorstellung, Dinge in unserem Alltag beeinflussen zu können. Darüber habe ich mich an verschiedenen Stellen bereits ausgelassen (z.B. Her mit der Ohnmacht: Über den Sinn und Unsinn von Schuldgefühlen oder Leserfrage: Schuldgefühle, Hilflosigkeit und unser beider Trauma)

Die Psycho-Logik unseres Hirns behauptet: „Wenn es an mir liegt, dass die Technik nicht funktioniert, dann bin ich zwar mal wieder unfähig, aber auf der anderen Seite kann ich durchaus andere Dinge beeinflussen.“

Dabei könnte man genauso gut denken: „Die Technik funktioniert nicht für mich, weil ich komplex traumatisiert bin. Ich suche eine andere Möglichkeit mit meinen Beschwerden umzugehen. Ich frag mal meine Therapeutin, was die vorschlägt.“ Mit dieser Interpretation und Reaktion bleiben Sie ganz ohne Selbstabwertung oder Selbstbeschuldigung handlungsfähig.

Das Problem mit dieser zweiten Interpretation ist, dass Sie ihren – von den Tätern oder durch die Gewalterfahrungen – antrainierten Überzeugungen „dass sie unfähig sind“ innerlich widersprechen.

Deswegen ist es genau so wie Sie es sagen, es ist anstrengend, vor allem mit einem inneren Team. Es ist anstrengend, diesen ungünstigen Überzeugungen, diesen negativen Filtern immer wieder bewusst zu widersprechen bis auch das letzte innere Kind davon überzeugt ist und glaubt, dass es wertvoll und sehr wohl fähig ist. Es kostet unendlich viel Kraft, bis alle davon überzeugt sind, dass es an der Technik liegt, die für mich nicht funktioniert, und nicht daran, dass ich unfähig bin, die Technik korrekt auszuführen. Das ist viel Arbeit. Da sind Sie dran. Bravo!

Der abschließende Teil erscheint am Montag.

Bis dahin viel Kraft, Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Wer kann die Diagnose Dissoziative Identitätsstörung (DIS) stellen?

01.06.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
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Hallo Frau Rösch,
können Sie mir zufällig sagen, wer die Diagnose DIS oder ähnliches stellen kann? Meine Therapeutin kann und möchte mich nicht weiterbehandeln und diese Diagnose nicht stellen. Ich brauche aber die Diagnostik, um zu wissen was und wie es mir besser gehen kann.
Ganz viele liebe Grüße

Trauma-Informations-Zentrum

Liebe Leserin,

Prinzipiell kann die Diagnose Dissoziative Identitätsstörung (DIS –> Mein Krankheitsmodell zur DIS) eine Psychiaterin/ ein Facharzt mit entsprechend Qualifikation oder eine psychologische Psychotherapeutin oder eine Psychotherapeutin mit Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz stellen. Das sind die gesetzlich zugelassenen Heilberufe in diesem Bereich.

Verantwortungsvoll wird diese Diagnose in der Regel nach einem längeren Kennenlernprozess zwischen Ihnen und einer qualifizierten Therapeutin gestellt. Es ist eine anspruchsvolle Diagnose, die in der Regel nicht nach einem 20 minütigen Gespräch gestellt werden kann. Oft ist es so, dass Betroffene andere Diagnosen gestellt bekommen, bis irgendwann jemand bemerkt, dass eine DIS die beste Erklärung für die Beschwerden ist.

Diagnosen, die vorher öfter gestellt werden sind die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Depression oder auch Borderline Persönlichkeitsstörung oder Dissoziative Störung nicht näher benannt oder wenn es dumm läuft, wird die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) mit einer psychotischen Störung verwechselt.

Da die DIS eine schwer zu diagnostizierende Störung ist, spricht es erstmal dafür, dass Sie eine verantwortungsvolle Therapeutin haben, wenn sie diese Störung nicht einfach so diagnostizieren will. Ich gehe davon aus, dass sie gute Gründe dafür hat.

