„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Ihr Suchbegriff Trauma

Leserfrage: Warum ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eine Krankheit, obwohl es immer heißt, es sei eine normale Reaktion auf eine abnormale Situation? (Teil 4)

15.04.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Welche Worte sind für die Beschreibung von psychischen Zuständen hilfreich und welche nicht? Warum die Worte „Krankheit, Makel, Defekt“ anstatt „psychische Störung“? Was ist der Einmal-Immer-Fluch? Darf ich Menschen, die mir nicht guttun aus dem Weg gehen? Natürlich. Ich bitte Sie darum, das zu tun.

All das waren Themen der erste drei Teile.

Es gibt so viele Momente im Alltag eines traumatisierten Menschen, die es noch zusätzlich schwer machen, das Erlebte auf eine gesunde Weise zu bewältigen. Angefangen von sogenannten Fachpersonen, denen das Interesse an ihrem Gegenüber verloren gegangen ist oder die einfach nicht ausreichend wissen, um hilfreich zu sein. Das Wissen um Traumreaktionen, deren Ursprung und ihre Bewältigung steckt an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen. Da kann man angesichts von unwissenden Behördenmitarbeitern, Gutachterinnen und auch Therapeuten auch mal verzweifeln. Aber aufgeben ist keine Option!

Hoffnung, dass es besser werden kann, ist zutiefst menschlich.

Solange Sie weitersuchen, können Sie wohlwollende Menschen finden, die Sie so unterstützen wie es Ihnen guttut und Sie weiterbringt. Geben Sie die Suche nach einem Weg zu mehr Lebensfreude nicht auf. Egal wie schlecht Ihre Erfahrungen in der Vergangenheit waren. Denn die Vergangenheit hat mit der Zukunft nichts zu tun. Das ist auch so ein Denkfehler, den unser Sicherheit-und-Gewohnheiten-liebendes Hirn macht. Jeder neue Mensch, dem Sie begegnen ist einzigartig. Egal wie er aussieht oder wie seine Stimme sich anhört. Ihr Gehirn wird Ihnen vielleicht etwas anderes sagen. Aber wenn Sie ehrlich sind, können Sie nicht wissen, wie ein Mensch ist, bevor Sie ihn nicht kennengelernt haben – und zwar ohne ihn schon in eine Schublade zu stecken. So wie niemand gerne in eine Schublade gesteckt wird.

Es braucht willentliche Entscheidungen

Da auch Schubladen zu den psychischen Funktionen gehören, die uns in einer komplexen Welt helfen zu überleben, ist das oft nicht einfach und bedarf einer anstrengenden, willentlichen Entscheidung. Also geben Sie die Hoffnung nicht auf, dass Sie lernen können, wohlwollende von nicht-wohlwollenden Menschen zu unterscheiden und sich nur noch mit wohlmeinenden Menschen zu umgeben. Jeder Mensch kann lernen, sich zu schützen und für die eigenen Sicherheit zu sorgen. Gemeinschaft mit anderen und gesunde Beziehungen sind der beste Schutz. Jeder kann lernen, Beziehungen gesund zu führen.

Heilung ist immer möglich, mit Hoffnung und Durchhaltevermögen. Eine gute Portion Starrköpfigkeit kann da auch helfen.

Aber die PTBS wird als Krankheit angesehen, als Schuld des Betroffenen, weil man die betroffenen Menschen mit Menschen vergleicht, die die entsprechenden Erlebnisse nicht erfahren haben. Und den Menschen, die diese Erfahrung gemacht haben wird gesagt, mit dir stimmt etwas nicht, du reagierst falsch, du fühlst falsch, du bist nicht okay. Und das hört egal wie weit die Forschung kommt einfach nicht auf. Ganz im Gegenteil. Immer wieder sind es gerade auch die Fachleute, die einem das so vorwerfen.

Wenn Ihnen das ein sogenannter Fachmann mit diesen Worten vorwirft, dann gehen Sie woanders hin. Es ist NICHT Ihre Schuld, was Ihnen passiert ist.

Schuld sind Täter. Punkt.

Aber, niemand außer Ihnen kann dafür sorgen, dass es Ihnen gut geht und sie sich wohl fühlen. Das ist sehr wohl Ihre Verantwortung. Das ist die Verantwortung, die für alle Menschen gleich ist, egal, was sie erlebt oder auch nicht erlebt haben. Es ist ungerecht, dass Sie Gewalt erlebt haben. Hat der Staat Sie geschützt? Nein. Er hat versagt. Gibt er Ihnen jetzt die Unterstützung, die Sie bräuchten? Sehr wahrscheinlich nicht. Sind alle Menschen Spinnen? Nein, ganz sicher nicht. Ihre Lebenserfahrungen und die Schlüsse, die sie daraus gezogen haben, kann Ihnen niemand abnehmen. Sie dürfen so leben wie Sie wollen. So wie alle anderen auch. Haben Sie es schwerer als viele anderen? Wahrscheinlich. Können Sie das ändern? Das kann ich natürlich nicht sagen, weil wir uns nicht kennen. Aber als erfahrene Traumatherapeutin habe ich schon viel Wunder gesehen. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass Sie gesund werden können. Also alles lernen können, um die überwiegende Zeit zufrieden mit ihrem Leben und frei von Angst zu sein. Ist das leicht? Nein, im Gegenteil.

Aber nur Sie können diesen beschwerlichen Weg gehen.

Suchen Sie sich wohlmeinende Menschen, die mit Ihnen gehen. Davon gibt es mehr als man oft so denkt. Das wünsche ich Ihnen sehr.

Natürlich hoffe ich, dass meine Zeilen auch einen ganz kleinen Beitrag dazu leisten, dass Sie besser verstehen, was es manchmal so schwer macht. Vieles hat mit Sprache zu tun und mit gegenseitigem Interesse und fehlendem Wissen. Aber Sprache kann man lernen, Wissen auch. Und Interesse kann man dem anderem ja auch als Betroffene entgegenbringen und wer weiß, was dann passiert?

Deswegen wünsche ich Ihnen den übernatürlichen Mut, immer wieder neu Menschen kennenzulernen und die Suche nach geeigneten Weggefährtinnen jeden Tag wieder hoffnungsvoll anzugehen. Dazu übermenschliche Kraft und eine gesunde Portion schwarzen Humor.

Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Leserfrage: Warum ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eine Krankheit, obwohl es immer heißt, es sei eine normale Reaktion auf eine abnormale Situation? (Teil 3)

08.04.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

In Teil 1 und 2 dieser Reihe habe ich festgestellt, dass die Begriffe „normal“ und „falsch“ ungeeignet sind, um psychologische Prozesse oder Zustände zu beschreiben. Der Begriff „psychische Krankheit“ wurde gegen den Begriff „psychische Störung“ ausgestauscht. Ich erklärt, warum ich eher sage, dass Belastungsreaktionen in der Belastungssituation gesunde Reaktionen und gesunde Verhaltensweisen sind.

Sie, liebe Leserin schreiben dann weiter:

Die Entwicklung einer PTBS infolge eines A-Kriterium-Erlebnisses wird immer noch als Anzeichen für einen Makel oder Defekt des Betroffenen angesehen. Wie soll ich denn davon geheilt werden zu wissen, dass es Menschen gibt, die andere Menschen so tiefgreifend verletzen, misshandeln, vergewaltigen und so weiter?

In meinen Augen geht es nicht darum, sich von Wissen zu heilen. Sondern wir wollen unsere Denk- und Verhaltensmöglichkeiten so erweitern, dass wir für möglichst viele Situationen gesunde Reaktionsmöglichkeiten haben. Das ist selbst nach jahrelangen Gewalterfahrungen möglich.

Ich sehe Traumabeschwerden nicht als Makel oder Defekt.

Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die psychische Beschwerden ebenfalls nicht so betrachten. Auf der anderen Seite gibt es weiterhin viel Unwissen über psychische Beschwerden oder darüber, was in einer Psychotherapie passiert. In der Regel ist es die Unwissenheit, die Menschen verunsichert. Und aus der Verunsicherung heraus werden dann solche dummen Worte verwendet.

Das wiederum bedeutet nur, dass Sie als Betroffene und ich als Psychotherapeutin noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten haben. Deswegen habe ich mich so über Ihre Mail gefreut, weil Sie mir damit die Möglichkeit zu einem weiteren aufklärenden Artikel gegeben haben. Danke dafür.

Ich verstehe nicht, warum man meine Reaktionen auf A-Kriterium-Ereignisse überhaupt als Krankheit, als Defekt, als Störung, als Makel ansieht, von dem man geheilt werden müsste, so, wie man von einem gebrochenen Bein geheilt werden müsste.

Also, ganz ehrlich, Menschen, die eine PTBS oder deren Symptome wörtlich als Makel oder Defekt bezeichnen, sollten Sie aus Ihrem Leben streichen. Das sind Menschen, die keine Ahnung haben und Ihnen nicht guttun. Also fernhalten.

Sie haben die Wahl

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie wie jeder andere an unserer Gesellschaft teilhaben können, dann gibt es keinen Grund für Heilung oder Behandlung. Wenn es Ihnen oft schlecht geht oder Sie oft Angst haben, dann können Sie, wenn Sie wollen, in einer Psychotherapie lernen, weniger Angst zu haben und sich öfter gut zu fühlen. Oder Sie sind damit zufrieden, sich schlecht zu fühlen. Auch okay. Ihr Leben, Ihre Entscheidung.

