Hallo Frau Rösch,
ich führe seit knapp einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann, der an einer PTBS erkrankt ist. Die PTBS hat er bereits seit mehreren Jahren, Ursache war ein Bundeswehr-Einsatz im Ausland. Er hat mir zu Beginn der Beziehung zwar erzählt, dass er eine PTBS hat und wegen dieser auch in Therapie war, allerdings hat er mir wenig über seine „Probleme“ im Alltag erzählt und diese in den ersten Monaten vor mir versucht zu „verstecken“.
Inzwischen weiß ich, dass er innerlich unruhig ist, wenn sein Haushalt nicht nach einem bestimmten System gemacht ist. Er vermeidet öffentliche Plätze, geht nicht ins Kino und Bus- und Bahnfahrten bedeuten für ihn Stress. Er hat sich am Anfang der Beziehung durch all solche Situationen durchgekämpft, ohne dass ich davon wusste.
Nach knapp einem Jahr weiß ich nicht mehr weiter. Er ist seit einiger Zeit wieder in Psychotherapie und hat nun aber auch eingesehen, dass eine weitere Therapie in der Tagesklinik hilfreich sein kann. Unsere Beziehung leidet sehr unter der derzeitigen Situation.
Mein Freund zieht sich oft zurück. Gemeinsame Aktivitäten sind schwer, weil für ihn nahezu alles mit Stress verbunden ist. Ich kann nicht zu Besuch kommen, weil ich aufgrund meines Hundes für mehr Haushalt bei ihm sorge. Er vermeidet es, sich um „Probleme“ zu kümmern, seien es finanzielle oder welche, die in der Beziehung auftauchen. Er versucht ständig es mir recht zu machen ohne auf seine eigenen Bedürfnisse einzugehen.
Ich stoße an meine Grenzen. Ich ärgere mich oft über sein Verhalten. Vor allem, wenn er sich nicht um Dinge kümmert und es mich dann mitbetrifft, z.B. weil wir uns dann nicht sehen können. Wenn er mir dann noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht. Was mir momentan am meisten Sorge bereitet ist, dass er angefangen hat zu trinken, wenn er weiß, dass er in Situationen kommen wird, die er sonst vermeiden würde. Darüber hinaus gibt es in unserer Beziehung keine Nähe mehr. Wenn er mich berührt, fühlt es sich distanziert an. Als ob er mir Nähe schenkt, weil es sich so gehört in einer Beziehung. Er meint, er liebt mich und er möchte die Beziehung mit mir. Aber seine Distanziertheit und diese steifen Annäherungsversuche, wenn er es überhaupt versucht, die tun sehr weh. Wenn ich auf ihn zugehe und ihn umarme, dann kommt nichts zurück. Wenn ich ihn küsse, kommt nichts zurück. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Er meint, dass er innerlich zu unruhig ist, um sich fallen zu lassen. Vielleicht können Sie mir auch ein paar Ratschläge geben, um die Beziehung aufrecht halten zu können und richtig reagieren zu können … Lieben Gruß Maya
Liebe Maya,
es gibt kein „richtig“. Den Anspruch können wir nicht haben,
wenn wir mit traumatisierten Menschen arbeiten. Dass Ihr Freund traumatisiert
ist, haben Sie an seinen Beschwerden und Problemen gut beschrieben. Allerdings
frage ich mich bei manchen Beschwerden, wie sie mit einem militärischen Einsatz
zu erklären sind.
Schwierigkeiten, die ich mir gut in diesem Zusammenhang
vorstellen kann, sind Öffentliche Plätze, Bus, Bahn und Kino als
Problemsituationen. Grundsätzlich mal Ordnung zu halten, kann der Versuch sein,
ein Gefühl von Kontrolle wiederherzustellen. Zwanghaftes Verhalten hat Angst
als Ursache. In dem Fall wäre es die Angst vor den Erinnerungen und davor, die
Kontrolle zu verlieren. Dass vor allem Männer versuchen, Traumareaktionen mit
Alkohol zu bekämpfen ist weithin bekannt. Es liegt nahe Alkohol zu trinken, um entspannt
genug zu sein, dass man Situationen bewältigen kann, vor denen man Angst hat.
Allgemein ist Vermeidungsverhalten ein Teil der Posttraumatischen Belastungsstörung, allerdings der Teil, der dazu führt, dass es nicht besser werden kann.
Probleme mit körperlicher Nähe und Sexualität sind für mich auf den ersten Blick nicht mit einem Einsatzgeschehen zu erklären. Auf den zweiten Blick könnten diese Probleme durch die fortgesetzte Stressreaktion entstehen (inneren Unruhe), die sexuelles Verlangen und sexuelle Aktivität unterdrückt. Schließlich geht es in Bedrohungssituationen (Trauma) ums Überleben und nicht um die Fortpflanzung (Stressreaktion).
Finanziellen Probleme wären bei weitem nicht das erste, was
mir einfällt, wenn ich an Belastungssituationen in Krisengebieten denke. Das
klingt für mich erstmal nach etwas, dass schon länger und in einem anderen
Zusammenhang besteht.
