„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Trauma"

Leserfrage: Der Staat verweigert die Hilfe. Haben Sie einen Tipp?

11.03.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 2 Kommentare

Meiner Freundin und ihrem Sohn wurden trotz ihrer Hilferufe an Ärzte, Behörden, Polizei, Sozialpsychiatrischen Dienst, etc. nicht geholfen, so dass die psychische Erkrankung ihres Sohnes eskalierte. Meine Freundin wurde mit mehreren Stichen schwer verletzt und überlebte nur knapp.
Seitdem wird sie nur „hin u. her geschoben“ von Tagesklinik zu Tagesklinik, von Behördenforderungen erdrückt und inzwischen mit dem xten Medikament ruhiggestellt.
Sie ist ein vollkommen anderer Mensch geworden: depressiv, gestresst, bekommt nichts mehr auf die Reihe, erträgt die Menschen nicht mehr, hat kein Vertrauen mehr, geht nicht mehr raus (auch mit ihrem Hund nicht), ist stress-, licht- u. lärmempfindlich und macht sich Riesensorgen um ihren Sohn, mit dem sie sich immer gut verstanden hat. Sie war immer sehr stolz auf ihren Sohn, weil er seine Schule, Ausbildung mit sehr gut abschloss, Sport trieb, immer zuverlässig war.
Wir haben schon mehrmals versucht einen Traumatherapeuten zu bekommen, aber hier ist das wohl ein Riesenproblem.
Meine Freundin muss nun zur REHA. Die stationäre Traumatherapie hat man ihr trotz Widerspruch abgelehnt. Nun soll sie vom Versorgungsamt aus eine Medizinische Badekur machen. Ich kann es nicht fassen. Wir haben das Gefühl, das Thema wird gemieden. Es interessiert die nur, dass meine Freundin „wieder arbeitsfähig“ werden soll.
Aber meine Freundin ist ein Wrack mit nicht nur äußerlichen schlimmen Verletzungen und Narben, sondern mit vor allem inneren Verletzungen u. Narben. Sie hat  nun wieder das Gefühl, das nicht geholfen wird. Inzwischen geht sie finanziell den Bach runter. Sie hat wegen dem Ereignis ihren Job verloren und ist seit fast 3 Jahren krankgeschrieben. Das  Versorgungsamt bezweifelt ihren Krankheitszustand und zahlt nur 30% Beschädigtenrente. Das sind 138€. HARTZ 4 fordert, dass sie in eine kleinere Wohnung umzieht. Das Sozialamt fordert ihre alleinerziehende Tochter auf, für ihre Mutter zu zahlen. Die Verfahren laufen noch, aber es geht nicht vorwärts.
Was soll man da noch von dem „Sozialstaat“ halten? Das alles hilft meiner Freundin nicht gesund zu werden oder das Erlebte zu verarbeiten!!  Haben Sie einen TIPP für uns?

Lieber Leser,

in so einer Situation und aus dieser Entfernung einen Tipp zu geben ist sicher nicht möglich.

Aber ich höre Ihren Ärger, um nicht zu sagen die Wut über diese Hilflosigkeit. Es entsteht so sehr der Eindruck, dem Staat ausgeliefert zu sein und keine oder nicht die richtige Hilfe zu bekommen. Mit dieser Wut ist es nicht gut möglich, eine gute Unterstützung zu sein. Weil diese Wut aus der Hilflosigkeit entspringt und die Ohnmacht für Sie beide nur verstärkt.

Aus meiner Erfahrung braucht es jemanden, der daran glaubt, dass es wieder gut werden kann. Jemand der, so wie Sie es hier machen, indem Sie mir schreiben, nach Lösungen suchen. Es braucht jemanden der durchhält, wenn der andere nicht mehr kann.

Den besten „Tipp“, den ich habe, ist nicht aufzugeben und weiter nach einem Therapieplatz zu suchen.

Ich höre das immer wieder, dass Behörden noch nicht ausreichend über die Folgen von Gewalterfahrungen informiert sind. Dass Behörden nicht helfen. Dass Ärzte nicht ausreichend erkennen, was Trauma mit einem betroffenen Menschen macht und welche Unterstützung es braucht.

