„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

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Achtung Gott: Psychologie und Film: Noah – Gottes Weg ist steinig

08.04.2014 Veröffentlicht von Achtung Gott!, Psychologie und Film 0 Kommentare

Gerade ist im Kino Darren Aronofskys Film Noah angelaufen. Hier der Trailer auf Deutsch:

Was wie ein typisches Hollywood-Action-Spektakel daherkommt, zeigt dem geneigten Zuschauer, wie schwer es sein kann, Gottes Weg zu gehen. Ja, es ist ein bildgewaltiger Streifen voller Computer- und Tricktechnik, aber auch ein Film, der Noah als gottesfürchtigen, gehorsamen, zweifelnden, überforderten und liebenden Sohn, Mann, Vater und Gottes Krieger zeigt.

So vielschichtig wie die Vorlage ist auch der Film. Aus dramaturgischen Gründen nimmt Aronofsky drei grundlegende Abweichungen von der biblischen Erzählung vor, um erzählen zu können, wie schwer es ist, sich immer wieder für Gott zu entscheiden. Die erste Abweichung ist, dass Ham und Jafet, die beiden jüngeren Söhne Noahs, keine Frauen mit an Bord nehmen. Die zweite Abweichung ist, dass Sems Frau unfruchtbar ist. Der dritte dramaturgische Kompromiss ist die Überlegung, was wohl die anderen Menschen taten, als sie mitbekamen, dass Noah eine Arche baut. Die biblische Geschichte Noahs ist im Detail nicht ausformuliert. Sie lässt viele Fragen offen, denen Darren Aronofsky mit Phantasie und Sensibilität begegnet.

So gibt es keine Hinweise auf die Rolle der Frauen in der biblischen Version der Geschichte außer, dass sie da waren. Der Film dagegen zeigt starke Frauen, die entscheidende Momente dieser Geschichte beeinflussen und mit ihrer Liebe viele Leben retten.

Aronofsky lässt Gott durch Visionen und Wunder sprechen, auch wenn in der Bibel steht: der Herr sprach. Für Noah bedeutet dies, er muss diese Visionen und Zeichen entschlüsseln. Zu Beginn ist er sich sicher, was Gott ihm sagen will. Als er aufgrund seiner ersten nächtlichen Vision seinen Großvater aufsucht, ist er verunsichert. Doch Metuschelach erinnert ihn daran, dass er darauf vertrauen soll, dass Gott so zu ihm spricht, dass er es verstehen kann. Also beginnt Noah mit seiner Familie, die aus seiner Frau Naameh, seinen Söhnen Sem, Ham und Jafet und der angenommenen Tochter Ila besteht, die Arche zu bauen. Zu Hilfe kommen ihnen die Wächter, zur Erde gefallene Engel, welche Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies beistehen wollten und deren Wissen die Söhne Kains zum Bösen einsetzten. Sets Söhne, Set war Adams dritter Sohn, setzten sich nach Aronofsky wie befohlen für die Schöpfung ein und versuchten, sie zu bewahren. Kains Söhne waren es, die Gott so sehr erzürnten, dass er die Welt vernichten wollte.

Aronovsky gelingt es mit Tubal-cain dem Hochmut und der Zerstörungswut der Söhne Kains ein Gesicht zu geben. Tubal-cain, dessen Vater Noahs Vater für Bodenschätze ermordete.

Noah kämpft gegen den Widerstand all der Menschen, die Tubal-cain um sich versammelt hat und die leben wollen. Innerhalb seiner Familie muss Noah Gottes Plan gegen den Widerstand seines Sohnes Ham durchsetzen, der eine Frau will, obwohl Noah keine unschuldige Frau für ihn sieht. Er muss schwere Entscheidungen treffen, kämpfen, töten, für seine Überzeugung einstehen und allein stehen. Er muss durchhalten und er zweifelt an Gott. Er bekommt das Böse in Tubal-cains Lager zu sehen und erkennt das Böse in jedem von uns. Er zieht seinen Schluss und glaubt, es wäre Gottes Wille. Gott fordert viel und Noah bleibt ihm treu.

Am Ende legt Aronofsky Noah und Ila das Leben der Menschheit in die Hände. Während Noah noch zweifelt, haben die beiden Frauen an Bord der Arche Gottes Liebe bereits erkannt. Ilas Liebe zwingt Noah zu Barmherzigkeit und damit zum Überleben der Menschheit.

Der Film schließt mit jenem Regenbogen, den Gott sich zur Erinnerung an seinen neuen Bund mit Noah schafft (1. Mose, 12 – 17, „Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist.“). Wie ich neulich in einer Predigt hörte: Der Regenbogen ist Gottes Knoten in seinem Taschentuch, damit er nicht vergisst, dass er uns versprochen hat, nie wieder eine Sintflut zu schicken.

Ein sehenswerter Film. Wer tiefer schaut wird fündig werden.

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Achtung Gott: Psychologie und Film: Philomena – Teufels Werk in Gottes Namen

09.03.2014 Veröffentlicht von Achtung Gott!, Psychologie und Film 1 Kommentare

Als mich neulich eine Freundin dazu einlud, einen Feelgood-Movie anzuschauen, hatte ich die Erwartung einen Film zu sehen zu bekommen, den ich mit einem guten Gefühl verlassen kann. Ich hatte die Filmvorschau gesehen und die war wirklich lustig. Die alte, etwas schrullige Frau auf der Suche nach ihrem erwachsenen, adoptierten Sohn. Sie wird dabei von einem Journalisten unterstützt, der normalerweise nicht über menschliche Dramen schreibt, sondern über Russische Geschichte.

Hier der Trailer auf Deutsch

Das sieht lustig aus, oder? Hört sich unterhaltsam an und ich glaubte fest daran, dass der Film gut ausgeht. Philomena findet ihren Sohn und kann die letzten Jahre Kontakt zu ihm haben.

Dann saßen wir im Kino und alles kam ganz anders.

Der Trailer enthielt alle witzigen Momente des Films und hatte das ganze Drama verschwiegen. Philomena wird als sehr junge Frau im streng katholischen Irland ungewollt schwanger, weil sie niemand aufgeklärt hat. Sie wird mit dieser „Schande“ in ein Kloster gesteckt, muss das Kind unter unmenschlichen Bedingungen bekommen, sozusagen als Buße. Sie muss dort arbeiten und darf ihren Sohn nur eine einzige Stunde am Tag (oder in der Woche?) sehen. Schließlich wird sie Zeuge, wie die Nonnen ihren Sohn im Alter von fünf Jahren zusammen mit seiner kleinen, besten Freundin an reiche Amerikaner verkaufen. Sie wird gezwungen, ihn zur Adoption frei zu geben und verliert ihn aus den Augen.

50 Jahre später erzählt sie ihrer erwachsenen Tochter davon. Die ist entsetzt und weil sie ihre Mutter unterstützen will, spricht sie Martin Sixsmith an, der ihrer Mutter dabei helfen soll, diesen verlorenen Sohn zu finden.
Sie beginnen die Suche im Kloster, landen in Amerika und stehen am Ende doch wieder im Kloster.
Martin Sixsmith reagiert, wie wohl die meisten Menschen reagieren, wenn Sie erfahren, was Philomenas Sohn zugestoßen ist und wie eine verbitterte, religiös fehlgeleitete, egoistische alte Nonne mit Philomenas Suche nach innerem Frieden umgeht.
Philomena, oft etwas seltsam oder kurios in ihren Reaktionen, ist eine weise Frau. Zwei Zitate haben mich tief bewegt, für die sich dieser Film allemal lohnt.
Als Martin Sixsmith herausfindet, was die alte Nonne Philomena angetan hat, ist er zutiefst empört und sagt das auch. Die alte Nonne meint dazu nur: “Jesus wird mein Richter sein – nicht Leute wie Sie.“ Worauf Martin Sixsmith antwortet: „Wirklich? Ich glaube, wenn Jesus hier wäre, würde er Ihren Rollstuhl umwerfen – und Sie würden nicht aufstehen und weggehen.“
Doch Philomena schaut nur mitfühlend auf die Nonne hinunter und sagt dann zu Martin: “Ich will die Menschen nicht hassen. Ich will nicht wie Sie sein, Mr. Sixsmith. Schauen Sie sich an!”
“Ich bin wütend!” erwidert der und funkelt die Nonne an. Philomena: “Das muss anstrengend sein.”
Mr. Sixsmith kann nicht glauben, dass Philomena der Nonne einfach so vergeben will. Doch diese weise Frau sagt: „Es ist nicht leicht. Es ist schwer. Sehr schwer.“ Und an die Nonne gewandt: „Ich vergebe Ihnen, weil ich nicht wütend bleiben will.“
Damit geht Philomena hinaus und kann dieses Kapitel für sich abschließen.

Als Zuschauer lernen wir: Wütend sein ist anstrengend. Vergebung ist schwer. Aber Vergebung ist eine Entscheidung, kein Gefühl. Wer diese Entscheidung fällen kann, kann auch Frieden finden, weil er nicht mehr ständig zurückschauen muss auf Dinge, die er nicht ändern kann. Auf Dinge zurück zu schauen, die man nicht ändern kann, macht machtlos und am Ende depressiv. Philomena hat vergeben, egal wie schwer es war. Sie hat Gott an ihre Seite gelassen, sie hat um ihren verlorenen Sohn in all den Jahren getrauert und für ihn gebetet. Sie hat geheiratet, hat eine tolle Tochter und freut sich des Lebens. Man bekommt den Eindruck, dass sie trotz der erlebten Gewalt ein reiches Leben gelebt hat.

Mich hat dieser Film so berührt, weil er so gut schildert, wie Glauben und Religion von einzelnen Personen dazu missbraucht werden, im Namen Gottes Teufels Werk zu tun.
Am Ende des Films erfahren wir als Zuschauer, dass Philomenas Schicksal nicht das einzige dieser Art ist. Dass ganz viele irische Kinder verkauft wurden, meist an Amerikaner, die es sich leisten konnten. Wir lesen dass wahrscheinlich ebenso viele junge Frauen, teilweise schwangere Kinder (die jüngste Mutter im Film wurde nur 13 Jahre alt) bei der Geburt ohne ärztliche Hilfe ihr eigenes Leben ließen zusammen mit ihren ungeborenen Kindern.

Philomena ist eine Kriegerin Gottes, die uns Mut macht um unserer selbst willen zu vergeben und dass Schweigen zu brechen. Obwohl sie im Verlauf der Geschichte nicht wollte, dass Martin Sixsmith ihre Geschichte erzählt, entschließt sie sich am Ende doch dafür. Trotz Vergebung bricht sie das Schweigen und bringt die Verbrechen, die im Namen Gottes verübt wurden, ans Tageslicht. Zu vergeben bedeutet nicht, Täter davon kommen zu lassen. Vergebung ist für uns, die Opfer, nicht für die Täter. Die müssen sich trotzdem verantworten, hier vor Gericht, vor ihrem eigenen Gewissen und schließlich vor ihrem Schöpfer.

Ein sehenswerter, aufwühlender und Mut machender Film. Nicht nur für Christen.

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Philomena auf IMDB.com
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Psychologie und Film: Batman Begins, 9 – Der Preis der Schuldgefühle

13.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Einige Monate später taucht Ra´s Al Ghul in Gotham City auf, um die Stadt mit einer Überdosis Halluzinogen sich selbst zerstören zu lassen. In der letzten Konfrontation zwischen den Gegenspielern hat Bruce einen Weg dafür gefunden, Ra´s Al Ghul zu besiegen: „Ich werde Dich nicht töten, aber ich muss Dich auch nicht retten.“ Mit diesen Worten rettet er sich selbst aus dem abstürzenden und explodierenden Zug.

Ra´s Al Ghul gibt sich Bruce schließlich zu erkennen. Er ist gekommen, um Gotham zu zerstören und als erstes Bruce zu töten, damit der ihn nicht daran hindern kann.

Bruce benutzt seine Maske „Verwöhntes Millionärssöhnchen“, um die Gäste seiner Geburtstagsparty rauszuschmeißen und damit zu retten. Damit manövriert er sich jedoch noch weiter in die Isolation. Ra´s Al Ghul zeigt kein Mitgefühl mit ihm und lässt Bruce sterbend in seinem brennenden Haus zurück.

Mithilfe der gleichen Droge, mit der Bruce seinen Ängsten begegnen und sie besiegen konnte, überflutet Ra´s Al Ghul nun die Stadt. Die Menschen attackieren sich gegenseitig in ihren angsteinflößenden Halluzinationen.

Bruce kann das Schlimmste verhindern, indem er den Zug, den sein Vater der Stadt stiftete, in die Luft jagt, bevor es Ra´s Al Ghul gelingt, seine Droge in der ganzen Stadt zu verteilen. In der letzten Konfrontation bleibt Bruce sich insoweit treu, dass er seinen ehemaligen Mentor nicht „von Hand“ tötet, sondern mit dem Zug in die Tiefe stürzen lässt, im Grunde eine Form der Nothilfe für die Stadt und der Notwehr für sich selbst.

Auf den Trümmern seines Hauses gibt er Rachel recht: „Gerechtigkeit ist mehr als Rache.“

Rachel gesteht ihm, dass sie gerne mit ihm zusammen wäre, aber dass der Bruce, den sie sehr mag, nicht mehr da sei. Erst wenn die Stadt Batman nicht mehr brauche, würde sie diesen Bruce vielleicht wieder finden.

Nachdem Ra´s Al Ghul nun beseitigt ist, kann Bruce sich vorstellen, mit Rachel zusammen zu kommen. Doch Rachel will keine Geheimnisse. Sie sieht, was Bruce sich antut, indem er sich selbst verleugnet, um Batman sein zu können. Sie sieht, dass es einen Teil von Bruce gibt, der in Batman eingeschlossen ist. Sie spürt, dass Bruce die Stadt an oberster Stelle stehen hat, weil die Schuld noch nicht beglichen ist: das Gefühl, schuld am Tod seiner Eltern zu sein. Er wird die Stadt über eine Beziehung stellen und Rachel will offensichtlich keinen Partner, für den eine Stadt / die Eltern wichtiger sind als seine Partnerin und der dafür die Hälfte seines Lebens im Verborgenen leben will.

