„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Trauma"

PTBS, Teil 5: Warum fühle ich mich ständig gestresst?

06.10.2013 Veröffentlicht von Definitionen, Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Es kann durchaus länger dauern, sich zu konzentrieren, wenn Sie etwas sehr Belastendes erlebt haben. Sollten Sie Schwierigkeiten haben, lesen Sie den Text wieder und wieder bis Sie ihn verstehen.

Mit den bisherigen Artikeln ging es vorwiegend um das unerwünschte Wiedererleben der belastenden Erinnerung. Die zweite Gruppe der Beschwerden der Posttraumatischen Belastungsstörung wird als „Erhöhte Erregung“ bezeichnet. Darunter fallen Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Wutausbrüche, erhöhte Wachsamkeit und eine übermäßige Schreckreaktion.

Sie haben gelernt, dass eine belastende Erinnerung durch Trigger (Auslösereize) immer wieder aufgerufen wird. Daher kommen die wiederkehrenden Erinnerungsbilder, Körpererinnerungen, Geruchs- und Geschmackserinnerungen und auch Geräuscherinnerungen.

Gleichzeitig versetzt Ihr Limbisches System Ihren Körper wieder in Alarmbereitschaft. Sie erinnern Sich: Ihr Limbisches System ist Ihr Überlebenssystem UND Ihr Warnsystem. Die Bilder zeigen Ihnen WOVOR sie gewarnt werden (Warnsystem) und gleichzeitig bereitet Ihr Körper sich darauf vor, JETZT auf die Gefahr zu reagieren (Überlebenssystem). Blöd dabei ist nur, dass die meisten dieser Warnungen Fehlalarme sind, weil das Limbische System wahllos Reize abgespeichert hat, die einfach schlechte Warnreize sind. Ein Beispiel: Blaue Autos sind nicht gefährlicher als andersfarbige Autos. Farben werden aber häufig als Warnreize abgespeichert und lösen dann jedes Mal, wenn Sie ein blaues Auto sehen, die Überlebensreaktion aus. Die Farbe von etwas ist heutzutage meistens kein guter Warnreiz. Bei einem Verkehrsunfall könnten Regen und Dunkelheit gute Warnreize sein, weil das Unfallrisiko steigt, wenn es Aquaplaning hat und wir in der Dunkelheit schlechter sehen. Alle anderen Teile der Erinnerung an einen Verkehrsunfall sind keine guten Warnreize, lösen aber trotzdem die Überlebensreaktion aus.

Wenn der Körper fast ununterbrochen in Alarmbereitschaft ist, weil Ihr Hirn ständig behauptet: „Achtung, jetzt passiert gleich wieder was!“, dann werden Sie wachsamer sein, um die mögliche Gefahr dieses Mal rechtzeitig zu erkennen. Sie werden Sich umschauen und mögen vielleicht nicht mehr mit dem Rücken zur Tür sitzen. Wenn Sie jemand trotz erhöhter Wachsamkeit überrascht, werden Sie besonders erschrecken. Sie werden nur schwer zur Ruhe kommen und Schwierigkeiten mit dem Einschlafen haben. Wenn Sie dann noch Angst davor haben, Alpträume zu bekommen, wird das Einschlafen erst recht mühsam. Wenn Sie jemand ärgert (Bedrohung), werden Sie möglicherweise schneller ärgerlich und gereizt reagieren als sonst. Sie werden vielleicht auf kleinere Anlässe (Frust/Druck/Kritik/kleine Abweichungen vom Plan oder Ihren Erwartungen) mit einem Wutausbruch reagieren und sich selbst nicht mehr kennen.

Ihre Konzentration, also Ihre Fähigkeit Ihre Aufmerksamkeit zu lenken, ist eingeschränkt, weil Sie ständig auf die Fehlalarme (Wiedererleben/Warnsystem) reagieren müssen und gleichzeitig damit beschäftigt sind, mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen (Wachsamkeit/Überlebenssystem).

Schließlich haben Sie wegen der vielen Fehlalarme einen Haufen Energie zur Verfügung, die Sie nicht benötigen: Jede Menge Bewegungsenergie, die zum Kämpfen gedacht ist.

Die Frage ist also, was tun mit dem Durcheinander? Warnsystem? Überlebenssystem? Was können Sie gegen die Symptome der Erhöhten Erregung, die Sie aufgrund der Fehlalarme habe, tun?

