„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Verwechslung"

Maskenpflicht löst Panik aus? Was wenn das von einem Trauma kommt?

27.04.2020 Veröffentlicht von Strategien 0 Kommentare

Für die meisten Menschen ist es fremd, eine Maske oder Gesichtsbedeckung im Alltag zu tragen. Natürlich gibt es viele Berufe, in denen die Bedeckung des Gesichts zum Schutz eine alltägliche Maßnahme ist. Dass diese Menschen ihrem Job Tag für Tag nachgehen können zeigt in meinen Augen, dass Menschen sich grundsätzlich daran gewöhnen können, eine Maske zu tragen. Es zeigt mir auch, dass es nicht unbedingt die erste Reaktion ist, deswegen Angst zu bekommen.

Wenn ich in diesen Tagen selbst so ein Ding aufsetze, dann finde ich es unangenehm. Ja, das Atmen ist behindert und warme Luft einzuatmen finde ich nicht schön. Aber es macht mir keine Angst und ich weiß, dass ich genügend Sauerstoff bekomme, um einkaufen zu gehen oder 20 Minuten mit einem Bus zu fahren.

Allerdings kann ich sehr gut nachvollziehen, dass es Lebensumstände gibt, die dazu führen, dass das Aufsetzen einer Maske Angst auslöst.

Hier geht es zum Video für diesen Beitrag.

Lassen wir mal Lungenerkrankungen weg und konzentrieren uns ausschließlich auf psychologische Ursachen. Unter der Annahme, dass diese Angst durch eine Traumareaktion ausgelöst wird, würde mir das folgendes sagen.

Traumareaktionen sind spezifisch.

Das heißt, wenn ich Angst bekomme, weil etwas meinen Mund und Nase bedeckt, dann verwechselt das Gehirn die Situation mit etwas sehr Ähnlichem. Was mir natürlich sofort dazu einfällt ist eine Hand, die den Mund zuhält, damit jemand nicht um Hilfe rufen kann. Oder ein Klebeband, dass zum gleichen Zweck missbraucht wird.

Wenn Sie so etwas oder etwas ähnliches erlebt haben, wodurch ihre Atmung unter Androhung von Gewalt behindert wurde, und jetzt Angst haben, wenn Sie eine Maske aufsetzen sollen, dann besteht eine gute Chance, dass ihr Gehirn die Maske mit der Vergangenheit verwechselt. Ihr Gehirn sagt Ihnen: „Hey, Vorsicht, jetzt passiert gleich wieder was Schlimmes.“

Das nennt man Flashback, Erinnerungsattacke oder Fehlalarm.

Flashback ist der psychologische Fachbegriff. Erinnerungsattacke nenne ich es, weil es sich so anfühlt, wie eine Angstattacke oder eine Panikattacke, aber eben im Zusammenhang mit einer Erinnerung. Und Fehlalarm ist die Funktion, die diese Reaktion hat. Ihr Hirn versucht Sie vor einer bevorstehenden Gefahr zu warnen (Alarm), die es nicht gibt (Fehlalarm). Flashbacks sind ein Symptom, eine Beschwerde der Posttraumatischen Belastungsstörung (der Link bringt Sie zu Teil 1 meiner Artikelreihe zu diesem Thema).

Da es sich in diesem Beispiel ja nur um eine Maske handelt, die Sie auch noch selber aufgesetzt haben, wird nichts Schlimmes passieren. Deswegen werden Sie eine korrigierende Erfahrung machen, wenn Sie ihrem Hirn diesen Unterschied beibringen. Den Unterschied zwischen der Erinnerung und der Gegenwart. Den Unterschied zwischen einer gegenwärtigen Erfahrung und einer Verwechslung mit der Vergangenheit.

Der erste Schritt ist, die Erklärung in diesem Artikel und diesen Zusammenhang zu verstehen.

Die empfundene Angst gehört zu einer Erinnerung und ist jetzt Ausdruck einer Warnung.

Der Warnung, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird. Aber das wird nicht geschehen, weil Sie selbst die Situation kontrollieren. Sie setzen die Maske auf und Sie können Sie auch wieder absetzen. Sie haben volle Kontrolle über die Situation.

Das war in der Vergangenheit nicht so. Was auch immer geschehen ist, hat Ihnen Angst gemacht, weil Sie keine Möglichkeit hatten, die Situation zu verlassen oder anders für Sicherheit zu sorgen. Das ist der Unterschied zu heute. Deswegen will ihr Hirn Sie jetzt warnen und löst einen Alarm aus. Aber weil Sie alle Kontrolle über die Gegenwart haben, über das, was Sie tun und nicht tun mit der Maske, deswegen ist es ein Fehlalarm.