Es ist klar, dass Bruce erst einen Teil seines Weges zurückgelegt hat. Um sich von seiner Vergangenheit, seinen Ängsten und dem Tod seiner Eltern zu befreien, muss er noch ein paar Dinge lernen.

… to be continued … Fortsetzung folgt.

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Psychologie und Film: Batman Begins, 8 – Unser Handeln zeigt wer wir sind

12.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Um die Menschen zu schützen, die ihm wichtig sind, und gleichzeitig das Verbrechen in der Stadt zu bekämpfen, braucht er eine Maske, ein Doppelleben: Tagsüber ist er Bruce Wayne, der arrogante, verwöhnte Millionärssohn und nachts ist er Batman.

Batman zu werden ist die logische Konsequenz aus dem, was Bruce in den vergangenen Jahren gelernt hat. Er hat gelernt, dass alle Menschen Angst haben, auch Kriminelle. Er hat gelernt, dass alle Menschen das Unbekannte fürchten. Er hat gelernt, dass die Menschen über Angst, etwas zu verlieren, besonders zu manipulieren sind. Also muss er, um Angst unter den Verbrechern der Stadt zu verbreiten zu einem schrecklichen Gedanken werden, zu einem Symbol. Die Fledermaus, ein Tier der Nacht, das ihm selbst soviel Angst gemacht hat, liegt da als Symbol nahe. Um sich selbst und die Menschen die ihm wichtig sind zu schützen, kann nur Alfred wissen, wer er nachts ist. Im Grunde ist es Alfred, der ihn daran erinnert, dass er ein Leben bei Tag braucht und etwas, dass seine vielen blauen Flecken aus den Kämpfen mit den Verbrechern bei Nacht erklärt. Und so kämpft er in der Nacht gegen die Korruption und das Verbrechen in der Stadt. Tagsüber spielt er den verwöhnten Millionärssohn, der nichts von Batman hält und sich nicht für Politik interessiert.

Als der verwöhnte Millionärssohn Rachel wiederbegegnet ist diese von ihm enttäuscht. Bruce will seine Tarnung nicht auffliegen lassen und so muss er hinnehmen, dass Rachel ihm sagt, dass es nicht darauf ankommt, wer er innen drin ist, sondern dass sein Handeln zeigt, wer er wirklich ist.

Zu gerne würde er Rachel sagen, was er wirklich macht, aber um seinetwillen und ihretwillen kann er es nur andeuten, indem er ihr sagt, innendrin sei er anders. Und wieder bekommt er ein starke Botschaft von Rachel: Sein Handeln gibt den Ausschlag, wer er ist, nicht das, was er denkt.

Wie oft denke ich mir das, wenn ich mich mal wieder nicht traue, etwas zu sagen, obwohl mich etwas nervt. Wie oft denke ich das, wenn ich lese, es gab so und so viele Zeugen und keiner hat etwas getan. Wir sind, wie wir handeln. Es spielt keine Rolle, was wir denken, wenn wir nicht danach handeln! Harte Erkenntnis! Ernüchternde Wahrheit, auch für mich.

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Psychologie und Film: Batman Begins, 7 – Mitgefühl und das Erbe der Eltern

10.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Um endgültig in die Gesellschaft der Schatten aufgenommen zu werden, müsse er beweisen, dass er in der Lage ist zu tun, was nötig ist. Ra´s Al Ghul fordert ihn auf, einen Bauern hinzurichten, der seine Nachbarn ermordet habe. Bruce verweigert sich. Dein Mitgefühl ist eine Schwäche, die Deine Feinde nicht teilen werden“, fordert sein Lehrer ihn nochmals auf. Doch Bruce ist anderer Meinung: Deswegen ist es so wichtig: Es unterscheidet uns von denen.“ Als die Gesellschaft der Schatten ihm nur die Wahl zu der Hinrichtung oder zum eigenen Tod lässt, nutzt er all sein Können, um den Palast im Himalaya in die Luft zu jagen. Er rettet Ra´s Al Ghul, seinem Lehrer, das Leben und entkommt, um nach Gotham City zurückzukehren. Dort wird er den Kriminellen und der Korruption den Kampf ansagen.

Bruce soll als Beweis dafür, ob er in der Lage ist, die Ziele der Gesellschaft der Schatten auch umzusetzen, einen Mörder hinrichten. Er verweigert dies, weil dem Mann kein ordentlicher Prozess gemacht wurde. Er stellt sich an dieser Stelle unter das Gesetz. Er will im Rahmen des Gesetzes bleiben. Ducard/Ra´s Al Ghul fordert jedoch Unterwerfung oder Tod. Bruce erkennt, dass sein Mitgefühl etwas ist, das ihn von echten Kriminellen unterscheidet. Es scheint als wäre das Wesen der Kriminalität der Mangel an Mitgefühl. Angst haben beide Gruppen, die Kriminellen und die Nicht-Kriminellen/Gesetzestreuen. Aber Mitgefühl macht das Zusammenleben in einer Gesellschaft erst möglich. Mitgefühl verhindert, dass wir anderen Schmerz zufügen und absichtlich Leid verursachen, weil wir uns vorstellen und spüren können, wie es sich anfühlt. Teilweise können wir es so intensiv spüren, als würde es uns selbst geschehen.

Und tatsächlich ist der Mangel an Mitgefühl, der Mangel an Empathiefähigkeit etwas, dass einen Menschen mit Anitsozialer Persönlichkeit von seinen Mitmenschen unterscheidet. Umgangssprachlich nennen wir so einen Menschen dann Psychopath.

Bruce erkennt, dass das Mitgefühl eine zentrale Größe ist, die er sich erhalten will. Dafür kämpft er an dieser Stelle im Film. Er rettet im folgenden Kampf seinem Mentor Ducard/ Ra´s Al Ghul das Leben und kehrt nach Gotham City zurück, um gegen die Kriminalität anzutreten, die Kriminalität, die seine Eltern das Leben gekostet hat. Und er kehrt zurück, um das zu retten, wofür seine Eltern gestorben sind, für die Stadt und ihre Menschen.

Gibt es etwas, dass Sie machen, weil Sie es Ihren Eltern immer noch recht machen wollen? Oder weil Sie es ganz bestimmt anders als Ihre Eltern machen wollen? All das ist immer noch ein Ausdruck, dass Sie von Ihren Eltern abhängig sind. Was wollen Sie? Was ist für Sie der richtige Weg, etwas zu tun? Ihre Leben zu leben?

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Psychologie und Film: Batman Begins, 6 – Größenwahn und Angsttherapie

09.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Als Bruce seine Ausbildung abgeschlossen hat, muss er eine letzte Prüfung bestehen: Unter Einfluss einer halluzinogenen Droge soll er sich seiner größten Angst stellen. Denn eigentlich fürchte Bruce sich vor seiner eigenen Macht, er fürchte seine Wut und den Drang etwas Großes zu vollbringen. Zuerst müsse er seine eigene Angst besiegen. Angst verändere die Wahrnehmung. Deswegen solle er seine Angst umarmen, zu seiner Angst werden. Um etwas Großes zu bewirken, müsse er ein schrecklicher Gedanke werden, eine Idee, denn die Menschen fürchten am meisten, was sie nicht sehen können. Bruce besiegt seine Angst vor den eingebildeten, erinnerten Fledermäusen und kann Ra´s Al Ghul im Zweikampf durch eine List ebenfalls besiegen.

Auch Ra´s Al Ghul weiß um die Angst der Menschen, die Angst vor dem Unfassbaren, dem schrecklichen Gedanken. Er will diese Angst gegen die in seinen Augen Kriminellen richten. Er hat Recht, die Angst verändert die Wahrnehmung, sie lässt uns die Welt wie durch einen Tunnel sehen, und so richtet Ra´s Al Ghul seine Wut auf alle, die ihn im Stich gelassen haben: Die Kriminellen, weil einer davon seine Frau getötet hat, und alle anderen, die nicht eingegriffen haben, die korrupt waren und die stillschweigend ihr Leben lebten, ohne sich um ihn zu kümmern. Er unterscheidet die Menschen nicht. Er sieht Gotham als Ganzes an einem Punkt, wo nur die Zerstörung der Stadt einen echten Neubeginn bedeuten kann.

Darin sieht er dann auch „das Große“, zu dem er Bruce befähigen will. Bruce habe Angst vor seiner eigenen Stärke, der Möglichkeit, etwas wirklich Großes zu vollbringen – wie die Zerstörung einer ganzen Stadt, um ihr einen Neubeginn zu ermöglichen. Ein bisschen erinnert das an Noahs-Erfahrung. Die Auslöschung der Menschheit, weil sie sich nicht an Gottes Wort hält, um einen Neubeginn mit Noahs Familie zu ermöglichen. Ra´s Al Ghul maßt sich das Urteil über Millionen Menschenleben an und fühlt sich dabei noch gerecht.

Deswegen will er die Angst gegen die sowieso schon Ängstlichen einsetzen. Am besten werde das gelingen, indem man zu einem schrecklichen Gedanken wird und die Angst der Menschen noch schürt, damit sie sich aus ihrer Angst heraus gegenseitig zerstören.

Bruce sieht ein, dass er seine Angst vor den Fledermäusen nur besiegen kann, indem er sich ihr stellt. Unter Einfluss einer Droge, löst er sozusagen noch einmal eine Erinnerungsattacke aus, doch diesmal kann er die Angst besiegen und damit auch seinen Gegner in der Abschlussprüfung. Indem er seine Angst besiegt, kann er ruhig genug bleiben, um klar zu denken und selbst in der Prüfungssituation noch eine List zu entwickeln, um seinen Mentor zu besiegen.

Genau hier geschieht im Grunde das, um was es in jeder Therapie von Angstzuständen geht: soviel Ruhe im Körper bewahren zu können, dass man den Handlungsspielraum, den man hat oder den man dazugelernt hat, dann nutzen kann. Insofern zeigt der Film an dieser Stelle die anstrengendste Methode der Angsttherapie: die Exposition, also das Sich-solange-der-Angst-aussetzen, bis man merkt, dass die Angst nachlässt und man nicht gestorben ist. Dadurch lässt das Angstgefühl dauerhaft nach.

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Psychologie und Film: Batman Begins, 5 – Selber schuld!

07.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Bruce wird ausgebildet, um die Angst gegen den Ängstlichen zu richten. Um erfolgreich zu sein, muss er sich seinen eigenen Ängsten stellen. Ra´s Al Ghul konfrontiert ihn mit der Tatsache, dass er Bruce´ Vater die Schuld am Tod seiner Eltern gibt, weil er nicht gelernt hat, sich zu wehren. Ra´s Al Ghul ist außerdem der Auffassung, dass Rache gegen die Wut und die Schuldgefühle hilft. Bruce kann diese Einstellung nicht teilen. Er kann keine Rache mehr nehmen und ist viel zu wütend, um Schuld zu spüren.

Ra´s Al Ghul konfrontiert Bruce damit, dass nicht er, Bruce, am Tod seiner Eltern schuld ist, sondern sein Vater, der nicht gelernt hat, sich zu wehren.

Im ersten Augenblick mag man Ra´s Al Ghul zustimmen, aber bei genauem Hinsehen gibt er dem Opfer die Schuld an der Tat. Das Opfer hätte die Tat verhindern müssen, deswegen ist es selbst schuld. Auch heute ist diese Meinung noch viel zu verbreitet. Sie stellt die Frage nach der Mitverantwortung des Opfers: Hat es sich gewehrt oder ist stillschweigend, quasi einvernehmlich, Opfer geworden? Diese Haltung führt automatisch zu einer Ent-Schuldung des Täters. Ein seltsames Konstrukt, um mit der eigenen Hilflosigkeit umzugehen. Ein seltsames Konstrukt von Ursache und Wirkung, das andere, sehr menschliche Bedürfnisse nach Abgrenzung zum Opfer befriedigt als die Herstellung von Recht und Ordnung.

Denken Sie das nicht auch manchmal: Selbst schuld? Aber stimmt es wirklich? Ist der andere, das Opfer wirklich selbst schuld? Wer hat gehandelt? Wer hat die Entscheidung getroffen? Ist nicht nur der verantwortlich, der sich dafür entschieden hat, einem anderen Schaden zuzufügen?

Ra´s Al Ghul hat die gleiche Haltung, die Bruce zu Beginn seiner Reise hatte: Rache hilft gegen die Wut und die Schuldgefühle. Da Bruce keine Rache mehr nehmen kann – der Mörder ist tot – kann er weder etwas gegen die Wut noch gegen die Schuldgefühle tun. Zusammen mit dem Gefühl des Versagens in den Augen seines toten Vaters, gibt es nur eine Möglichkeit, etwas gegen die Schuldgefühle und die Scham zu tun: das zu retten, was seinem Vater wichtig war: Gotham City. Nur so kann er in seiner Vorstellung seinen Vater stolz machen und sein eigenes Schuldgefühl ein kleines bisschen befrieden.

Ra´s Al Ghul kennt den Weg: Die eigene Angst besiegen und das geht nur, indem man sich ihr aussetzt. An dieser Stelle hat er vollkommen Recht. Man kann die Angst nur meistern, indem man ihr begegnet und sie bewältigt.

Wo haben Sie das letzte mal einer Angst ins Auge geschaut, um zu merken, dass die Angst von alleine nachlässt? Machen Sie sich vorher einen Plan, wie Sie Sich verhalten wollen in der Situation, vor der Sie zurückscheuen. Dann wird es leichter.

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Psychologie und Film: Batman Begins, 4 – Die Macht der Angst und des Vermeidens

06.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Bruce sucht den machtgierigen und überheblichen Gangster Falcone auf, der ihm erklärt, dass alle Menschen über ihre Ängste zu manipulieren sind, weil jeder etwas zu verlieren hat. Das sei die wahre Macht, die Macht der Angst. Er, Bruce, als Prinz von Gotham werde diese zwielichtige Welt nie verstehen und er werde immer fürchten, was er nicht verstehe.