Ich begleite Menschen, denen es ähnlich geht. Meine Erfahrung ist, dass es schon hilft, sich nicht darauf zu konzentrieren, was nicht möglich ist, wie zum Beispiel die Dauer von gerichtlichen Verfahren zu beschleunigen. Sondern sich ganz darauf zu konzentrieren, wo es weitere oder andere Hilfe gibt und was im Alltag vielleicht schon funktioniert. Sich darauf zu konzentrieren, was möglich ist. Je mehr wir darüber nachdenken, was alles nicht ist und wo uns übel mitgespielt wurde, desto mehr denken wir über Dinge nach, die uns ohnmächtig machen. Wir können es nicht ändern, weil es vorbei ist. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Indem wir über Dinge nachdenken, die wir nicht ändern können, machen wir uns selbst ohnmächtig.

Wenn wir oft genug Ohnmacht erleben, geben wir irgendwann auf und glauben, wir wären allem in unserem Leben hilflos ausgeliefert. Aber das stimmt so nicht. Die meisten Dinge in unserem Leben können wir selbst entscheiden. Es geht darum, sich das wieder bewusst zu machen.

Ich kenne da eine sehr beeindruckende junge Dame. Der ist es gelungen, mit einer ganz einfachen Übung und einem eisernen Willen innerhalb von vier Wochen den Schritt aus der Ohnmacht zu machen. Sie lebte in der Vorstellung, dass sowieso nur die anderen über sie bestimmen, was zu einem großen Teil wahr war, weil sie noch minderjährig war. Sie stellte sich jeden Tag die Frage, wofür es sich zu leben lohnt, wo sie doch sowieso keinen Einfluss auf ihr Leben hat. Es war jeder Tag eine Frage zwischen Suizid und weitermachen, weiter vor sich hinleben ohne echte Freude. Was sie am Leben gehalten hat, war ihr Glaube an Gott.

Und dann hat sie angefangen eine einfache Übung zu machen. Jeden Morgen ist sie aufgestanden und hat 20 Dinge aufgeschrieben, die sie entscheiden kann. Etwa so:

  1. Ich kann entscheiden, ob ich aufstehe oder nicht.
  2. Ich kann entscheiden, ob ich etwas esse und trinke oder nicht.
  3. Ich kann entscheiden, ob ich dusche oder nicht.
  4. Ich kann entscheiden, mit wem ich Kontakt haben will oder nicht.
  5. Ich kann entscheiden, ….

Jeden Tag 20 dieser Sätze. Nach 4 Wochen jeden Tag einen Satz mehr. Am Ende, nach drei Monaten waren es viele Sätze. Aber schon nach vier Wochen hatte Ihre Einstellung zum Leben sich geändert. Es hat mich sehr berührt als sie sagt: „Am Anfang dachte ich, Sie sind bescheuert. Aber jetzt, nach 4 Wochen kann ich sagen, dass Suizid kein Thema mehr ist. Ich weiß jetzt, dass ich leben will und mein Leben mitbestimmen kann.“

Es ist nicht alles gut. Und es ist noch ein langer Weg mit all den Folgen der Gewalt. Aber jetzt ist sie auf dem Weg und kann es selbst spüren und sieht jetzt auch, wo es hilfreiche Unterstützung gibt.

Vielleicht geht es nicht darum, dass niemand hilft oder man nicht die Hilfe bekommt, die man denkt, dass man sie braucht. Vielleicht geht es darum, den Rechtanwalt seinen Job machen zu lassen. Nur zu reagieren, wenn es nötig ist und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man selbst entscheiden kann.

Zum Beispiel können Sie sich über diesen Blog selbst informieren, woher die Symptome und die Ängste nach einer belastenden Lebenserfahrung kommen und was Sie dagegen tun können (PTSD).

Das gleiche gilt für Ihre Freundin. Lernen Sie gemeinsam über den Blog, so gut das möglich ist, woher die Beschwerden der belastenden Erfahrung kommen und was Sie schon dagegen tun können (Sicherer Ort, Hier und Jetzt), bis Sie einen geeigneten Therapieplatz gefunden haben. Einen geeigneten Therapieplatz können Sie über den PID  suchen.

Dazu können Sie sich beide wieder bewusst machen, was Sie alles entscheiden können. Sie können sich wieder darauf konzentrieren, wo Sie Einfluss auf ihr Leben haben. Die oben beschriebene Übung kann Ihnen dabei helfen.

Ich hoffe sehr, dass es Ihnen gelingt, sich von der Ohnmacht durch das Verhalten anderer und die Betrachtung der Vergangenheit abzuwenden und sich den Dingen im Leben zuzuwenden, die Sie beide selbst gestalten können.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.

