„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

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Psychologie und Film: Rapunzel neu verföhnt – Wie Weiße Foltermethoden in einen Disneyfilm kommen

03.11.2013 Veröffentlicht von Psychologie und Film 0 Kommentare

Mit diesem Film ist es den Disney-Autoren super gelungen, ein Doublebind zu zeigen und was diese Zwickmühlensituation mit dem „Opfer“, in diesem Fall Rapunzel, macht.

Der Begriff „Doublebind“ (sprich: Dabbelbeind) kommt aus dem Englischen und bedeutet „Doppelte Bindung“, zu Deutsch Zwickmühle. Wenn wir Informationen bekommen, die uns zu sich widersprechenden Handlungen auffordern, dann erzeugt das in uns große Spannung. Wir fühlen uns in der Zwickmühle.

Rapunzel bietet dazu ein gutes Beispiel: Mutter Gothel, die Rapunzel entführt und in den Turm gesperrt hat, will sie in diesem Turm halten. Sie entzieht Rapunzel andere Beziehungen und Bewegungsfreiheit. So ist Rapunzel in der Einschätzung ihrer Welt und ihres Verhaltens auf den guten Willen von Mutter Gothel angewiesen. Um überleben zu können, muss sie sich den Wünschen und Erwartungen von Mutter Gothel unterordnen. Mutter Gothel will Rapunzel wegen ihrer magischen Haare bei sich behalten und von sich abhängig halten. Deswegen sagt sie ihr folgendes:

Mutter Gothel gibt Rapunzel sich widersprechende Informationen: Ich sorge für Deine Sicherheit, ich liebe Dich, ich will Dein Bestes. Gleichzeitig wertet sie Rapunzel ab und macht ihr Angst: du bist tollpatschig, pummelig, draußen hat es gefährliche Männer und giftigen Efeu. Auf diese Weise bindet sie Rapunzel an sich. Rapunzel hat Angst vor dem Leben außerhalb des Turms, will es ihrer Mutter recht machen und hat doch die Sehnsucht nach Freiheit und das Gefühl, ihrem Herzen und ihrer Neugier folgen zu müssen. Das heißt, sie schwankt zwischen Angst vor der Welt, Schuldgefühlen gegenüber der Mutter und ihrer Sehnsucht/Neugier.

Als sie es mit Hilfe des Diebes Eugene schafft, den Turm zu verlassen, geht es ihr hinterher so:

Die innere Spannung zwischen ihrem Gefühl von Freiheit und dem Bedürfnis von ihrer Mutter geliebt zu werden zerreißt sie fast. Die Autoren haben das auf eine humorvolle Weise sehr gut getroffen.

Da es sich um einen Disney Film handelt, wird Rapunzel durch ihre innere Zerrissenheit nicht aufgehalten. Sie geht ihren Weg. Sie will herausfinden, wer sie ist.

Hier draußen im Leben haben es Menschen, die solchen Umständen ausgesetzt waren oder in einer solchen familiären Umgebung groß werden mussten, deutlich schwerer. Nicht umsonst wird der gezielte Einsatz von Reizentzug und Doublebind-Strategien als Weiße Folter bezeichnet. Weiße Folter, weil die Foltermethode keine körperlichen Spuren hinterlässt. Die psychischen Folgen sind jedoch verheerend. Wenn der Folterer, also derjenige, der seinem Opfer Schmerz/Leid zufügt, auch die Person ist, die das Opfer hinterher versorgt, sich kümmert und freundlich ist, dann bezeichnet man dieses Vorgehen als Weiße oder Psychologische Folter. Das Opfer kann sich nicht mehr auf menschliche Beziehungen verlassen. Das Vertrauen in die Menschheit wird gebrochen, es entsteht völlige Abhängigkeit vom Folterer. Das Opfer wird versuchen, es dem Folterer Recht zu machen, um weiterer Gewalt zu entgehen. Aber die Gewalt ist nicht zu beeinflussen. Depression und nicht selten Suizid sind die Folge.

Außerhalb von Disney zieht diese Art der Misshandlung, die es auch einfach in Familien gibt, schwere psychische Schäden nach sich. Wenn Kinder ständig in dieser Zwickmühle leben müssen, z.B. mit solchen Aussagen wie „Ich muss Dich bestrafen, weil ich Dich lieb habe.“ Oder „Ich muss Dich bestrafen, weil Du böse warst.“, dann hinterlässt das in vielen Fälle schwere Störungen der Selbstwahrnehmung des Kindes. Das Kind wird sich wertlos fühlen, denn schließlich muss es ja „böse“ sein, um so oft bestraft zu werden. Wütend auf den Elternteil zu sein, der aus ganz egoistischen Gründen gegenüber dem Kind gewalttätig ist, ist als Kind unmöglich und selbst im Erwachsenenalter für viele Betroffene nur unter großer Angst und Mühe lernbar. Das Limbische System kann, weil diese Situationen so lebensbedrohlich waren, nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart (Ich-Zustände) unterscheiden, sondern „überlebt“ einfach, indem es alte Strategien des Überlebens, oft eine Form der Unterordnung, wiederholt, wiederholt, wiederholt.

Gut, dass Rapunzel trotz allem so gesund und innerlich so stark ist, dass sie ihrem Herzen folgen kann.

Alles in allem ein lustiger Film mit einem interessanten psychologischen Moment.

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Link zum Film auf IMDB.com, der meist englischsprachigen größten Filmdatenbank.
Link zur Filmbeschreibung auf Wikipedia auf Deutsch.
Hier das Amazon-Partnerlink zur DVD Rapunzel – Neu verföhnt in der einfachen Ausführung.

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