Allerdings ist es in der Regel so, dass Menschen mit einem gebrochenen Bein von allein zum Arzt gehen. Während wir das bei psychischen Problemen ganz häufig nicht oder erst sehr spät tun. Einfach weil der Schmerz vom gebrochenen Bein so klar und gesellschaftlich anerkannt ist, dass die allermeisten Menschen zu einem Arzt gehen. Seelischer Schmerz, ständige Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht erkennen wir nicht als Anzeichen von etwas, das Heilung oder Behandlung bräuchte. Deswegen geht das oft schief. Ist so ein gesellschaftliches Ding, das weitere Aufklärung benötigt.

Die Bezeichnung meiner Reaktionen als krankhaft und damit auch die Bezeichnung meiner aus den Ereignissen gezogenen Lebenserfahrungen und Schutzmaßnahmen als Ausfluss von Unvernunft und Krankheit zu verstehen, das verstehe ich ebenfalls nicht. Es erscheint mir umso mehr unlogischer, wenn Sie doch schreiben, dass das Gehirn damit eigentlich genau den Job macht, den es machen sollte. Es erkennt eine Gefahr und zieht daraus eine Lernerfahrung.

Also wenn Sie jemandem begegnet sind, der das so sagt und sieht, dann empfehle ich Ihnen nochmal: halten Sie sich von diesem Menschen fern.

Für mich ist die Frage, ob Ihre Schutzmaßnahmen zielführend sind und ob es zusätzliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen gibt, die Sie lernen wollen, um sich noch freier und sicherer zu fühlen.

Das Gehirn hat in der Bedrohungssituation einen guten Job gemacht, weil Sie noch leben.

Allerdings gibt es ein paar biologische Mechanismen die in Kombination mit unserer komplexen Welt heute, nicht mehr so gut zusammenspielen wie zu Säbelzahntigerzeiten. Deswegen haben wir heute Traumareaktionen. Zu Säbelzahntigerzeiten gab es das in dieser Form wie heute nicht. Da bin ich sehr von überzeugt.

Wichtig ist, das Gehirn tut IN der Bedrohungssituation immer noch einen guten Job. Die Überlebensreaktion funktioniert noch sehr gut. ABER das Gehirn macht für heutige Verhältnisse einen gravierenden Denkfehler. Deswegen entstehen dann die Traumareaktionen NACH der Bedrohungssituation.

Wenn ich einen Verkehrsunfall mit einem roten Auto habe, dann kann es sein, dass das Gehirn hinterher glaubt, ALLE roten Autos sind gefährlich. Das stimmt ja aber nicht.

Ich nenn das den Einmal-Immer-Fluch.

Das Gehirn verallgemeinert. Zu unserem Nachteil. Noch schwieriger wird es bei zwischenmenschlicher Gewalt, wenn sie früh im Leben geschieht. Dann kann der Einmal-Immer-Fluch zu der Überzeugung führen, dass ALLE Männer (Wahlweise Frauen) gefährlich sind. Das stimmt bezogen auf alle Männer in diesem Land oder auf der Welt ganz sicher nicht. Aber natürlich kann es für die Welt stimmen, in der ein Kind lebt. Deswegen ist die Schlussfolgerung aus der Gewalterfahrung für das Kind korrekt und gesund. Für den später erwachsenen Menschen stimmt es dann nicht mehr. Da führen diese Überzeugungen dann immer wieder zu Konflikten oder Ängsten, was ungesund ist.

Wenn ich von einer Spinne gebissen wurde und deswegen fast mein Leben verloren hätte, ist es doch keine krankhafte Reaktion, fortan Spinnen zu meiden oder zumindest gehörigen Abstand von ihnen zu halten. Vor allem, wenn ich weiß, dass ich in einer Welt voller Spinnen lebe und Spinnen eben einfach nicht kontrollieren kann. Spinnen können schneller laufen als ich. Selbst, wenn ich fliehen würde, hätte ich keine Chance.

Also wenn ich das Beispiel jetzt mal wörtlich nehme, dann ist es zwar nachvollziehbar, dass man eine Angst vor Spinnen entwickelt und sie in Zukunft vermeidet – was ja richtig viele Menschen tun und das bezeichnet man dann unter Umständen sogar als Spinnenangst, also Spinnenphobie.

Aber selbst wenn es viele Spinnen gibt, und so viele gibt es dann eben doch nicht. Also wenn ich jetzt durch meine Wohnung gehen würde, würde ich wahrscheinlich mit viel Suchen ein oder zwei finden. Im Winter finde ich draußen gar keine und im Sommer sehe ich sie auch nur, wenn ich früh unterwegs bin und genau hinschaue. Also zumindest bei mir hier in der Stadt sind Spinnen eher unsichtbar. Dann sind die Spinnen, die wir hier haben, in der Regel nicht giftig und wenn dann nur ganz wenig giftig. Aber nicht lebensbedrohlich. Spinnen können sicher nicht schneller laufen als ich, auch wenn sie sehr schnell sind.

Mir ist klar, dass Sie das Wort Spinne als Bild für Tätern verwenden. Deswegen schreiben Sie weiter:

Denn seien wir ehrlich, im Endeffekt ist man als Kind eine Ameise in der Umgebung von Spinnen. Als Frau ist man eine Ameise gegenüber der physischen Überlegenheit von Männern. Als Mensch mit psychiatrischer Diagnose ist man eine Ameise in der Gegenwart von übermächtigen Spinnen mit allen Machtbefugnissen, die man sich so vorstellen kann und niemand, nicht einmal die Justiz stellt sich dieser Übermacht der Tyrannosarurus Rex-Spinnen auch nur ansatzweise entgegen.

Natürlich sind nicht alle Spinnen so, aber die Gefahren sind doch nun mal da. Und wenn man eine Kostprobe von jeder einzelnen dieser Gefahren bekommen hat, immer wieder von Spinnen gebissen wurde, egal, wie vorsichtig man von Mal zu Mal wurde, warum soll man dann nicht große Skepsis entwickeln? Spinnen möglichst aus dem Weg gehen? Es ist doch klar, dass jemand, der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat, weniger skeptisch ist. Die Skepsis ist doch dann aber kein Makel im Betroffenen, sondern schlicht und ergreifend eine Folge seiner Lebenserfahrungen. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass die anderen krank sind, die trotz dieser Lebenserfahrungen weitermachen wie bisher, oder nicht?!

Ich stimme Ihnen zu, dass Sie als Kind keine Chance haben gegenüber Erwachsenen und dass unsere Gesellschaft Kinder nicht ausreichend schützt.

Was die körperliche Überlegenheit von Männern angeht, bin ich schon nicht mehr ganz Ihrer Meinung. Zuerst muss es einem Mann gelingen, mich zu fassen zu bekommen. Das heißt, ich kann aufmerksam sein, mich vorbereiten und fernhalten. Ich kann auch lernen, mich gegen einen Angriff zu verteidigen. Freunde von mir haben eine erstklassige und sehr einfache Technik entwickelt, mit der man sich Zeit zur Flucht verschaffen kann. Ja, wenn ein Mann mich in einem Raum alleine hat und zu packen bekommt, habe ich schlechte Möglichkeiten. Aber dazu muss es ja erstmal kommen. Ich habe sehr viele Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das gar nicht erst geschieht.

Das Erleben von Ohnmacht angesichts von im besten Fall unwissenden, schlecht oder gar nicht weitergebildeten Ärzten und Gutachtern kann einem die Haare weiß werden lassen. An der Stelle bin ich wieder voll bei Ihnen. Ja, unser Sozial- und Rechtssystem, bzw. die Menschen, die es vertreten, kennen sich nach wie vor sehr schlecht mit Traumareaktionen aus. Entsprechend schlecht sind die gefällten Entscheidungen, die dann meist zum Nachteil von Betroffenen ausfallen. Das ist schlimm und das ist ein weiterer Grund, warum ich meine Fortbildungen anbiete und schreibe.

Ich gebe Ihnen auch Recht, dass Sie diesen „Spinnen“-Menschen aus dem Weg gehen sollten. Suchen Sie weiter nach wohlmeinenden Menschen. Die gibt es auch. Es gibt gebildete Gutachter und auch wissende Mitarbeitende in Behörden. Entscheidend ist, nicht aufzugeben. Das ist es, was die anderen tun. Die geben nicht auf. Und das finde ich sehr gesund.

Im letzten Teil dieser Antwort soll es um die Schuld gehen, Menschen, die uns nicht guttun, Hoffnung und die Entscheidung, gesund sein bleiben oder zu werden.

In diesem Sinne bleiben Sie gesund und hoffnungsvoll, Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Leserfrage: Warum ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eine Krankheit, obwohl es immer heißt, es sei eine normale Reaktion auf eine abnormale Situation? (Teil 2)

01.04.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Im ersten Teil ging es darum, dass „normal“ kein geeigentes Wort ist, um über die PTBS zu sprechen. Stattdessen sollten wir vielleicht genauer sagen, eine PTBS entsteht aus einer gesunden Reaktion auf eine bedrohliche Situation. Psychische Störungen werden als Störung und nicht mehr als Krankheit bezeichnet, weil wir davon ausgehen, dass überlebensnotwendige psychische Prozesse nicht gesud ausgeführt werden können, also gestört sind. Ein Beispiel war die Ursachenzuschreibung.