Was tun Sie sonst, wenn Sie gestresst sind? Was hilft Ihnen normalerweise?

Sie können die Symptome bekämpfen in dem Sie zum Beispiel Lavendelduft gegen die Schlaflosigkeit oder Meditation gegen die Übererregung verwenden. Doch im Endeffekt sollten Sie langfristig die eigentliche Ursache der Symptome angehen – Ihre Fehlwahrnehmung von Warnreizen.

Weiter mit PTBS 6.

PTBS, Teil 4: Was tun gegen sich aufdrängende Erinnerungen?

04.10.2013 Veröffentlicht von Definitionen, Erklärungsmodelle, Strategien 2 Kommentare

Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich auf diesen Text hier zu konzentrieren, lesen Sie die Zeilen wieder und wieder bis Sie sie verstehen. Auch wenn es länger dauert. Das kann durchaus sein, wenn Sie etwas sehr Belastendes erlebt haben. Nur Mut!

Mit dem letzten Artikel habe ich Ihnen erklärt, dass Ihre Erinnerungen sich deswegen verselbständigen, weil Auslösereize, auch Trigger genannt, Warnreize (Teile der Erinnerung) in Ihrem Gedächtnis aktivieren, die dazu führen, dass auch der Rest, manchmal nur ein weiterer Teil Ihrer belastenden Erinnerung bewusst wird.

Wenn eine negative Erinnerung besonders real erscheint, wenn Betroffene sich verhalten, als würde alles noch einmal passieren, dann nennt man das Flashback. Das Gehirn kann in diesem Zustand nicht mehr zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden. Dieser Zustand ist für Betroffene besonders quälend und sollte so schnell wie möglich beendet werden. Denn je häufiger die gleichen Wege im Gehirn benutzt werden, desto leichter können diese Nervenverbindungen aufgerufen werden.

Machen Sie sich bewusst, dass wir alle eine innere Zeitmaschine haben. Wir können in der Gegenwart sein, aber auch in die Vergangenheit reisen, wenn wir uns erinnern. Mit Erwartungen, Phantasien, Plänen, Visionen und Zielen können wir in die Zukunft reisen.

Sie entscheiden, in welcher inneren Zeitzone Sie Sich aufhalten wollen.

Grundsätzlich wollen Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder in die Gegenwart lenken. Das gelingt Ihnen, wenn Sie Sich auf die Gegenwart konzentrieren, wie im PTBS 3-Artikel mit der „Hier und Jetzt-Übung“ beschrieben. Manchmal reicht das nicht aus. Vor allem, wenn die Erinnerungen in Form von Flashbacks auftreten. Dann benötigen Sie Reize von außen, die stärker sind, als die belastende Erinnerung im Innen.

Hier ein paar Dinge, die helfen können, wieder in die Gegenwart zurückzukommen, wenn Erinnerungen oder Gedanken an belastende Situationen Sie immer wieder in die Vergangenheit reisen lassen.

Aber Achtung: Das eine oder andere kann triggern. Also testen Sie es in Ruhe aus.