Stefanie Rösch

Leserfrage: Ich möchte, dass meine Klientin sich sicher fühlt bei mir. Wie schaffe ich das?

25.02.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ich möchte demnächst eine Frau begleiten. Sie braucht jemanden, der mit ihr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt. Es ängstigt sie, allein zu fahren, ihre Vergangenheit kenne ich allerdings nicht. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Menschen, die PTBS haben.
Ich möchte der Frau so angenehm wie möglich sein. Ich möchte ihr helfen und sie unterstützen, sodass sie sich bei mir sicher und wohl fühlt. Ich bin eine Studentin ohne derlei Erfahrung, (1) möchte aber nichts falsch machen. Gibt es irgendwelche speziellen Tipps, die Sie mir geben könnten?
Was mache ich, wenn sie von einem „Trigger“ plötzlich in einen Anfall (2) gedrängt wird, wie muss ich reagieren, damit es ihr schnell besser geht oder wie kann ich sie unterstützen, damit sie sich nicht in dem Anfall verliert, sondern entweder es selbst schafft, da rauszukommen oder dass ich ihr mit dem Gefühl von Sicherheit zur Hilfe komme?
Außerdem möchte ich ihr das Gefühl vermitteln, dass ich sie und die PTBS ernst nehme, ohne direkt so taktlos darüber zu sprechen (3) – ich empfinde es als taktlos von mir, sie direkt darauf anzusprechen. Ich habe gehört, dass man vor allem bei PTBS-Patienten, wie auch bei depressiven Menschen, sehr auf seine Wortwahl achten muss, weil diese Menschen die Worte meist (4) negativ interpretieren. Ich überlege deshalb schon die ganze Zeit, wie ich ihr diese Ernsthaftigkeit vermitteln kann. Haben Sie Tipps für mich? Hätten Sie generell Hinweise für mich, wie ich mich am Besten (5) verhalten soll? Mein Ziel ist nicht, sie zu therapieren, dafür hat sie ihre Therapeutin, sondern für sie ein Fels in der Brandung zu sein, während sie mit mir durch die Gegend fährt. Eine Vertrauensperson (6), eine Sicherheit, jemand, bei dem sie sich wohlfühlt, sich sicher fühlt.

Liebe Leserin,

das sind viele Fragen und es gäbe wirklich viel zu sagen. Ich habe die Fragen durchnummeriert, auf die ich antworten kann.

Zu (1) Sie können nichts falsch machen. Es liegt nicht in Ihrer Hand, wie der andere reagiert. Das ist auch nicht Ihre Verantwortung. Jeder ist nur für sich selbst verantwortlich. Für sein Verhalten, seine Gefühle und seine Gedanken. Selbst wenn Sie in der besten Absicht versuchen, Gutes zu tun, kann es beim anderen genau das Gegenteil bewirken. Wenn Sie anderen helfen wollen, dann geht es immer darum, herauszufinden, was das Beste für den anderen ist. Um das herauszufinden, muss man fragen und offen darüber reden. Es bedeutet auch, dem anderen nicht alles abzunehmen, um es einfacher zu machen. Manchmal heißt es nur Mut machen, damit der andere es selbst tut, auch wenn es ihm schwer fällt.

Zu (2) Trigger sind Reize, die eine Warnreaktion auslösen, einen Fehlalarm. Keinen Anfall. Ein Flashback ist kein Anfall, sondern ein Flashback oder eine Erinnerungsattacke oder eben ein Fehlalarm. Einen Fehlalarm beendet man am schnellsten mit der Hier und Jetzt Übung. Gut ist es, wenn Betroffene lernen, diese Übung selbst zu machen.

Zu (3) Es ist nicht taktlos, über eine psychische Störung zu sprechen. Es sollte normal sein. Wenn die betroffene Frau nicht akzeptiert und sieht, dass sie ein Handicap hat, dann kann sich nichts ändern. Zu akzeptieren, dass es so ist, ist ein wichtiger Schritt Richtung Gesundheit. Also lernen Sie zu fragen, was Sie wissen wollen oder wissen müssen. Die meisten Betroffenen wissen, was Ihnen hilft. Vor allem, wenn Sie schon länger mit ihrem Problem leben. Also kann man sie fragen. Offenheit und Ehrlichkeit sind die besten Berater. Außerdem gibt es in der Textreihe zur PTBS viele Hinweise und Strategien, die man eine nach der anderen Ausprobiert, bis man findet, was hilft.