Auch hier wird eine sehr wahre Aussage über die Angst gemacht. Die Angst vor dem Fremden/Unbekannten, dem, was wir nicht verstehen. Ist das nicht die Angst, die zu Fremdenfeindlichkeit führt? Die Angst, die uns daran hindert, neue Wege zu gehen? Etwas Neues auszuprobieren? Zu reisen? Unser Leben grundsätzlich zu verändern? Und die uns in kontrollierter Form in Horrorfilmen unterhält?

Dass Angst mächtig ist, das weiß jeder. Sind wir nicht alle bestimmt von der Angst vor dem Tod oder dem Sterben? Viele Menschen haben Angst vor Schmerz, Dunkelheit, Erinnerungen, Spinnen und anderen Tieren, ihrem Chef, dem Versagen. So viel Angst, die unser Handeln bestimmt. Jeder von uns kann mindestens ein Verhalten finden, dass dazu dient, sich einer Angst nicht auszusetzen, sondern sie zu vermeiden. Wir wollen die Gefahr vermeiden, mit unserer Angst konfrontiert zu sein.

Wenn wir keine Angst hätten, etwas zu verlieren, könnte uns niemand mehr durch Drohungen manipulieren. Wenn wir keine Angst vor dem Tod hätten, wären wir frei. Das ist im Grunde der Kernpunkt des Christentums. Als Christ braucht man keine Angst mehr vor dem Tod haben, weil wir wissen, dass wir auferstehen.

Angst ist mächtig. Gerade Opfer organisierter Gewalt wissen das. Da wird so sehr mit Drohungen und Nahtod-Erfahrungen eingeschüchtert, dass Betroffene alles tun und mit sich machen lassen, aus Angst vor dem Tod, weiterem Schmerz und dem Gefühl der Ohnmacht und Einsamkeit.

Die Angst der Täter vor ihren Opfern ist allerdings genauso groß. Denn was würde geschehen, wenn alle Opfer sich gemeinsam erheben und das Schweigen brechen? Selbst bekannte Persönlichkeiten und Personen aus dem Rechtssystem, die an der organisierten Gewalt beteiligt sind, hätten dann ein Problem. Man kann es nicht oft genug sagen.

So wie Bruce, der vor der Erinnerung an die Fledermäuse aus der Oper flüchtete. Welches Verhalten kennen Sie an Sich, mit dem Sie einer Angst aus dem Weg gehen?

Daraufhin taucht Bruce unter, um das Wesen des Kriminellen verstehen zu lernen. Auf diese Weise landet er in einem Gefängnis, irgendwo in der Nähe des Himalayas, wo ihn Ducard/Ra´s Al Ghul findet. Ra´s Al Ghul plant mit seiner Gesellschaft der Schatten Gotham City ins Chaos zu stürzen. Gotham habe ein Ausmaß an Kriminalität erreicht, das nur durch ihre Zerstörung gelöst werden könne, so Ra´s Al Ghuls Meinung.

Bruce nimmt an Diebstählen teil, um das Wesen des Kriminellen zu verstehen. Er sieht die Not, die hinter Kriminalität an manchen Stellen steckt, wenn er aus Hunger stiehlt. Er sieht aber auch die Gier und das Streben nach Macht und Einfluss, als er seine eigene Firma beraubt und dafür in das Gefängnis im Himalaya geht.

Bruce lernt zu kämpfen. Er selbst nennt es Training, wenn er im Gefängnis gegen fünf Gegner im Schlamm kämpft. Je mehr Gegner, desto mehr Training. Deutlich ist zu spüren, dass er nie wieder Opfer sein will, nie wieder hilflos und sich selbst als nicht kriminell sieht, weil er mit seinen Diebstählen niemandem schadet.

Bruce will lernen die Kriminellen in Gotham zu besiegen. Deswegen macht er sich auf den Weg in die Berge zu Ducard/Ra´s Al Ghul, um sich von ihm ausbilden zu lassen.

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Psychologie und Film: Batman Begins, 3 – Über Gerechtigkeit und Rache

04.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Jahre später, Bruce ist erwachsen, kommt es zu einer Anhörung, durch die der Mörder seiner Eltern vorzeitig aus der Haft entlassen werden soll, weil er bereit ist, gegen die Unterwelt auszusagen. Bruce will sich an dem Täter rächen. Jedoch kommt ihm ein gedungener Mörder zuvor. Rachel, seine Freundin aus Kindertagen, arbeitet inzwischen für die Staatsanwaltschaft. Sie begleitet ihn zu der Anhörung. Als Bruce ihr auf dem Heimweg gesteht, dass er den Mörder umbringen wollte, ist Rachel entsetzt, weil er Rache will. Bruce ist der Auffassung: „Manchmal sind Gerechtigkeit und Rache das Gleiche.“ Doch Rachel erklärt ihm: „Bei Gerechtigkeit geht es um Harmonie. Bei Rache geht es darum, dass man sich selbst gut fühlt. Die Kriminellen der Stadt zerstören alles, wofür Deine Eltern standen. Dein Vater würde sich dafür schämen, dass Du Dich rächen wolltest.

Bruce hat das passende Gefühl: Wut auf den Täter, der ihm den Verlust seiner Eltern aufgezwungen hat. Der Täter, der mit seinem Mord die Grenze überschritten hat und hinter die Linie zurück verwiesen werden muss – abgewehrt werden darf. Das ist das passende Gefühl für die Situation des Angriffs. Da war Bruce aber noch zu klein und musste ohnmächtig zuschauen.

Jetzt, erwachsen hat er die körperliche Kraft und Möglichkeit, diesem Gefühl einen Ausdruck zu verleihen und will dies tun, indem er den Täter ermordet. In der Bedrohungssituation wäre es eine legitime Reaktion gewesen, Notwehr. Er hätte den Mörder zu seinem Schutz (Notwehr) oder zum Schutz seiner Eltern (Nothilfe) töten dürfen. Zumindest nach deutschem Recht.

Das Schicksal will es anders und Bruce wird um diese Möglichkeit betrogen, weil der Täter von der Unterwelt ermordet wird – die Angst hat – weil er das Schweigen brechen will! Jetzt gibt es kein Ventil mehr für seine Wut, keine Möglichkeit mehr, sich besser zu fühlen. Die Rache als Möglichkeit, das eigene Schuldgefühl zu befrieden, wurde ihm genommen. Damit verschwand auch die Möglichkeit zur Sühne: Nach dem Mord am Täter selbst ins Gefängnis zu gehen und dort dafür zu bezahlen, dass er als kleiner Junge seine Eltern nicht retten konnte. So seltsam funktioniert unser Denken und so stark ist die Spannung, die Hilflosigkeit und Ohnmacht machen, dass wir unter allen Umständen versuchen, diese Spannung zu reduzieren. Wenn es sein muss mit Rache.

Seine Freundin Rachel bringt es für ihn auf den Punkt: Bei Gerechtigkeit geht es um Harmonie, bei Rache darum, sich gut zu fühlen. Rache, um eigene Schuldgefühl zu befrieden, einen Ausgleich zu schaffen auf der Ebene von Auge um Auge. Das Leben der Eltern mit dem Leben des Täters zu bezahlen. Damit, so denkt Bruce, könnte die Harmonie wieder hergestellt werden. Das könnte so sein, bräuchte es dafür nicht wieder einen Mord, der weitere Opfer produziert und damit weiteres Ungleichgewicht.

Echte Harmonie kann nur hergestellt werden, wenn jeder die Verantwortung für sein Leben und sein Handeln übernimmt. Das ist es, was die meisten Opfer wollen, dass der Täter echte Verantwortung übernimmt, dass er sich der Strafverfolgung stellt, gesteht und für die Konsequenzen seines Handelns, z.B. Kosten für Therapie, einsteht. Dann könnte echte Harmonie hergestellt werden und ich glaube, die meisten Leute würden das als gerecht empfinden.

Da Täter so aber nicht sind, braucht es einen Staat, der für Recht sorgt, auch wenn es dabei selten um Gerechtigkeit geht.

Aber was Bruce wirklich trifft, ist nicht die andere Haltung gegenüber Rache und Gerechtigkeit, die Rachel hat, sondern ihre Aussage, dass Bruce´ Vater sich für ihn schämen würde. Da Bruce sich sowieso schon schuldig fühlt, liegt es nahe, dass er ihr glaubt, sein Vater sehe in ihm einen Versager, der unfähig war, ihn zu retten. Rachel schlägt hier eine tiefe Wunde, die Bruce´ weiteres Leben formen wird.

Welche Sätze haben Sie gehört, die Ihr weiteres Leben beeinflusst haben?

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Psychologie und Film: Batman Begins, 2 – Hab keine Angst

02.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Kurze Zeit später erlebt Bruce in einer Opernaufführung eine Angstattacke und will gehen. Seine Eltern verlassen mit ihm den Saal durch einen Hinterausgang, wo sie überfallen und beide Eltern getötet werden. Sterbend schaut der Vater den Sohn an und sagt: „Bruce, es ist okay. Hab keine Angst.“ Bruce bleibt allein mit Alfred zurück, dem treusorgenden Butler und Nachlassverwalter.

Wenn ich an all die Opfer von Gewalt denke, die ich in meinem Leben schon kennengelernt habe, dann verbindet diese alle die Angst vor den Tätern und besonders die Angst vor den eigenen Erinnerungen. Die Angst vor der Erinnerung an die Fledermäuse ist es, die Bruce vermeiden will. In seiner Wahrnehmung ist es das, was zum Tod seiner Eltern führt. Wie kann er sich nicht schuldig fühlen? Wie viele Menschen fühlen sich schuldig („Her mit der Ohnmacht“), weil es immer noch besser ist als das Gefühl der Ohnmacht. Bruce kann nichts tun als seine Eltern bedroht und erschossen werden. Er ist zu klein. Er ist ohnmächtig.

Bruce bekommt von seinem sterbenden Vater gesagt, dass er in dieser massiven Bedrohungssituation keine Angst haben soll. Der sterbende Vater will seinen Sohn mit diesen Worten trösten. Er weiß ihn versorgt. Aber Bruce? Ich bezweifle, dass er das verstehen konnte. Er bekommt nur gesagt, dass er das Gefühl, das er hat, nicht haben soll.

Es ist grundsätzlich keine gute Strategie jemandem zu sagen, wie er sich fühlen soll. Denken Sie nur an das „jetzt beruhig Dich erstmal“, das wir so daher sagen, wenn jemand sehr aufgeregt ist. Wir haben Gefühle als Reaktion auf unsere Umwelt. Wenn jemand traurig, aufgeregt, wütend, hilflos, verzweifelt, voller Angst ist, dann mit gutem Grund. Niemand möchte gerne gesagt bekommen, wie er sich fühlen soll. Hilfreich an dieser Stelle wäre zu sagen „Es ist okay, wenn Du Angst hast. Das geht auch wieder vorbei.“

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Psychologie und Film: Batman Begins, 1 – Die Angst der Kriminellen

01.02.2014 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Die Batman-Filme von Christopher Nolan

Die Batman-Filme von Christopher Nolan erzählen die Geschichte eines Mannes, der versucht sein Kindheitstrauma zu überwinden (Batman Begins), der erfolglos seinen Platz im Leben sucht (The Dark Knight) und sich schließlich von seiner Vergangenheit befreit und sich selbst findet (The Dark Knight Rises).

Batman Begins, 1 – Die Angst der Kriminellen

Bruce Wayne, Sohn eines der reichsten Männer von Gotham City, stürzt als Kind in einen Brunnen und wird daraufhin von Fledermäusen attackiert. Sein Vater, ein Arzt, erklärt ihm, dass die Fledermäuse ihn angegriffen hätten, weil sie Angst vor ihm gehabt haben. Bruce will wissen, ob auch die gefährlichen Tiere Angst hätten. „Die ganz besonders“, bekommt er zur Antwort. Sein Vater gibt ihm noch eine zweite Lebensweisheit mit auf den Weg: „Warum fallen wir, Bruce? – Damit wir wieder aufstehen können.“

Hier der Rest des Textes: PF_BatmanBegins_Inhalt

Bruce bekommt zwei wichtige Botschaften: Kriminelle haben grundsätzlich Angst und Fehlschläge sind dazu da, um daraus zu lernen und daran zu wachsen.

Eine der wichtigsten Botschaften, die man aus diesem Film mitnehmen kann, ist: Kriminelle haben immer Angst, weil sie nicht erwischt und bestraft werden wollen. Viele Opfer sind sich dessen nicht bewusst, dass ihre Täter/ihre Angreifer mindestens genauso viel Angst vor ihren Opfern haben wie ihre Opfer vor noch mehr Gewalt. Was könnten Täter tun, wenn Opfer nicht schweigen würden? Warum geben sich so viele Täter so viel Mühe, ihre Opfer zum Schweigen anzuhalten? Weil sie wissen, dass wenn das Schweigen gebrochen wird, sie von der Gesellschaft für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Davor haben sie Angst.

Die zweite Botschaft gefällt mir noch viel besser. Wir fallen, damit wir wieder aufstehen. Wenn etwas Schlimmes passiert, fragen wir uns so oft, warum uns das passiert ist. Hier ist die Antwort: Damit wir wieder aufstehen. Kein Blick zurück. Bruce´ Vater verschwendet keinen Augenblick damit, auf etwas zu schauen, was er nicht ändern kann. Stattdessen lehrt er seinen Sohn, nach vorne zu schauen und weiterzumachen.

Es kommt darauf an, wo wir den Anfang der Ursachen setzen. Wir können sagen, wir sind gefallen, weil wir gestolpert sind. Wir können aber auch sagen, wir sind gefallen, weil wir etwas lernen sollen. Wir entscheiden, wo wir Ursache und Wirkung sehen.

Wenn man auf sein Leben schaut, kann man sagen, nach jeder guten Phase folgt etwas Schlechtes. Oder wir können sagen: Jede schwierige Phase wird gefolgt von einer guten. Was macht das bessere Gefühl? Wie denken Sie?

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Psychologie und Film: Rapunzel neu verföhnt – Wie Weiße Foltermethoden in einen Disneyfilm kommen

03.11.2013 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Mit diesem Film ist es den Disney-Autoren super gelungen, ein Doublebind zu zeigen und was diese Zwickmühlensituation mit dem „Opfer“, in diesem Fall Rapunzel, macht.