Es gibt viele verschiedene psychische Funktionen, die durch Lebenserfahrungen auf eine ungesunde Weise verändert werden.

Die Ursachenzuschreibung ist nur einer von vielen psychischen Prozessen, die mit der Wahrnehmung und Interpretation von Reizen zu tun haben. Wie wir lernen oder Entscheidungen treffen oder Gefühle steuern gehören auch zu diesen wichtigen Funktionen unseres Gehirns. Es gibt viele psychische Prozesse, mit denen wir auf unsere Umwelt reagieren. Wenn Prozesse „gestört“ ablaufen, dann ging es in der Vergangenheit des betroffenen Menschen meistens ums Überleben, körperlich und/oder psychisch.

Solange es uns mit unserer Reizverarbeitung gut geht, bezeichnen wir das „offiziell“ als gesund. Wenn es jemandem damit schlecht geht, dann fühlt er oder sie sich „krank“ oder „gestört“. Damit wir ihn oder sie behandeln dürfen, müssen wir eine Diagnose stellen.

Das heißt, die Vorstellung, dass ein Zustand gestört ist, hat damit zu tun, dass jemand darunter leidet, wie er mit den Anforderungen des Lebens umgeht. Er oder sie nimmt selbst einen Unterschied zwischen sich und anderen Menschen wahr und fühlt sich schlecht damit. Entscheidend dafür, dass wir etwas als Störung (früher Krankheit) bezeichnen, ist also bei der PTBS und den meisten anderen psychischen Störungen das subjektiv empfundene Leid.

Worte sind oft nicht sehr eindeutig

Dazu kommt, dass Sprache leider oft nicht so eindeutig ist, wie wir das gerne hätten.

Neulich erzählte mir jemand, dass ihr Hausarzt sagte: „Sie sind nicht geimpft.“ Obwohl die Person zwei Impfungen hatte, nur die Auffrischung halt noch nicht. Was ist jetzt richtig? Ist sie nun geimpft? Sie selbst empfand sich als geimpft. Oder ist sie nicht geimpft? Das war das Empfinden des Arztes. Wer hat nun Recht? Und ist das wichtig?

Richtig wird es in meinen Augen dann, wenn beide daran interessiert sind, sich gegenseitig zu verstehen, und sich darum bemühen, die Bedeutung von Worten im Zweifel gemeinsam festzulegen. Sprache ist nicht eindeutig, auch wenn wir das gerne hätten. Aber da tut sich thematisch ein ganzes Universum auf. Deswegen gehe ich mal zurück zu Ihren Fragen. Falls sie sich dafür interessieren, können Sie hier weiterlesen:

Was ist denn falsch an uns oder unserer PTB-Reaktion?

Falsch“ ist für mich an dieser Stelle kein geeigneter Begriff.

Es ist nichts an Ihnen oder anderen Betroffenen falsch. Auch an der PTBS und ihren Symptomen ist nicht falsch.

Falsch setzt voraus, dass es ein eindeutiges Kriterium gibt. Was psychische Prozesse angeht wüsste ich nicht, was das sein sollte. Wir können sagen, dass ein Verhalten oder Gedanke gesund sind, wenn sie die Funktion erfüllen, für die sie gedacht sind. Also ist es gesund, wegzulaufen, wenn man sich bedroht fühlt. Oder es ist gesund, sich zu wehren, wenn man angegriffen wird und geeignete Möglichkeiten hat, sich zu wehren. Gesunde Verhaltensweisen helfen uns Probleme zu lösen, für Sicherheit zu sorgen und die Herausforderungen im Leben so zu bewältigen, dass es uns damit gut geht.

Ungesunde Verhaltensweisen bewirken, dass es uns schlecht geht. Das ist keine Definition für ein bestimmtes Verhalten. Also „Weglaufen“ ist nicht gesund oder ungesund, sondern in manchen Situationen ist weglaufen eine gesunde Reaktion, weil es uns zum Beispiel das Leben rettet. In einer anderen Situation ist es ein ungesundes Verhalten, weil es verhindert, dass man einen wichtigen Konflikt löst. Das macht einen auf Dauer unglücklich. Was also gesund oder ungesund ist, hängt eher von der Situation ab und beschreibt nicht ein bestimmtes Verhalten.

Deswegen sind Belastungsreaktionen in der Belastungssituation gesunde Reaktionen und gesunde Verhaltensweisen.

In einer anderen Situation sind sie nicht unbedingt gesund.

Während einer Vergewaltigung ist eine Dissoziation eine gesunde Reaktion, die dazu beiträgt, dass man so etwas überleben kann. An der Supermarktkasse ist dissoziatives Erleben eher hinderlich und damit ungesund. Wenn ich einem Täter auf offener Straße begegne, kann eine Dissoziation verhindern, dass ich für meine Sicherheit sorgen kann. An der Stelle wäre die Dissoziation ungesund in meinen Augen. Dabei rede ich jetzt nur vom erwachsenen Menschen, nicht von Kindern.

Und wovon soll der Betroffene geheilt werden? Gibt es bei einer PTBS überhaupt Heilung?

Ja, es gibt Heilung. Heilung bedeutet in diesem Zusammenhang: alles zu lernen, was notwendig ist, um sich wieder oder zum ersten Mal im Leben die meiste Zeit gut und frei zu fühlen. Dazu gehört für mich auch, liebevolle Beziehungen zu führen und Konflikte zu lösen. Wer heil ist, kann einer Arbeit oder Aufgabe nachgehen, die ihm oder ihr Freude bereitet und mit der man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Hobbys zu haben und seinen Alltag ohne Angst bewältigen zu können, gehören für mich ebenfalls zu einem gesunden Leben. Heil sein, bedeutet sich gesund zu fühlen.

Ob die PTBS tatsächlich ein Makel oder Defekt von Betroffenen ist, darum wird es nächste Woche gehen.

Bis dahin wünsche ich Ihnen wie immer viel Kraft, Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und die Maskenpflicht: Eine Leserinnenerfahrung (Teil 3)

21.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

In Teil 1 und 2 ging es um die Auswirkungen von Masken auf komplex traumatisierte Menschen, sowie die Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Worten und anderen Reizen.

Mit welchen Schwierigkeiten Betroffen sonst noch im Alltag zurecht komemn müssen, zeigt der folgende Abschnitt.

Die Einschränkungen von komplex traumatisierten Menschen

Ich habe mich jetzt zwei Jahre massiv eingeschränkt und kann wegen meine Traumabeschwerden kaum noch arbeiten, denn als freiberufliche Beraterin müsste ich raus zu den Kunden. Bis auf einen kleinen Obstladen, wo ich mich komplett geoutet habe mit meiner Symptomatik und wo ich mit der Verkäuferin meistens allein bin, war ich seit April 2020 nicht mehr einkaufen. Das war alles ok für mich. Wir haben Pandemie. Was für mich nicht ok ist, dass mir trotz Inzidenzen im unteren einstelligem Bereich Gruppentherapie wegen der Masken verschlossen blieben, die für mich hinsichtlich der Erhaltung meiner Erwerbsfähigkeit wichtig sind. Es gibt Tests und viele, inkl. meiner Person, sind geimpft. Zeitgleich öffnen Diskotheken & Co. ohne Maske und Menschen reisen in alle möglichen Länder, aber Gruppentherapie gibts nur mit Maske …

Ich musste ein gutes halbes Jahr um einen halben Satz in der Corona-Schutzverordnung kämpfen, damit Menschen im Kontakt mit Menschen wie mir die Maske absetzen können, ohne dass horrende Strafen drohen. Dabei ging es nicht um Spaß, nicht mal um ganz normale Alltagsbesorgungen wie z.B. Frisör oder Einkaufen, nein, es ging um notwendige behördliche und therapeutische Leistungen oder Versorgung mit Hilfsmitteln, z.B. beim Optiker. Ausnahmen wurden z.B. für sehbehinderte Menschen in der Kommunikation problemlos erlaubt, aber unsereins fiel wieder hinten runter… keine Lobby… leider. Es ist ja „nur“ psychisch. Wir alle bilden uns das nur ein und … Masken sind ein „mildes Mittel“… und wir müssen nur üben.

Ich kann es nicht mehr hören! Ich übernehme für mich im Rahmen meiner Möglichkeiten Verantwortung, aber die (oftmals wegschauende) Bevölkerung, die Institutionen, die Politik … stehen genauso in der Verantwortung und sei es heute nur, auch uns gegenüber tolerant zu sein. Von mir wird ja auch Toleranz erwartet. Ich muss mich ohne Maske fast komplett einschränke mit aller gesundheitlichen und wirtschaftlichen Konsequenz. Gleichzeitig soll ich Menschen nicht anfeinden, die bei strahlendem Sonnenschein im Wald in 3 Metern Abstand mit FFP2-Maske an mir vorbei gehen, obwohl sie mich triggern (und Masken in diesem Umfeld mehr als unnötig sind, was kaum wer hinterfragt…).