Verdachtsdiagnose als Zwischenschritt

Im diagnostischen Prozess ist es immer möglich, erstmal eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Das heißt, wenn ich mir als Therapeutin noch nicht ganz sicher bin, dann stelle ich eine psychische Störung mit dem Vermerk „Verdacht auf ….“ fest. Damit mache ich deutlich, dass ich noch nicht ausreichend Informationen habe, um mich auf eine konkrete Störung festlegen zu können. Das könnte auch hilfreich sein, wenn Sie zum Beispiel in eine Klinik gehen. Wenn es eine Verdachtsdiagnose mit einer entsprechenden Beschreibung von Beschwerden gibt, dann müssen die Behandelnden in einer Klinik und Sie nicht von vorne anfangen. Da bei einer Traumafolgestörung das Thema Vertrauen ganz häufig ein zentrales Thema ist, könnte das die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in einer Klinik deutlich erleichtern. Das ist ein Grund für Diagnosen: Kommunikation zwischen Fachleuten.

Diagnosen werden auch benötigt, damit die Krankenkassen oder andere Versorger im Gesundheitssystem die Behandlungskosten übernehmen. Eine Verdachtsdiagnose sollte ausreichen, um eine Therapie begründen zu können.

Ist eine Diagnose wichtig für den Behandlungserfolg?

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Sie schreiben, dass Sie die Diagnose brauchen, damit es Ihnen besser gehen kann. Ich kann nachvollziehen, dass eine Hürde oder eine Herausforderung greifbarer und besiegbarer erscheint, wenn man seinen „Gegner“ kennt. Das sehe ich auch so.

Auf der anderen Seite wird eine DIS wie jede andere psychische Störung nur dann geheilt, wenn Sie als Betroffene den Kampf auf einer täglichen Basis kämpfen. Das heißt: üben, üben, üben. Was es zu üben gilt, hängt von Ihren Beschwerden im Alltag ab.

Das größte Problem bei Traumareaktionen ist die Angst.

Todesangst ist ein großer Gegner. Aber genau darum geht es bei einer DIS. Es gibt ganz viel Angst, die jeden Tag wieder neu angeschaut und besiegt werden will.

Die gesunde Reaktion auf eine Gefahr (Säbelzahntiger) ist Angst (Video: Wie entsteht ein Trauma ?). Angst bewirkt, dass wir einen Bogen um die Gefahr (den Säbelzahntiger) machen. Wenn man keinen Bogen um die Gefahr (Täter/Angreifer) machen kann und man über viele Situationen hinweg die Gefahr (Anwesenheit des Täters/Angreifers) bestehen bleibt, dann kann es sein, dass das Hirn die Seele dadurch schützt, dass es innere Distanz zwischen der Todesangst (innere Reaktion auf die Gefahr) und der Gefahr (Anwesenheit des Täters/Angreifers) in der Situation herstellt. Das nennt man dann Dissoziation.

Eine Dissoziative Identitätsstörung ist eine besondere Form von innerer Distanz und eine besondere Form von Überlebensstrategie. Aber im Kern geht es immer um die Angst und hinter jeder Angst steht eine Todesangst.

Eine Therapie bringt Ihnen bei, mit der Angst umzugehen

Das bedeutet für Sie, eine erfolgreiche Therapie wird Ihnen beibringen, mit ihrer Angst umzugehen. Angst ist Ihre ungeliebte Freundin. Sie soll und will uns vor Gefahr schützen. Sie fühlt sich nur nicht so an wie eine Freundin, sondern unangenehm. Deswegen vermeiden wir alles, was uns dieses Gefühl bringen könnte. Das hilft aber nicht. Stattdessen geht es darum, neue Verhaltensweisen zu lernen, um anders mit unserer Angst umzugehen. Dazu gehört zu wissen, was man macht, wenn man einem Täter/Angreifer begegnet. Man lernt wie man den Kontakt zu Menschen abbrechen kann, mit denen man nichts mehr zu tun haben will, weil sie einem nicht guttun. Es geht darum zu lernen, wie man vertrauenswürdige Menschen von Tätern unterscheiden kann. Man lernt auch, wie man die Körperreaktion, die zur Angst dazugehört, direkt beeinflussen kann und noch viele andere Dinge.

Ein großes Problem ist, dass jemand mit einer Dissoziativen Identitätsstörung wie in einem anderen Land großgeworden ist und deshalb gelernt hat, wie man in diesem anderen Land redet und sich angemessen verhält. Wenn man jetzt hier bei uns – sozusagen – leben will, dann heißt das, dass man viele Dinge neu lernen muss. Die Sprache will gelernt werden, aber auch die „kulturellen“ Gepflogenheiten. Das dauert seine Zeit. In meinen Augen wird Ihnen eine gute Therapie auch das beibringen. Allerdings brauchen Sie dafür viel Geduld – mit sich selbst und mit anderen. Es ist gut, Leute zu haben, die einen anfeuern. Denn der Weg ist lang und anstrengend – wie bei einem Marathon. Und wenn Sie noch mehr dazu erfahren möchten, was in einer Traumatherapie passiert, können Sie hier auf den Link klicken.