  • In der Wohnung herumlaufen und laut alles benennen, was man sieht und hört (Radio einschalten oder Fernseher oder Musik).
  • DVD schauen und sich so darauf konzentrieren, dass man jemand anderem von dem Film erzählen kann (wenn Sie wissen, dass der Film nicht triggert). Oder laut alles aufzählen, was man im Film gerade sieht und hört.
  • Musik hören und mitsingen.
  • Einen Kalender anschauen und das heutige Datum mit aktueller Uhrzeit benennen.
  • Sie können in Ihrer Wohnung eine Uhr an Orten aufhängen, an denen Sie öfter in die Vergangenheit rutschen. Dann können Sie auf die Uhr schauen und die Uhrzeit benennen. Idealerweise zeigt die Uhr auch das aktuelle Datum an.
  • Aktuelle Fotos von nahestehenden Menschen und Tieren anschauen.
  • Ihr Haustier streicheln.
  • Etwas wieder und wieder lesen, bis man sich konzentrieren kann.
  • Ein Familienmitglied/Freundin/Freund macht die „Hier und Jetzt“-Übung mit Ihnen (Zur ausführlichen Anleitung finden Sie unten einen Link)
  • Mit jemandem telefonieren, eMail oder SMS schreiben.
  • Einen angenehmen Geruch einatmen (z.B. Parfum oder ätherisches Öl wie Orange, Lavendel oder was immer Sie mögen).
  • Pfefferminz-Öl einatmen oder Teebaum oder Eukalypthus. Diese Gerüche sind schärfer und deswegen wirkungsvoller. Entscheiden Sie sich für nur einen dieser Gerüche als Hilfsmittel.
  • Sich bewegen, herumlaufen, mit den Füßen stampfen, tanzen, Kniebeugen
  • Kaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen bis es weh tut.
  • Einen Holzstock, z.B. einen Besenstil auf den Boden legen und ohne Schuhe darauf stehen, bis es an den Fußsohlen weh tut. Aber Achtung: Es besteht Gefahr, mit dem Fuß umzuknicken.
  • Chilli-Gummibärchen, Chillischoten kauen.
  • Scharfe Bonbons (z.B. WickBlau, Fishermans, IBons-Ingwer/Mango) lutschen.
  • Scharfe Kaugummis (z.B. Zimt-Kaugummi, Menthol-Kaugummis) kauen.
  • Ingwer-Tee schluckweise trinken. Ein Tee, der Pfeffer und/oder Ingwer (Chai) enthält, kann auch helfen. Lange ziehen lassen, damit er schärfer wird.
  • Ammola-Riechstäbchen (Ammoniak mit Lavendel in einer Glasampulle, die mit einem Stoff ummantelt ist.). Sehr stechender Geruch. Ich verwende es mit meinen Klienten, indem wir das Fläschchen in einen Einmalhandschuh fallen lassen, in einem der Finger aufbrechen und dann die Öffnung des Handschuhs an der Nase vorbeiführen. Der Geruch ist sehr intensiv, wenn man in der Gegenwart ist. Deswegen seien Sie vorsichtig damit, wenn Sie innerlich sehr weit weg sind. Funktioniert nicht unbedingt, wenn Sie ein inneres Team haben/ Viele sind. Die Stäbchen bekommt man in der Apotheke.

Haben Sie noch Ideen? Erfahrungen? Schicken Sie mir ein eMail über das Kontaktformular

Bleiben Sie dran! Sie entscheiden, was Sie denken und wie lange Sie sich mit Ihren Erinnerungen beschäftigen!

Weiter zu PTBS 5.

____________________________________________

Die Hier-und-Jetzt-Übung: Ausführliche Anleitung

PTBS, Teil 3: Was tun gegen sich aufdrängende Erinnerungen?

30.09.2013 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle, Strategien 0 Kommentare

Es mag sein, dass es Ihnen am Anfang sehr schwer fällt, diesen Text am Stück zu lesen und zu verstehen, aber geben Sie nicht auf! Lesen Sie die Zeilen wieder und wieder bis Sie sie verstehen. Auch wenn es einmal 10 Minuten oder länger dauert. Das kann durchaus sein, wenn Sie etwas sehr Belastendes erlebt haben. Nur Mut!

Mit dem letzten Artikel habe ich Ihnen erklärt, dass sich aufdrängende Erinnerungen entstehen, weil Ihr Limbisches System zufällig (Warn-)Reize abspeichert, die dann durch Trigger = Auslösereize immer wieder aktiviert werden. Sie haben auch gelernt, dass Trigger immer etwas mit dem ursprünglichen Warnreiz gemeinsam haben.

Was Sie in der Anfangszeit nach einem belastenden Lebensereignis nicht beeinflussen können ist, dass Trigger die Erinnerung immer wieder aufrufen.

Aber Sie entscheiden, wie lange Sie sich mit der Erinnerung beschäftigen.

Die Erinnerung ist nur dann belastend, wenn Sie Ihnen bewusst ist. Sie ist unangenehm, wenn Sie die Bilder vor Ihrem inneren Auge sehen, die Geräusche mit Ihrem inneren Ohr hören, Ihr Körper die Empfindungen wieder spürbar macht wie während der Belastungssituation oder Sie glauben, Gerüche wahrzunehmen, wie während der Situation oder Dinge zu schmecken wie damals. Sie ist belastend, weil Sie wieder Angst haben, vielleicht Todesangst oder sich ohnmächtig fühlen, ausgeliefert und hilflos.

Das heißt, zuerst ist es wichtig, dass Sie die Erfahrung machen, dass SIE entscheiden, womit Sie sich bewusst beschäftigen wollen. Das erreichen Sie am schnellsten, wenn Sie Ihr Bewusstsein mit der Gegenwart füllen, also mit dem, was Ihre Sinnesorgane jetzt gerade wahrnehmen.