Ich will nur nochmal deutlich sagen, dass für viele Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen die Situation seit den letzten eineinhalb Jahren einem Trigger-Minenfeld gleicht, was mal nicht soeben nebenher mit ein bisschen Üben entschärft werden kann. Vor allem nicht mit teilweise eingeschränkten Therapien. Wobei die körperlichen Distanzregeln wiederum bei unsereins teilweise sehr positiv empfunden wurden.

Ich wünsche mir zu derartigen Themen einen etwas differenzierteren und sensibleren öffentlichen Umgang besonders von Fachpersonen. Das würde vielleicht auch zu mehr Akzeptanz und Entstigmatisierung unsereins in der Umwelt beitragen.

Vielen Dank.

Liebe Leserin,

ich bin mir sicher, dass weder ich, noch viele andere therapeutisch arbeitende Menschen auf die Idee kommen, dass es für Sie und alle anderen Menschen mit DIS oder kPTBS „leicht“ wäre oder „mit ein bisschen Üben“ getan ist.

Meine Erfahrung entspricht da Ihrer, dass es zu wenig allgemeines Wissen über die Schwierigkeiten gibt, mit denen Sie tagtäglich ringen, obwohl Sie nichts dafür können, wie man Sie behandelt hat und welchen Weg Ihr Gehirn gegangen ist, um Sie zu schützen. Denn das sind die Symptome, das Ergebnis von Schutzmechanismen. Diese Schutzmechanismen sind nicht krank, sondern gesund – natürlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen: Einem Leben mit vielen Gewalterfahrungen, die schon früh im Leben überlebt werden müssen. Wie das Gehirn zu diesem Zeitpunkt, das Problem „Gewalt“ löst, darauf haben Sie als Betroffene keinen Einfluss. Ich empfinde diese Lösungsmechanismen, einschließlich dissoziativer Überlebensstrategien zu diesem Zeitpunkt als gesunde Reaktion auf eine sehr ungesunde Lebenssituation. Das passiert einfach.

Später im Leben, oft erst dann, wenn sich die äußeren Umstände vielleicht nicht vollständig aber zumindest teilweise geändert haben, kann man merken, dass „etwas“ nicht stimmt. Einfach, weil man andere Menschen sieht und die Reaktionen von anderen mitbekommt. Irgendwann geht es einem so schlecht, dass man trotz aller Angst, trotz aller Beschwerden und Dissoziationen Hilfe sucht. Das ist gut und mutig.

Ich habe es im ersten Teil dieses Artikels geschrieben: Ein Blogartikel kann niemals eine Therapie ersetzen und jede Technik, jeder Vorschlag wird für manche funktionieren und für andere nicht. Deswegen sucht man sich eine kompetente Therapeutin und findet gemeinsam mit ihr heraus, welche Techniken, welcher Heilungsweg für Sie als einzigartigen Mensch hilfreich sind.

Aber sollte ich deswegen gar nicht schreiben? Weil es hundertprozentig sicher ist, dass es viele Leserinnen gibt, denen es ähnlich wie Ihnen geht? Weil ich davon ausgehen muss, dass es Menschen gibt, für die ein Artikel nicht hilfreich oder sogar belastend ist? Sollten deswegen die anderen, für die der Tipp oder eine Erklärung hilfreich ist, deswegen darauf verzichten müssen?

Ich kann nicht vorhersagen, wer wie auf meine Worte reagiert oder was der einzelne Leser oder die einzelne Leserin mit meinen Worten in ihrem Kopf macht. Ich bemühe mich nach bestem Wissen und Gewissen um eindeutige, klare und wertschätzende Worte und Erklärungen.

Es kann weder in Ihrem Interesse sein, noch ist es meins, nicht zu schreiben, weil der eine oder andere meine Worte missversteht. Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um Missverständnisse handelt, die wir so wie Sie und ich es gerade versuchen, klären können. Wenn ich von Missverständnis reden, dann meine ich nicht automatisch, dass SIE mich missverstehen. Genauso gut kann es sein, dass ICH mich missverständlich ausdrücke. An einem Missverständnis sind immer beide beteiligt, Sprecher und Zuhörer, Autorin und Leserin. Solange beide an der Klärung interessiert sind, ist die auch möglich.

Ich glaube, erst wenn wir es großflächig so wie Sie und ich hier machen, wird sich etwas ändern. Wenn Sie und ich im Gespräch bleiben, in gegenseitiger Wertschätzung, so wie wir es tun, dann kann sich daraus Öffentlichkeit entwickeln und damit Aufklärung und damit Veränderung. Deswegen habe ich große Teile Ihrer Mail an mich hier veröffentlich, damit interessierte Menschen sich informieren und Verständnis für Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen entwickeln können. Wenn dabei für den einen oder anderen Betroffenen noch eine hilfreiche Technik mit herausspringt, dann macht mich das glücklich.

Deswegen nochmal, ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht und den Mut aufgebracht haben, mir zu schreiben.

Ich wünsche Ihnen Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich schicke meine Antworten in den meisten Fällen zuerst an meine Leserin oder Leser, damit sie einen letzten Blick auf meine Antwort werfen können, bevor ich sie veröffentliche.

An dieser Stelle möchte ich mich einmal bei allen entschuldigen, die allen Mut zusammengenommen haben, um mir zu schreiben und deren Anfragen ich bisher nicht beantworten konnte oder gar nicht beantworten werde, einfach, weil ich im Alltag nicht immer ausreichend Zeit dafür finde. Ich lese alle Anfragen und bin sehr dankbar für jede einzelne Mail. Ich würde gerne mehr schreiben. Aber leider lässt sich damit kein Geld verdienen. Deshalb wähle ich aus.

Um so mehr freut es mich, wenn ich dann auf meine Vorab-Versendung eine Reaktion wie folgende bekomme:

Liebe Frau Rösch,

ich hoffe, dass es Ihnen den Umständen entsprechend gut geht. Ganz herzlichen Dank für ihre ausführliche Antwort. Ich hatte ehrlich gesagt gar nicht mehr damit gerechnet. (Rösch: Ich bekam die Mail vor über 7 Monaten).

Ich muss sagen, dass ich sehr glücklich darüber bin, dass Sie diesen Artikel veröffentlichen. Ja, es ist wichtig, gesehen zu werden, aber um gesehen werden zu können, müssen wir uns sichtbar machen, …als die, die wir sind. Das ist ungemein schwierig. Auf diesem Weg bin ich nicht nur auf Verständnis , sondern auch auf sehr viel Unverständnis, Abwertung und Ignoranz gestoßen… teils unter Gleichgesinnten, die selbst den Mut nicht aufbringen, unter Mitpatienten, unter Ärzten, Ämtern, Behörden, Regierung, Arbeitskollegen…  Das hat mich oft sehr wütend und hilflos zurückgelassen und vor allem allein. Ich habe während der Pandemie manchmal neidig auf Verbände geschaut, die sich überregional für ihre Menschen stark machten und habe das für unsereins irgendwie vermisst oder es ist an mir vorbeigegangen.

Sie schrieben, dass ich in der glücklichen Lage bin, eine Therapeutin zu haben…

Ich bin sogar so froh darüber, dass ich vor einiger Zeit beschlossen hatte (nach dem aussichtslosen Kampf mit gewissen SV-Trägern), den halbwegs sicheren Hafen einer Festanstellung zu verlassen und mich selbständig zu machen. Mit einem „normalen“ Job hätte ich diese Möglichkeit gar nicht, da die verschiedenen Therapien im Rahmen der ambulanten Versorgung in der Ambulanz einer kleineren Klinik auf dem Land zwischen 8:00 Uhr und 16:00 Uhr stattfinden – mit Festanstellung in meinem Beruf … keine Chance.

Auch diese Antwort zeigt uns, auf welche Hindernisse Betroffene in ihrem Alltag stoßen, die uns als „Gesunde“ gar nicht bewusst sind. Selbst wenn jemand gesund werden und ein produktives Mitglied unser aller Gemeinschaft sein oder werden will, werden diesem Menschen Hürden in den Weg gelegt. Dabei könnten wir ihr auch alle gewünschten und notwendigen Hilfen an die Hand zu geben, um möglichst schnell ein gesundes, freies und für die Gemeinschaft gewinnbringendes Leben genießen zu können.

Ich hoffe sehr, dass es uns als Gesellschaft gelingt, Betroffenen mit mehr Liebe und Unterstützung zu begegnen anstatt mit dem Unglauben an Heilung und dem gierigen Blick auf Geld, ohne die gesellschaftlichen Kosten und das menschliche Leid zu berücksichten.

Ich danke allen Menschen, die den Mut aufbringen, mit ihren Mails an mich, ihre Stimme zu erheben. Danke dass Sie auf diese Missstände aufmerksam machen und mir die Gelegenheit geben, mein Wissen und meine Erfahurngen mit Ihnen zu teilen. Herzliche Dank dafür und – viel Kraft für Ihren Weg, Ihre Stefanie Rösch

Trauma-Informations-Zentrum

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und die Maskenpflicht: Eine Leserinnenerfahrung (Teil 2)

18.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Im ersten Teil haben wir festgestellt, dass Masken für komplex traumatisierte Menschen eine riesige Herausforderung und häufige Trigger sind. Dazu tragen Täter genauso Masken wie alle anderen, so dass man sie dann schlecht erkennen kann. Auf der anderen Seite gilt das Abstandsgebot für alle gleich. Das bedeutet, dass man alle Menchen auf einen sicheren Abstand halten darf. Auch Täter. Es ist nicht mehr nötig zu unterscheiden.