Traumareaktionen sind sehr spezifisch. Sie haben in der Regel einen unmittelbar nachvollziehbaren Zusammenhang zur Belastungssituation. Schließlich handelt es sich bei Traumareaktionen um Fehlalarme des Gehirns. Das Hirn will uns warnen. Leider haben sich die Gefahren in der Welt geändert und das Hirn hat das noch nicht verstanden. Also warnt es uns, was wir als einschießende Erinnerungen, Flashbacks oder Erinnerungsattacken bezeichnen. Aber im Grunde ist es nur ein Fehlalarm. Die Traumasituation ist meist sehr einzigartig. Ganz besonders bei Kriegserfahrungen. Wir leben hier in Deutschland nicht im Krieg. Die Gefahren, die wir hier haben, sind andere als in einem Krisengebiet. Das Gehirn kann das erstmal nicht unterscheiden. Aber es kann lernen, ungeeignete Warnreize (Trigger) auszusortieren und dann auch keinen Alarm (Erinnerungsattacke) mehr auszulösen. Dabei hilft eine Traumatherapie.
Insofern bin ich mir jetzt erstmal nicht sicher, ob wirklich
alle Reaktionen und Probleme durch den Bundeswehreinsatz erklärt werden können.
Zuverlässig einschätzen kann ich es nicht, weil ich zu wenig weiß. Dafür
braucht es die angestrebte und hoffentlich begonnene Therapie und Zeit. Es ist gut,
dass Ihr Freund Hilfe sucht.
Was diese Situation mit Ihnen macht, kann ich gut
nachvollziehen. Menschen, die traumatisiert sind, bringen ihr Umfeld immer
wieder in den Zustand der Hilflosigkeit. So hört es sich an, was Sie beschreiben.
Sie möchten eine gesunde, gleichberechtigte und führsorgliche Beziehung und das
Leben Ihres Freundes wird von Angst bestimmt. Das ist auf Dauer anspruchsvoll.
Leider ist es so, dass außer ihrem Freund, niemand für
seinen Heilungsweg verantwortlich ist. Wenn er nicht hart daran arbeitet,
gesund zu werden, wird er traumatisiert bleiben. Wenn er in der Angst und damit
im Vermeidungsverhalten bleibt, dann kann das Gehirn nicht lernen, dass die
Welt weniger gefährlich ist, als das Gehirn denkt. Es kann auch nicht lernen,
dass Ihr Freund besser für seine Sicherheit sorgen kann, als sein Gehirn denkt.
Was Sie machen können? Sie können auf sich selbst aufpassen
und ihm die Verantwortung für seine Beschwerden lassen. Nur er kann lernen, auf
eine gesunde Art damit umzugehen. Sie dürfen die Forderung stellen, dass er
sich darum bemüht. Solange er sich bemüht, übt, trainiert und zur Therapie
geht, seien Sie geduldig und fragen Sie, wie Sie ihn unterstützen können. Das
geht durchaus. Man kann sich langsam an die schöne Seite von körperlicher Nähe
herantasten. Das können Sie gemeinsam tun. Sie können ihm auch mit den
Erinnerungsattacken helfen.
Aber wenn er für sich entscheidet, in der Angst zu bleiben,
dann ist es umso wichtiger, dass Sie gut für sich sorgen, indem Sie klare
Grenzen setzen, was Sie mittragen können und was nicht.
„Wenn er mir dann
noch erklärt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage ist, sich um
diese Sachen zu kümmern, dann fühle ich mich schlecht.“
Das hier klingt für mich, als wären sie verärgert darüber,
dass er die PTBS als Erklärung/Ausrede für sein Vermeidungsverhalten benutzt.
So meine Vermutung. Wenn dem so ist, dann ist es eine sehr gesunde Reaktion,
sich schlecht dabei zu fühlen. Es würde bedeuten, dass Sie wissen, dass es sich
um eine Ausrede handelt. Gleichzeitig haben Sie Mitgefühl, weil er nichts dafürkann,
was er bei diesem Einsatz erlebt hat. Da entsteht Spannung. Ärger auf die
Ausrede und Mitgefühl für das Leid.
An der Stelle mache ich Ihnen Mut dazu, diese widerstreitenden Gefühle anzusprechen und zu schauen, wie er darauf reagiert. Kämpft er oder bleibt er in der Angst? Will er den Konflikt lösen? Macht er Sie verantwortlich? Oder appelliert er an ihr Mitgefühl?
Schauen Sie gut nach sich selbst. Welcher Kompromiss ist noch
ein Kompromiss und wo wird er zur Selbstaufgabe? Letzteres wird Sie früher oder
später krankmachen. Das wäre nicht gut und kann nicht das sein, was Sie wollen.
Wenn Sie merken, dass Sie da an eine Grenze kommen, und das haben Sie
geschrieben, dann holen Sie sich ebenfalls professionelle Hilfe. Es ist
leichter mit einem menschlichen Gegenüber zu schauen, wie Sie gut für sich
sorgen können. Dazu möchte ich Sie ermutigen!
Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.
Ihre Stefanie Rösch