Viel Kraft und Ausdauer für Ihren Weg.

Ihre Stefanie Rösch

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Leserfrage: Wie gehe ich mit dem Hin und Her in der Beziehung zu meiner Freundin mit komplexer PTBS um?

01.04.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Guten Tag,

meine Freundin ist seit sechs Wochen wegen ihrer komplexen PTBS in einer Klinik.

Am Anfang der Therapie suchte sie zu mir den Kontakt und brauchte ihn sehr. Gleichzeitig versuchte sie immer wieder Abstand zu haben. Wir telefonierten viel und schickten uns Nachrichten. Nach zwei Wochen trennte sie sich von mir. Sie begründete diesen Schritt damit, sie bräuchte eine Pause. Sie könne gerade nicht damit umgehen, dass jemand sie liebt und sie deswegen braucht. Sie könne keine Verantwortung für die Beziehung übernehmen.

Ich weiß, wie schwer ihr das gefallen ist und wie überfordert sie mit dieser Situation war. Sie hat sehr viele Gefühle für mich. Nach mehreren Jahren hin und her mit ihrem letzten Freund, trennte sie sich und kam mit mir zusammen.

Seitdem ging es ihr immer schlechter und schließlich wurde die PTBS diagnostiziert. Zwischen uns lief es gut, allerdings konnte sie nur noch mit mir Kontakt haben. Sie zog sich von ihren Freunden zurück. Ende letzten Jahres wurde sie krankgeschrieben und ist seitdem arbeitsunfähig.

Ich habe mich vor dem Klinik-Aufenthalt intensiv um sie gekümmert und war immer für sie da. Sie brauchte mich sehr. Wir hatten einen liebevollen und vertrauten Umgang. Wir sprachen auch über Zukunftspläne.

Die Trennung sprach sie in einer kühlen, sachlichen Mail aus. Wir telefonierten anschließend per Video. Sie bekräftigte die Trennung mehrfach, nahm sie aber auch mehrfach zurück als sie merkte, wie sehr mich das überforderte.

Sie brach das Telefonat ab und ging ins Stationszimmer, weil es ihr sehr schlecht ging. Später an dem Tag schrieb sie, dass sie „kurz Pause“ brauche.

Seitdem ist so eine Art Schwebezustand eingetreten. Ich bin ratlos. Ich habe seit zwei Wochen keinen Kontakt zu ihr, bis auf eine kurze Nachricht, dass in ihrer Wohnung alles ok ist. Sie bedankte sich. Dann wieder nichts mehr.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun? Soll ich sie weiter in Ruhe lassen. Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Ich beschäftige mich seit Wochen sehr mit komplexer PTBS, finde auch vieles dazu an Lektüre, aber nirgends finde ich Rat, wie ich mich in so einer Situation als Partner verhalten soll.

Ich schwanke hin und her zwischen „Beziehung aufgeben“ und „auf sie warten“. Ich muss auch schauen, was für mich gesünder ist, egal wie sehr ich sie liebe. Ich weiß nicht, wann sie wieder zurückkommt. Ich weiß nicht, wie ich mich in den nächsten Wochen verhalten soll und kann.

Trauma-Informations-Zentrum

Lieber Leser,

Ihre Schilderung macht sehr deutlich, wie schwierig die Situation für Sie ist und wie Sie versuchen, mit dieser Herausforderung umzugehen. Bevor ich ihre Fragen konkret beantworte, möchte ich ein paar Worte zum Thema komplexe PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) schreiben.

Was ist eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung?

Belastende Lebenserfahrungen wirken auf zwei Ebenen. Die Wirkung auf den Körper/Hirn bewirkt die Beschwerden der Posttraumatischen Belastungsstörung mit Erinnerungsattacken, häufig dissoziativem Erleben (Notabschaltung), erhöhter Erregung und vor allem Vermeidungsverhalten, weil die Erinnerungsattacken so unangenehm sind.