Und was Sie tun wollen, um die Angst im Zusammenhang mit der Maske zu besiegen ist Ihrem Hirn zu sagen, dass es einen Fehlalarm macht und dass Sie in Sicherheit sind. Sagen Sie sich das immer wieder: „Ich entscheide, die Maske aufzusetzen und abzusetzen. Ich bin in Sicherheit. Es wird mir nichts geschehen.“

Üben Sie das ein wenig zu Hause, bis es leichter wird. Dann können Sie es draußen üben. Und haben Sie immer im Kopf „Liebes Hirn, das ist ein Fehlalarm. Ich entscheide über die Maske. Niemand tut mir etwas.“ Und wenn Sie es konkreter machen können: „Niemand hält mir den Mund zu, niemand klebt mir den Mund zu, ich bekomme genug Sauerstoff und ich kann frei atmen.“ Je konkreter Sie die Gegenwart von der Vergangenheit unterscheiden können, desto besser wird es funktionieren.

Das Hirn wird lernen, dass die Empfindung, dass etwas Mund und Nase bedeckt, kein Warnreiz ist, der zuverlässig Gefahr vorhersagt.

Der zuverlässigste Warnreiz ist der Täter selbst. Nur er ist gefährlich. Alle anderen Reize sind in den meisten Fällen keine guten Warnreize, sondern sorgen für all die vielen Fehlalarme, die das Leben so unangenehm machen und weswegen Sie versuchen, diesen Reizen aus dem Weg zu gehen. Was wiederum dazu führt, dass Sie sich nicht frei bewegen können. Indem Sie ihrem Hirn den Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart beibringen, können Sie ihre Freiheit zurückerobern.

Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen diese Erklärung und die Strategie dazu, die Maskenpflicht leichter macht. Üben Sie. Wenn die Ursache Ihrer Angst etwas mit einer Lebenserfahrung zu tun hat, dann wird es mit dieser Technik besser werden.

Viel Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Warum provoziere ich meinen Mann so mit meinem Ton?

26.03.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Sehr geehrte Frau Rösch,

Vielen Dank zunächst für diese wunderbare, informative und umfangreiche Seite!

Mein Ehemann wurde vor 4,5 Jahren auf seiner Arbeit von einem Mann mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Es wurde PTBS diagnostiziert. Er machte eine Traumatherapie.

Nach ein paar Wochen bemerkte er, dass er auf mich und auch seine Freunde zum Teil sehr gereizt reagierte. Seine Therapeutin erklärte ihm das liege an dem generellen Vertrauensverlust durch den Messerangriff. Sie schlug uns eine Strategie vor, wie wir damit umgehen können. Nach wenigen Monaten hatte ich den Eindruck, dass es „erledigt“ war.

Wir hatten eine wundervolle Zeit, heirateten, kauften einen Bauernhof, waren unfassbar verliebt und verbrachten jede freie Minute miteinander.

Seit 2 Jahren fühlte er sich zunehmend durch die kleinsten Kleinigkeiten von mir angegriffen und kritisiert. Er wurde laut und machte mir Vorwürfe ich würde ihn wie ein kleines Kind behandeln. Die Wutausbrüche wurden heftiger, immer mehr ging kaputt. Irgendwann bekam ich richtig Angst vor ihm.

Ich entschuldigte mich oft bei ihm, dachte ich würde ihn in die Wut treiben und versuchte, mich durch Yoga und Therapie so zu verhalten, dass er sich nicht mehr provoziert fühlen musste. Ich dachte alles fünfmal durch, bevor ich etwas sagte. Aber nichts half. Ich gab mir die Schuld an unseren Problemen und daran, dass er sich schlecht fühlte.

Er blieb der Ansicht, dass es an meinem „Ton“ liege und versprach, dass er mich nie verletzen würde. Seine Wut habe sich immer nur gegen Sachen gerichtet. Das sei auch in seiner Jugend schon so gewesen. Wenn er einen Ausraster hatte, brach er hinterher weinend zusammen und beschuldigte sich selbst. Sagte, ich könne ihn gar nicht lieben, so wie er sei.

Dann sagte er mir eines Tages er wüsste zwar noch, dass er mich liebt, aber er könne es nicht mehr spüren. Als ich daraufhin einen Nervenzusammenbruch hatte, legte er mir seine Hand auf die Schulter und sagte „mehr Empathie kann ich für dich leider nicht mehr aufbringen“. Es war so unglaublich schrecklich. Ich dachte, ich bin nicht liebenswert und man kann es mit mir nicht aushalten.