Was sehen Sie jetzt gerade? Was hören Sie jetzt – im Raum oder weiter weg? Können Sie Ihre Füße auf dem Boden spüren? Was machen Ihre Hände gerade? Können Sie den Stuhl spüren, auf dem Sie gerade sitzen? Haben Sie ein Getränk in der Nähe und können einen Schluck nehmen und schmecken, welche Aromen Sie wahrnehmen? Oder haben Sie ein Parfum oder einen anderen riechenden Gegenstand, den Sie bewusst wahrnehmen können? Wonach duftet er?

Wenn Sie anfangen, sich darauf zu konzentrieren, was Sie gerade sehen, hören, schmecken, riechen und spüren, kann es hilfreich sein, das laut vor sich her zu sagen. Oder Sie können jemanden bitten, Ihnen aus der Erinnerungsattacke herauszuhelfen, indem er Sie danach fragt, was Sie gerade wahrnehmen. Diese Person kann genau nachfragen, was Sie wahrnehmen, also zum Beispiel, welche Formen, Farben, Oberflächen, Materialien. Ein Wollpulli hat eine andere Oberfläche als ein Baumwollhandtuch oder ein Holztisch oder ein Löffel.

Wenn ich mein Bewusstsein mit Gegenwart füllen möchte, dann würde sich das folgendermaßen anhören: Ich sehe vor mir den Bildschirm meines Computers. Ich höre Filmmusik dazu, eine Geige im Moment mit einem leicht melancholischen Thema, ich rieche den Duft von Beeren von meiner Kerze und mein Tee schmeckt nach Ingwer, ein bisschen zitronig und leicht scharf. Der Tee ist nur noch lauwarm, und jetzt sind viele Geigen zu hören und irgendwelche Bläser und das Klackern der Tastatur. Die Buchstaben werden rot unterstrichen, wenn ich einen Schreibfehler mache oder das Programm ein Wort wie zitronig nicht kennt und so weiter.

Machen Sie die Übung immer wieder und wieder. Diese Übung heißt übrigens „Hier und Jetzt“ und hilft Ihnen zu spüren, dass SIE entscheiden, worüber Sie nachdenken, selbst wenn etwas sehr Belastendes passiert ist.

Und nochmal: Es mag sein, dass es Ihnen am Anfang sehr schwer fällt, diesen Text am Stück zu lesen und zu verstehen, aber geben Sie nicht auf! Lesen Sie die Zeilen wieder und wieder bis Sie sie verstehen. Auch wenn es einmal 10 Minuten oder länger dauert. Das kann durchaus sein, wenn Sie etwas sehr Belastendes erlebt haben. Kommen Sie immer wieder zurück in die Gegenwart! Nur Mut!

Weiter zu PTBS 4.

___________________________

Die Hier-und-Jetzt-Übung: Eine ausführliche Anleitung

PTBS, Teil 2: Warum drängen sich die Erinnerungen auf?

29.09.2013 Veröffentlicht von Definitionen, Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Weil unser Limbisches System, unser Überlebenssystem im Hirn, in einer Zeit in der Menschheitsgeschichte entstand, als wir noch im Fellröckchen herumliefen und auf der Speisekarte von wilden Tieren standen. Weil die Welt damals auf eine einfache, überschaubare Weise gefährlich war. Und weil das Limbische System einen Teil seiner Aufgabe heute noch genauso gut erledigt, wie vor Millionen Jahren und deswegen keine Weiterentwicklung notwendig war. Deswegen spreche ich auch gerne von Limbisches System 1.0 für alle Computerbewanderten. Die erste Version dieses Überlebensprogrammes läuft immer noch in unserem Hirn ab. Aber die Welt hat sich geändert. Unsere Art zu leben hat sich geändert. Daher die Probleme mit der veralteten Software, der veralteten Informationsverarbeitung.

Das Limbische System (rotes Oval im Kopf) hat zwei wichtige Aufgaben

1.    Es sorgt dafür, dass wir in einer Gefahrensituation überleben
2.    Es warnt uns vor Gefahren

Wenn wir über unsere Sinnesorgane Reize wahrnehmen, die unser Limbisches System für gefährlich hält, dann aktiviert es über Stresshormone die uns allen bekannte Stressreaktion. Wir atmen schneller, damit wir mehr Sauerstoff aufnehmen, der zusammen mit dem freigegebenen Blutzucker durch den höheren Herzschlag in die Muskeln transportiert wird, um uns dort als Kraft zur Verfügung zu stehen.