Der Begriff „Doublebind“ (sprich: Dabbelbeind) kommt aus dem Englischen und bedeutet „Doppelte Bindung“, zu Deutsch Zwickmühle. Wenn wir Informationen bekommen, die uns zu sich widersprechenden Handlungen auffordern, dann erzeugt das in uns große Spannung. Wir fühlen uns in der Zwickmühle.

Rapunzel bietet dazu ein gutes Beispiel: Mutter Gothel, die Rapunzel entführt und in den Turm gesperrt hat, will sie in diesem Turm halten. Sie entzieht Rapunzel andere Beziehungen und Bewegungsfreiheit. So ist Rapunzel in der Einschätzung ihrer Welt und ihres Verhaltens auf den guten Willen von Mutter Gothel angewiesen. Um überleben zu können, muss sie sich den Wünschen und Erwartungen von Mutter Gothel unterordnen. Mutter Gothel will Rapunzel wegen ihrer magischen Haare bei sich behalten und von sich abhängig halten. Deswegen sagt sie ihr folgendes:

Mutter Gothel gibt Rapunzel sich widersprechende Informationen: Ich sorge für Deine Sicherheit, ich liebe Dich, ich will Dein Bestes. Gleichzeitig wertet sie Rapunzel ab und macht ihr Angst: du bist tollpatschig, pummelig, draußen hat es gefährliche Männer und giftigen Efeu. Auf diese Weise bindet sie Rapunzel an sich. Rapunzel hat Angst vor dem Leben außerhalb des Turms, will es ihrer Mutter recht machen und hat doch die Sehnsucht nach Freiheit und das Gefühl, ihrem Herzen und ihrer Neugier folgen zu müssen. Das heißt, sie schwankt zwischen Angst vor der Welt, Schuldgefühlen gegenüber der Mutter und ihrer Sehnsucht/Neugier.

Als sie es mit Hilfe des Diebes Eugene schafft, den Turm zu verlassen, geht es ihr hinterher so:

Die innere Spannung zwischen ihrem Gefühl von Freiheit und dem Bedürfnis von ihrer Mutter geliebt zu werden zerreißt sie fast. Die Autoren haben das auf eine humorvolle Weise sehr gut getroffen.

Da es sich um einen Disney Film handelt, wird Rapunzel durch ihre innere Zerrissenheit nicht aufgehalten. Sie geht ihren Weg. Sie will herausfinden, wer sie ist.

Hier draußen im Leben haben es Menschen, die solchen Umständen ausgesetzt waren oder in einer solchen familiären Umgebung groß werden mussten, deutlich schwerer. Nicht umsonst wird der gezielte Einsatz von Reizentzug und Doublebind-Strategien als Weiße Folter bezeichnet. Weiße Folter, weil die Foltermethode keine körperlichen Spuren hinterlässt. Die psychischen Folgen sind jedoch verheerend. Wenn der Folterer, also derjenige, der seinem Opfer Schmerz/Leid zufügt, auch die Person ist, die das Opfer hinterher versorgt, sich kümmert und freundlich ist, dann bezeichnet man dieses Vorgehen als Weiße oder Psychologische Folter. Das Opfer kann sich nicht mehr auf menschliche Beziehungen verlassen. Das Vertrauen in die Menschheit wird gebrochen, es entsteht völlige Abhängigkeit vom Folterer. Das Opfer wird versuchen, es dem Folterer Recht zu machen, um weiterer Gewalt zu entgehen. Aber die Gewalt ist nicht zu beeinflussen. Depression und nicht selten Suizid sind die Folge.

Außerhalb von Disney zieht diese Art der Misshandlung, die es auch einfach in Familien gibt, schwere psychische Schäden nach sich. Wenn Kinder ständig in dieser Zwickmühle leben müssen, z.B. mit solchen Aussagen wie „Ich muss Dich bestrafen, weil ich Dich lieb habe.“ Oder „Ich muss Dich bestrafen, weil Du böse warst.“, dann hinterlässt das in vielen Fälle schwere Störungen der Selbstwahrnehmung des Kindes. Das Kind wird sich wertlos fühlen, denn schließlich muss es ja „böse“ sein, um so oft bestraft zu werden. Wütend auf den Elternteil zu sein, der aus ganz egoistischen Gründen gegenüber dem Kind gewalttätig ist, ist als Kind unmöglich und selbst im Erwachsenenalter für viele Betroffene nur unter großer Angst und Mühe lernbar. Das Limbische System kann, weil diese Situationen so lebensbedrohlich waren, nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart (Ich-Zustände) unterscheiden, sondern „überlebt“ einfach, indem es alte Strategien des Überlebens, oft eine Form der Unterordnung, wiederholt, wiederholt, wiederholt.

Gut, dass Rapunzel trotz allem so gesund und innerlich so stark ist, dass sie ihrem Herzen folgen kann.

Alles in allem ein lustiger Film mit einem interessanten psychologischen Moment.

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Link zur Filmbeschreibung auf Wikipedia auf Deutsch.
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Achtung Gott: Psychologie und Film: The Grace Card – Trauma, Vergebung und Gott

27.10.2013 Veröffentlicht von Achtung Gott!, Psychologie und Film 0 Kommentare

Der Polizist Mac McDonald verliert seinen 5 jährigen Sohn Tyler durch einen Verkehrsunfall. 15 Jahre später ist er verbittert, rassistisch und von seiner Familie entfremdet.

Sein Vorgesetzter will Mac aus dessen Einzelgängertum herausholen und dessen Einstellung zu seiner Arbeit ändern. Deswegen befiehlt er Mac und den gerade beförderten Sam Wright bis zu Sams Versetzung als Team zu arbeiten. Mac ist frustriert, weil er bei der Beförderung wieder übergangen wurde und das ausgerechnet wegen Sam, der halb solange Polizist ist wie er und schwarz. Beide sind nicht begeistert von der Vorstellung zusammen arbeiten zu müssen. Sam bemüht sich um eine Beziehung zu Mac, während der ihn wieder und wieder abblitzen lässt.
Macs Frau sucht Hilfe bei einer Familientherapeutin, um die Familie zu retten. Blake, Macs 17 jähriger Sohn, der noch ein Baby war, als sein Bruder Tyler ums Leben kam, kann es seinem Vater nicht recht machen und wendet sich den falschen Freunden zu.
Sams Traum ist es, eine Kirche aufzubauen. Er möchte Pastor sein, hat bereits damit begonnen, aber die Gemeinde will nicht so recht wachsen, so dass er auf seinen Job als Polizist angewiesen bleibt. Er fragt sich, was Gott von ihm will und warum er ausgerechnet Mac McDonald in sein Leben gestellt hat, der für ihn der einzige Mensch ist, dem er nicht mit Nächstenliebe begegnen kann.

Und dann schießt Mac bei einem Einsatz seinen Sohn Blake nieder, der als Einbrecher unterwegs ist.

Auf der psychologischen Ebene ist dies ein Film über einen traumatisierten Polizisten. Einen Vater, der zusehen musste, wie sein 5 jähriger Sohn von einem schwarzen Dealer totgefahren wird. In seinem Schmerz und in seinen Schuldgefühlen wird er Polizist, um dieses Leid für andere zu verhindern. Er hat Flashbacks, wenn er mit schwarzen Straftätern zu tun hat oder Rettungswagen. Er ist wütend auf Gott, von dem er sich verlassen fühlt. Er sieht sich als Opfer in jedem Augenblick seines Lebens, er fühlt sich allein und verhält sich entsprechend ablehnend gegenüber den Menschen, die ihn lieben. Er glaubt, seinen Schmerz als Strafe zu verdienen und betäubt ihn gleichzeitig mit Alkohol. Er verliert mehr und mehr die Kontrolle über sein Leben. Erst in völliger Ohnmacht erreicht Sam ihn. In seiner dunkelsten Stunde kann er sich Gott zuwenden.
Dem Autor ist es gelungen, die Folgen dieses Unfalls auf die Familie realistisch darzustellen. Dank der großartigen Schauspieler sind der Schmerz und dessen zerstörerische Kraft in jeder Entscheidung, in jeder Geste, in jeder Emotion zu spüren.

Die zweite Ebene des Films ist die spirituelle. Der Film entstand als Projekt einer christlichen Gemeinde. Alle Jobs, einschließlich der Schauspieler waren Christen und Laien. Michael Joiner, der Mac spielt, ist der einzige Schauspiel-Profi in diesem Projekt.
Nicht-Christen mögen diesen Film kritisieren, weil es ihnen zu viele Zufälle gibt. Genau das macht diesen Film zu einem tollen Beispiel dafür, wie Gott wirkt: Für uns nicht vorhersehbar. Erst im Nachhinein können wir diesen für uns bestimmten Teil seines Plans erkennen. Wir können sehen, dass Gott Mac nie aufgegeben hat, dass er auch Blake nicht aufgeben wird, sondern dass er noch bevor es zu dem Unfall kommt, für die Rettung gesorgt hat.
Erst als Mac nichts mehr unter Kontrolle hat, kann Gott ihm zeigen, dass er immer noch in Kontrolle ist. Alles, was Mac tut ist, sich Gott wieder zuwenden.
Gott wirkt durch Menschen wie Sam und dessen Großvater, der ihm sagt, dass der Dienst für Gott nicht in einer Kirche stattfindet, sondern auf den Straßen, mitten im Leben. Dieses Bild hat mir sehr gefallen, zumal ich es neulich in einer Predigt hörte: Es geht nicht darum zu sagen, dass man Christ ist, sondern als Christ zu leben.

Persönlich hat mich dieser Film auch deswegen so berührt, weil ich in meiner Arbeit als Traumatherapeutin die Macht der Vergebung, wie sie hier ganz am Ende des Films gezeigt wird, schon erlebt habe. Es gibt nichts Heiligeres und Heilsameres als wenn Täter echte Verantwortung für ihre Taten übernehmen, die vollen Konsequenzen für ihr Handeln tragen und ihre Opfer dann um Vergebung bitten. Wenn die Vergebung vom Verletzten gewährt werden kann, dann kann es echten Frieden zwischen Täter und Opfer geben.

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Psychologie und Film: Black Bird – So sollten Psychotherapeuten sein!

15.10.2013 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Mit der Reihe Psychologie und Film werde ich von Zeit zu Zeit Filme besprechen, die mir aus psychologischer Sicht interessant erscheinen. Es wird um psychische Störungen gehen und wie sie in Filmen dargestellt werden. Ich werde Filme vorstellen, die ich aus anderen Gründen für psychologisch interessant halte, z.B. über die Art und Weise wie Menschen Ursachen zuschreiben oder traumatisierte Superhelden. Schauen Sie rein! Wir können von den heutigen Spielfilmen viel lernen. Die Überzahl an amerikanischen Produktionen an dieser Stelle entsteht aus der in meinen Augen höheren Qualität der Figurenentwicklung in amerikanischen Produktionen und aus meiner profanen Vorliebe für das Hollywood-Popcorn-Wohlfühl-Kino. Aber lassen Sie Sich dadurch nicht täuschen, Hollywood hat immer wieder mehr Tiefe anzubieten als man beim ersten Hinschauen so denkt.

Ich eröffne diese Reihe mit einem amerikanischen Fernsehfilm, den ich schon lange auf meiner „Will ich noch sehen“-Liste hatte. Viel Spaß!

Der Tod hinter der Maske (1995)

Helen McNulty (Überzeugend: Laura Dern) ist Kriegsberichterstatterin und wird mit ihrem Partner Jan zusammen entführt.

Ein Jahr später trinkt sie viel Alkohol und kann sich kaum auf ihre Arbeit in der Redaktion konzentrieren. Sie schafft es, Ihren Chef davon zu überzeugen, ein Interview über Anna Lenke (Großartig: Vanessa Redgrave) machen zu dürfen, die eine Klinik für Folteropfer ins Leben gerufen hat und selbst Folteropfer der Nazis wurde.

Die erfahrene Therapeutin Anna erkennt sofort, wen sie vor sich hat. Helen will nicht als Klientin, sondern nur für das Interview in die Klinik kommen. Anna besteht darauf, dass Helen als Klientin in die Klinik kommt oder gar nicht. Da in der Klinik alle nur mit Vornamen angesprochen werden, kann jeder selbst entscheiden, wie viel er von sich preisgibt. Gleichzeitig mit Helen reist auch Tomas Ramirez (Raul Julia in seiner letzten Rolle, ebenfalls großartig) an, der von drei dunklen Gestalten verfolgt wird, vor denen er offensichtlich davon läuft.

Im Verlauf der Geschichte, erfahren wir mehr darüber, was Helen passiert ist, und warum Tomas in der Klinik ist.

Der Film ist ab 16 freigegeben und das ist gut so. Die Darstellung der Gewalthandlungen halten sich in Grenzen, nichtsdestotrotz ist es übelste Gewalt, Folter eben.

Warum ich diesen Film empfehle ist, weil Anna einfach eine tolle Therapeutin ist, wie ich mir viele wünsche. Das dargestellte therapeutische Konzept ist für mich sehr schlüssig. Anna hat ein großes Haus auf einem großzügig angelegten Grundstück, in dem jeder sein eigenes Zimmer mit Bad hat. Auf diesem Gelände können ihre schwer traumatisierten Klienten Sicherheit finden und eine liebevolle Umgebung, in der sie viel darüber lernen, was die erlebte Gewalt mit ihnen macht. Anna lebt ebenfalls auf diesem Gelände. Es gibt eine strukturierte Gesprächsgruppe, in der auch das Zitat fällt: Um den Drachen zu töten, müssen wir zunächst einmal anerkennen, dass es ihn gibt. Ein für mich ebenfalls zentraler Punkt auf dem Heilungsweg: Anzuerkennen, dass man nicht heil ist, sondern Hilfe braucht.