Er sprach die Trennung aus.

Wir unternahmen dann noch einen zweiten Versuch, obwohl ich kein gutes Bauchgefühl hatte. Ich bekam immer häufiger Schübe, in denen mich die Zweifel und Hoffnungslosigkeit übermannten. Ich sagte ihm, dass es mir leidtue und es mir nicht gut ginge und bat ihn, für mich da zu sein und jetzt nicht auch noch wütend zu werden.

Daraufhin machte er mir Vorwürfe, schlug vor, ich solle in eine Klinik gehen oder Medikamente nehmen. Und schließlich flippte er wieder aus.

Ich war entsetzt. Wir trennten uns das zweite Mal.

Wenn wir mal telefonieren ist er völlig emotionslos. Er liebe mich nicht mehr und wäre erwachsen geworden. Dass ich so mit ihm spreche, wolle er nicht mehr. Er werde sich nicht mehr zurück entwickeln und ich könne mich eh nicht ändern, der Ton wäre in mir drin und „ich hätte ja bis zum Schluss nicht anerkannt, dass mein Ton das Problem ist“.

Warum löse ich das bei meinem Mann aus? Warum fühlt er sich nur von mir oder meinem Ton so kritisiert und angegriffen und warum flippt er nur bei mir so aus? Es muss doch alles irgendwie mit mir zusammenhängen!?

Es tut mir leid, dass ich Ihnen jetzt so viel Zeit weggenommen habe.

Liebe Grüße, G

Danke für das Foto an Pixabay auf Pexels

Liebe Leserin,

ja, das ist eine lange Geschichte. Ich habe sie sehr stark zusammengefasst und hoffe, dass meine Antwort für die Leser*innen meines Blogs trotzdem nachvollziehbar ist.

Ich kann Ihnen keine Lösung geben. Aber ich kann Ihnen erklären, wie ich mir die Verhaltensweisen erkläre, die Sie da so schildern: So wie ich es verstehe, stecken Sie gemeinsam in einem Teufelskreis fest, an dem jeder mit seinen alten Verletzungen und eingefahrenen Reaktionen beteiligt ist.

Die Seite ihres Mannes am Teufelskreis

Ihr Mann sagt, er will seine Wutausbrüche nicht. Gleichzeitig besteht er darauf, dass seine Wutausbrüche vollkommen von Ihrem Verhalten abhängen. Das ist die Argumentation, die Sie beschreiben. Er übernimmt keine Verantwortung für seine Gefühle und sein Handeln hinsichtlich seiner Wut.

In meiner Einschätzung, verwechselt er Sie mit einer anderen wichtigen, nahestehenden Person in seinem Leben, der er einmal sehr ausgeliefert war. Daher die Vorstellung, seine Wut selbst nicht steuern zu können und nicht verantwortlich dafür zu sein. Häufig treten diese Verwechslungen mit Eltern, sorgeberechtigen Personen oder anderen wichtigen Personen auf. Diese sind nicht notwendigerweise vom gleichen Geschlecht. Aber wenn man Betroffene fragt: Woher kennen Sie dieses Gefühl (hier die Wut), dann erinnern sich Betroffene oft an die Situation, mit der die Verwechslung stattfindet.

Diese Verwechslung, bewirkt, dass er Ihre Worte nicht „hört“ sondern auf eine festgefahrene, automatisierte Art und Weise interpretiert als könne er „hellsehen“. Dabei reicht es, dass etwas an dem was oder wie Sie es sagen „ähnlich“ zu dem ist, was er vor langer Zeit erlebt hat.

Was ihm komplett fehlt, ist die Erkenntnis, dass er für seine Gefühle, seine Gedanken und sein Verhalten vollumfänglich und allein verantwortlich ist. Er hat jeder Zeit die Möglichkeit zu lernen, wie er sein Verhalten ändern kann. Es hat ihm nur niemand beigebracht. Dabei geht es nicht um Schuld, sondern darum, dass die Strategien, die er gelernt hat im Umgang mit seiner Wut, heute nicht mehr angemessen sind und er deswegen andere Strategien lernen kann.