Da es um unser Leben geht und schnell gehen muss, geben uns Gefühle den Impuls für unser Verhalten, je nachdem, ob wir Handlungsstrategien zur Verfügung haben oder nicht. So müssen wir nicht lange nachdenken, sondern handeln „spontan“. Dabei verhalten wir uns so, wie es uns als erstes einfällt, unabhängig davon, ob das die beste Strategie ist oder nicht. Gefahren muss man schnell beseitigen, also handeln wir schnell. Wut zeigt uns an, dass wir Strategien haben, die Situation zu verändern (Kampf). Angst bringt uns dazu, die Situation zu verlassen (Flucht), weil wir keine Möglichkeit mehr haben, auf die Gefahr einzuwirken. Wenn wir die Situation nicht ändern und nicht verlassen können, beginnt unser Hirn einen Prozess der Notabschaltung, um uns vor einer Reizüberflutung zu schützen.

Diesen Zustand kann man als Erstarren bezeichnen, weil bestimmte Regionen im Gehirn tatsächlich abgeschaltet werden und Sie keinen Zugriff mehr darauf haben. Sprachverarbeitung gehört dazu. Aber auch die meisten anderen Denkleistungen sind davon betroffen. Das Erstarren kommt aus meiner Erfahrung in zwei groben Kategorien von Reaktionen.

Der panische Typ: Das sind Menschen, deren Hirn alle Denkprozesse abschaltet und die völlig von Gefühlen überrollt werden.

Der gefühlskalte Typ: Das sind Menschen, die keine Gefühle spüren, und scheinbar überlegt handeln. Oft berichten Sie, es fühle sich an, wie ein schlechter Film oder als ob sie neben sich stehen würden.

Beides sind Überlebensstrategien. Beides unterliegt nicht mehr der bewussten Kontrolle der Person, sondern ist ein Ausnahmezustand höchster Überforderung und Not.

Da unsere heutigen Bedrohungen zwar oft sehr gefährlich sind, aber selten mit dem Tod enden, überleben Menschen häufig. Ihr Gehirn muss nun mit den Eindrücken aus diesen Erfahrungen umgehen. Aber der erste Auftrag des Limbischen Systems ist erfüllt: Der Mensch hat überlebt! Es gibt also keinen Grund für eine deutliche Weiterentwicklung des Limbischen Systems. Das System tut, was es soll – erfolgreich.

Der zweite Auftrag, den Menschen vor ähnlichen Gefahren rechtzeitig zu warnen, führt aufgrund unserer Lebenssituation heute zu ständigen Fehlalarmen. Das ist es, was die Posttraumtische Belastungsstörung ausmacht: Viel zu viele Fehlalarme, die wir nicht als solche erkennen.

Als unsere Vorfahren von Säbelzahntigern angegriffen und gefressen wurden, speicherte unser Limbisches System alle Informationen zu dieser Gefahr ab: Die Fellfarbe des Tieres, seinen Geruch, die Größe des Tieres, sein Brüllen, die Gegend, in der man angegriffen wurde, die Tageszeit des Angriffs, das plötzliche Auftauchen aus hohem Steppengras, das Aussehen der Prankenabdrücke im Sand, die Zähne, das Gesicht des Tieres, seine Geschwindigkeit.

Jeder einzelne dieser Reize ist ein guter Warnreiz, weil JEDER Säbelzahntiger gefährlich ist und weil es deswegen gut ist, aufmerksamer zu sein, wenn man in der Steppe unterwegs ist. Wenn man aufmerksamer ist, kann man die Gefahr rechtzeitig erkennen und sich auf den Angriff vorbereiten und erfolgreich verteidigen.

HEUTE sind wir Gefahren ausgesetzt, die nicht immer gleich gefährlich sind. Nicht alle Autos sind gefährlich, nicht alle Männer sind gefährlich, nicht alle Schulen sind gefährlich, nicht alle Schüler sind gefährlich, nicht alle Betrunkenen sind gefährlich, nicht alle Ausländer sind gefährlich, nicht alle Flugzeuge sind gefährlich und so weiter.

Das bedeutet, dass wenn Sie etwas Belastendes erlebt haben, ihr Gehirn einen Haufen Reize abgespeichert hat, die Sie davor warnen sollen, wieder in die gleiche Gefahr zu kommen. Aber nicht alle dieser Reize sind gute Warnreize.