Die Leserin schreibt weiter:

Das Problem sind die Dissoziationen und der Schlag ins Gesicht

Mit komplexen Traumaerfahrungen ist es natürlich deutlich schwerer bis nahezu unmöglich, einem maskierten Umfeld einen „Vertrauensvorschuss“ zu geben. Panik in solchen Situationen wären mein geringeres Problem. Das Problem sind die Dissoziationen. Ja, ich bin an den Triggern schon lange therapeutisch dran und daher klingen Ihre Ausführungen … „Wenn die Ursache Ihrer Angst etwas mit einer Lebenserfahrung zu tun hat, dann wird es mit dieser Technik besser werden.“ … für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin wieder unfähig und schuld, dass es mir nicht besser geht, sagen mir viele innere Stimmen und andere innere Stimmen, welche diese kleinen Kindanteile immer wieder wegen ihrer Unfähigkeit und Angst treten, werden durch solche Aussagen noch bestärkt. Ich müsste nur üben, mehr nicht … Ich bin zu doof dazu … Das heizt das innere Chaos immer wieder neu an. Mein erwachsenes Ich weiß sich davon zum Glück mittlerweile zu distanzieren, denn es hat nicht mit nur „einer Lebenserfahrung“ zu tun. Das kostet jedes Mal wieder viel Energie. Es gab und gibt reale Täter und allein die sind schuld, dass ich jetzt in dieser Situation bin. Meine Verantwortung heute liegt darin, mir Hilfe zu suchen, um die Konsequenzen zu mildern … und solche pauschalen Ratschläge helfen mir persönlich nicht weiter, im Gegenteil.

Selbst- und Weltbild und unser Filter: Interpretation ist der Schlüssel

Sie schildern an dieser Stelle ein so typisches und häufiges Problem, mit dem Betroffene von komplexen Traumafolgen zu ringen haben: Reize (hier Sätze) werden zum eigenen Nachteil ausgelegt.

Da geht es in den meisten Fällen um das Selbst- und das Weltbild. Ich schreibe, „Wenn die Ursache Ihrer Angst etwas mit einer Lebenserfahrung zu tun hat, dann wird es mit dieser Technik besser werden…“ und Ihr Gehirn oder Ihr inneres Team macht daraus: „Ich bin wieder unfähig und selbst schuld, dass es mir nicht besser geht.“

Wenn ich sagen wollte, dass es an der Unfähigkeit des Übenden hängt, würde ich das auch so schreiben: „Und wenn es mit dieser Technik nicht besser wird, dann haben Sie einfach nicht genug geübt.“ Aber so vermessen bin ich nicht.

Ich weiß, dass es so viele Gründe wie Menschen gibt, warum eine bestimmte Strategie nicht funktioniert. Ich gehe immer davon aus, dass jemand, der bereits Therapie macht, wahnsinnig viel Mut beweist. Vor allem mit einer komplexen Traumafolgestörung. Einfach weil die Auseinandersetzung mit Gewalterinnerungen nichts für feige Menschen ist. Also erstmal Hut ab, dass Sie diesen Weg gehen!

Dass der oder die Täter Ihnen eingeredet haben, dass Sie selbst schuld sind oder nicht gut genug sind oder die Gewalt verdient hätten, diese Aussagen bewirken, dass das Hirn oder innere Anteile irgendwann auch ohne Tätereinfluss anfangen, Erfahrungen in diesem Sinn zu interpretieren. Es entsteht ein „Du bist unfähig“-Filter und ein „Du bist zu dumm“-Filter im Gehirn. Wenn also etwas nicht gleich klappt, dann kommt das Hirn schon automatisch zu der Annahme, dass „ich wieder unfähig und selbst schuld bin“.

Dabei wäre eine zutreffendere Erklärung wohl eher: „Das funktioniert bei mir so nicht, weil ich nicht nur eine Gewalterfahrung gemacht habe, sondern viele. Es funktioniert so nicht, weil ich dissoziiere und gar nicht so üben kann. Es funktioniert schlicht und ergreifend deswegen nicht, weil diese Strategie für mich nicht geeignet ist.“ Alle diese Interpretationen wären in meinem Empfinden zutreffender und hilfreicher. ABER traumatische Erfahrungen über einen längeren Zeitpunkt bewirken, dass eine Äußerung wie „es wird besser werden, wenn sie üben“ als Schlag ins Gesicht wahrgenommen wird, wenn eine Technik nicht funktioniert.

Im Grunde ist diese Interpretation „Es liegt an mir“ der verzweifelte Versuch des Gehirns oder der inneren Anteile, die Vorstellung von Beeinflussbarkeit im Leben aufrecht zu erhalten.

Das ist so wie mit Schuldgefühlen, die in meinen Augen auch zu nichts nutze sind, außer sich selbst die Illusion aufrecht zu erhalten, man hätte Einfluss auf Erfahrungen, denen man ohnmächtig ausgeliefert ist. Unser Gehirn macht das, weil wir Menschen Ohnmacht so unerträglich finden. Wir benötigen die Vorstellung, Dinge in unserem Alltag beeinflussen zu können. Darüber habe ich mich an verschiedenen Stellen bereits ausgelassen (z.B. Her mit der Ohnmacht: Über den Sinn und Unsinn von Schuldgefühlen oder Leserfrage: Schuldgefühle, Hilflosigkeit und unser beider Trauma)

Die Psycho-Logik unseres Hirns behauptet: „Wenn es an mir liegt, dass die Technik nicht funktioniert, dann bin ich zwar mal wieder unfähig, aber auf der anderen Seite kann ich durchaus andere Dinge beeinflussen.“

Dabei könnte man genauso gut denken: „Die Technik funktioniert nicht für mich, weil ich komplex traumatisiert bin. Ich suche eine andere Möglichkeit mit meinen Beschwerden umzugehen. Ich frag mal meine Therapeutin, was die vorschlägt.“ Mit dieser Interpretation und Reaktion bleiben Sie ganz ohne Selbstabwertung oder Selbstbeschuldigung handlungsfähig.

Das Problem mit dieser zweiten Interpretation ist, dass Sie ihren – von den Tätern oder durch die Gewalterfahrungen – antrainierten Überzeugungen „dass sie unfähig sind“ innerlich widersprechen.

Deswegen ist es genau so wie Sie es sagen, es ist anstrengend, vor allem mit einem inneren Team. Es ist anstrengend, diesen ungünstigen Überzeugungen, diesen negativen Filtern immer wieder bewusst zu widersprechen bis auch das letzte innere Kind davon überzeugt ist und glaubt, dass es wertvoll und sehr wohl fähig ist. Es kostet unendlich viel Kraft, bis alle davon überzeugt sind, dass es an der Technik liegt, die für mich nicht funktioniert, und nicht daran, dass ich unfähig bin, die Technik korrekt auszuführen. Das ist viel Arbeit. Da sind Sie dran. Bravo!

Der abschließende Teil erscheint am Montag.

Bis dahin viel Kraft, Ihre Stefanie Rösch

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und die Maskenpflicht: Eine Leserinnenerfahrung (Teil 1)

14.03.2022 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Liebe Leserin,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung zu meinem Artikel zur Maskenpflicht.

Corona hat uns ja weiterhin fest im Griff und das mit den Masken wird uns wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Mir ist sehr bewusst, dass es viele Menschen gibt, für die Masken aus sehr unterschiedlichen Gründen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensqualität bedeuten. Daher schreibe ich an dieser Stelle einen weiteren Artikel zu diesem Thema anhand Ihrer wichtigen Anmerkungen.

Einen weiteren Kommentar zu diesem Artikel und meine Antwort darauf finden Sie unter dem Titel: Leserfrage: Maskenpflicht ist Maskenzwang! Ihr Beitrag geht an der Realität vorbei. Daran sieht man, wie sehr dieses Thema den Lebensalltag beeinträchtigen kann und für mich immer wieder spannend: Wie werden meine Worte verstanden, bzw. interpretiert.

Ein wichtiger Hinweis zum Titel dieses aktuellen Artikels: Ich habe mich für die kPTBS und die DIS in der Überschrift entschieden, weil ich glaube, dass Ihre Gedanken, liebe Leserin, für beide Gruppen von Betroffenen besonders zutreffend und wichtig sind. Das ist der einzige Grund, warum diese beiden Begriffe im Titel vorkommen. Da geht es um die Findbarkeit dieses Artikels im Internet.

Trauma-Informations-Zentrum

Sehr geehrte Frau Rösch,

erst jetzt bin ich auf Ihren Beitrag zur Maskenpflicht gestoßen. Da uns das Thema mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter begleiten wird, möchte ich meine Erfahrungen hierlassen.

Im Großen und Ganzen stimme ich mit Ihren Ausführungen überein, aber an zwei entscheidenden Punkten ist es bei weitem nicht so „einfach“, wie dargestellt.

