„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Selbstfürsorge"

Leserfrage: Wie gehe ich mit dem Hin und Her in der Beziehung zu meiner Freundin mit komplexer PTBS um?

01.04.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Guten Tag,

meine Freundin ist seit sechs Wochen wegen ihrer komplexen PTBS in einer Klinik.

Am Anfang der Therapie suchte sie zu mir den Kontakt und brauchte ihn sehr. Gleichzeitig versuchte sie immer wieder Abstand zu haben. Wir telefonierten viel und schickten uns Nachrichten. Nach zwei Wochen trennte sie sich von mir. Sie begründete diesen Schritt damit, sie bräuchte eine Pause. Sie könne gerade nicht damit umgehen, dass jemand sie liebt und sie deswegen braucht. Sie könne keine Verantwortung für die Beziehung übernehmen.

Ich weiß, wie schwer ihr das gefallen ist und wie überfordert sie mit dieser Situation war. Sie hat sehr viele Gefühle für mich. Nach mehreren Jahren hin und her mit ihrem letzten Freund, trennte sie sich und kam mit mir zusammen.

Seitdem ging es ihr immer schlechter und schließlich wurde die PTBS diagnostiziert. Zwischen uns lief es gut, allerdings konnte sie nur noch mit mir Kontakt haben. Sie zog sich von ihren Freunden zurück. Ende letzten Jahres wurde sie krankgeschrieben und ist seitdem arbeitsunfähig.

Ich habe mich vor dem Klinik-Aufenthalt intensiv um sie gekümmert und war immer für sie da. Sie brauchte mich sehr. Wir hatten einen liebevollen und vertrauten Umgang. Wir sprachen auch über Zukunftspläne.

Die Trennung sprach sie in einer kühlen, sachlichen Mail aus. Wir telefonierten anschließend per Video. Sie bekräftigte die Trennung mehrfach, nahm sie aber auch mehrfach zurück als sie merkte, wie sehr mich das überforderte.

Sie brach das Telefonat ab und ging ins Stationszimmer, weil es ihr sehr schlecht ging. Später an dem Tag schrieb sie, dass sie „kurz Pause“ brauche.

Seitdem ist so eine Art Schwebezustand eingetreten. Ich bin ratlos. Ich habe seit zwei Wochen keinen Kontakt zu ihr, bis auf eine kurze Nachricht, dass in ihrer Wohnung alles ok ist. Sie bedankte sich. Dann wieder nichts mehr.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun? Soll ich sie weiter in Ruhe lassen. Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Ich beschäftige mich seit Wochen sehr mit komplexer PTBS, finde auch vieles dazu an Lektüre, aber nirgends finde ich Rat, wie ich mich in so einer Situation als Partner verhalten soll.

Ich schwanke hin und her zwischen „Beziehung aufgeben“ und „auf sie warten“. Ich muss auch schauen, was für mich gesünder ist, egal wie sehr ich sie liebe. Ich weiß nicht, wann sie wieder zurückkommt. Ich weiß nicht, wie ich mich in den nächsten Wochen verhalten soll und kann.

Trauma-Informations-Zentrum

Lieber Leser,

Ihre Schilderung macht sehr deutlich, wie schwierig die Situation für Sie ist und wie Sie versuchen, mit dieser Herausforderung umzugehen. Bevor ich ihre Fragen konkret beantworte, möchte ich ein paar Worte zum Thema komplexe PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) schreiben.

Was ist eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung?

Belastende Lebenserfahrungen wirken auf zwei Ebenen. Die Wirkung auf den Körper/Hirn bewirkt die Beschwerden der Posttraumatischen Belastungsstörung mit Erinnerungsattacken, häufig dissoziativem Erleben (Notabschaltung), erhöhter Erregung und vor allem Vermeidungsverhalten, weil die Erinnerungsattacken so unangenehm sind.

Belastende Erfahrungen, vor allem wenn sie häufig geschehen und früh im Leben ertragen werden müssen, bewirken, dass wir die Welt und uns selbst auf eine bestimmte Weise sehen. Es ist als wenn man die Welt und sich selbst durch Filter sieht, die nur bestimmte Informationen durchlassen. Das macht es oft schwer, gesunde Beziehungen zu leben. Misstrauen in den anderen oder ein übersteigertes Verantwortungsgefühl sind zwei sehr häufige Filter, die Beziehungen erschweren. Ein Filter ist eine Überzeugung, die bewirkt, dass wir Informationen durch diese Überzeugung wahrnehmen und bewerten. Diese Filter oder Überzeugungen werden auch als Glaubenssatz oder Affirmation bezeichnet.