Wenn Sie einen Verkehrsunfall mit einem blauen Auto hatten, dann speichert ihr Gehirn vielleicht die Farbe Blau als Warnreiz ab. Wenn Sie dann ein blaues Auto sehen, kann es sein, dass Sie sich plötzlich wieder an Ihren Unfall erinnern, weil Ihr Gehirn sagt: „Achtung, Blaue Autos sind gefährlich, sei vorsichtig!“

Sie aber werden sich wundern, was jetzt mit Ihnen los ist, weil Sie plötzlich die Angst wieder haben, wie während des Unfalls, vielleicht sogar die Bilder vor Augen haben und nicht wissen, dass es die Art ist, wie ihr Gehirn versucht Sie zu warnen, weil Sie in dem Moment keine Gefahr wahrnehmen können, weil eben nicht alle blauen Autos gefährlich sind.

Bitte klicken Sie auf die Grafik, um sie zu vergrößern.

Das heißt, immer wenn Sie mit den Erinnerungen an Ihr belastendes Erlebnis konfrontiert sind, wenn die Erinnerungen plötzlich auftauchen, gibt es einen Warnreiz und einen Auslösereiz, den wir auch Trigger nennen. Das Schwierige heutzutage ist, dass viele der Warnreize, die mit abgespeichert wurden, durch Dinge (Auslösereize/Trigger) ausgelöst (getriggert) werden können, die nur ähnlich zum ursprünglichen Reiz sind. In unserem Beispiel könnte die Warnung nicht nur durch blaue Autos ausgelöst werden, sondern auch durch blaue Müllsäcke. An der Stelle kann es dann wieder notwendig sein, einen Profi zu bitten, Sie bei der Suche nach den Warnreizen und Triggern (Auslösereizen) zu unterstützen.

Noch ein paar Beispiele:

Trigger / Auslösereiz
(Reiz in der Gegenwart)

Warnreiz
(Teil der Erinnerung)

Belastungssituation
(Erinnerung)

Scheinwerfer aller Art, ein grelles Taschenlampenlicht, ein Strahler im Theater

Scheinwerferlicht

Verkehrsunfall

Bratwurst, Banane, Zucchini

Männliches Geschlecht.

Sexuelle Gewalt

Zerbrechen eines Fensters, Zerschellen eines Trinkglases

Berstendes Glas

Auto- oder Busunfall

Eigenes Schnaufen beim Treppensteigen, Keuchen in einem Film

Atemgeräusche

Körperverletzung, sexuelle Gewalt

Eine Umarmung, ein Zusammenstoß beim Sport mit einem anderen Spieler

Druck auf das Brustbein (vom Sicherheitsgurt)

Verkehrsunfall

Schweißgeruch (Sport, handwerkliche Tätigkeiten, Sommerhitze)

Schweißgeruch des Täters

Körperverletzung, sexuelle Gewalt

Auslösereize (Trigger) haben immer etwas gemeinsam mit den im Gehirn abgespeicherten Warnreizen (Wahrnehmungen aus der belastenden Erinnerung).

Vielleicht achten Sie einmal darauf, was Auslösereize und Warnreize bei Ihnen sind? Oder fragen Sie die Person, für die Sie diesen Text lesen, welche Auslösereize Sie gemeinsam feststellen können.

Weiter zu PTBS 3

PTBS, Teil 1: Posttraumatische Belastungsstörung: Was ist das?

28.09.2013 Veröffentlicht von Definitionen, Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Ich möchte mit dem heutigen Artikel eine Reihe über die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, PTB oder auch PTSD = Posttraumatic Stress Disorder) eröffnen. Ich werde Ihnen erklären, was wir als Psychotherapeuten darunter verstehen und ich werde Ihnen zeigen, wie ich meinen Klienten die Entstehung dieser besonderen Gruppe von Beschwerden, der wir diesen Namen gegeben haben, erkläre. Außerdem wird es Ideen dazu geben, wie Sie mit einem großen Teil der Beschwerden umgehen können.

Natürlich kann es notwendig werden, dass Sie sich professionelle Hilfe holen sollten. Selbst wenn Sie alle hier vorgestellten Ideen umsetzen, kann es sein, dass es psychologische Gründe dafür gibt, warum eine Übung für Sie nicht funktioniert und keine Besserung eintritt.

