„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

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Ohnmacht überwinden? Ja, mit dem Blick auf das Mögliche

19.12.2020 Veröffentlicht von Strategien 0 Kommentare

Ein neuer Lockdown hat uns alle fest im Griff. Vielleicht gehören Sie auch zu den Menschen, die das als belastend und einschränkend. Vielleicht kennen Sie auch jemandem, dem es so geht.

Gerade traumatisierte Menschen können sich besonders ohnmächtig fühlen. Eine Übung, die dabei helfen kann, diese Ohnmachtsgefühle zu regulieren, möchte ich Ihnen im Folgenden vorstellen.

Sich ohnmächtig zu fühlen bedeutet, einem Problem oder einer Bedrohung gegenüber zu stehen und erstmal keine Lösung oder keinen Ausweg zu haben. Wir sind gefangen in der Situation und sehen nur, dass es nichts gibt, was wir tun können, um unsere Situation zu verbessern.

Besonders schlimm ist dieser Zustand, wenn uns Leid und Gewalt droht.

Wenn wir den Eindruck haben, dass wir keinen Einfluss mehr auf unser Leben haben, wie in diesen Zeiten, dann neigt unser Hirn dazu, sich genau auf das zu konzentrieren, was nicht geht. Damit verstärken wir den Eindruck von Einschränkung. Dabei gibt es noch so viele Dinge, die wir beeinflussen und sogar kontrollieren können.

Danke an Josh Sorenson von Pexels

Folgende Übung kann Ihnen dabei helfen, den Blick wieder auf die beeinflussbaren Momente zu richten.

Schreiben Sie eine Liste: Ich entscheide, …

Nehmen sie einen Zettel und einen Stift und schreiben sie einfach drauf los. Sie wollen sich auf das Mögliche konzentrieren. Welche Entscheidungen haben Sie heute schon getroffen? Um einen Anfang zu finden, bietet es sich an, mit ganz einfachen Entscheidungen anzufangen. Beispielsweise kann ich morgens entscheiden, ob ich aus dem Bett aufstehe oder nicht. Ich kann entscheiden, ob ich duschen gehe oder nicht. Ich kann entscheiden, mir einen Kaffee oder Tee zu machen. Ich kann entscheiden, ob ich Müsli oder Marmeladenbrot essen möchte oder ob ich jetzt oder später etwas esse.

Ich finde es hilfreich, im flüssigen Schreiben zu bleiben. Daher kann es auch mal zu Wiederholungen kommen oder die Punkte variieren nur leicht in der Formulierung. Das macht überhaupt nichts. Falls Sie nicht wissen, wo Sie anfangen sollen, dann entscheiden Sie JETZT, dass Sie diese Übung probieren wollen

  1. Ich entscheide, diese Übung zu machen.
  2. Ich hole mir ein Blatt Papier.
  3. Ich entscheide, mir einen Stift zu holen.
  4. Ich entscheide, jetzt weiterzulesen.

Oder Sie denken an Ihren letzten Morgen und beobachten, was Sie da gemacht haben-

  1. Ich habe entschieden aufzustehen.
  2. Ich kann entscheiden zu duschen.
  3. Ich entscheide, Zähne zu putzen.
  4. ???

Es gibt viele Handgriffe, bei denen Sie nicht den Eindruck haben, dass Sie sich aktiv dazu entschieden haben, diese zu tun. Das sind dann möglicherweise Gewohnheiten, die Sie im Autopiloten machen. Bei mir ist es beispielsweise der Knopfdruck, mit dem ich den Wasserkocher einschalte, direkt nachdem ich aufgestanden bin. Das habe ich schon so oft gemacht, dass es keine bewusste Entscheidung mehr erfordert. Dennoch habe ich vor einiger Zeit, als ich diese Routine entwickelt habe, die Entscheidung selbst getroffen. Deshalb darf es auch auf die Liste.

Danke an Simon Matzinger von Pexels

Schreiben Sie eine Liste: Strategien, um die Stimmung zu stabilisieren

Vielleicht gibt es Strategien, die Sie bereits eingeübt haben. Sie sind frei in der Entscheidung, diese Strategien anzuwenden. Sie können frei auswählen, was gerade für Sie funktioniert.