Alle anderen Gespräche finden im Alltag statt, am Schwimmbad, während gemeinsamen Ausflügen, zwischen den Patienten, bei einem Spaziergang über das Gelände. Anna ist da, sehr klar, hat klare Regeln, an die sich alle halten müssen, ist keine Freundin von Medikamenten, beobachtet, tastet sich vor, lässt Raum, bietet an und kann auch lachen. Sie hat keine Angst, etwas von sich Preis zu geben. Sie hat sehr überzeugend überlebt und gibt auf bescheidene Art und Weise ihr Wissen mit klarem Ziel weiter: Die Foltererfahrung beeinträchtigt vor allem die Fähigkeit, mit andern Menschen Beziehungen zu haben. Die Therapie hat das Ziel, Vertrauen und Nähe zu anderen Menschen wieder erfahren und leben zu können.

Die Liebe zu ihren Klienten ist in jeder ihrer Handlungen spürbar.

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Die DVD ist unter dem Titel „Black Bird – Silver Edition“ in Deutschland veröffentlicht.
Der Originaltitel lautet „Down Came a Blackbird“.
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Lesestoff: Gegen die Hilflosigkeit

10.03.2022 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Danke, Simon, für die Anregung zu diesem Artikel.

Gegen die Hilflosigkeit (c) Stefanie Rösch

So ein Krieg ist eine schreckliche Sache. Und obwohl zwischen Berlin und Kiew 1350 Kilometer liegen und zwischen Konstanz und Kiew sogar 2060 Kilometer, macht dieser Krieg uns betroffen. Manche mehr als andere.

Wie die Menschen vor Ort überleben, sehen wir täglich in den Medien. Wie sie sterben auch. Wenn ich mir die Bilder lange genug anschaue, dann fühle ich mich hilflos und bekomme es mit der Angst. Mein Hirn dreht durch und denkt sich eine Katastrophe nach der anderen aus. Am Ende meiner Überlegungen steht der Dritte Weltkrieg, mein Tod und der Tod geliebter Menschen oder auch unvorstellbares und unerträgliches Leid. Spätestens dann sitze ich zu Hause und frage mich, was das hier alles noch soll.

Aber dann tritt Frau Rösch, diese nervige Psychotante, auf den Plan und sagt: „Hey, Stefanie, was machst Du da? Ist Dir klar, dass Du gerade für niemanden eine Hilfe bist?“

„Klar weiß ich das, bringt doch eh alles nichts“, antworte ich.

„Sicher, wenn Du Dich da weiter reindrehen willst, nur zu. Das ist Deine Entscheidung.“

„Wieso meine Entscheidung? Es ist doch Krieg.“

„Ja, In der Ukraine, nicht in Konstanz.“

Da hat sie allerdings Recht. Hier in Konstanz würde man gar nicht mitbekommen, dass es die Eskalation in der Ukraine gibt, gäbe es die Medien nicht. In Wikipedia findet man eine Liste von 18 Kriegen, die derzeit andauern. Der Krieg in der Ukraine steht dort auch. Er begann 2014. Vor wenigen Tage ist er auf unvorstellbare Weise eskaliert.

Warum fühlen wir uns von dem Krieg so betroffen, heute?

TIZ-Trenner

Es gibt viele unterschiedliche Gründe, hier in Deutschland betroffen zu sein. Jeder Grund ist gut, aber nicht jeder ist beeinflussbar.

Wenn ich Verwandte im Kriegsgebiet habe, kann ich erstmal nur hoffen und beten. Ich muss die Hilflosigkeit aushalten. Ich kann weder den Krieg beenden, noch meine Verwandten und Freunde beschützen. Das können diejenigen, die in den Kriegsgebieten dieser Welt in Lebensgefahr sind nur selbst tun. Vor unmittelbarer Bedrohung und Gefahr kann jeder nur sich selbst schützen. Aus 2000 Kilometer Entfernung kann ich da nichts ausrichten.

Wenn ich hier in Deutschland bin und mir Sorgen über die Zukunft mache, dann wird es mir wie eingangs beschrieben sehr schnell schlecht gehen. Warum?

Ganz einfach: Weil unser Hirn dumm ist.

Wollen Sie wissen warum? Weil das Hirn nicht zwischen Vorstellung und äußerer Realität unterscheiden kann. Unser Hirn nimmt jede Wahrnehmung für bare Münze, egal ob über die Sinnesorgane wahrgenommen, also echt, oder nur ausgedacht, Phantasie.

So schauen wir Filme oder Theaterstücke und fühlen mit, obwohl uns die Geschichte nicht persönlich betrifft, sondern die Akteure auf der Leinwand oder Bühne – und für die ist es ja auch „nur gespielt“. Wir fühlen mit, nicht weil das, was auf der Leinwand oder auf der Bühne geschieht, unmittelbar in meinem Leben und mit mir geschieht, sondern weil allein die Vorstellung ausreicht, um unser Gehirn davon zu überzeugen, es wäre „echt“. Ob wir es Empathie oder Spiegelneurone oder sonst wie nennen, spielt dabei, finde ich, keine Rolle. Entscheidend ist, dass jeder weiß, wie mächtig unsere Gedanken sind und dass jeder schon die Erfahrung gemacht hat, auch wenn wir und dessen nicht immer bewusst sind.

Unsere Überzeugungen entscheiden über unsere Körperreaktionen und Gefühle

Wir regen uns über die Entscheidungen der Politiker auf. Wir fürchten uns vor einer Phantasie vom Leid anderer, wenn wir „was wäre wenn ich in der Situation wäre…“ spielen. Wir stürzen uns in die Ohnmacht, wenn wir „was wäre gewesen wenn, [es noch viel schlimmer gekommen wäre]“ oder „Ich hätte auch verletzt, tot, entstellt ….sein können“ spielen. Wenn wir davon überzeugt sind, dass eine Tablette uns hilft, dann tut sie das in ganz vielen Fällen sogar wissnschaftlich nachweisbar. Und wenn Sie sich intensiv eine saftige, saure, gelb-grüne Zitrone vorstellen und wie Sie hineinbeißen und der saure Saft Ihnen den Rachen und die Mundwinkel hinunterläuft, dann wird Ihnen der Speichel im Mund zusammenlaufen. Wie oft erleben wir Tränen in Rollentrainings oder echte Wut. Es fällt uns so leicht, über eine Vorstellung, unser Hirn auszutricksen, so dass es glaubt, es muss jetzt die passenden Körperreaktion dazu herstellen.

Unsere Gedanken sind mächtig.

Was hat das alles mit Krieg und Hilflosigkeit zu tun?

Nun, die Medien machen es uns leicht, uns den Horror und das Leid des Krieges in der Ukraine und an anderen Orten der Welt vorzustellen und mitzufühlen. Wir sollten uns allerdings alle die Frage stellen, wieviel Nachrichten uns guttun und ob wir für die Menschen in Not eine Hilfe sind, wenn wir unserem Hirn zuviel Phantasie erlauben. Können Sie sich mit diesem Thema beschäftigen, ohne sich hilflos zu fühlen? Dann ist alles gut. Sind Sie in der Lage, Ihren Alltag so wie immer zu bewältigen, auch mit allen alltäglichen Schwierigkeiten, die Sie kennen? Dann ist alles gut. Sollten die Bilder und Gedanken über den Krieg aber bewirken, dass Sie sich immer hilfloser fühlen und Sie wollen sich nicht hilflos fühlen, dann hier ein paar Dinge, Sie die gegen die Hilflosigkeit tun können.

Gegen die Hilflosigkeit

  1. Schauen Sie möglichst wenig Nachrichten und konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart. In der Gegenwart können wir handeln.
  2. Konzentrieren Sie sich auf kleine, machbare Schritte. Je kleiner die Schritte, desto eher können Sie die gehen und werden sich gut fühlen.
  3. Sie sind wichtig an dem Ort, an dem Sie sind. Nur gemeinsam verändern wir die Welt.
  4. Leben Sie jeden Tag Frieden. Jeder Konflikt ist ein kleiner Krieg. Es hängt nur davon ab, wie Sie ihn lösen. Krieg beginnt im Alltag.
  5. Seien Sie für andere da und tuen Ihnen Gutes. Das gibt Ihrem Leben Sinn.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns die Welt verändern zu einem friedlicheren Ort, Tag für Tag, Begegnung für Begegnung, Freundlichkeit für Freundlichkeit.

Dafür wünsche ich Ihnen ein leuchtendes, mutiges Herz, Ihre Stefanie Rösch

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Jeder Mensch ist eine Stadt: Dissoziative Identitätsstörung in Bildern erklärt. (Teil 3)

03.07.2021 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare
Photo by Johannes Plenio from Pexels

Die Stadt zurückerobern: Symptome erklärt

Ich hatte mit der Therapeutin besprochen, mich an eines der Traumata wagen zu wollen, um zu konfrontieren. Ich war soweit es ging stabil und habe ja meinen Hund an meiner Seite, der mir viel hilft.

Eine Leserin

Sich daran zu erinnern, was passiert ist, löst im Körper immer einen Alarm aus. Es wird immer unangenehm sein, weil die Bürgermeisterin verstehen will, was ihr Bürger-Team erlitten hat. Sie will verstehen, wie schlimm es für das Bürger-Team war. Denn das Bürger-Team hat ihr diese Aufgabe abgenommen, weil sie selbst es nicht mehr ertragen konnte. Weil sie als Bürgermeisterin nicht ertragen konnte, was der Feind ihr und ihrer Stadt angetan hat, hat das Bürger-Team die Bürgermeisterin in einen Panikraum in Sicherheit gebracht (= dissoziiert).

Wenn die Bürgermeisterin sich jetzt erinnern will, dann gefällt das weder den inneren Spitzeln und Spionen (= Täterintrojekte/ Groupis oder Bewältigungsverhalten, das bei näherer Betrachtung den Feind beschützt, wie zum Beispiel „sich nicht erinnern können“), noch dem Feind (= Täter/Täterinnen im Außen).

Deswegen kommt es zu mehr und stärkeren Beschwerden. Vor allem dann, wenn es im Außen noch Kontakt zu dem Täter oder den Tätern gibt. Feinde = Täter können natürlich auch weiblich sein, aber in der Mehrzahl sind es Männer.

Flashback und Schreckstarre

Vor der Konfrontation waren meine Dissoziationen teilweise anders. Sonst war ich einfach wie abwesend hab alles durch Nebel wahrgenommen oder an ganz anderen Orten im Kopf und zeitgleich bin ich stillgestanden.

Eine Leserin

Das klingt für mich nach einem Flashback mit einer Schreckstarre. Eine Form der Dissoziation. Schreckstarre, weil es so klingt als hätten sie sich im Außen nicht mehr bewegen können. Flashback, weil ich vermute, dass der andere Ort im Kopf ein Ort war, an dem Ihnen etwas Schlimmes passiert ist. Dass es sich wie durch einen Nebel anfühlt schützt Sie vor der Macht der Todesangst und der Hilflosigkeit, die in bedrohlichen Situationen erfahren werden. Diese Gefühle sind so überwältigend, dass unser Gehirn sie nicht aushalten kann und deswegen auf die Berufe von Bürgern zurückgreift, die dann mit einer Dissoziation aushelfen. Eine Dissoziation kann sich wie ein Nebel anfühlen, aber auch wie der Schwarze-Loch-Zustand. Das ist ein sehr abstrakter psychologischer Begriff, der viele verschiedene Bürger-Strategien zusammenfasst. Auf diese Weise kommen die Bürgerinnen und Bürger ihrer Bürgermeisterin zu Hilfe.

Was ist eine Dissoziation?

Der Begriff fasst verschiedene Beschreibungen von Beschwerden zusammen, bei denen die Person den Eindruck hat, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Welt oder des Ich in der Welt passen nicht recht zusammen. Für diese unangenehmen Empfindungen gibt es viele verschiedene Beschreibungen wie zum Beispiel: im Kopf an einem anderen Ort sein als der Körper im Außen ist, hinter der Wand sein, im Nebel sein, zu-sein, weg sein, es fühlt sich an wie im Film, unwirklich, fremd, wie ein Geist, nicht dazugehörig, nicht richtig da, weggesperrt, eingesperrt, Schwarzes Loch, in der Wolke.

Als Psychologinnen haben wir ebenfalls verschiedene, vor allem komplizierte Worte dafür. Ohne weiter alles ganz genau zu erklären, hier ein paar: Depersonalisation, Derealisation, Flashback, dissoziative Amnesie, Dissoziative Identitätsstörung. Wir benutzen diese Worte, um Untergruppen von Beschreibungen zu bilden. Je nachdem was Betroffene uns erzählen. Flashbacks sind Schilderungen, die sich auf belastende Erinnerungen beziehen. Amnesie bezieht sich auf Lücken in den Erinnerungen. Dissoziative Identität beschreibt das Erleben, dass es mehrere Persönlichkeiten innerhalb eines Körpers gibt. Derealisation beschreibt, dass die Umgebung oder Gegenstände als fremd oder komisch erlebt werden. Depersonalisation bringt zum Ausdruck, dass die Person sich selbst oder Teile ihres Körpers als fremd oder nicht dazugehörig empfindet. Dissoziation bedeutet grunsätzlich, es fällt etwas auseinander. Was dann fehlt, ist der Eindruck von Einheit oder Verbundenheit mit der Welt, sich selbst und anderen Menschen.

Nächste Woche …

… geht es um Schwarze Löcher, dissoziatives Erleben und selbstverletzendes Verhalten. Wenn Sie den ganzen 15-seitigen Artikel zusammen mit weiteren Artikeln zum Thema, sowie exklusiven Arbeitsmaterialien im Umfang von insgesamt 40 Seiten Information lesen wollen, können Sie den Artikel für 3 Euro in unserem Shop kaufen.

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Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Einbruch und PTBS

14.03.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Kann ein Hauseinbruch, bei dem der Bewohner selbst nicht im Haus war, bei diesem eine PTBS verursachen? Obwohl somit nicht lebensbedrohlich?

Foto von Visually Us von Pexels

Liebe Leserin,

Ihre Frage wirft verschiedene weitere Fragen auf.