Belastende Erfahrungen, vor allem wenn sie häufig geschehen und früh im Leben ertragen werden müssen, bewirken, dass wir die Welt und uns selbst auf eine bestimmte Weise sehen. Es ist als wenn man die Welt und sich selbst durch Filter sieht, die nur bestimmte Informationen durchlassen. Das macht es oft schwer, gesunde Beziehungen zu leben. Misstrauen in den anderen oder ein übersteigertes Verantwortungsgefühl sind zwei sehr häufige Filter, die Beziehungen erschweren. Ein Filter ist eine Überzeugung, die bewirkt, dass wir Informationen durch diese Überzeugung wahrnehmen und bewerten. Diese Filter oder Überzeugungen werden auch als Glaubenssatz oder Affirmation bezeichnet.

Filter bestimmen, wie wir Informationen verstehen

Foto von Susanne Jutzeler von Pexels

Ich könnte zum Beispiel davon überzeugt sein, dass ich dafür verantwortlich bin, dass es dem anderen gut geht. Wenn ich das glaube, dann werde ich besonders darauf achten, wie es dem anderen geht. Bemerke ich, dass es dem anderen nicht gut geht, neige ich dazu zu glauben, dass es an mir liegt. Ich werde versuchen, den anderen aufzumuntern. Wenn ich Glück habe, dann gelingt mir das. Wenn nicht, dann werde ich mich schlecht, hilflos und womöglich noch schuldig fühlen.
Wenn mein Partner ebenfalls davon überzeugt ist, für meine Gefühle verantwortlich zu sein, könnte es ja sein, dass er bereits gemerkt hat, wie anstrengend und erschöpfend das ist und wie oft er sich deswegen hilflos fühlt. Wenn er für sich sorgen will, weil er einfach nicht mehr kann, würde er sich erstmal zurückziehen.

Einfach, um etwas anderes auszuprobieren, anstatt so wie immer zu reagieren. Bisher hat er immer versucht, mich aufzumuntern oder es mir Recht zu machen. Jetzt zieht er sich zurück, um in Ruhe zu spüren, wie es ihm damit geht, dass es mir nicht gut geht. Vielleicht kommt er dann zu dem Schluss, dass er gar nicht für meine Gefühle verantwortlich ist. Alleine dieser Gedanke könnte ein Gefühl von Erleichterung bewirken. Und er könnte sich überlegen, wie er anders damit umgehen kann, wenn es mir schlecht geht.

Filter schicken uns in Hamsterräder

Foto von ROMAN ODINTSOV von Pexels

Wenn beide Partner glauben, für die Gefühle des anderen verantwortlich zu sein, kann das im Alltag zu unglücklichen Situationen führen. Zum Beispiel:

Der eine fühlt sich schlecht, weil er eine PTBS hat. Der andere versucht zu helfen. Aber weil es eine PTBS ist, greift die Hilfe nicht. Er kann nur ohnmächtig zuschauen, wie es dem anderen immer schlechter geht. Das bewirkt, dass die Person ohne PTBS, aber mit der gleichen Überzeugung (Filter) sich überfordert fühlt. Sie möchte, dass es dem anderen besser geht, kann aber nichts tun. Die Person mit PTBS möchte ebenfalls, dass es dem Partner gut geht, kann aber nichts tun, weil sie PTBS hat. Sie fühlt sich zusätzlich schlecht, weil sie glaubt, dass der andere sich wegen ihr schlecht fühlt.

Jetzt sind beide in einem Hamsterrad. Jeder sieht die Situation aufgrund seines Filters, kann aber nichts tun, weil die Überzeugung verhindert, andere Lösungen zu finden.

Noch ein Beispiel:

EIn Beispiel, Hamsterrad, Filter: Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer
(c) Stefanie Rösch, 2021

Wie kommt man aus einem Hamsterrad wieder raus?

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Jetzt kommen wir zur Beantwortung ihrer Frage: Sie wollen wissen, was Sie tun können? Sie wissen schon, dass sie für sich sorgen müssen. Das ist unser aller Pflicht: Zuerst für uns zu sorgen, damit wir gut für die da sein können, die wir lieben.

Liebe ist selbstlos. Das heißt, die Liebe sieht nur, was der andere zum Glücklichsein braucht. Sie respektiert den anderen bedingungslos und erträgt auch den Schmerz, wenn der andere für sein Glück vorübergehend oder dauerhaft allein weiterleben möchte. Das ist die schwerste Form: Den anderen in Liebe gehen lassen. Aber das wissen Sie ja schon.