  1. Ich kann entscheiden, einen Spaziergang zu machen.
  2. Ich kann entscheiden, Yogaübungen zu machen.
  3. Ich kann Musik hören oder Fernsehen.
  4. Ich kann mich in meiner Wohnung frei bewegen.
  5. Ich kann ein Bad nehmen oder mir eine Wärmflasche machen.
  6. Ich kann etwas basteln. Ich finde ganz viele Anregungen auf YouTube, z.B. Weihnachtskarten mit aufklappbaren Weihnachtsbäumen
  7. Ich kann entscheiden, neue Themen zu erkunden, z.B. Bahnreisen auf YouTube verfolgen oder ein neues Rezept auszuprobieren oder eben auch nicht
  8. Ich kann entscheiden, mit einer Freundin oder einem Freund zu telefonieren oder auch nicht.
  9. Ich kann entscheiden, Schlüsselanhänger zu stricken und damit etwas Sinnvolles zu tun, oder frustriert darüber nachdenken, wann ich wieder mal ein Seminar mit echten Menschen machen darf, anstatt auf einen Bildschirm zu starren.
  10. Ich kann entscheiden, einen Blogartikel zu schreiben.
  11. Ich kann entscheiden ….

Ich entscheide, dass ich mich an allgemeine Regeln halte

Natürlich gibt es auch Dinge, die gegeben sind. Gesetze und allgemeine Regeln des Anstands. Unsere Gesetze sind der Gesellschaftsvertrag, der größtmögliche Freiheit für maximal viele Menschen ermöglicht. Ich entscheide mich, jeden Tag wieder neu, mich an diese Regeln zu halten, zum Wohle aller. Und Sie?

  1. Ich entscheide, das unangenehme Gefühl zu ertragen, das sich habe, wenn ich eine Maske trage.
  2. Ich entscheide, wenn ich keine Maske tragen will, zu Fuß zu gehen und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
  3. Ich entscheide, Abstand zu andere zu halten, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, selbst gesund zu sein.
  4. Ich entscheide, es zu respektieren, dass es Menschen gibt, die aus medizinischen oder traumatischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können.
  5. Ich entscheide, mich an Regeln und Gesetze zu halten, die mir nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen.
  6. Ich entscheide, ohne Meckern die Konsequenzen zu tragen, wenn ich mich gegen eine Regel entschieden habe, erwischt werde und deswegen eine Strafe zahlen muss oder sonstigen Ärger bekomme.
  7. Ich entscheide …. Ärger aus dem Weg zu gehen.

Auch wenn Sie eine Regel nicht einhalten oder in abgewandelter Form anwenden, ist das eine Entscheidung, die Sie für sich treffen. Von QuerdenkerIn bis VirologIn kann man jede Variation der Regelanwendung bei anderen Menschen beobachten. Das ist so, weil diese Menschen für sich eine Entscheidung getroffen haben.

Der Moment der Entscheidung ist der Moment der Kontrolle in unserem Leben. Danach ist alles nur Illusion von Kontrolle.

Zuflucht.Vision

Egal was Sie tun, es ist Ihre Entscheidung

Jeder Tag ist voller Entscheidungen, ob Sie diese Entscheidungen Ihren Eltern nachgemacht und nie bewusst gefällt haben oder vor langer Zeit getroffen haben und heute gewohnheitsmäßig wiederholen. Dazu kommen all die bewussten Entscheidungen entsprechend Ihrer Vorlieben und Vorurteile, Ihrer Persönlichkeiten und Bedürfnisse. Vom Aufstehen und den Tag gestalten, über Essen und Trinken und Körperhygiene, bis hin zu Freizeitaktivitäten und Abendritualen. Es ist so viel möglich, auch wenn viele Dinge im Moment nicht gehen.