  1. Ihre Frage wirft die Frage nach dem Traumakriterium auf. Eine Posttraumatische Belastungsstörung gehört zu den wenigen psychischen Störungen, für deren Diagnose ein auslösendes Ereignis notwendig ist. Wie lautet dieses Kriterium und fällt ein Hauseinbruch, bei dem der Bewohner nicht daheim ist, darunter?
  2. Eine zweite Frage betrifft das Thema von psychischer Belastung durch Einbrüchen.
  3. Und eine dritte Frage ist, warum brauchen wir überhaupt Diagnosen?

Warum brauchen wir Diagnosen?

Grundsätzlich gibt es zwei Systeme, nach denen wir psychische Störungen diagnostizieren. Das eine heißt Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Das ICD wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben.

Und das andere heißt Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM). Das DSM wird von der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) herausgegeben.

In Deutschland ist für das Gesundheitssystem das ICD das entscheidende Klassifikationssystem. Wann immer die Krankenkassen eine Leistung übernehmen, hat irgendeine Fachperson einen ICD Code vergeben. Das ist ein Grund für eine Diagnose.

Wir brauchen Diagnosen auch, um uns als Fachleute schnell über komplexe Sachverhalte unterhalten zu können. So können wir viele Informationen austauschen, die sich alle hinter einer Störungsbezeichnung verbergen. Zum einen über die Entstehung einer Störung, über deren häufige Beschwerden, deren Verlauf und auch über deren Behandlungsmöglichkeiten.

Diese Klassifikationssysteme werden laufend anhand aktueller Erkenntnisse weiter ausgearbeitet und angepasst. Im Abstand von mehreren Jahren kommen Revisionen heraus. Insofern gibt es aktuell das DSM in seiner fünften Überarbeitung und beim ICD steht die elfte Überarbeitung vor der Tür. In beiden Versionen wurde das Traumakriterium für die Neufassung geändert.

Posttraumatische Belastungsstörung: Das Traumakriterium

Foto von Caleb Kwok von Pexels

Um eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren zu können, müssen verschiedene Beschwerden (Symptome) erfüllt sein. Darunter auch das Erleben eines auslösenden Ereignisses. Das ist das Traumakriterium.

Schauen wir uns die beiden Klassifikationen für das Traumakriterium im Vergleich an.

Das Traumakriterium im ICD

ICD 10: Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)ICD 11: Posttraumatische Belastungsstörung (F 6B40)  
Die PTBS entsteht als eine verzögerte oder über einen längeren Zeitraum andauernde Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß,

die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.  
Die PTBS entsteht als Reaktion auf ein extrem bedrohliches oder katastrophales Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen.





Tabelle 1: Das Traumakriterium im ICD, alte Fassung gegenüber neuer Fassung

Im ICD-10 wurde noch berücksichtigt, dass Menschen ganz unterschiedlich auf belastende und bedrohliche Ereignisse reagieren. In der Neufassung wurde das subjektive Erleben herausgelassen. Hier geht es nur noch um ein „objektives“ Kriterium. Denn wer legt fest, was extrem bedrohlich oder katastrophal ist? Hier maßen sich Fachpersonen an, sie wüssten wie jemand ein bestimmtes Ereignis erlebt. Die Anmaßung liegt natürlich bei den Fachleuten, welche diese Kriterien festlegen. Aber auch bei denen, die im Alltag Menschen unterstützen wollen, die ganz unterschiedliche Erfahrungen machen mussten. Diese Fachleute müssen sich an die Diagnose-Kriterien halten und deswegen eine Einschätzung festlegen.

Das Traumakriterium im DSM

DSM-IV: Posttraumatische BelastungsstörungDSM-V: Posttraumatische Belastungsstörung
Die Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, bei dem die beiden folgenden Kriterien vorhanden waren: Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung oder Gefahr der körperlichen Unversehrtheit durch ein oder mehrere Ereignisse
(1) Selbst erlebtes Ereignis: der eigenen Person oder
(2) Beobachtetes Ereignis: anderer Personen

Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.  



Konfrontation mit tatsächlichem oder drohenden Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten
(1) Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse
(2) Persönliches Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse bei anderen Personen
(3) Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind (Unfall / Gewalt)
(4) Erfahrung wiederholter/ extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren traumatischen Ereignissen. Beachte: Konfrontation durch TV und Medien erfüllen das Kriterium 4 nicht, es sei denn es ist berufsbedingt.  
Tabelle 2: Das Traumakriterium im DSM, alte Fassung gegenüber neuer Fassung

Im DSM hat man in der Neufassung ebenfalls das subjektive Erleben der belastenden Erfahrung weggelassen. Auch hier entscheiden letztendlich Fachpersonen darüber, ob etwas traumatisch war oder nicht. Unabhängig vom subjektiven Erleben.

Ich bin der Meinung, dass diese Veränderungen in den Diagnosekriterien das fehlende Störungsmodell für die PTBS wiederspiegelt. Die Kriterien werden anhand von klinischen Beobachtungen oder wissenschaftlichen Befragungen zusammengestellt. So versuchen wir als Fachleute, Gruppen von Beschwerden zusammenzufassen, um anhand von Diagnosen entsprechend wirkungsvolle Therapieangebote machen zu können. So der Plan.

Mein Stressmodell (Video in meinem YouTube-Kanal) erklärt, wie es zu einem Erleben kommt, dass in der Folge zu PTBS-Symptomen führen kann. Aus meiner Erfahrung ist das Kriterium für das erhöhte Risiko einer PTBS nach einer belastenden oder bedrohlichen Lebenserfahrung die subjektive Begegnung mit dem Tod. Ich nenne das, dem Tod ins Gesicht sehen. Dieser Moment entscheidet darüber, ob das Gehirn in einen Ausnahmezustand (Notabschaltung) gerät, in dem die Erinnerungen an das Ereignis so abgespeichert und verarbeitet werden, wie PTBS-Betroffene es dann erleben: Als Warnreaktion mit belastenden Fehlalarmen in Form von sich aufdrängenden Erinnerungen als der Beschwerde, die am meisten belastet.

Folgen von Einbrüchen in Wohnungen und Häuser

Foto von Kendall Hoopes von Pexels

Gerade Wohnungseinbrüche stellen eine Gruppe von Ereignissen dar, die subjektiv sehr unterschiedlich erlebt werden können.

Natürlich würde man erstmal davon ausgehen, dass wenn der Einbruch in Abwesenheit der Bewohner stattgefunden hat und damit keine direkte, lebensbedrohliche Situation entstanden ist, keine PTBS-Symptomatik entstehen sollte. Andere Beschwerden mit Bezug auf den Einbruch kann es trotzdem geben, aber eben keine Posttraumatische Belastungsstörung. Sehr wohl können Ängste entstehen, auch Ängste die man als psychische Störung diagnostizieren kann (Anpassungsstörung oder Phobie als Beispiel).

Wenn es eine PTBS-Symptomatik gibt, also sich aufdrängende Erinnerungen, dann würde ich das erstmal als Hinweis sehen, dass die betroffene Person durchaus eine subjektiv lebensbedrohliche Erfahrung gemacht hat. Ich würde mich dafür interessieren und versuchen herauszufinden, worin die Lebensbedrohung bestand, durch die es zu den sich aufdrängenden Erinnerungen kommt. Dabei sind die Erinnerungen das zentrale Symptom. Alle anderen Beschwerden leiten sich daraus ab. (–> Meine PTBS-Reihe mit ausführlichen Erklärungen finden Sie hier.)

Das heißt, wenn es sich aufdrängende Erinnerungen gibt, dann ist das das zentrale Symptom der PTBS. Dann geht es im Grunde darum zu verstehen, was genau die betroffene Person als lebensbedrohlich erlebt hat. Denn aus meiner Erfahrung heraus, entstehen Erinnerungsattacken nur dann, wenn die Person dem Tod ins Gesicht gesehen hat. Es geht also nicht in erster Linie um das Ereignis, sondern um die Erinnerungsattacken in der Folge.

Andere, belastende Folgen von Wohnungseinbrüchen

Sieht man von der PTBS als Folge von Wohnungseinbrüchen ab, dann wird schnell deutlich, dass ein Wohnungseinbruch ein sehr belastendes Ereignis sein kann. Wollinger und andere (2014) befragten für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) knapp 1400 Personen aus fünf Großstädten. Die Ergebnisse können Sie im Bericht Wohnungseinbruch: Tat und Folgen / Ergebnisse einer Betroffenenbefragung in fünf Großstädten nachlesen. Der Bericht enthält spannende Informationen über typische Tatabläufe von Wohnungseinbrüchen. In nur 20% der Einbrüche war überhaupt ein Bewohner im Haus . Einbrecher wollen also lieber einbrechen, wenn niemand da ist.

Die Untersuchung befragte ihre teilnehmenden Personen auch, welche psychischen Folgen der Einbruch hatte. Betroffene schildern unter anderem folgende Beschwerden, die auch noch Monate nach dem Einbruch bestehen können:

„Dreiviertel der Befragten (75,3 %) fühlten sich aufgrund der Tat in ihrer gewohnten Umgebung unsicher. Bei fast der Hälfte(46,5 %) hielt dies längere Zeit an. Gefühle der Macht- und Hilflosigkeit wurden ebenfalls von über der Hälfte der Betroffenen berichtet, wobei diese ebenfalls recht häufig langfristig bestanden. Weiterhin wurden häufig Stress und Anspannung als Folge des Erlebten angegeben. Der Wohnungseinbruch löste daneben bei zwei von fünf Befragten starke Angstgefühle aus. Auch Schlafstörungen wurden in vergleichbarer Häufigkeit berichtet. Des Weiteren wurde angegeben, sich aufgrund des Erlebten geekelt und erniedrigt gefühlt zuhaben. Versuche, nicht über die Tat nachzudenken, berichtete ein Viertel der Betroffenen. Ein ähnlicher Anteil der Befragten gab das Erleben von Albträumen an. Seltener wurde berichtet, im Umgang mit anderen Menschen unsicher geworden zu sein. […] Die Ergebnisse zu den emotionalen Folgen zeigen zum einen, dass ein (versuchter) Wohnungseinbruch weitreichende Folgen wie Gefühle der Hilflosigkeit, starke Angstgefühle und Anspannung auslösen kann. Andererseits gibt ein nicht unerheblicher Teil der Befragten an, nicht bzw. nicht langandauernd unter den jeweiligen Folgen gelitten zu haben. Insgesamt gaben 10,0 % aller Betroffenen an, keiner der […] aufgeführten emotionalen Folgen erlebt zu haben.“

Wollinger und andere, 2014 / S. 53 ff

Die Beantwortung Ihrer Frage

Foto von Sindre Strøm von Pexels

Es ist denkbar, wenn auch unwahrscheinlich, dass unter den genannten Umständen eine PTBS entsteht. Ein erster Hinweis sind sich aufdrängende Erinnerungen an den Einbruch. Erinnerungen zeigen an, was als bedrohlich erlebt wurde. Nur ein Ereignis, das von der betroffenen Person als lebensbedrohlich erlebt wurde, kann meiner Meinung nach eine PTBS verursachen.

Unabhängig von einer PTBS kann ein Wohnungseinbruch ein sehr belastendes und auch krankmachendes Ereignis sein.

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Stefanie Rösch

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Trauma-Informations-Zentrum

Leserfrage: Ist Emotionslosigkeit typisch für die Posttraumatische Belastungsstörung?

03.03.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Foto von Melanie Wupperman von Pexels

Guten Tag,
Meine Frau ist von PTBS Betroffene. Auslöser sind Misshandlungen in ihrer Jugend. Wir sind nun seit mehreren Jahren ein Paar. Wir haben gemeinsam so vieles geschafft und überwunden. Es wird für mich immer schwerer, trotz ständiger Bemühungen und Geduld, einen Tag ohne Streitereien zu gestalten.
Ich möchte gerne wissen, ob es für PTBS ein typisches Symptom ist, sich zurückhaltend und emotionslos zu verhalten?! Ich bin mittlerweile verzweifelt. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Lieber Leser,

ja, es ist ein typisches Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), emotional abgeschaltet oder entfernt zu wirken. Es ist typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung, dass Betroffene nicht mehr angemessen emotional auf ihre Mitmenschen reagieren zu können. Allerdings geht das nicht allen PTBS-Betroffenen so.

Das was Sie als zurückhaltend und emotionslos erleben ist sehr wahrscheinlich das, was Sie sehen, wenn Ihre Frau dissoziiert, wie wir das in Psychologinnensprache ausdrücken.

Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.
Foto von Philippe Donn von Pexels / Graphic designed with FotoJet

Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.

Wenn sich jemand bedroht fühlt, wird er zuerst wütend, solange das Hirn „der Meinung ist“, dass man noch Handlungsmöglichkeiten (Kampfstrategien) hat. Fühlt man sich bedroht, sieht aber keine Handlungsmöglichkeiten mehr, dann sagt einem die Angst: „Nix wie weg hier“. Bleibt man in der als lebensbedrohlich empfundenen Situation gefangen, dann kann aus der Angst Todesangst werden und man erkennt, dass man absolut hilflos ist. Menschen erkennen in solchen Momenten, dass das eigene Überleben von der Situation abhängt oder aber vom Willen ihres Angreifers.

Tritt dazu noch ein Moment ein, in dem die betroffene Person den Eindruck gewinnt, dass Ihr Leben jetzt zu Ende ist (ich nenne das „dem Tod ins Gesicht sehen“), dann sind die Gefühle und Reize so überwältigend, dass das Hirn/Körper und die Seele sich vor dem weiteren Empfinden dieser Todesangst und ggf. auch körperlicher Schmerzen schützen. Was dann passiert, nenne ich Notabschaltung. Die Notabschaltung kann sich auf unterschiedliche Weise auswirken.

Eine Reaktion ist, das Hirn schaltet alle Gefühle ab (emotionsloser Typ).

Die betroffene Person empfindet dann keine Todesangst mehr. Sie kann sich weiterhin bewegen und sie kann auch auf Denkprozesse zurückgreifen und Wissen. Allerdings alles nur automatisiert und damit ohne willentliche Kontrolle.