Zu (4) Dass traumatisierte Menschen dazu neigen, Reize und vor allem auch Worte negativ zu interpretieren, ist eine Beobachtung, die oft zutrifft und einen guten Grund hat. Wer viel Gewalt erlebt, dessen Gehirn verallgemeinert die negativen Erfahrungen: Eine Person verletzt mich, alle Menschen sind gefährlich (Einmal immer Fluch). Vor allem, wenn es nicht bei einer Gewalterfahrung blieb, sondern wiederholt Verletzungen ertragen werden mussten, kommt es zu stabilen, negativen Verallgemeinerungen. Dazu kommen all die negativen Sätze, die jemand mit Gewalterfahrungen von seinem Täter oder seinen Tätern gesagt bekam: Dir glaubt sowieso niemand, wir finden Dich überall, Du bist nichts wert, Dich will sowieso niemand und so weiter.

Zu (5) Am besten ist man ehrlich und offen und transparent. Nicht um den heißen Brei reden, sondern die Dinge beim Namen nennen. Darüber reden, was Auslösereize = Trigger = Warnreize sind und wie man mit ihnen umgehen kann. Und niemals über den Kopf hinweg entscheiden, sondern immer entscheiden lassen, selbst in kleinen Dingen und selbst wenn es wiederholte Entscheidungen sind. Zum Bespiel frage ich meine Klienten jedes Mal neu, ob Sie etwas zu trinken möchten und wenn ja, ob es Wasser oder Tee sein soll. Selbst wenn die Person jedes Mal den gleichen Tee wollte, bekommt sie den von mir auch beim 13 Besuch nicht automatisch, sondern muss sich wieder und wieder bewusst dafür entscheiden. Das ist es, was jemandem mit Gewalterfahrung zeigt, dass er Dinge in seinem Leben mitbestimmen kann.

Zu (6) Vertrauen bedeutet, sich sicher fühlen können, weil man sich dafür entscheidet, dass der andere es wohlwollend meint. Sicherheit entsteht durch Vorhersehbarkeit. Vorhersehbarkeit entsteht durch Ankündigungen, Einhalten von Absprachen und Versprechen sowie durch eigene Entscheidungen. Eine große Aufgabe, wenn Ihr Gegenüber viel Gewalt erlebt hat.

Darüber hinaus braucht es Menschen wie Sie, die sich interessieren und sich nicht davon abschrecken lassen, wenn keine Veränderungen wahrnehmbar sind. Ein Heilungsweg kann lange dauern und ist von vielen Tiefen und kleinen Fortschritten geprägt. Es braucht also Menschen, die durchhalten.

Das wünsche ich Ihnen, dass Sie die Kraft haben, durchzuhalten.

Leserfrage: Wie kann ich meiner Partnerin helfen, nicht mehr zu flüchten?

10.11.2017 Veröffentlicht von Leserfragen 2 Kommentare

Seit der Geburt unserer Tochter tauchte schleichweise die komplexe PTBS bei meiner Partnerin auf. Sie liebt mich und ich sie und gemeinsam lieben wir unsere Tochter. Wir wollen beide eine gemeinsame Zukunft leben.

Jedoch schmiss sie inzwischen sehr oft sie die ganze Beziehung hin und wollte vor allem flüchten. Jetzt wurde ihr einmal mehr bewusst wie sehr sie ein Uns möchte. Aber die Angst vor der Flucht ist bei mir deutlich vorhanden. Gibt es Möglichkeiten dies „einfach“ in den Griff zu bekommen, so dass sie nicht mehr die Flucht ergreifen möchte? Wie kann ich ihr helfen? Wie kann sie sich helfen? Und wir uns? Ich habe ihr bereits angeboten sie zu Traumatherapiesitzungen zu begleiten, was sie sich wünscht. Unser oberstes Ziel ist es, eine glückliche Familie zu werden und dass sie gesund wird.

Lieber Leser,

Einfache Lösungen gibt es natürlich nicht. Auch wenn wir sie uns immer wünschen.