Persönlich schaue ich mir die Verordnungen an und überlege, ob mich der einzelne Punkt wirklich betrifft. Restaurants geschlossen – betrifft mich nicht. Natürlich betrifft es den Restaurantbesitzer, für den der Lebensunterhalt in Frage steht. Keine Veranstaltungen mit mehr als zwei Haushalten – das betrifft mich und meinen Lebensunterhalt. Nicht ins Kino gehen können – betrifft mich zwar, weil ich gerne Filme schaue, aber der Fernseher ist ein akzeptabler Ersatz.

Auf diese Weise mache ich mir bewusst, wo ich Einfluss habe und übe diesen Einfluss so oft es geht aus. Damit geht es mir dann besser und ich bleibe handlungsfähig und werde nicht traurig oder verzweifelt.

Die Liste ist für jeden Menschen ganz individuell

Schreiben Sie die Liste nur für sich selbst, Sie müssen sie keinem anderen Menschen zeigen. Jede und jeder trifft jeden Tag individuelle Entscheidungen, weil für verschiedene Menschen unterschiedliche Strategien funktionieren. Jeder Mensch hat andere Gewohnheiten.

Wenn die Ohnmachtsgefühle häufiger auftreten, ist es empfehlenswert, die Übung regelmäßig zu wiederholen. Man kann sie in den Alltag integrieren, indem man zum Beispiel jeden Morgen 10 Minuten lang eine Liste schreibt. Oder jeden Morgen 20 Entscheidungen auflistet, die man am Vortag getroffen hat. Hier wollen Sie ein Maß finden, das sich gut in Ihrem Alltag umsetzen lässt.

Danke an James Wheeler von Pexels

Warum funktioniert die Übung?

Machen Sie die Übung regelmäßig, bahnen Sie in Ihrem Gehirn Wege für die Gedanken, die zeigen, dass Sie frei entscheiden können. Diese Übung lenkt die Gedanken auf Ihren Entscheidungsfreiraum. Sie macht sichtbar, an wie vielen Stellen Sie im Alltag freie Entscheidungen treffen.

Wenn Sie sich ohnmächtig fühlen, entsteht der Eindruck, dass Sie keine freien Entscheidungen treffen können. Vielleicht gibt es automatische Gedanken wie „Ich kann an meiner Situation eh nichts ändern“ oder „Ich kann das nicht“ oder „Ich schaff das nicht“ oder „Ich bekomme sowieso keine Hilfe“.

Es lohnt sich, diesen Gedanken zu prüfen. Stimmt das wirklich? Schauen Sie auf Ihre Liste und prüfen Sie, ob diese Annahme noch haltbar ist. Eine Liste voller Entscheidungen lässt sich mit dem Gefühl von Ohnmacht schwer vereinbaren. Sie zeigt genau das Gegenteil auf: Sie treffen Entscheidungen. Sie sind nicht machtlos.

Sie haben die Möglichkeit und die Verantwortung, Ihr Leben zu gestalten. Sogar während einer Pandemie.

Ich wünsche Ihnen viele gute Entscheidungen für die kommenden Tage und einen guten Blick für das Beeinflussbare in Ihrem Leben.

Ihre Stefanie Rösch

p.s. Vielen Dank für die Idee und Vorarbeit zu diesem Artikel an Clara B.

Danke an Tobias Bjorkli auf Pexels

Leserfrage: Schuldgefühle, Hilflosigkeit und unser beider Trauma

10.06.2017 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Der Ex-Freund meiner Freundin verübte im Februar dieses Jahr einen Mordversuch auf mich, während meine Freundin morgens kurz mit ihrem Hund draußen war. Der Täter hatte sich illegal einen Schlüssel zu ihrer Wohnung beschafft und besaß ein Gewehr.

Als meine Freundin vom Gassi gehen zurückkam, sah sie ihn noch im Treppenhaus. Er versuchte meine Freundin mit dem Gewehrkolben niederzuschlagen. Sie wich dem Schlag aus und im Hinauslaufen, rief er ihr noch zu, jetzt Selbstmord zu begehen, was er auch tat. Als sie bei mir war, rief sie: „Was hat er Dir angetan.“

Wenn ich Ihre Seite so lese, habe ich eine PTBS, glaube aber noch, sie selbst in den Griff zu bekommen, da mir weder Krankenhausseelsorger noch Traumaambulanz weitergeholfen haben, auch wenn die Vermeidungsstrategie in bestimmten Belangen bei mir vorherrschend ist. Meine Freundin leidet unter einer größeren Posttraumatischen Belastungsstörung, was mir sehr zu schaffen macht.