Verläuft die Bewältigung der Bedrohungssituation gesund, dann hört dieser Zustand wieder auf, wenn das Hirn erkennt, dass die Lebensbedrohung nicht mehr besteht, sondern Seele und Körper wieder sicher sind. Sobald der Mensch erkennt „Es ist vorbei, ich bin sicher“, entlädt sich der Körper mit Zittern und Weinen und anderen heftigen Körper- und emotionalen Reaktionen. Der Körper baut auf diese Weise die Stresshormone und die ganze Energie ab, die er für den Überlebenskampf bereitgestellt hat.

Eine andere Reaktion auf die Begegnung mit dem Tod ist die Schreckstarre.

Wie der Name schon sagt, lähmt sich der Körper und erstarrt. Gleichzeitig erlebt die Person bei vollem Bewusstsein, was mit ihr geschieht und dass sie absolut ausgeliefert und hilflos ist. Dazu hat sie natürlich weiterhin Todesangst. Weil dieser Zustand absolut unerträglich ist, nutzt das Hirn Denkstrategien oder Denkprozesse, um sich zu beschäftigen und damit von den überwältigenden Gefühlen „abzulenken“.

Eine Strategie, die es dafür nutzen kann, ist zählen. Es gibt immer etwas zu zählen. Schauen Sie sich um! Sie werden etwas finden. Heizkörper, Tapetenmuster, Kacheln, Blätter an einer Pflanze, Tassen im Regal oder Bücher. Selbst Schneeflocken oder die Huppel in einer Raufasertapete lassen sich zählen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, sich wegzudenken. In die Wand hineinzudenken. Also eine Phantasie darüber zu entwickeln, nicht im eigenen Körper zu sein, sondern außerhalb zum Beispiel in der Deckenleuchte oder im Teppichboden oder draußen im Baum vor dem Fenster.

Eine dritte Möglichkeit, sich wegzudenken ist, sich vorzustellen, wie das Geschehen nicht aus dem Blickwinkel meiner Augen aussieht, sondern wie es zum Beispiel aussehen würde, wenn ich an einer anderen Stelle im Raum bin. Diese Fähigkeit, sich etwas aus einer anderen Perspektive vorzustellen haben wir alle. Wenn das Gehirn diese Strategie wählt, dann entsteht der Eindruck, die Person habe ihren Körper verlassen. Weil sie die Gefühle nicht mehr bewusst wahrnehmen kann, weil die Denkprozesse alles Bewusstsein verbrauchen oder füllen, entsteht der Eindruck von Getrenntsein vom Körper. Betroffene schildern das als „neben sich stehen“ oder „wie im Film“, weil die Gefühle fehlen. Die werden in diesem Zustand nicht mehr wahrgenommen.

Es gibt Menschen, die bleiben in einem dissoziativen Zustand stecken.

Wenn das Gehirn nicht erkennen kann, dass die Gefahr vorbei ist, dann kann es sein, dass Menschen in so einem abgeschalteten Zustand wie hängen bleiben. Sie leben dann in einem ständigen Alarmzustand, der auf Dauer sehr anstrengend ist.

Eine andere variante kann sein, dass jemand so oft in einem lebensbedrohlichen Zustand war, dass das Gehirn/der Körper sich beim ersten Anzeichen von Gefahr „wegbeamt“, also „wegdenkt“ anstatt andere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Neues zu lernen macht vielen Menschen Angst. Es ist leichter auf Strategien zurückzugreifen, die automatisch ablaufen, weil sie gut geübt sind. Da es um Überlebensmechanismen geht, sind diese Prozesse im Körper und im Hirn so verankert, dass sie automatisch ablaufen und deswegen viel Anstrengung brauchen, weil sie nur durch bewusste Entscheidungen zu verändern sind. Das wiederum setzt voraus, dass man diese automatischen Prozesse lernen muss, bewusst wahrzunehmen, um dann überhaupt eingreifen zu können. Das ist der Grund, warum gerade der Umgang mit dissoziativen Zuständen so zeitaufwendig ist und Therapien lange dauern.

Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.
Foto von Matheus Potsclam Barro von Pexels / Graphic designed with FotoJet

Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.

Eine PTBS nennen wir eine Gruppe von Beschwerden, die im Grunde der Versuch unseres Gehirns ist, uns vor weiteren Gefahren zu schützen.

Erinnerungsattacken sind der Versuch unseres Gehirns, uns vor einer drohenden Gefahr zu warnen, indem es sagt: Schau, das war doch gefährlich, das passiert gleich wieder! Achtung! Aufgepasst! In den meisten Fällen handelt es sich um einen Fehlalarm, weil es keine Gefahr gibt. Während das Gehirn diese Warnung durch die Erinnerung „ausspricht“, bereitet es den Körper durch Stresshormone auf den Kampf oder die Flucht vor. Wenn das ständig passiert, dann entstehen dadurch alle anderen Beschwerden der PTBS: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Anspannung, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche. Das ist so unangenehm, dass Betroffene versuchen, die Erinnerungsattacken (sich aufdrängende Erinnerungen, Intrusionen, Flashbacks) zu vermeiden.

Keine Gefühle spüren zu können ist für die meisten Menschen sehr unangenehm.

Auf der anderen Seite fühlt es sich kurzfristig besser an, große und starke Gefühle nicht zu spüren. Das ist wie eine Sicherung, die vor Überspannung im Haus sorgt. Wenn die Spannung zu groß wird, schaltet die Sicherung ab. Im Grunde macht das Gehirn das gleiche. Zum Schutz.

Als Angehöriger ist es erstmal wichtig, diese Dinge zu verstehen. Es ist wichtig, dass Sie wissen und sich immer wieder bewusst machen, emotionslose Reaktionen auf der Seite Ihrer Frau sind kein böser Wille und haben nichts mit Ihnen zu tun. Auf der anderen Seite ist verständlich, dass es Sie schmerzt und dass Sie ja auch das Bedürfnis nach emotionalem Austausch haben. Das ist in der Tat eine schwere Zeit. Jetzt kommt es darauf an, gut für sich selbst zu sorgen und sich in echter, bedingungsloser Liebe zu üben. Bedingungslose Liebe bedeutet für mich, dem anderen die volle Verantwortung für sein Denken, Fühlen und Handeln zu überlassen und gleichzeitig eine helfende Hand anzubieten, egal was der andere tut. Das ist schwerer als man im ersten Moment denkt.

Ich wünsche Ihnen, dass sie diese bedingungslose Liebe in sich finden.

Ich wünsche Ihnen alle übernatürliche Kraft, um diese Zeit zu überstehen.

Stefanie Rösch

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Leserfrage: Wie kann ich „meine“ Mutter Gothel loswerden? Wie geht vertrauen?

06.01.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Hallo,
ich habe vor kurzem mit meiner Tochter den Märchenfilm Rapunzel gesehen und er hat mich sehr berührt. Jetzt lese ich auf Ihrem Blog über den Film Rapunzel – neu verföhnt. Ich habe genau das erlebt, was Sie Weiße Folter nennen. Viele Jahre habe ich gebraucht, um mich von meiner Mutter zu lösen und ihr „Spiel“ zu durchschauen. Ich bin durch Rapunzels „Wüste“ gegangen, als mir bewusstwurde, dass ich eigentlich keine Mutter habe. Seit meiner Kindheit leide ich an Angstzuständen und Depressionen. Laut verschiedener Therapeuten habe ich aber kein „richtiges“ Trauma erlebt, weil es eben „weiß“ war. Ich denke, deswegen haben auch verschiedene Therapien bei mir nicht funktioniert. Ich fühle mich sehr traumatisiert und habe auch viele Symptome. Es tut gut bei Ihnen zu lesen, dass meine Gefühle eine Berechtigung haben. Ich habe genau das, was Sie beschreiben: Ich kann mich nicht auf menschliche Beziehungen verlassen. Ich bin immer verschlossen. Auch bei Therapeuten ist es für mich kaum möglich, ihnen zu vertrauen. Ich habe mich sozusagen von Frau Gothel gelöst und sitze jetzt in meinem Turm und traue mich nicht raus. Haben Sie einen Vorschlag, was ich tun kann? Herzlichen Dank für Ihre Seite!

Wie geht Vertrauen in einer feindlichen Welt?
Foto von Amine M’Siouri von Pexels

Liebe Leserin,

ich glaube, Rapunzel berührt Sie und andere Menschen, weil sie trotz ihres Schicksals soviel Lebensfreude und Lebensmut behalten hat. Es ist nur ein kurzer Moment, in dem Sie überlegt, wieder zurück zu gehen. Doch dann hält sie nichts mehr auf. Auch nicht der Versuch von Ryder, sie ins Hässliche Entlein zu bringen, wo sämtliche Verbrecher von einem besseren Leben träumen.

Was erstaunlich ist, und eben Film, dass Rapunzel trotz all der schlechten Behandlung durch ihre Entführerin einen positiven Blick auf das Leben behalten hat.

Wie das möglich ist?

Rapunzel akzeptiert ihre Umwelt so wie sie ist

Sie macht das Beste daraus. Sie lebt in der Gegenwart. Sie verschwendet keinen Gedanken an die Vergangenheit. Das macht sie zu einer Comicfigur.

Rapunzel akzeptiert die Umwelt so wie sie ist. Sie lebt in der Gegenwart und schaut nicht zurück.
Danke Pixaby auf Pexels für das Foto

Was diese Entführerin 17 Jahre lang mit Rapunzel gemacht hat, geht an einem echten Menschen nicht so spurlos vorbei. Ein echter Mensch hat keine andere Möglichkeit als die Sichtweisen der Mutter Gothel ungeprüft zu übernehmen. Mutter Gothel bringt Rapunzel nicht bei, ihre Behauptungen an der Realität zu prüfen. Ist die Welt wirklich so gefährlich? Hockt wirklich hinter jedem Strauch ein Bösewicht? Rapunzel durfte den Turm gar nicht verlassen. Sie ist nie an einem Strauch vorbeigegangen, um zu schauen, ob dahinter ein böser Bube sitzt.

Sie, liebe Leserin, mussten andere Strategien entwickeln, um in der Welt ihrer „Mutter Gothel“ überleben zu können.

Was ist ein „echtes“ Trauma?

Es gibt dazu unterschiedliche Definitionen. Der Begriff Trauma bedeutet erst mal nur „Verletzung“. Und so wie es sich anhört, haben Sie einige Verletzungen erfahren. Die Verletzungen sind durch bedrohliche Situationen oder bedrohliches Verhalten von anderen entstanden, in ihrem Fall von Ihrer „Mutter Gothel“.

Es gibt aber auch die Definition, dass Trauma eine „objektiv“ lebensbedrohliche Erfahrung sein muss. „Objektiv“ meint dann so Erfahrungen wie Opfer von Kriegshandlungen zu sein, sexueller oder körperlicher Gewalt, Folter, schweren Verkehrs- und anderen Unfällen, sowie diese Erfahrungen beobachten zu müssen. Einzige Ausnahme bildet die Arbeit von polizeilichen Ermittlern, die entsprechend belastendes Videomaterial (Kinderpornografie) anschauen müssen. Denen wird auch zugestanden, traumatisiert zu werden, obwohl es keine „objektive“ Bedrohung für den Ermittler gibt.

Aus meiner Erfahrung spielt allein das subjektive Erleben von Lebensbedrohung eine Rolle, ob jemand traumatisiert wird. Jedenfalls definiere ich Trauma so: Es sind die Folgen, die entstehen, wenn man dem Tod ins Gesicht sieht. Ob man traumatisiert ist oder nicht, kann man aber frühestens 4 Wochen nach dem Ereignis sagen, manchmal auch erst sehr viel später. Letztendlich kann man nur anhand der Beschwerden sagen, ob jemand traumatisiert ist oder nicht. Die typischste Folge einer traumatischen Erfahrung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Aber das bedeutet nicht, dass wenn man keine PTBS hat, man nicht schlimme Verletzungen erlebt hat. Ich glaube, es spielt am Ende keine Rolle, wie wir es nennen. Wichtig ist, die Folgen zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen, um sich davon zu befreien.

Psychische Beschwerden sind Ausdruck des Versuchs in einer lebensfeindlichen Umgebung zu überleben
Foto von Nacho Juárez von Pexels

Psychische Beschwerden sind Ausdruck des Versuchs in einer lebensfeindlichen Umgebung zu überleben

Depression ist häufig Ausdruck der Überzeugung, dass man keinen Einfluss im Leben hat. Betroffene haben den Eindruck, sie können nichts bewirken, sich nicht wehren und sind für alles verantwortlich, vor allem für Dinge, über die sie keine Kontrolle haben, wie zum Beispiel die Gefühle von anderen. Diese dauernde Überforderung macht müde und lässt einen irgendwann resignieren. „Ich kann ja sowieso nichts ändern“, ist dann eine fast unausweichliche Überzeugung.

Ängste zeigen an, dass man keine Handlungsmöglichkeiten mehr hat und das Hirn die Situation als lebensgefährlich einschätzt. Aber auch erwarteter Schmerz, vorweggenommenes Versagen oder die Vorstellung von Einsamkeit können zu Angst führen. Unser Hirn macht da keinen großen Unterschied zwischen Vorstellung und Gegenwart. Die Vorstellung von eine Angstsituation reicht aus, um auch eine Angstreaktion im Körper zu verursachen, die wir als unangenehm, eben als Angst oder Panik bezeichnen. Je nachdem, was wir gelernt haben.

Angst macht vorsichtig und deswegen einsam

Wenn ich wiederholt von jemandem bedroht oder abgewertet werde. Wenn ich immer wieder Lebenserfahrungen aufgezwungen bekomme, die mir Angst machen, dann werde ich vorsichtig. Das ist mal grundsätzlich eine natürliche und gesunde Reaktion. Wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass ein Säbelzahntiger gefährlich ist, dann ist es gut vorsichtig zu sein, wenn ich einem Säbelzahntiger begegne. Bei einem Zebra macht das erstmal keinen Sinn. Aber so ist unser Hirn.