Unter bestimmten Umständen rate ich dringend davon ab: „Üben Sie das ein wenig zu Hause, bis es leichter wird.“ Das kann bei Menschen, die zu starken Dissoziationen neigen, fatale Folgen haben. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. In ein paar Situationen habe ich für wenige Minuten ein dünnes Tuch getragen (wo es noch erlaubt war). Wenn es „nur“ Panik wäre, würde und könnte ich mich Schritt um Schritt heranwagen, aber meist ist es nicht nur Panik. Wenn ich den ganz kurzen Moment nicht mitbekomme, der die Dissoziation auslöst, hat es sich für mich für die nächsten Stunden bis Tage erledigt. Und dann wird es wirklich gefährlich! Meine Therapeutin hat mir dringlich von derartigen „Experimenten“ allein abgeraten! Sie selbst arbeitet mit mir aktuell nur in sicherer Umgebung mit Imagination an diesen Triggern.

Ich kann Ihnen nur Recht geben

Natürlich kann es auch andere Reaktionen als Angst auf Masken geben, so wie Sie ihre Reaktion beschreiben. Das ist mir sehr bewusst. Insofern danke für diesen Hinweis und ihre Schilderungen.

Ein Blogartikel kann niemals eine Therapie ersetzen. Bei komplexen Reaktionen wie dissoziativem Erleben wird „ein bisschen Üben“ in der Regel nicht so schnell oder gar nicht zum Ziel führen. Dafür braucht es eine erfahrene Traumatherapeutin wie Ihre, welche diese automatisierten Reaktionen erkennt und Schritt für Schritt mit Ihnen an einer Veränderung arbeitet. Genau so wie Sie es geschildert haben. Da kann ich Sie nur ermutigen, weiter mit ihrer Therapeutin an diesen Reaktionen zu arbeiten. Immerhin sind Sie in der glücklichen Lage, eine Therapeutin zu haben.

Mein Blog kann nur Anregungen und Ideen liefern. Wenn Sie bereits eine Therapie machen, kann mein Blog vielleicht das eine oder andere noch erklären. In der Regel schreiben mir Menschen, deren Fragen bisher nicht beantwortet wurden. Sei es, weil sie keinen Therapieplatz haben, sei es, weil nicht alle Kolleginnen und Kollegen sich mit Traumareaktionen auskennen oder etwas so erklären können, dass Betroffene es nachvollziehen können.

Insofern sehe ich meinen Blog als Antwort auf bisher unbeantwortete Fragen von Betroffenen, Angehörigen und Menschen, die in psychosozialen Berufen arbeiten.

Sie zitieren aus meinem Blog: „Der zuverlässigste Warnreiz ist der Täter selbst. Nur er ist gefährlich. Alle anderen Reize sind in den meisten Fällen keine guten Warnreize, sondern sorgen für all die vielen Fehlalarme, die das Leben so unangenehm machen und weswegen Sie versuchen, diesen Reizen aus dem Weg zu gehen. Was wiederum dazu führt, dass Sie sich nicht frei bewegen können. Indem Sie ihrem Hirn den Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart beibringen, können Sie ihre Freiheit zurückerobern.“ Das ist meine Überzeugung und mein therapeutischer Ansatz.

Und schreiben dann weiter:

… und nun kommt das zweite Problem ins Spiel. Es gibt viele Menschen (auch in meinem Umfeld), mich eingeschlossen, welche die Masken der anderen triggern. Da ist es egal, ob das jetzt irgendwelche Karnevalsmasken, Burkas oder die aktuellen Corona-Masken sind. Ein Argument gilt aktuell immer noch: Viele Täter tragen auch heute noch Masken und eine gewisse Angst und Vorsicht ist da auch heute angebracht. Wenn vor Corona Menschen mit Maske den Laden oder die Bank betreten hätten oder sich mir im Freien mit Maske genähert hätten, wäre das ein sehr deutliches Alarmsignal, was in meinen Augen erstmal Null pathologisch ist.

Der einzige Vorteil von Corona

So ist es. Täter tragen Masken. Auch heute noch. Der einzige Vorteil von Corona an der Stelle ist: Es gilt für alle Menschen ein Abstandsgebot. Insofern dürfen Sie jetzt bei allen Menschen schon frühzeitig sagen: „Halten Sie bitte Abstand, das ist mir zu nah“. Sie brauchen niemanden mehr näher als zwei Armlängen in ihrer Nähe akzeptieren. Da brauchen Sie gar nicht zwischen Tätern und anderen Menschen unterscheiden. Sie können grundsätzlich den Abstand einfordern oder ihn selbst herstellen, indem Sie weggehen. Es gibt keinen gesellschaftlichen Grund mehr, zu viel Nähe ertragen zu müssen. Ein Teil meiner schwertraumatisierten Klienten fand das entlastend. Aber wie immer: das wird sicher nicht für alle so sein. Den Abstand einzufordern kann dabei durchaus eine Herausforderung sein.

Weiter geht es am Freitag.

Bis dahin gute Zeit, Ihre Stefanie Rösch

Lesestoff: Stabilisierung in der Traumabehandlung von Regina Lackner

21.12.2021 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Das spricht mir aus dem Therapeutinnenherz

Trauma-Informations-Zentrum

„Viele haben sich trotz schwerster Traumatisierungen ihren Humor, ihr Mitgefühl für andere, ihre Liebe und ihre Fähigkeit, sich über etwas zu freuen bewahrt“ (S.63)

„Sie alle haben eine enorme Kraft in sich, die sie Unfassbares überleben und meistern ließ und die sie vorangehen und für eine Besserung ihrer Symptome und ihres Lebens kämpfen lässt.“ (S.63)

„Es ist entscheidend unsere Klient*innen mit diesem umfassenden Blick zu sehen und sie sowohl in ihrer Verwundung als auch in ihrer Unversehrtheit und Kraft wahrzunehmen.“ (S.63)

Mit diesen Worten sprich Frau Lackner mir aus dem Herzen.

Das Buch richtet sich an Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen, Ärzt*innen und Angehörige anderer helfender Berufe. So ist es auch geschrieben. Viele Anregungen und Erklärungen für Profis und solche, die lernen wollen. Nicht alle psychologischen Fachbegriffe werden erklärt, trotzdem ist der Text flüssig und gut zu lesen. Auch die anspruchsvollen neurowissenschaftlichen Informationen erklärt Frau Lackner trotz der Komplexität gut und verständlich. Die alltäglichen Vergleiche und der konkrete Praxisbezug machen die Inhalte greifbar und anwendbar.

Nicht jede Übung passt für jeden Menschen, aber die Auswahl der beschriebenen Stabilisierungstechniken ist so umfangreich und vielfältig wie die Menschen, die unsere Hilfe suchen. Frau Lackner möchte Kolleg*innen und die Gesellschaft für dieses Thema sensibilisieren.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert

Teil 1 beinhaltet praxisrelevante Grundlagen, Teil 2 beschreibt die Vielfältigkeit von Stabilisierungstechniken, Teil 3 sind grundlegende Bedingungen für eine gelingende Traumabehandlung, Teil 4 ist der umfangreichste Teil mit Übungen und Interventionen.

Zu jedem Thema wird theoretisches Wissen beschrieben. Es folgt eine praktische Anwendung für die beschriebenen Übungen. Fallbeispiele und deren Analyse machen den Text lebendig und anschaulich.

Besonders gut hat mir die klare Formatierung des Textes gefallen. Beispiele sind vom Rest abgegrenzt. So findet man schnell, was man sucht. Kurze Zusammenfassungen, die in Stichworten die wichtigsten Informationen des letzten Abschnittes wiedergeben, runden die Kapitel ab.

Zum Thema „Suizidgedanken verstehen und verändern“ hätte ich mir ein bisschen mehr spezifische Ideen gewünscht. Der Verweis auf andere Stellen des Buches ist zwar hilfreich, wird der ansonsten sehr umfangreichen Darstellung und Durchdringung anderer Themen bei weitem nicht gerecht.

Alles in allem ein gelungenes Nachschlagewerk für viele therapeutische Situationen mit traumatisierten und komplex traumatisierten Klient:innen. Bravo und vielen Dank, Frau Lackner!

Lea Hellstern mit Stefanie Rösch


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Leserfrage: Wie wirkt sich das Nähe-Distanzverhältnis in der psychosozialen Beratung von Menschen mit einer diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus?

21.08.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Trauma-Informations-Zentrum

Liebe Leserin,

Eine Posttraumatische Belastungsstörung wirkt sich im Leben von Betroffenen an vielen Stellen aus. Lesen Sie dazu meine PTBS-Reihe. Ein Bereich sind Beziehungen und damit der Umgang mit Nähe und Distanz.

Eine PTBS von Klientinnen wirkt sich natürlich auch auf die Arbeit von Mitarbeitenden in psychosozialen Berufen aus. Ein wichtiger Faktor ist die Beziehung und damit das Thema „Nähe und Distanz“. Schauen wir uns das zusammen an.

Nähe und Distanz: Für PTBS-Betroffene

Über Nähe und Distanz drücken wir Respekt aus. Wir drücken Zuneigung darüber aus. Nähe und Distanz sind wichtige Faktoren für unsere Sicherheit. Nur in körperlicher Nähe kann man Gewalt ausüben. Sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt geht nur über Nähe und Anfassen.

Zu viel Nähe empfinden wir als respektlos. Wir fühlen uns bedroht, wenn uns jemand zu nahekommt und wir das nicht wollen.

Zu viel Distanz gibt uns vielleicht das Gefühl von Einsamkeit oder auch von Schutzlosigkeit, von Verlust.