Weiterhin gibt sie sich eine Mitschuld, was natürlich rational nicht stimmt, ich hingegen spreche von einer Verantwortung von mir für mich und eine Mitverantwortung für sie, was die Zukunft anbelangt. Ich möchte verstehen, was in ihr vorgegangen sein kann, als sie diese Hilflosigkeit verspürte und möchte vermeiden, dass wir uns gegenseitig triggern, was natürlich als Gefahr vorhanden ist. Können Sie mir dazu Literatur empfehlen? Mir selbst reichen ihre Artikel über die PTBS, um an mir weiter zu arbeiten.

Lieber Leser,

jeder Mensch reagiert anders auf hilflose Momente. Der eine kann vielleicht ganz gut ertragen, dass er wenig oder nichts tun kann, wenn er angegriffen wird. Einen geliebten Menschen fast zu verlieren, ist eine ganz andere Herausforderung an unsere Bewältigungsfähigkeiten. Vor allem, wenn man sich verantwortlich fühlt, was Sie ja beide auf Ihre Art tun. Ihre Freundin fühlt sich für das Verhalten des Täters verantwortlich und Sie für das Befinden/ die Lebenszufriedenheit/ die Sicherheit ihrer Freundin in der Zukunft. Beides ist wie Sie schon richtig festgestellt haben so nicht richtig und nicht hilfreich, wenn die schwierigen Dinge im Leben passieren.

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, warum wir uns verantwortlich und damit überhaupt erst schuldig fühlen: Wir können uns nur schuldig fühlen oder schuldig sein, wenn wir uns auch verantwortlich fühlen oder verantwortlich sind. Verantwortlich können wir nur für etwas sein, das wir auch kontrollieren können, auf das wir also nahezu 100% Einfluss haben.

Was der Täter macht, darauf hat Ihre Freundin 0% Einfluss und damit auch keine Schuld. Das gleiche gilt für die Sicherheit/Lebenszufriedenheit oder das Befinden Ihrer Freundin. Wie es ihr geht, dass hängt zu 100% von Ihrer Freundin ab. Es hängt davon ab, wie Sie eine Situation erlebt und interpretiert. Das bestimmt, wie es ihr geht. Ihre Sicherheit hängt davon ab, ob irgendjemand entscheidet, ihr Böses zu wollen, oder aber von unglücklichen Umständen wie bei einem Unfall.

Wofür wir tatsächlich verantwortlich sind, ist unser Verhalten, unser Befinden und teilweise sicher auch unsere Gesundheit. Nur wir können uns heilen. Unser Körper kann das und unser Verstand/ unsere Seele können das. Niemand sonst.

Wir fühlen uns schuldig, weil es uns die Illusion ermöglicht, wir hätten mehr Einfluss auf das Leben als wir rein rational haben. Wir wollen unsere positive Kontrollüberzeugung (wie Psychologen das nennen) aufrechterhalten. Ohnmachtserfahrungen passen da nicht so recht dazu. Im Grunde müssten wir davon überzeugt sein, dass ich zu 99% Einfluss auf mein Leben habe und es gleichzeitig Dinge gibt, die passieren, ohne dass ich einen Einfluss darauf habe. Dann wäre es leichter mit solchen Erfahrungen umzugehen, wie Sie beide es erleben mussten.