Wenn wir von unserer Mutter schlecht behandelt wurden, dann geht unser Hirn davon aus, dass auch andere Menschen gefährlich sind. Wir werden vorsichtig, was andere Menschen angeht. Und wenn es sehr vorsichtig ist, nennen wir das misstrauisch. Vorsichtig zu sein, ermöglicht uns, Kontakt mit anderen zu haben, auch wenn wir nicht wissen, was wir vom anderen erwarten sollen. Wenn wir misstrauisch sind, unterstellen wir dem anderen „negative Absichten“, wir erwarten, wieder verletzt zu werden, obwohl wir den anderen gar nicht kennen. Diese Haltung behindert den Kontakt zu anderen. Vorsicht ist okay, Misstrauen hindert am Leben und macht einsam.

Mutige Entscheidungen zu vertrauen sind die Lösung
Foto von James Wheeler von Pexels

Mutige Entscheidungen zu vertrauen sind die Lösung

Eine Klientin fragte mich neulich: Was ist kühnes Vertrauen? Was für ein tolle Frage.

Und genau die Antwort für Sie, liebe Leserin. Um gesund zu werden und sich von den Auswirkungen einer „Mutter Gothel“ zu befreien braucht es das kühne Vertrauen einer „Rapunzel“. Kühnes Vertrauen meint mutiges Vertrauen. Mutig zu vertrauen ist eine Entscheidung.

Vertrauen ist kein Gefühl, keine Empfindung, sondern eine Entscheidung, die wir die meiste Zeit unbewusst, sprich ohne darüber nachzudenken fällen. Wenn man wie Sie viele Enttäuschungen und Verletzungen erlebt hat, bleibt einem nur die bewusste Entscheidung übrig. Es bedeutet, wie diese Klientin immer wieder sagt: „Alles auf eine Karte zu setzen“ und trotz Misstrauen zu vertrauen, gerade zum Trotz gegen die innere Stimme, die einem Angst machen will. Nur so kann man nach und nach Erfahrungen und damit Erinnerungen sammeln, die der Überzeugung „Menschen sind hinterhältig oder böse“ entgegenstehen. Nur so kann man die liebevollen und zugewandten Erfahrungen machen, die notwendig sind, um diese Tiefen Gräben zwischen sich und der Welt zu überwinden.

Es ist ein anstrengender Weg und nur für mutige Menschen gemacht. Dass Sie mir geschrieben haben, ist für mich der Beweis, dass ich es mit einer mutigen Person zu tun habe. Sie haben immer wieder Hilfe in der Therapie gesucht. Das ist auch ein Beweis dafür, dass Sie ein mutiger Mensch sind. Ihr Wille zur Heilung und zur Freiheit zeigt sich mir darin, dass Sie sich von Ihrer „Mutter Gothel“ gelöst haben.

Mein Vorschlag

Bleiben Sie dran. Schauen Sie, was Sie nicht können und suchen Sie sich jemanden (Therapeutin), die Ihnen hilft, diese Dinge zu lernen. Vertrauen kann man lernen. Beziehungen zu führen kann man lernen. Man kann lernen, sich zu schützen und zu wehren. Alles was es braucht, sind mutige Entscheidungen und den Willen durchzuhalten. Ich bin davon überzeugt, dass Sie beides haben.

Für Ihren Weg wünsche ich Ihnen viel Kraft.

Ihre Stefanie Rösch

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Nur Sie sind die Heldin in Ihrem Leben 🙂

Du bist die Heldin in Deinem Leben
Foto von Thought Catalog von Pexels

Ohnmacht überwinden? Ja, mit dem Blick auf das Mögliche

19.12.2020 Veröffentlicht von Strategien 0 Kommentare

Ein neuer Lockdown hat uns alle fest im Griff. Vielleicht gehören Sie auch zu den Menschen, die das als belastend und einschränkend. Vielleicht kennen Sie auch jemandem, dem es so geht.

Gerade traumatisierte Menschen können sich besonders ohnmächtig fühlen. Eine Übung, die dabei helfen kann, diese Ohnmachtsgefühle zu regulieren, möchte ich Ihnen im Folgenden vorstellen.

Sich ohnmächtig zu fühlen bedeutet, einem Problem oder einer Bedrohung gegenüber zu stehen und erstmal keine Lösung oder keinen Ausweg zu haben. Wir sind gefangen in der Situation und sehen nur, dass es nichts gibt, was wir tun können, um unsere Situation zu verbessern.

Besonders schlimm ist dieser Zustand, wenn uns Leid und Gewalt droht.

Wenn wir den Eindruck haben, dass wir keinen Einfluss mehr auf unser Leben haben, wie in diesen Zeiten, dann neigt unser Hirn dazu, sich genau auf das zu konzentrieren, was nicht geht. Damit verstärken wir den Eindruck von Einschränkung. Dabei gibt es noch so viele Dinge, die wir beeinflussen und sogar kontrollieren können.

Danke an Josh Sorenson von Pexels

Folgende Übung kann Ihnen dabei helfen, den Blick wieder auf die beeinflussbaren Momente zu richten.

Schreiben Sie eine Liste: Ich entscheide, …

Nehmen sie einen Zettel und einen Stift und schreiben sie einfach drauf los. Sie wollen sich auf das Mögliche konzentrieren. Welche Entscheidungen haben Sie heute schon getroffen? Um einen Anfang zu finden, bietet es sich an, mit ganz einfachen Entscheidungen anzufangen. Beispielsweise kann ich morgens entscheiden, ob ich aus dem Bett aufstehe oder nicht. Ich kann entscheiden, ob ich duschen gehe oder nicht. Ich kann entscheiden, mir einen Kaffee oder Tee zu machen. Ich kann entscheiden, ob ich Müsli oder Marmeladenbrot essen möchte oder ob ich jetzt oder später etwas esse.

Ich finde es hilfreich, im flüssigen Schreiben zu bleiben. Daher kann es auch mal zu Wiederholungen kommen oder die Punkte variieren nur leicht in der Formulierung. Das macht überhaupt nichts. Falls Sie nicht wissen, wo Sie anfangen sollen, dann entscheiden Sie JETZT, dass Sie diese Übung probieren wollen

  1. Ich entscheide, diese Übung zu machen.
  2. Ich hole mir ein Blatt Papier.
  3. Ich entscheide, mir einen Stift zu holen.
  4. Ich entscheide, jetzt weiterzulesen.

Oder Sie denken an Ihren letzten Morgen und beobachten, was Sie da gemacht haben-

  1. Ich habe entschieden aufzustehen.
  2. Ich kann entscheiden zu duschen.
  3. Ich entscheide, Zähne zu putzen.
  4. ???

Es gibt viele Handgriffe, bei denen Sie nicht den Eindruck haben, dass Sie sich aktiv dazu entschieden haben, diese zu tun. Das sind dann möglicherweise Gewohnheiten, die Sie im Autopiloten machen. Bei mir ist es beispielsweise der Knopfdruck, mit dem ich den Wasserkocher einschalte, direkt nachdem ich aufgestanden bin. Das habe ich schon so oft gemacht, dass es keine bewusste Entscheidung mehr erfordert. Dennoch habe ich vor einiger Zeit, als ich diese Routine entwickelt habe, die Entscheidung selbst getroffen. Deshalb darf es auch auf die Liste.

Danke an Simon Matzinger von Pexels

Schreiben Sie eine Liste: Strategien, um die Stimmung zu stabilisieren

Vielleicht gibt es Strategien, die Sie bereits eingeübt haben. Sie sind frei in der Entscheidung, diese Strategien anzuwenden. Sie können frei auswählen, was gerade für Sie funktioniert.

  1. Ich kann entscheiden, einen Spaziergang zu machen.
  2. Ich kann entscheiden, Yogaübungen zu machen.
  3. Ich kann Musik hören oder Fernsehen.
  4. Ich kann mich in meiner Wohnung frei bewegen.
  5. Ich kann ein Bad nehmen oder mir eine Wärmflasche machen.
  6. Ich kann etwas basteln. Ich finde ganz viele Anregungen auf YouTube, z.B. Weihnachtskarten mit aufklappbaren Weihnachtsbäumen
  7. Ich kann entscheiden, neue Themen zu erkunden, z.B. Bahnreisen auf YouTube verfolgen oder ein neues Rezept auszuprobieren oder eben auch nicht
  8. Ich kann entscheiden, mit einer Freundin oder einem Freund zu telefonieren oder auch nicht.
  9. Ich kann entscheiden, Schlüsselanhänger zu stricken und damit etwas Sinnvolles zu tun, oder frustriert darüber nachdenken, wann ich wieder mal ein Seminar mit echten Menschen machen darf, anstatt auf einen Bildschirm zu starren.
  10. Ich kann entscheiden, einen Blogartikel zu schreiben.
  11. Ich kann entscheiden ….

Ich entscheide, dass ich mich an allgemeine Regeln halte

Natürlich gibt es auch Dinge, die gegeben sind. Gesetze und allgemeine Regeln des Anstands. Unsere Gesetze sind der Gesellschaftsvertrag, der größtmögliche Freiheit für maximal viele Menschen ermöglicht. Ich entscheide mich, jeden Tag wieder neu, mich an diese Regeln zu halten, zum Wohle aller. Und Sie?

  1. Ich entscheide, das unangenehme Gefühl zu ertragen, das sich habe, wenn ich eine Maske trage.
  2. Ich entscheide, wenn ich keine Maske tragen will, zu Fuß zu gehen und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
  3. Ich entscheide, Abstand zu andere zu halten, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, selbst gesund zu sein.
  4. Ich entscheide, es zu respektieren, dass es Menschen gibt, die aus medizinischen oder traumatischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können.
  5. Ich entscheide, mich an Regeln und Gesetze zu halten, die mir nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen.
  6. Ich entscheide, ohne Meckern die Konsequenzen zu tragen, wenn ich mich gegen eine Regel entschieden habe, erwischt werde und deswegen eine Strafe zahlen muss oder sonstigen Ärger bekomme.
  7. Ich entscheide …. Ärger aus dem Weg zu gehen.

Auch wenn Sie eine Regel nicht einhalten oder in abgewandelter Form anwenden, ist das eine Entscheidung, die Sie für sich treffen. Von QuerdenkerIn bis VirologIn kann man jede Variation der Regelanwendung bei anderen Menschen beobachten. Das ist so, weil diese Menschen für sich eine Entscheidung getroffen haben.

Der Moment der Entscheidung ist der Moment der Kontrolle in unserem Leben. Danach ist alles nur Illusion von Kontrolle.

Zuflucht.Vision

Egal was Sie tun, es ist Ihre Entscheidung

Jeder Tag ist voller Entscheidungen, ob Sie diese Entscheidungen Ihren Eltern nachgemacht und nie bewusst gefällt haben oder vor langer Zeit getroffen haben und heute gewohnheitsmäßig wiederholen. Dazu kommen all die bewussten Entscheidungen entsprechend Ihrer Vorlieben und Vorurteile, Ihrer Persönlichkeiten und Bedürfnisse. Vom Aufstehen und den Tag gestalten, über Essen und Trinken und Körperhygiene, bis hin zu Freizeitaktivitäten und Abendritualen. Es ist so viel möglich, auch wenn viele Dinge im Moment nicht gehen.

Persönlich schaue ich mir die Verordnungen an und überlege, ob mich der einzelne Punkt wirklich betrifft. Restaurants geschlossen – betrifft mich nicht. Natürlich betrifft es den Restaurantbesitzer, für den der Lebensunterhalt in Frage steht. Keine Veranstaltungen mit mehr als zwei Haushalten – das betrifft mich und meinen Lebensunterhalt. Nicht ins Kino gehen können – betrifft mich zwar, weil ich gerne Filme schaue, aber der Fernseher ist ein akzeptabler Ersatz.

Auf diese Weise mache ich mir bewusst, wo ich Einfluss habe und übe diesen Einfluss so oft es geht aus. Damit geht es mir dann besser und ich bleibe handlungsfähig und werde nicht traurig oder verzweifelt.

Die Liste ist für jeden Menschen ganz individuell

Schreiben Sie die Liste nur für sich selbst, Sie müssen sie keinem anderen Menschen zeigen. Jede und jeder trifft jeden Tag individuelle Entscheidungen, weil für verschiedene Menschen unterschiedliche Strategien funktionieren. Jeder Mensch hat andere Gewohnheiten.

Wenn die Ohnmachtsgefühle häufiger auftreten, ist es empfehlenswert, die Übung regelmäßig zu wiederholen. Man kann sie in den Alltag integrieren, indem man zum Beispiel jeden Morgen 10 Minuten lang eine Liste schreibt. Oder jeden Morgen 20 Entscheidungen auflistet, die man am Vortag getroffen hat. Hier wollen Sie ein Maß finden, das sich gut in Ihrem Alltag umsetzen lässt.

Danke an James Wheeler von Pexels

Warum funktioniert die Übung?

Machen Sie die Übung regelmäßig, bahnen Sie in Ihrem Gehirn Wege für die Gedanken, die zeigen, dass Sie frei entscheiden können. Diese Übung lenkt die Gedanken auf Ihren Entscheidungsfreiraum. Sie macht sichtbar, an wie vielen Stellen Sie im Alltag freie Entscheidungen treffen.

Wenn Sie sich ohnmächtig fühlen, entsteht der Eindruck, dass Sie keine freien Entscheidungen treffen können. Vielleicht gibt es automatische Gedanken wie „Ich kann an meiner Situation eh nichts ändern“ oder „Ich kann das nicht“ oder „Ich schaff das nicht“ oder „Ich bekomme sowieso keine Hilfe“.

Es lohnt sich, diesen Gedanken zu prüfen. Stimmt das wirklich? Schauen Sie auf Ihre Liste und prüfen Sie, ob diese Annahme noch haltbar ist. Eine Liste voller Entscheidungen lässt sich mit dem Gefühl von Ohnmacht schwer vereinbaren. Sie zeigt genau das Gegenteil auf: Sie treffen Entscheidungen. Sie sind nicht machtlos.

Sie haben die Möglichkeit und die Verantwortung, Ihr Leben zu gestalten. Sogar während einer Pandemie.

Ich wünsche Ihnen viele gute Entscheidungen für die kommenden Tage und einen guten Blick für das Beeinflussbare in Ihrem Leben.

Ihre Stefanie Rösch

p.s. Vielen Dank für die Idee und Vorarbeit zu diesem Artikel an Clara B.

Danke an Tobias Bjorkli auf Pexels

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