Ganz besonders spielt dieses Thema eine Rolle, wenn PTBS-Betroffene Opfer von menschlicher Gewalt wurden. Im Gegensatz zu Betroffenen von Naturkatastrophen oder Kriegserfahrungen ganz allgemein. Wenn Körperlichkeit eine besondere Rolle bei der Traumatisierung gespielt hat, beispielsweise durch Verletzungen oder traumatische Operationserfahrungen, kann Nähe und Distanz oder Berührung ebenfalls ein schwieriges Thema sein.

Nähe und Distanz: In der Arbeit mit PTBS-Betroffenen

Für Helfer bedeutet es in erster Linie, dass zu viel Nähe Erinnerungsattacken auslösen können. Nähe kann also eine Warnreaktion bewirken. Ich erkläre das gerne mit den Worten: „Das Hirn verwechselt die Situation gerade. Ich bin nicht der Täter oder die Täterin und deswegen wird jetzt nichts passieren. Sie sind sicher.“

Wenn die Erinnerungsattacke schon am Laufen ist, kann man versuchen, Betroffene mit der Hier und Jetzt Übung dabei zu unterstützen, den Flashback zu beenden.

Flashbacks können wir weder in der therapeutischen noch in der beratenden Tätigkeit vollständig verhindern.

Foto von GM Rajib von Pexels

Das ist in meinen Augen auch nicht das Ziel. Betroffene wollen lernen, Flashbacks möglichst schnell wieder zu beenden und dadurch zu erleben, dass sie sehr wohl Kontrolle darüber hat, was das Hirn mit Ihnen macht. Flashbacks hören irgendwann wieder auf. Wie das geht, lernt man in einer Traumatherapie.

Grundsätzlich ist es aber einfach. Wenn wir als Helferinnen einfach fragen, was noch okay ist und was nicht, sind wir auf der sicheren Seite. Wenn wir den Abstand respektieren, den der andere benötigt, sollte es okay sein. Wir können den anderen in der Beratung und in der Therapie viele kleine Dinge entscheiden lassen, zum Beispiel die Sitzposition oder ob unser Gegenüber etwas zu trinken möchte oder nicht.

Eine PTBS beeinträchtig nicht die Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Symptome sind schlimm, aber Betroffene leben in der Regel schon eine Weile damit und haben oft herausgefunden, wie sie Flashbacks vermeiden können oder was ihnen guttut oder nicht. Danach können Sie als Beratende erstmal fragen und das berücksichtigen, um Ihrer Beratungstätigkeit nachzugehen.

Was wenn der oder die Betroffene seinen oder ihren Körper nicht spürt?

Wenn Betroffene eine kPTBS (komplexe Posttraumatiche Belastungsstörung) haben, also komplex traumatisiert sind, dann kann es sein, dass man demjenigen über viele Jahre hinweg abgesprochen hat, selbst zu entscheiden, was noch angenehm ist oder eben auch nicht. Welche Berührungen er oder sie mochte und welche eben nicht. Wenn die Grenzen eines Menschen wieder und wieder ignoriert wurden oder vielleicht sogar mit Gewalt auf den Versuch reagiert wurde, sich zu wehren, dann kann es besonders schwierig sein eine respektvolle Zusammenarbeit herzustellen.

Dann ist es umso wichtiger Abstand zu halten und auf kleinste Anzeichen von Angst und Rückzug zu achten. Ein anderer Anhaltspunkt für einen guten Abstand ist, was wir selbst noch angenehm finden und im Zweifel darauf noch eine Armlänge dazuzurechnen.

Lieber ein wenig mehr Abstand als zu viel Nähe.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit, Ihre Stefanie Rösch

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Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Wie finde ich eine gute Traumatherapeutin?

08.06.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Foto von Francesca Milano von Pexels

Hallo Frau Rösch,
Haben Sie eine Idee, wie man eine gute Traumatherapeutin finden kann, wenn auf den Internetseiten bei den Suchen keine Einträge gefunden werden?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

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Trauma-Informations-Zentrum

Liebe Leserin,

Erstmal die Antwort, die Sie sicher nicht hören wollen: Durch unaufhörliches Suchen und Fragen stellen. Auch eine entsprechende Aussage auf einer Internetseite bedeutet noch nicht, dass diese Therapeutin für Sie geeignet ist. Sie mag kompetent sein und kann trotzdem nicht zu Ihnen passen.

Meine persönliche Meinung dazu ist, dass es auch auf die Chemie ankommt. Sympathie auf beiden Seiten ist eine große Hilfe. Eine Therapie bringt immer wieder Missverständnisse mit sich. Die machen es schwer dran zu bleiben. Es ist unangenehm einen Konflikt anzusprechen und wieder zu klären. Ich fand Sympathie da immer hilfreich, auf beiden Seiten.

Also bleiben Sie dran. Das Internet bietet Ihnen eine Auswahl wie über den PID oder die anderen Suchmöglichkeiten. Aber dann heißt es anrufen und Fragen stellen.

Gesundwerden heißt auch, dass am Ende des Tages nur Sie spüren, ob es langsam, ganz langsam besser wird. Wenn Sie gesund werden wollen, dann wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich selbst zu vertrauen und immer wieder alles auf eine Karte zu setzen und sich immer wieder daran zu erinnern, dass ihre Therapeutin Ihnen wohlgesonnen ist. Auch wenn es manchmal nicht so scheint. Sie wollen gesund werden, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig als die Anstrengung auf sich zu nehmen, die das bedeutet. Aus meiner Erfahrung geht es nicht ohne Anstrengung.

Was macht eine gute Traumatherapeutin in meinen Augen aus?

Foto von Petr Ganaj von Pexels

Eine gute Therapeutin interessiert sich für Sie. Das merken Sie an den Fragen, die sie stellt oder daran, dass sie nachhakt und manchmal sogar nervt.

Sie übernimmt die Verantwortung für das Klären von Konflikten. Sie ist achtsam für Konflikte und spricht sie an. Das enthebt Sie als Klientin nicht der Verantwortung, das auch zu tun.

Eine gute Therapeutin kennt ihre eigenen Verletzungen und sorgt gut für sich. Deswegen müssen Sie sie auch nicht schonen. Sie kann Ihnen sagen, wie sie für sich sorgt. Sie kann Ihnen auch sagen, warum Sie als Klientin keine Belastung für sie sind.

Gerade bei einer DIS finde ich es wichtig, dass wir als Therapeutinnen darauf drängen, dass wir nicht die einzigen Unterstützerinnen sind. Auf der anderen Seite halte ich es für einen Behandlungsfehler, jemanden ohne zusätzliche Helferinnen aus diesem Grund abzulehnen. Gleichzeitig wird eine verantwortungsvolle Therapeutin immer wissen, was Sie leisten kann und was nicht mehr. Sie wird immer zuerst an sich denken, damit Sie gesund bleibt. Sie hat klare Grenzen. Sie ist ehrlich, sich selbst gegenüber aber auch ihren Klientinnen gegenüber. Sie ist zuverlässig und im Idealfall arbeitet sie aus Liebe zu den Menschen in ihrem Beruf.

Sie vermittelt Wissen

Eine gute Traumatherapeutin hilft Ihnen nicht nur mit den psychologischen Folgen von traumatischen Folgen umzugehen, sondern bringt Ihnen bei, wie sie für Ihre Sicherheit sorgen können. Sie ist unerschrocken und kann für ihre eigene Sicherheit sorgen. Sie wird Ihnen beibringen, sich zu wehren. Sie wird nicht weglaufen, sollten Sie noch Täterkontakt haben, sondern Sie dabei unterstützen, keinen Täterkontakt mehr aufzunehmen und sich vom Täter oder den Tätern fernzuhalten. Wenn sie bedroht werden sollte, weiß sie sich zu wehren. Deswegen kann sie Ihnen auch beibringen, wie das geht.

Sie kann Ihnen Ihre Beschwerden erklären, weil sie ein Modell für die Symptome hat. Sie erklärt Ihnen diese Beschwerden so lange, bis Sie selbst zur Expertin für Ihre Störung werden. Ich halte es für wichtig, dass Sie lernen und im besten Fall selbst erklären können, wie Ihre Symptome entstanden sind und auch, was man unter Dissoziation versteht. Eine gute Therapeutin wird Ihre Fragen niemals damit beantworten: Das müssen Sie nicht wissen oder das müssen Sie nicht verstehen. Sie wird immer nach Worten suchen, damit Sie auch komplizierte oder schwierige innere Vorgänge kennen- und verstehen lernen – wenn Sie das wollen.

Eine gute Therapeutin wird Ihnen beibringen, warum sie bestimmte Beschwerden haben, wie Sie mit diesen Beschwerden im Alltag umgehen können und was Sie langfristig tun können, um diese Beschwerden nicht mehr zu haben. Das beste Beispiel sind dissoziative Zustände. Sie kann Ihnen erklären, was eine Dissoziation ist und welche Art von Dissoziation Sie gerade haben. Sie wird Ihnen Möglichkeiten zeigen, kurzfristig mit dem dissoziativen Zustand umzugehen, z.B. durch einen Assistenzhund oder andere Hilfsmittel. Schließlich wird sie Ihnen beibringen, was Sie tun müssen, um irgendwann keine Dissoziation mehr zu benötigen, um mit Ihrer Angst in einer Situation umzugehen.