Schuldgefühle sind gefährlich, weil Sie uns dazu verleiten, zu oft in die Vergangenheit zu schauen. Das macht uns unweigerlich immer wieder ohnmächtig, weil wir die Vergangenheit nicht ändern können. Ein zweiter Grund, warum ich Schuldgefühle für gefährlich halte ist, dass Sie uns etwas vormachen. Sie bestärken uns in der Phantasie, mehr Einfluss zu haben, als wir tatsächlich haben. Damit berauben sie uns der Möglichkeit, tatsächlich neue und hilfreichere Strategien zu lernen. Neue Strategien lernen wir nur, wenn wir akzeptieren, dass die bisherigen nicht ausgereicht haben. Ich weiß, ich kann das Risiko mit neuen Strategien weiter minimieren, auch wenn ich nicht für 100%ige Sicherheit sorgen kann. Schuldgefühle können uns von diesem gesunden Wachstumsprozess abhalten und dazu auch noch krankmachen. Deswegen ist es gesund, sich der Realität zu stellen, auch wenn es uns unangenehm ist oder zuerst Angst macht.

Wie Ihre Freundin sich gefühlt hat, müssen Sie Ihre Freundin fragen. Da diese Erfahrungen einzigartig sind und die Menschen auch, kann Ihnen außer Ihrer Freundin niemand sagen, wie es ihr ging.

Es wird auch nicht möglich sein, sich nicht gegenseitig zu erinnern und damit Fehlalarme (Erinnerungsattacken) auszulösen. Mal abgesehen davon, dass das auch nicht hilfreich ist. Im Gegenteil. Über die gemeinsame Erfahrung zu sprechen und darüber, wie Sie sie überlebt und bewältigt haben, ist hilfreich. Sich zu sagen, wie es einem damit gegangen ist und die Gefühle nochmal zu spüren und auszudrücken, hilft dem Gehirn auszusortieren, welche Erinnerungsreize gute Warnreize sind und welche nicht (Zum Thema Warnreiz gibt es hier ausführliche Informationen: PTBS 2 – PTBS 5). In Ihrem Fall wird es so gut wie keine wirklich hilfreichen Warnreize geben, weil der Täter sich selbst gerichtet hat und damit keine Gefahr mehr darstellt.

Der einzige echte und hilfreiche Warnreiz, den ich mir aus Ihrer Schilderung vorstellen kann ist: „Mann mit Gewehr“ oder „Mann mit Waffe“. Wenn Ihr Gehirn wieder einen Mann mit Gewehr sieht, dann ist es gut, wenn es Alarm schlägt, damit Sie sich frühzeitig in Sicherheit bringen können. Alles andere, was eine Erinnerungsattacke (= Fehlalarm) auslöst, macht sehr wahrscheinlich keinen Sinn als Warnreiz (z.B. die Wohnung, das Treppenhaus oder etwas anderes) und wird deswegen über die Zeit hinweg mit neuen Erfahrungen und der bewussten Auseinandersetzung mit der Erfahrung verschwinden. Vermeidungsverhalten verzögert oder verhindert diesen Heilungsprozess, der im Grunde nur ein Sortier-Prozess ist: Das Gehirn sortiert gute und nutzlose Warnreize aus.

Insofern möchte ich Sie dazu ermutigen, über das Erlebte zu reden oder es aufzuschreiben, vielleicht nach den „Spielregeln“ von James Pennebaker (Schreiben hilft), der wissenschaftlich nachgewiesen hat, dass das Schreiben mit Gefühlen und Bedeutungen des Erlebten zu mehr Gesundheit und Lebenszufriedenheit führt.

Helfen Sie Ihrem Gehirn, die Erfahrung in Ihr Leben einzusortieren und zwischen guten und nutzlosen Warnreizen wieder unterscheiden zu lernen.

Ich wünsche Ihnen beiden viel Kraft für Ihren Weg.

Her mit der Ohnmacht! – Über den Sinn und Unsinn von Schuldgefühlen

25.01.2014 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wozu Schuldgefühle gut sind? Für Sie sind diese Gedanken und Gefühle lästig und störend, aus psychologischer Sicht sind sie eine Überlebensstrategie und erfüllen eine wichtige Funktion. Sie geben uns Sicherheit.

Sicherheit, werden Sie fragen? Ja, Sicherheit. Wenn Sie Sich für etwas schuldig fühlen, dann glauben Sie doch, dass Sie etwas Negatives zu verantworten haben. Oder? Wenn Sie Sich schuldig fühlen, dann glauben Sie doch, etwas Negatives bewirkt zu haben, es ausgelöst, es irgendwie gemacht zu haben.