Ihre Seite am Teufelskreis

Sie auf der anderen Seite befinden sich in einem Zustand von „Kindlichem Größenwahnsinn“ (hier ein ausführlicher Artikel aus meinem Blog dazu). Kurzfassung: Sie glauben, Sie wären dafür verantwortlich wie er Reize interpretiert und wie er sich dadurch fühlt. Dahinter steckt die Vorstellung, die Gefühle des anderen steuern (kontrollieren) zu können. Das ist natürlich – in meinen Augen – Blödsinn. Niemand kann für die Gefühle eines anderen verantwortlich sein, weil er keine Kontrolle darüber hat, wie der anderen Verhalten interpretiert und wie er sich in der Folge fühlt. Das zeigen ja Ihre ganzen Bemühungen, „es richtig zu machen“. Nichts davon funktioniert. Selbst wenn Sie es ganz genau so machen, wie er es will, funktioniert es nicht. Das ist der Beweis dafür, dass Sie da ohnmächtig sind und es ganz alleine seine Verantwortung ist, wie er sich fühlt und wie er mit seinen Gefühlen umgeht.

Auch Sie haben in ihrem Leben Situationen gehabt, die dazu geführt haben, dass Sie gelernt haben, so mit den Gefühlen anderer umzugehen. Woher kennen Sie solche Situationen?

Ihre Verantwortung ist, ihm die Verantwortung für seine Gefühle zu lassen. Wenn er schlecht drauf ist, dann ist er das eben: Nicht ihr Problem, sondern sein Problem!

Ihre Aufgabe ist, für sich selbst zu sorgen. Das kann sein, in dem Sie sich zurückziehen, wenn er zornt, und so für Ihre Sicherheit sorgen. Oder eine andere Strategie, die Sie sich in einer ruhigen Stunde überlegen können. Wichtig ist, nicht immer wieder gleich zu reagieren, sondern ihr Verhalten zu ändern und davor, ihr Denken zu verändern.

Dass Sie sich ständig für alles entschuldigen, zeigt, wie ausgeprägt dieser kindliche Größenwahnsinn ist. Dahinter steckt die irrationale Überzeugung, Sie könnten andere kontrollieren.

Wenn Sie sich bei mir entschuldigen, weil Sie mir so viel Zeit „wegnehmen“, dann könnte ich Ihnen jetzt beweisen, dass Sie diese Macht nicht haben, indem ich ihnen sage, dass ich ihre Mail nicht beantworte, ja nicht einmal gelesen habe.

Wer entscheidet denn darüber, ob ich Ihre Mail lese und mir die Zeit dafür „nehme“. Sie oder ich????

Wenn Sie jetzt Gedanken haben, die sich darum drehen, dass Sie das entscheiden, dann haben Sie ein echtes Problem. Wenn Sie sehen können, dass allein ich entscheide, womit ich meine Zeit verbringe, dann besteht Hoffnung auf Veränderung 🙂 Bleiben Sie dran!!

Wutausbrüche und Messerangriff?

Ich sehe die Ursache für die Wutausbrüche Ihres Mannes in erster Linie in alten Erfahrungen begründet, die VOR dem Tötungsversuch mit dem Messer liegen. Einfach weil die Wutausbrüche schon vorher da waren. Die Traumareaktion macht, dass man ständig Stress hat, was dazu führt, dass man einfach leichter und schneller wütend wird. Das heißt, die Folgen des Messerangriffs KÖNNEN zu einer Verschlimmerung des Problems mit der Wut geführt haben, muss aber nicht. Um ihnen dazu meine Meinung zu geben, habe ich nicht ausreichend Informationen.

Und was können Sie jetzt tun?

Wenn Sie eine Chance haben wollen, dann ist es meiner Meinung nach notwendig, dass Sie beide lernen Verantwortung für sich zu übernehmen und zwar ausschließlich für sich. Sie beide sind zu 100% verantwortlich für ihr Denken, ihre Gefühle und ihr Handeln.

Diese Überzeugung ist die Voraussetzung dafür, dass es auf beiden Seiten zu persönlichem Wachstum (nicht Rückschritt) kommt. Nur dann können Sie ihre Beziehung retten. Es ist aber keine Garantie. Persönliches Wachstum kann auch dazu führen, dass man anschließend getrennte Wege geht. Das kann vor allem dann geschehen, wenn nur einer sich um persönliches Wachstum bemüht.

Insofern kann ich Ihnen nur dazu Mut machen, sich mit ihrem eigenen Anteil am Teufelskreis zu beschäftigen und zu verändern. Wenn Sie sich verändern, besteht eine gute Chance, dass sich die Situation mitverändert.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Kraft für ihren Weg.

Ihre Stefanie Rösch

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