Dann kann Ihnen nur eine Fachfrau oder ein Fachmann weiterhelfen, der sich auf die Behandlung dieser Störung versteht. Wie Sie einen solchen finden, habe ich auf meiner Internetseite (TIZ-online.de: Psychotherapeutensuche) beschrieben.

Als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird eine Gruppe von Beschwerden bezeichnet, die ein Mensch nach einem belastenden Lebensereignis entwickelt. Dieses Ereignis muss zwei Merkmale erfüllen.

1. Die betroffenen Person wird selbst mit dem Tod konfrontiert oder erlebt, wie jemand Drittes eine Begegnung mit dem Tod oder drohendem Tod hat. Auch ernsthafte Verletzung und sexuelle Gewalt fällt darunter.

2. Die betroffenen Personen erleben charakteristische Symptome wie (1) Wiedererleben, Änderungen in Verhalten (3) und Erleben (Emotionen), Stimmungsänderungen und negative Kognition, Veränderungen der Erregung (2) oder dissoziative Symptome.

In der Folge leidet die betroffene Person unter (1) sich aufdrängenden, unkontrollierbaren Erinnerungen an das Ereignis. Das geht einher mit (2) einer ständig wieder angefachten Stressreaktion, die zu Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und anderen Beschwerden führt. Und weil dies alles so unangenehm und verstörend ist, versucht die betroffene Person, (3) der Erinnerung und allem, was sie erinnert aus dem Weg zu gehen. Wir sprechen auch von (1) Wiedererleben, (2) Erhöhter Erregung und (3) Vermeidungsverhalten. Mehr zu den einzelnen Beschwerden in folgenden Artikeln.

Wenn diese Beschwerden auch 4 Wochen nach dem Ereignis noch andauern, oder aber erst viel später beginnen und dann 4 Wochen lang andauern, sprechen wir von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Bei vielen Menschen entstehen die Beschwerden innerhalb der ersten Wochen und klingen von alleine wieder ab (siehe: Trauma-Inflation: Ist jeder, der etwas Schlimmes erlebt, traumatisiert?). Erst wenn die Beschwerden länger als 4 Wochen andauern, sprechen wir Psychotherapeuten von einer PTBS und dann wäre es gut und sinnvoll, sich professionelle Unterstützung zu holen.

Sie können jetzt also für sich oder jemanden, den Sie kennen prüfen, ob das Ereignis, das Sie, der oder die erlebt hat, länger als vier Wochen her ist und die anschließend aufgetretenen Beschwerden schon länger als vier Wochen andauern.

Und in Vorbereitung auf die weiteren Artikel können Sie einmal eine Liste mit allen Beschwerden machen, die Sie an sich oder der Person, für die Sie das hier lesen, beobachten können.

Weiter zu PTBS 2

Der Blog hat Ihnen geholfen?

Dann freue ich mich über eine Tasse Tee. Über einen Klick können Sie den Blog mit einem freiwilligen Beitrag über PayPal  unterstützen. Danke!!

Danke an:
Sina K. – Visnja M. – Samira M. – Tanja B. – Dirk I. – Robert S.  – Anne H.  – Wolfgang B.

Auf diesen Seiten suchen:

Newsletter

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Melden Sie sich zu unserem Newsletter an, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Um sicherzugehen, dass Sie diesen Newsletter abonnieren wollen, erhalten Sie von uns eine eMail mit einem Link zur Bestätigung. Ihre eMail-Adresse wird ausschließlich dafür genutzt, Ihnen unseren Newsletter und Informationen über das TIZ zu senden. Sie können sich jederzeit über den in jeder E-Mail enthaltenen Link abmelden.

Wir verwenden Sendinblue als unsere Marketing-Plattform. Wenn Sie das Formular ausfüllen und absenden, bestätigen Sie, dass die von Ihnen angegebenen Informationen an Sendinblue zur Bearbeitung gemäß den Nutzungsbedingungen übertragen werden.

TIZ jetzt auch auf YouTube

Zur Blog-Sprache

Ich verwende männliche und weibliche oder andere Formen so, wie es mir für das Thema angemessen erscheint. Bitte fühlen Sie sich von den Inhalten und Aussagen angesprochen.
Stefanie Rösch

Information / Beratung

Kontakt

Trauma-Informations-Zentrum
Dipl.-Psych. Stefanie Rösch
Bodanplatz 3
78467 Konstanz

© Trauma-Informations-Zentrum 1999 – 2021