Filter bestimmen, wie wir Informationen verstehen

Foto von Susanne Jutzeler von Pexels

Ich könnte zum Beispiel davon überzeugt sein, dass ich dafür verantwortlich bin, dass es dem anderen gut geht. Wenn ich das glaube, dann werde ich besonders darauf achten, wie es dem anderen geht. Bemerke ich, dass es dem anderen nicht gut geht, neige ich dazu zu glauben, dass es an mir liegt. Ich werde versuchen, den anderen aufzumuntern. Wenn ich Glück habe, dann gelingt mir das. Wenn nicht, dann werde ich mich schlecht, hilflos und womöglich noch schuldig fühlen.
Wenn mein Partner ebenfalls davon überzeugt ist, für meine Gefühle verantwortlich zu sein, könnte es ja sein, dass er bereits gemerkt hat, wie anstrengend und erschöpfend das ist und wie oft er sich deswegen hilflos fühlt. Wenn er für sich sorgen will, weil er einfach nicht mehr kann, würde er sich erstmal zurückziehen.

Einfach, um etwas anderes auszuprobieren, anstatt so wie immer zu reagieren. Bisher hat er immer versucht, mich aufzumuntern oder es mir Recht zu machen. Jetzt zieht er sich zurück, um in Ruhe zu spüren, wie es ihm damit geht, dass es mir nicht gut geht. Vielleicht kommt er dann zu dem Schluss, dass er gar nicht für meine Gefühle verantwortlich ist. Alleine dieser Gedanke könnte ein Gefühl von Erleichterung bewirken. Und er könnte sich überlegen, wie er anders damit umgehen kann, wenn es mir schlecht geht.

Filter schicken uns in Hamsterräder

Foto von ROMAN ODINTSOV von Pexels

Wenn beide Partner glauben, für die Gefühle des anderen verantwortlich zu sein, kann das im Alltag zu unglücklichen Situationen führen. Zum Beispiel:

Der eine fühlt sich schlecht, weil er eine PTBS hat. Der andere versucht zu helfen. Aber weil es eine PTBS ist, greift die Hilfe nicht. Er kann nur ohnmächtig zuschauen, wie es dem anderen immer schlechter geht. Das bewirkt, dass die Person ohne PTBS, aber mit der gleichen Überzeugung (Filter) sich überfordert fühlt. Sie möchte, dass es dem anderen besser geht, kann aber nichts tun. Die Person mit PTBS möchte ebenfalls, dass es dem Partner gut geht, kann aber nichts tun, weil sie PTBS hat. Sie fühlt sich zusätzlich schlecht, weil sie glaubt, dass der andere sich wegen ihr schlecht fühlt.

Jetzt sind beide in einem Hamsterrad. Jeder sieht die Situation aufgrund seines Filters, kann aber nichts tun, weil die Überzeugung verhindert, andere Lösungen zu finden.

Noch ein Beispiel:

EIn Beispiel, Hamsterrad, Filter: Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer
(c) Stefanie Rösch, 2021

Wie kommt man aus einem Hamsterrad wieder raus?

Foto von Johannes Plenio von Pexels

Jetzt kommen wir zur Beantwortung ihrer Frage: Sie wollen wissen, was Sie tun können? Sie wissen schon, dass sie für sich sorgen müssen. Das ist unser aller Pflicht: Zuerst für uns zu sorgen, damit wir gut für die da sein können, die wir lieben.

Liebe ist selbstlos. Das heißt, die Liebe sieht nur, was der andere zum Glücklichsein braucht. Sie respektiert den anderen bedingungslos und erträgt auch den Schmerz, wenn der andere für sein Glück vorübergehend oder dauerhaft allein weiterleben möchte. Das ist die schwerste Form: Den anderen in Liebe gehen lassen. Aber das wissen Sie ja schon.

Zum Hamsterrad gehören immer zwei

Aus dem Hamsterrad kommt man am besten raus, wenn man akzeptiert, dass immer zwei dazu gehören. Wir alle haben Filter, sprich Überzeugungen, die unsere Wahrnehmungen filtern. Wir alle haben gelernt, auf bestimmte Reize mit bestimmten Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu reagieren. Wir alle haben die Möglichkeit, unser Verhalten, unsere Gefühle und unsere Gedanken zu hinterfragen.