Wenn Sie etwas gemacht haben, dann haben Sie doch entschieden, es zu machen, oder nicht? Wenn Sie es entschieden haben, können Sie auch entscheiden, es nicht mehr zu tun. Das bedeutet, wenn Sie etwas Negatives verursacht haben, für das Sie Sich dann schuldig fühlen, dann können Sie in Zukunft entscheiden, es nicht mehr zu tun.

Und das bedeutet, wenn Sie Sich entscheiden, etwas nicht mehr zu tun, dass dann das Negative auch nicht mehr passieren kann.

Alles logisch soweit, oder?

Ein Beispiel: Wenn Sie in einer Bank arbeiten und zum Geburtstag eines Familienmitglieds wollen, werden Sie einen Kollegen fragen, ob er Ihre Schicht an der Kasse übernehmen kann. Der Kollege sagt zu und einen Tag später erfahren Sie, dass die Bank überfallen und Ihr Kollege dabei schwer verletzt wurde.

Viele Betroffene in ähnlichen Situationen glauben, dass Sie am Unglück des Kollegen schuld sind. Sie fühlen Sich, als hätten Sie ihn selbst und eigenhändig verletzt. Sie glauben, wenn Sie nicht gefragt hätten, die Schicht zu tauschen, dass dann nichts passiert wäre.

Der Denkfehler besteht nur darin, dass all das nicht passiert wäre, wenn der Bankräuber entschieden hätte, den Banküberfall nicht zu machen. Das allein ist die Ursache dafür, dass der Kollege verletzt wurde. Dass es den Kollegen erwischt hat, war Zufall, wären Sie dagewesen, hätte es Sie erwischt oder vielleicht eine andere Person. Allein der Bankräuber hätte verhindern können, dass niemand zu Schaden kommt, indem er den Raub gar nicht erst unternommen hätte.

Es gibt viele Beispiele, in denen wir glauben – man kann schon fast sagen, uns einbilden – etwas bewirkt zu haben, auf das wir keinerlei Einfluss hatten. Immer dann, wenn Sie Sich schuldig fühlen, sollten Sie gut prüfen, ob Sie es tatsächlich hätten verhindern können und wer die echte, unmittelbare Ursache für etwas gesetzt hat.

Wenn es kein Unfall ist, dann ist es immer der Täter, der die volle Verantwortung für die Folgen seines Tuns hat.

Aber unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle (Grundbedürfnisse) ist so groß, dass wir uns lieber schlecht, schuldig fühlen, weil wir uns einbilden, etwas verursacht zu haben, auf das wir keinen Einfluss hatten, als zu akzeptieren, dass es Dinge im Leben gibt, denen wir ohnmächtig ausgeliefert sind.

Üben Sie Sich darin zu akzeptieren, dass Ohnmacht zum Leben dazu gehört. Ja, wir haben Einfluss auf unser Leben. Ich stelle mir immer vor, dass ich in 80% meiner Lebenssituationen beeinflussen kann, wie diese Situationen verlaufen. Wahrscheinlich ist auch diese Annahme noch ziemlich „größenwahnsinnig“.

Aber bei 80% Kontrolle, gibt es eben auch 20% Ohnmacht. Und immer, wenn mir eine Situation begegnet, die schlecht läuft, prüfe ich gut, ob ich es wirklich hätte beeinflussen können oder aber diesmal eine 20%-Ohnmacht-Situation erlebe. So muss ich mich nicht dauerhaft schuldig fühlen für etwas, auf dass ich nie Einfluss hatte, sondern muss für die Dauer der Situation aushalten, dass ich keinen Einfluss habe. Das ist auch unangenehm, aber weniger größenwahnsinnig und dauert deutlich kürzer. Denn wenn die Ohnmachts-Situation vorbei ist, kann ich wieder Einfluss nehmen. Dann kann ich wieder für meine Sicherheit sorgen und mich gut dabei fühlen.

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