Es gibt nur ein „Es-immer-wieder-Probieren“ und ein „Nicht-Aufgeben“. Wenn die Liebe da ist, dann sind Heilungswege für mich so etwas wie Laufen-Lernen. Bestimmt haben sie das Bild von einem Kind im Kopf, welches das erste Mal an den Händen eines Elternteils steht? Unsicher, wackelig. Es zieht sich selbständig an Stühlen und Sofas hoch, um stehen zu üben. Plumst immer wieder auf den windelgeschützten Popo und versucht es gleich wieder. Unterbrochen wird dieses Üben von frustrierten Wutausbrüchen und Tränen, aber auch von freudigem Lachen, wenn es gelingt und die Eltern sich sichtbar freuen und loben.

Irgendwann macht es die ersten Schritte, oft auf die ausgestreckten Arme der Eltern zu. Zuerst einen oder zwei, später mehr, dazwischen Hinfallen, ein Stück Krabbeln, dann wieder aufstehen und noch ein Versuch. Es dauert lange. Es braucht viele Stürze und jedes Mal ein neues Aufstehen.

Mit verletzten Menschen ist es genauso. Es braucht viele Versuche, dem Leid auf die Spur zu kommen und dann das eigene Denken und Verhalten zu ändern. Dazwischen gibt es Unterbrechungen, die wir oft als Fehlschlag oder Flucht erleben oder auch als Scheitern. Aber im Grunde ist es nur eine Unterbrechung, eine Pause vielleicht, vor dem nächsten Aufstehen und dem nächsten Schritt.

Es macht natürlich Sinn, sich auf die Suche nach dem Grund für die „Flucht“ zu machen. Hilfreiche Fragen können sein: Was geht einer Flucht unmittelbar voraus? Ein äußeres Geschehen? Eine Erfahrung? Oder sind es Gedanken? Eine Erinnerung die Angst macht, ausgelöst durch einen schwer zu erkennenden Reiz?

Wenn Sie den Auslöser für die Flucht erkennen können, dann ist ein wichtiger Schritt getan. Denn wenn ich den Auslöser kenne, kann ich lernen, nicht mehr mit dem gleichen Verhalten (der Flucht) darauf zu reagieren. Ich kann ein neues Verhalten trainieren, z.B. zu sagen, was gerade in mir vorgeht: dass da wieder diese Erinnerung ist und die Angst, dass es wieder so sein wird wie früher.

Ein Partner kann dann helfen, die Unterschiede zwischen damals und heute besser sichtbar zu machen. Hilfreiche Fragen dafür sind: Was sieht heute anders aus? Welche Personen waren damals beteiligt, welche heute? Was wurde damals gesprochen, wie heute? Welche Gerüche gab es damals, welche Geräusche, welche Körperempfindungen und wie ist es heute?

Das kann helfen zu erfahren, dass die Erinnerung alt und das damals hilfreiche Verhalten der Flucht heute nicht mehr notwendig ist. Heute gibt es mehr Möglichkeiten, die Situation in der Beziehung zu beeinflussen und für Sicherheit zu sorgen, für Austausch und damit für gute Lösungen und Freiheit von Angst.

Ich finde es hilfreich und notwendig, dass alle Beteiligten verstehen, was Trauma bedeutet, insofern empfehle ich Ihnen, die Seiten „Inhalte kompakt: Posttraumatische Belastungsstörung“ zu lesen. Dort finden Sie auch viele Strategien, die Sie gemeinsam mit Ihrer Partnerin ausprobieren können. Desweiten, wenn es um die Depression geht, sind oft „Giftige Gedanken“ eine mögliche Ursache. Auch dort könnten Sie hilfreiche Anregungen finden.

Ich wünsche Ihnen Kraft und Ausdauer für Ihren Weg.

Herzliche Grüße

Stefanie Rösch

Was ist ein Flashback?

21.06.2017 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare

So, da ist er, der Beitrag vom KiTa-Leitungskongress in Düsseldorf (26.4.2017, mit freundlicher Genehmigung des Wolters Kluwer Verlages). Mein erstes Video. Ich hoffe, die Erklärung ist verständlich. Sie basiert auf einem Stressmodell, dass Sie hier weiterlesen können. Den vollständigen Videovortrag können Sie hier erwerben. Es geht um die Unterstützung von traumatisierten Kindern.