Als Menschen können wir uns selbst hinterfragen. Welche Lebenserfahrungen haben dazu geführt, dass wir zum Beispiel davon überzeugt sind, für die Gefühle von anderen verantwortlich zu sein? Andere häufige Überzeugungen sind: Ich bin wertlos, ich bin nicht liebenswert, niemand glaubt mir, niemand interessiert sich für mich, ich werde nur geliebt, wenn ich es dem anderen Recht mache und so weiter.

Überzeugungen sind schwer zu entdecken. Manchmal geht das nur mit einem Therapeuten oder in einer Klinik. Ganz besonders wenn die Überzeugungen zusammen mit einer PTBS auftreten. Manchmal kann man das nur über Abstand herausfinden.

Ist es ratsam, mit der Klinik Kontakt aufzunehmen?

Die Klinik sollte Ihnen aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB und Verschwiegenheit) keine Auskunft geben. Insofern können Sie es lassen.

Soll ich sie weiter in Ruhe lassen?

Im Moment ja. Sie können ihr einen Brief schreiben. Darin können Sie sagen, wie Sie die Situation gerade erleben. Was Sie brauchen. Zum Beispiel einmal die Woche ein Lebenszeichen. Übernehmen Sie volle Verantwortung für Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihr Handeln. Das klingt einfacher, als es ist. Sie könnten ihrer Freundin sagen, dass sie nicht dafür verantwortlich ist und auch keine Schuld daran hat, wenn Sie überfordert sind. Versuchen Sie herauszufinden, welche Überzeugungen für Sie zentral sind. Es ist gut, das zu wissen. Situationen, in denen wir sehr emotional reagieren sind ein guter Hinweis dafür, dass gerade ein alter Filter aktiv ist. Übermäßig starke Gefühle sind sozusagen ein Indiz für einen aktiven Filter. Wenn wir wissen, warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen, können wir leichter Verantwortung dafür übernehmen.

Soll ich sie unterstützen? Und wie kann ich das tun?

Ja, sie können Ihre Freundin unterstützen – wenn sie es will und wenn Sie keine Gegenleistung erwarten. Die beste Unterstützung für ihre Freundin ist, wenn Sie selbstlos handeln können.

Lassen Sie ihre Freundin bestimmen – so lange es Ihnen damit gut geht. Fragen Sie, was sie von Ihnen braucht, was ihr guttut. Geben Sie ihr die Freiheit herauszufinden, was sie will und braucht. Erwarten Sie, dass der Heilungsweg bei einer komplexen PTBS oft Jahre dauert. Selten ist es mit einem Klinikaufenthalt getan.

Deswegen ist es immer auch gut, selbst Unterstützung zu haben. Gehen Sie diesen Weg nicht alleine. Freunde und Freundinnen sind gute Begleiter.

Für Ihren Weg wünsche ich Ihnen viel Kraft,

Ihre Stefanie Rösch

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Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: PTBS und Partnerschaft? Wie kann das gehen?