Zum Hamsterrad gehören immer zwei

Aus dem Hamsterrad kommt man am besten raus, wenn man akzeptiert, dass immer zwei dazu gehören. Wir alle haben Filter, sprich Überzeugungen, die unsere Wahrnehmungen filtern. Wir alle haben gelernt, auf bestimmte Reize mit bestimmten Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu reagieren. Wir alle haben die Möglichkeit, unser Verhalten, unsere Gefühle und unsere Gedanken zu hinterfragen.

Als Menschen können wir uns selbst hinterfragen. Welche Lebenserfahrungen haben dazu geführt, dass wir zum Beispiel davon überzeugt sind, für die Gefühle von anderen verantwortlich zu sein? Andere häufige Überzeugungen sind: Ich bin wertlos, ich bin nicht liebenswert, niemand glaubt mir, niemand interessiert sich für mich, ich werde nur geliebt, wenn ich es dem anderen Recht mache und so weiter.

Überzeugungen sind schwer zu entdecken. Manchmal geht das nur mit einem Therapeuten oder in einer Klinik. Ganz besonders wenn die Überzeugungen zusammen mit einer PTBS auftreten. Manchmal kann man das nur über Abstand herausfinden.

Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Die Klinik sollte Ihnen aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB und Verschwiegenheit) keine Auskunft geben. Insofern können Sie es lassen.

Soll ich sie weiter in Ruhe lassen?

Im Moment ja. Sie können ihr einen Brief schreiben. Darin können Sie sagen, wie Sie die Situation gerade erleben. Was Sie brauchen. Zum Beispiel einmal die Woche ein Lebenszeichen. Übernehmen Sie volle Verantwortung für Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihr Handeln. Das klingt einfacher, als es ist. Sie könnten ihrer Freundin sagen, dass sie nicht dafür verantwortlich ist und auch keine Schuld daran hat, wenn Sie überfordert sind. Versuchen Sie herauszufinden, welche Überzeugungen für Sie zentral sind. Es ist gut, das zu wissen. Situationen, in denen wir sehr emotional reagieren sind ein guter Hinweis dafür, dass gerade ein alter Filter aktiv ist. Übermäßig starke Gefühle sind sozusagen ein Indiz für einen aktiven Filter. Wenn wir wissen, warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen, können wir leichter Verantwortung dafür übernehmen.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun?

Ja, sie können Ihre Freundin unterstützen – wenn sie es will und wenn Sie keine Gegenleistung erwarten. Die beste Unterstützung für ihre Freundin ist, wenn Sie selbstlos handeln können.

Lassen Sie ihre Freundin bestimmen – so lange es Ihnen damit gut geht. Fragen Sie, was sie von Ihnen braucht, was ihr guttut. Geben Sie ihr die Freiheit herauszufinden, was sie will und braucht. Erwarten Sie, dass der Heilungsweg bei einer komplexen PTBS oft Jahre dauert. Selten ist es mit einem Klinikaufenthalt getan.

Deswegen ist es immer auch gut, selbst Unterstützung zu haben. Gehen Sie diesen Weg nicht alleine. Freunde und Freundinnen sind gute Begleiter.

Für Ihren Weg wünsche ich Ihnen viel Kraft,

Ihre Stefanie Rösch

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Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Was tun bei chronischen Schmerzen?

11.02.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ich bin komplex traumatisiert und habe sehr viele Therapien hinter mir. Seit 3 Jahren leide ich an höllischen Nervenschmerschmerzen von den Sitzhöckern bis runter in die Füße. Die Schmerzen treten sofort nach dem Aufwachen auf und verschwinden auch durch Akupunktur, KG etc. nicht. An Medikamenten habe ich Tavor, Opium etc. genommen, was keine Dauerlösung ist.

Liebe Leserin,

Nervenschmerzen sind eine üble Sache. Sie machen ohnmächtig. Sie zermürben. Sie rauben alle Kraft, die wir für anderen Dinge sinnvoller einsetzen könnten.

Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Wenn medizinische Gründe ausgeschlossen sind, dann ist die spannende Frage, ob gängige Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) anschlagen. Wenn ja, wäre das für mich immer erstmal ein Hinweis auf eine aktuelle körperliche Komponente des Schmerzes, also zum Beispiel Spannungs(kopf)schmerzen, Wirbel verschoben.

Aber ich erlebe auch immer wieder Fälle, in denen Schmerzmittel nicht anschlagen. Das ist für mich ein Hinweis auf einen Flashback, einen Fehlalarm, eine Erinnerungsattacke.