Ich habe kurz davor erklärt, wie die Stressreaktion funktioniert und jetzt geht es um die Warnreize. Ein Warnreiz ist ein Reiz, der einem Traumareiz ähnlich ist. Ich steige ein mit dem Beispiel vom Kindergeschrei. Das Geschrei der Kinder beim Spielen ist der Warnreiz, der dem Notgeschrei anderer Menschen auf der Fluch ählich ist. Das ist ein Beispiel für einen Traumareiz. Traumareize ähneln Reizen, die als Warnreize (Trigger) funktionieren …..

Leserfrage: Schuldgefühle, Hilflosigkeit und unser beider Trauma

10.06.2017 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Der Ex-Freund meiner Freundin verübte im Februar dieses Jahr einen Mordversuch auf mich, während meine Freundin morgens kurz mit ihrem Hund draußen war. Der Täter hatte sich illegal einen Schlüssel zu ihrer Wohnung beschafft und besaß ein Gewehr.

Als meine Freundin vom Gassi gehen zurückkam, sah sie ihn noch im Treppenhaus. Er versuchte meine Freundin mit dem Gewehrkolben niederzuschlagen. Sie wich dem Schlag aus und im Hinauslaufen, rief er ihr noch zu, jetzt Selbstmord zu begehen, was er auch tat. Als sie bei mir war, rief sie: „Was hat er Dir angetan.“

Wenn ich Ihre Seite so lese, habe ich eine PTBS, glaube aber noch, sie selbst in den Griff zu bekommen, da mir weder Krankenhausseelsorger noch Traumaambulanz weitergeholfen haben, auch wenn die Vermeidungsstrategie in bestimmten Belangen bei mir vorherrschend ist. Meine Freundin leidet unter einer größeren Posttraumatischen Belastungsstörung, was mir sehr zu schaffen macht.

Weiterhin gibt sie sich eine Mitschuld, was natürlich rational nicht stimmt, ich hingegen spreche von einer Verantwortung von mir für mich und eine Mitverantwortung für sie, was die Zukunft anbelangt. Ich möchte verstehen, was in ihr vorgegangen sein kann, als sie diese Hilflosigkeit verspürte und möchte vermeiden, dass wir uns gegenseitig triggern, was natürlich als Gefahr vorhanden ist. Können Sie mir dazu Literatur empfehlen? Mir selbst reichen ihre Artikel über die PTBS, um an mir weiter zu arbeiten.

Lieber Leser,

jeder Mensch reagiert anders auf hilflose Momente. Der eine kann vielleicht ganz gut ertragen, dass er wenig oder nichts tun kann, wenn er angegriffen wird. Einen geliebten Menschen fast zu verlieren, ist eine ganz andere Herausforderung an unsere Bewältigungsfähigkeiten. Vor allem, wenn man sich verantwortlich fühlt, was Sie ja beide auf Ihre Art tun. Ihre Freundin fühlt sich für das Verhalten des Täters verantwortlich und Sie für das Befinden/ die Lebenszufriedenheit/ die Sicherheit ihrer Freundin in der Zukunft. Beides ist wie Sie schon richtig festgestellt haben so nicht richtig und nicht hilfreich, wenn die schwierigen Dinge im Leben passieren.

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, warum wir uns verantwortlich und damit überhaupt erst schuldig fühlen: Wir können uns nur schuldig fühlen oder schuldig sein, wenn wir uns auch verantwortlich fühlen oder verantwortlich sind. Verantwortlich können wir nur für etwas sein, das wir auch kontrollieren können, auf das wir also nahezu 100% Einfluss haben.

Was der Täter macht, darauf hat Ihre Freundin 0% Einfluss und damit auch keine Schuld. Das gleiche gilt für die Sicherheit/Lebenszufriedenheit oder das Befinden Ihrer Freundin. Wie es ihr geht, dass hängt zu 100% von Ihrer Freundin ab. Es hängt davon ab, wie Sie eine Situation erlebt und interpretiert. Das bestimmt, wie es ihr geht. Ihre Sicherheit hängt davon ab, ob irgendjemand entscheidet, ihr Böses zu wollen, oder aber von unglücklichen Umständen wie bei einem Unfall.

Wofür wir tatsächlich verantwortlich sind, ist unser Verhalten, unser Befinden und teilweise sicher auch unsere Gesundheit. Nur wir können uns heilen. Unser Körper kann das und unser Verstand/ unsere Seele können das. Niemand sonst.