10.03.2019 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo Frau Rösch,
ich führe seit knapp einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann, der an einer PTBS erkrankt ist. Die PTBS hat er bereits seit mehreren Jahren, Ursache war ein Bundeswehr-Einsatz im Ausland. Er hat mir zu Beginn der Beziehung zwar erzählt, dass er eine PTBS hat und wegen dieser auch in Therapie war, allerdings hat er mir wenig über seine „Probleme“ im Alltag erzählt und diese in den ersten Monaten vor mir versucht zu „verstecken“.
Inzwischen weiß ich, dass er innerlich unruhig ist, wenn sein Haushalt nicht nach einem bestimmten System gemacht ist. Er vermeidet öffentliche Plätze, geht nicht ins Kino und Bus- und Bahnfahrten bedeuten für ihn Stress. Er hat sich am Anfang der Beziehung durch all solche Situationen durchgekämpft, ohne dass ich davon wusste.
Nach knapp einem Jahr weiß ich nicht mehr weiter. Er ist seit einiger Zeit wieder in Psychotherapie und hat nun aber auch eingesehen, dass eine weitere Therapie in der Tagesklinik hilfreich sein kann. Unsere Beziehung leidet sehr unter der derzeitigen Situation.
Mein Freund zieht sich oft zurück. Gemeinsame Aktivitäten sind schwer, weil für ihn nahezu alles mit Stress verbunden ist. Ich kann nicht zu Besuch kommen, weil ich aufgrund meines Hundes für mehr Haushalt bei ihm sorge. Er vermeidet es, sich um „Probleme“ zu kümmern, seien es finanzielle oder welche, die in der Beziehung auftauchen. Er versucht ständig es mir recht zu machen ohne auf seine eigenen Bedürfnisse einzugehen.
Ich stoße an meine Grenzen. Ich ärgere mich oft über sein Verhalten. Vor allem, wenn er sich nicht um Dinge kümmert und es mich dann mitbetrifft, z.B. weil wir uns dann nicht sehen können. Wenn er mir dann noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht. Was mir momentan am meisten Sorge bereitet ist, dass er angefangen hat zu trinken, wenn er weiß, dass er in Situationen kommen wird, die er sonst vermeiden würde. Darüber hinaus gibt es in unserer Beziehung keine Nähe mehr. Wenn er mich berührt, fühlt es sich distanziert an. Als ob er mir Nähe schenkt, weil es sich so gehört in einer Beziehung. Er meint, er liebt mich und er möchte die Beziehung mit mir. Aber seine Distanziertheit und diese steifen Annäherungsversuche, wenn er es überhaupt versucht, die tun sehr weh. Wenn ich auf ihn zugehe und ihn umarme, dann kommt nichts zurück. Wenn ich ihn küsse, kommt nichts zurück. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Er meint, dass er innerlich zu unruhig ist, um sich fallen zu lassen. Vielleicht können Sie mir auch ein paar Ratschläge geben, um die Beziehung aufrecht halten zu können und richtig reagieren zu können … Lieben Gruß Maya

Liebe Maya,

es gibt kein „richtig“. Den Anspruch können wir nicht haben, wenn wir mit traumatisierten Menschen arbeiten. Dass Ihr Freund traumatisiert ist, haben Sie an seinen Beschwerden und Problemen gut beschrieben. Allerdings frage ich mich bei manchen Beschwerden, wie sie mit einem militärischen Einsatz zu erklären sind.

Schwierigkeiten, die ich mir gut in diesem Zusammenhang vorstellen kann, sind Öffentliche Plätze, Bus, Bahn und Kino als Problemsituationen. Grundsätzlich mal Ordnung zu halten, kann der Versuch sein, ein Gefühl von Kontrolle wiederherzustellen. Zwanghaftes Verhalten hat Angst als Ursache. In dem Fall wäre es die Angst vor den Erinnerungen und davor, die Kontrolle zu verlieren. Dass vor allem Männer versuchen, Traumareaktionen mit Alkohol zu bekämpfen ist weithin bekannt. Es liegt nahe Alkohol zu trinken, um entspannt genug zu sein, dass man Situationen bewältigen kann, vor denen man Angst hat.

Allgemein ist Vermeidungsverhalten ein Teil der Posttraumatischen Belastungsstörung, allerdings der Teil, der dazu führt, dass es nicht besser werden kann.

Probleme mit körperlicher Nähe und Sexualität sind für mich auf den ersten Blick nicht mit einem Einsatzgeschehen zu erklären. Auf den zweiten Blick könnten diese Probleme durch die fortgesetzte Stressreaktion entstehen (inneren Unruhe), die sexuelles Verlangen und sexuelle Aktivität unterdrückt. Schließlich geht es in Bedrohungssituationen (Trauma) ums Überleben und nicht um die Fortpflanzung (Stressreaktion).

Finanziellen Probleme wären bei weitem nicht das erste, was mir einfällt, wenn ich an Belastungssituationen in Krisengebieten denke. Das klingt für mich erstmal nach etwas, dass schon länger und in einem anderen Zusammenhang besteht.