Wenn es eine Körpererinnerung (Flashback) ist, dann kann es hilfreich sein, sich in den Schmerz hinein zu spüren und ihn ganz genau wahrzunehmen. Das bringt manchmal die dazugehörigen restlichen Erinnerungsteile zurück.

Eine hilfreiche Frage ist: Was, lieber Körper, was lieber Schmerz willst Du mir sagen? Wenn wir hinspüren, kann so manchmal eine Antwort kommen.

Bei mir selbst ist es manchmal so, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn Klienten mit einem geistlichen Thema kommen, wenn es darum geht, dass Gott Großes mit ihnen vorhat. Dann bekomme ich als Ausdruck des geistlichen Angriffs Kopfschmerzen. Mein Glaube an die Wirkung von Schmerzmitteln ist allerdings so groß, dass sie helfen, obwohl es erstmal keine körperliche Ursache gibt. Anspannung vielleicht, ja, das mag sein. Manchmal ist der Schmerz allerdings nicht so stark oder taucht schlagartig während einer Sitzung auf, wenn das Thema von Psychologie hin zu Glaube wechselt. Und wenn die Person geht, ist der Schmerz, die Müdigkeit und andere Beschwerden schlagartig wieder weg.

Man könnte jetzt sagen, das kommt von der Entspannung, sozusagen der Erleichterung, weil das „schwierige“ Gespräch vorbei ist und ich froh bin, dass der andere weg ist. Mag sein. Ich erlebe es anders. Es sind oft die besonders berührenden und heilsamen Gespräche, die durch solche Kopfschmerzattacken „behindert / attackiert“ werden.

Wenn es um Entspannung gehen würde, müsste eine Entspannungstechnik helfen. Tut sie aber nicht. Allein mein Glaube – an die Medikamente und an Gott, in Form eines Gebets hilft. Manchmal auch ein gemeinsames Gebet.

Ich weiß nicht, welche Ursache, Ihre Nervenschmerzen haben könnten. Aber ein Entspannungsverfahren sehr gut zu lernen kann hilfreich sein, wenn sie mit Stress (Flashback-Schmerzen = Körpererinnerung) verknüpft sind. Alle Strategien, die gegen Erinnerungsattacken helfen, können Entlastung bringen (Hier und Jetzt, der Sichere Ort) oder aber genau das Gegenteil: Sich in den Schmerz hineinspüren und ihn fragen, was er mir sagen will. Allen Mut zusammen zu nehmen und den Körper nach dem Rest der Erinnerung fragen. Was nur funktionieren kann, wenn die Schmerzen Teil einer Erinnerung sind.

Frei nach Louise Hay könnte folgende Interpretation eine Hilfe sein:

Schmerz, Dauerschmerz verweist auf Schuldgefühle, die im Schmerz ihre Bestrafung finden. Dem kann ich mit einem neuen Gedankenmuster (Giftige Gedanken) entgegenwirken: „Liebevoll lasse ich die Vergangenheit los. Die anderen sind frei und ich bin frei. Alles ist jetzt gut in meinem Herzen.“

Komplexe Traumafolgestörungen gehen oft damit einher, dass Täter einen zwingen, Täterverhalten zu zeigen. Sie wollen, dass sich ihre Opfer genauso schuldig fühlen wie die Täter selbst sich schuldig machen. Sie reden ihren Opfern Schuld ein. Aber ein Opfer hat keine Wahl und damit auch keine Schuld. Schuldgefühle, wenn sie die Ursache der Schmerzen sein könnten, sind ein wichtiger und komplexer Schutzmechanismus gegen Ohnmacht (Schuldgefühle). Sollte das ein Thema sein, so geht es darum zu sehen, dass Sie keine Wahl hatten und deswegen ohne Schuld sind. Sie hatten in der Gewaltsituation keine Wahl, auch wenn das von heute aus betrachtet anders aussehen mag.

Ich bin tief und fest davon überzeugt, dass niemand sich schuldig machen würde, wenn er eine echte, freie Wahl sehen würde. Aber oft haben wir sie nicht oder sehen sie nicht. Als Opfer von Gewalt reden wir uns ein, wir hätten eine Wahl, wo es nie eine gab, um die Ohnmacht nicht mit aller Macht spüren zu müssen und so die Illusion von Einfluss auf die Situation und damit das eigene Wohlbefinden aufrecht erhalten zu können.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie die Ursache der Schmerzen entdecken und ans Licht bringen und sich so davon befreien können.

Herzliche Grüße und viel Kraft für diesen Weg

Stefanie Rösch

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