Wir fühlen uns schuldig, weil es uns die Illusion ermöglicht, wir hätten mehr Einfluss auf das Leben als wir rein rational haben. Wir wollen unsere positive Kontrollüberzeugung (wie Psychologen das nennen) aufrechterhalten. Ohnmachtserfahrungen passen da nicht so recht dazu. Im Grunde müssten wir davon überzeugt sein, dass ich zu 99% Einfluss auf mein Leben habe und es gleichzeitig Dinge gibt, die passieren, ohne dass ich einen Einfluss darauf habe. Dann wäre es leichter mit solchen Erfahrungen umzugehen, wie Sie beide es erleben mussten.

Schuldgefühle sind gefährlich, weil Sie uns dazu verleiten, zu oft in die Vergangenheit zu schauen. Das macht uns unweigerlich immer wieder ohnmächtig, weil wir die Vergangenheit nicht ändern können. Ein zweiter Grund, warum ich Schuldgefühle für gefährlich halte ist, dass Sie uns etwas vormachen. Sie bestärken uns in der Phantasie, mehr Einfluss zu haben, als wir tatsächlich haben. Damit berauben sie uns der Möglichkeit, tatsächlich neue und hilfreichere Strategien zu lernen. Neue Strategien lernen wir nur, wenn wir akzeptieren, dass die bisherigen nicht ausgereicht haben. Ich weiß, ich kann das Risiko mit neuen Strategien weiter minimieren, auch wenn ich nicht für 100%ige Sicherheit sorgen kann. Schuldgefühle können uns von diesem gesunden Wachstumsprozess abhalten und dazu auch noch krankmachen. Deswegen ist es gesund, sich der Realität zu stellen, auch wenn es uns unangenehm ist oder zuerst Angst macht.

Wie Ihre Freundin sich gefühlt hat, müssen Sie Ihre Freundin fragen. Da diese Erfahrungen einzigartig sind und die Menschen auch, kann Ihnen außer Ihrer Freundin niemand sagen, wie es ihr ging.

Es wird auch nicht möglich sein, sich nicht gegenseitig zu erinnern und damit Fehlalarme (Erinnerungsattacken) auszulösen. Mal abgesehen davon, dass das auch nicht hilfreich ist. Im Gegenteil. Über die gemeinsame Erfahrung zu sprechen und darüber, wie Sie sie überlebt und bewältigt haben, ist hilfreich. Sich zu sagen, wie es einem damit gegangen ist und die Gefühle nochmal zu spüren und auszudrücken, hilft dem Gehirn auszusortieren, welche Erinnerungsreize gute Warnreize sind und welche nicht (Zum Thema Warnreiz gibt es hier ausführliche Informationen: PTBS 2 – PTBS 5). In Ihrem Fall wird es so gut wie keine wirklich hilfreichen Warnreize geben, weil der Täter sich selbst gerichtet hat und damit keine Gefahr mehr darstellt.

Der einzige echte und hilfreiche Warnreiz, den ich mir aus Ihrer Schilderung vorstellen kann ist: „Mann mit Gewehr“ oder „Mann mit Waffe“. Wenn Ihr Gehirn wieder einen Mann mit Gewehr sieht, dann ist es gut, wenn es Alarm schlägt, damit Sie sich frühzeitig in Sicherheit bringen können. Alles andere, was eine Erinnerungsattacke (= Fehlalarm) auslöst, macht sehr wahrscheinlich keinen Sinn als Warnreiz (z.B. die Wohnung, das Treppenhaus oder etwas anderes) und wird deswegen über die Zeit hinweg mit neuen Erfahrungen und der bewussten Auseinandersetzung mit der Erfahrung verschwinden. Vermeidungsverhalten verzögert oder verhindert diesen Heilungsprozess, der im Grunde nur ein Sortier-Prozess ist: Das Gehirn sortiert gute und nutzlose Warnreize aus.

Insofern möchte ich Sie dazu ermutigen, über das Erlebte zu reden oder es aufzuschreiben, vielleicht nach den „Spielregeln“ von James Pennebaker (Schreiben hilft), der wissenschaftlich nachgewiesen hat, dass das Schreiben mit Gefühlen und Bedeutungen des Erlebten zu mehr Gesundheit und Lebenszufriedenheit führt.

Helfen Sie Ihrem Gehirn, die Erfahrung in Ihr Leben einzusortieren und zwischen guten und nutzlosen Warnreizen wieder unterscheiden zu lernen.

Ich wünsche Ihnen beiden viel Kraft für Ihren Weg.

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