Traumareaktionen sind sehr spezifisch. Sie haben in der Regel einen unmittelbar nachvollziehbaren Zusammenhang zur Belastungssituation. Schließlich handelt es sich bei Traumareaktionen um Fehlalarme des Gehirns. Das Hirn will uns warnen. Leider haben sich die Gefahren in der Welt geändert und das Hirn hat das noch nicht verstanden. Also warnt es uns, was wir als einschießende Erinnerungen, Flashbacks oder Erinnerungsattacken bezeichnen. Aber im Grunde ist es nur ein Fehlalarm. Die Traumasituation ist meist sehr einzigartig. Ganz besonders bei Kriegserfahrungen. Wir leben hier in Deutschland nicht im Krieg. Die Gefahren, die wir hier haben, sind andere als in einem Krisengebiet. Das Gehirn kann das erstmal nicht unterscheiden. Aber es kann lernen, ungeeignete Warnreize (Trigger) auszusortieren und dann auch keinen Alarm (Erinnerungsattacke) mehr auszulösen. Dabei hilft eine Traumatherapie.

Insofern bin ich mir jetzt erstmal nicht sicher, ob wirklich alle Reaktionen und Probleme durch den Bundeswehreinsatz erklärt werden können. Zuverlässig einschätzen kann ich es nicht, weil ich zu wenig weiß. Dafür braucht es die angestrebte und hoffentlich begonnene Therapie und Zeit. Es ist gut, dass Ihr Freund Hilfe sucht.

Was diese Situation mit Ihnen macht, kann ich gut nachvollziehen. Menschen, die traumatisiert sind, bringen ihr Umfeld immer wieder in den Zustand der Hilflosigkeit. So hört es sich an, was Sie beschreiben. Sie möchten eine gesunde, gleichberechtigte und führsorgliche Beziehung und das Leben Ihres Freundes wird von Angst bestimmt. Das ist auf Dauer anspruchsvoll.

Leider ist es so, dass außer ihrem Freund, niemand für seinen Heilungsweg verantwortlich ist. Wenn er nicht hart daran arbeitet, gesund zu werden, wird er traumatisiert bleiben. Wenn er in der Angst und damit im Vermeidungsverhalten bleibt, dann kann das Gehirn nicht lernen, dass die Welt weniger gefährlich ist, als das Gehirn denkt. Es kann auch nicht lernen, dass Ihr Freund besser für seine Sicherheit sorgen kann, als sein Gehirn denkt.

Was Sie machen können? Sie können auf sich selbst aufpassen und ihm die Verantwortung für seine Beschwerden lassen. Nur er kann lernen, auf eine gesunde Art damit umzugehen. Sie dürfen die Forderung stellen, dass er sich darum bemüht. Solange er sich bemüht, übt, trainiert und zur Therapie geht, seien Sie geduldig und fragen Sie, wie Sie ihn unterstützen können. Das geht durchaus. Man kann sich langsam an die schöne Seite von körperlicher Nähe herantasten. Das können Sie gemeinsam tun. Sie können ihm auch mit den Erinnerungsattacken helfen.

Aber wenn er für sich entscheidet, in der Angst zu bleiben, dann ist es umso wichtiger, dass Sie gut für sich sorgen, indem Sie klare Grenzen setzen, was Sie mittragen können und was nicht.

„Wenn er mir dann noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht.“

Das hier klingt für mich, als wären sie verärgert darüber, dass er die PTBS als Erklärung/Ausrede für sein Vermeidungsverhalten benutzt. So meine Vermutung. Wenn dem so ist, dann ist es eine sehr gesunde Reaktion, sich schlecht dabei zu fühlen. Es würde bedeuten, dass Sie wissen, dass es sich um eine Ausrede handelt. Gleichzeitig haben Sie Mitgefühl, weil er nichts dafürkann, was er bei diesem Einsatz erlebt hat. Da entsteht Spannung. Ärger auf die Ausrede und Mitgefühl für das Leid.

An der Stelle mache ich Ihnen Mut dazu, diese widerstreitenden Gefühle anzusprechen und zu schauen, wie er darauf reagiert. Kämpft er oder bleibt er in der Angst? Will er den Konflikt lösen? Macht er Sie verantwortlich? Oder appelliert er an ihr Mitgefühl?

Schauen Sie gut nach sich selbst. Welcher Kompromiss ist noch ein Kompromiss und wo wird er zur Selbstaufgabe? Letzteres wird Sie früher oder später krankmachen. Das wäre nicht gut und kann nicht das sein, was Sie wollen. Wenn Sie merken, dass Sie da an eine Grenze kommen, und das haben Sie geschrieben, dann holen Sie sich ebenfalls professionelle Hilfe. Es ist leichter mit einem menschlichen Gegenüber zu schauen, wie Sie gut für sich sorgen können. Dazu möchte ich Sie ermutigen!

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.

Ihre Stefanie Rösch

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