Eine gute Therapeutin ist achtsam für sprachliche Missverständnisse und wird zusammen mit Ihnen eine Sprache finden, damit Sie sich gegenseitig verstehen. Sie bekommen klare Antworten auf Ihre Fragen, auch wenn Ihnen diese Antworten nicht immer gefallen.

Sie geht in Beziehung zu Ihnen

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Eine gute Therapeutin reagiert emotional auf Sie. Sie ist betroffen, traurig, freut sich mit Ihnen, wenn sie Fortschritte machen. Sie begleitet Sie auf ihrer Reise auf eine ganz menschliche und berührbare Weise. Es wird Zeiten geben, in denen sie das nicht kann, weil auch Therapeutinnen manchmal schwierige Zeiten durchmachen. Das dürfen Sie ansprechen und Ihre Therapeutin wird Ihnen eine verständliche Antwort geben. Dafür muss sie nichts Persönliches preisgeben, wenn sie das nicht möchte. Es muss ja nur nachvollziehbar sein. Es würde ja reichen: „Ich habe gerade eine schwierige Situation in meinem Leben, deswegen wirke ich unkonzentriert. Bitte sagen Sie mir, wenn Sie das wahrnehmen.“ Als Klientin wissen Sie dann, dass es nicht an Ihnen liegt. Das ist wichtig.

Eine gute Therapeutin hat klare Regeln, an die sie sich selbst auch hält. Das betrifft vor allem die Kommunikation. Wann und wie können Sie Ihre Therapeutin erreichen und wann und wie wird sie antworten? Eindeutige Regeln sind wichtig. Am besten macht man das irgendwie schriftlich, zum Beispiel über ein eMail, damit Sie beide immer wieder nachschauen können, wie die aktuellen Regeln sind. Wenn die Regeln sich ändern, dann wird das klar besprochen und ebenfalls schriftlich dokumentiert.

Überhaupt ist Dokumentation bei DIS ganz besonders wichtig. Damit alle in der therapeutischen Arbeit wissen, was los ist, ist eine Form von schriftlicher Dokumentation sehr hilfreich. Ganz besonders betrifft das Absprachen und Vereinbarungen. Einfach damit ALLE im Team immer nachschauen können, was gerade gilt oder was war.

Sie macht Ihnen Mut

Foto von Natalie von Pexels

Eine gute Therapeutin wird Ihnen immer wieder Mut machen. Dabei wird sie Ihnen immer wieder aufzeigen, wo sie Veränderungen und Entwicklung wahrnimmt. Manchmal geht das nur über einen mehrmonatigen Blick in die Vergangenheit. Denn wenn wir es Tag für Tag schwer haben, sehen wir unsere Fortschritte nicht mehr. Erst der Blick ein Jahr in die Vergangenheit zeigt Ihnen, wie weit Sie gekommen sind. Ihre Therapeutin wird Sie dazu ermutigen, diese Verbesserungen immer wieder zu sehen. Das macht Mut.

Eine Therapeutin gibt nicht auf, aber sie kennt auch ihre Grenzen. Auch eine Therapeutin hat das Recht zu sagen: ich kann Sie nicht weiter begleiten. Das bedeutet nicht, dass es keine Hilfe für Sie als Klientin gibt. Es bedeutet nur, dass die Therapeutin der Meinung ist, dass sie Ihnen nicht weiterhelfen kann. Das ist okay. Im besten Fall wird diese Therapeutin Sie dabei unterstützen, eine neue Begleitung zu finden.

Erfahrene oder junge Therapeutin?

Das mal die Punkte, die mir dazu gerade einfallen. Eine Reihe dieser Punkte kann man erfragen. Man kann nach Erfahrung oder nach Behandlungsstrategien fragen. Fehlende Erfahrung muss nicht schlecht sein. Eine junge Therapeutin kann manchmal besser sein als eine erfahrene, weil sie noch neugieriger ist und unvoreingenommen. Je älter wir werden und je mehr Erfahrung wir haben, desto besser und schneller können wir Zusammenhänge erkennen. Gleichzeitig kann man dabei schnell die Einzigartigkeit jedes Menschen aus dem Blick verlieren. Eine junge Therapeutin kann gerade aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung deswegen geeigneter für Sie sein.

Letztendlich entscheiden Sie, mit wem Sie es versuchen wollen. Wichtig ist dabei nur, es immer wieder zu versuchen, auch wenn man zwischendurch mal scheitert, auf Hindernisse trifft oder sich unverstanden fühlt. Auf keinen Fall aufgeben. Wer aufgibt, kann sein Ziel nicht erreichen. Wer weitergeht, auch wenn er Umwege macht, manchmal ein Stück zurückmuss, um irgendwo wieder anzufangen, wird sein Ziel erreichen. Wer geht, kann ankommen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Suche und viel Kraft für Ihren Weg.

Ihre Stefanie Rösch

Leserfrage: Ist Emotionslosigkeit typisch für die Posttraumatische Belastungsstörung?

03.03.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Foto von Melanie Wupperman von Pexels

Guten Tag,
Meine Frau ist von PTBS Betroffene. Auslöser sind Misshandlungen in ihrer Jugend. Wir sind nun seit mehreren Jahren ein Paar. Wir haben gemeinsam so vieles geschafft und überwunden. Es wird für mich immer schwerer, trotz ständiger Bemühungen und Geduld, einen Tag ohne Streitereien zu gestalten.
Ich möchte gerne wissen, ob es für PTBS ein typisches Symptom ist, sich zurückhaltend und emotionslos zu verhalten?! Ich bin mittlerweile verzweifelt. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Lieber Leser,

ja, es ist ein typisches Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), emotional abgeschaltet oder entfernt zu wirken. Es ist typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung, dass Betroffene nicht mehr angemessen emotional auf ihre Mitmenschen reagieren zu können. Allerdings geht das nicht allen PTBS-Betroffenen so.

Das was Sie als zurückhaltend und emotionslos erleben ist sehr wahrscheinlich das, was Sie sehen, wenn Ihre Frau dissoziiert, wie wir das in Psychologinnensprache ausdrücken.

Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.
Foto von Philippe Donn von Pexels / Graphic designed with FotoJet

Dissoziation beschreibt einen Schutzmechanismus von Seele und Gehirn/Körper gegen überwältigende in erster Linie negative Gefühle.

Wenn sich jemand bedroht fühlt, wird er zuerst wütend, solange das Hirn „der Meinung ist“, dass man noch Handlungsmöglichkeiten (Kampfstrategien) hat. Fühlt man sich bedroht, sieht aber keine Handlungsmöglichkeiten mehr, dann sagt einem die Angst: „Nix wie weg hier“. Bleibt man in der als lebensbedrohlich empfundenen Situation gefangen, dann kann aus der Angst Todesangst werden und man erkennt, dass man absolut hilflos ist. Menschen erkennen in solchen Momenten, dass das eigene Überleben von der Situation abhängt oder aber vom Willen ihres Angreifers.

Tritt dazu noch ein Moment ein, in dem die betroffene Person den Eindruck gewinnt, dass Ihr Leben jetzt zu Ende ist (ich nenne das „dem Tod ins Gesicht sehen“), dann sind die Gefühle und Reize so überwältigend, dass das Hirn/Körper und die Seele sich vor dem weiteren Empfinden dieser Todesangst und ggf. auch körperlicher Schmerzen schützen. Was dann passiert, nenne ich Notabschaltung. Die Notabschaltung kann sich auf unterschiedliche Weise auswirken.

Eine Reaktion ist, das Hirn schaltet alle Gefühle ab (emotionsloser Typ).

Die betroffene Person empfindet dann keine Todesangst mehr. Sie kann sich weiterhin bewegen und sie kann auch auf Denkprozesse zurückgreifen und Wissen. Allerdings alles nur automatisiert und damit ohne willentliche Kontrolle.

Verläuft die Bewältigung der Bedrohungssituation gesund, dann hört dieser Zustand wieder auf, wenn das Hirn erkennt, dass die Lebensbedrohung nicht mehr besteht, sondern Seele und Körper wieder sicher sind. Sobald der Mensch erkennt „Es ist vorbei, ich bin sicher“, entlädt sich der Körper mit Zittern und Weinen und anderen heftigen Körper- und emotionalen Reaktionen. Der Körper baut auf diese Weise die Stresshormone und die ganze Energie ab, die er für den Überlebenskampf bereitgestellt hat.

Eine andere Reaktion auf die Begegnung mit dem Tod ist die Schreckstarre.

Wie der Name schon sagt, lähmt sich der Körper und erstarrt. Gleichzeitig erlebt die Person bei vollem Bewusstsein, was mit ihr geschieht und dass sie absolut ausgeliefert und hilflos ist. Dazu hat sie natürlich weiterhin Todesangst. Weil dieser Zustand absolut unerträglich ist, nutzt das Hirn Denkstrategien oder Denkprozesse, um sich zu beschäftigen und damit von den überwältigenden Gefühlen „abzulenken“.

Eine Strategie, die es dafür nutzen kann, ist zählen. Es gibt immer etwas zu zählen. Schauen Sie sich um! Sie werden etwas finden. Heizkörper, Tapetenmuster, Kacheln, Blätter an einer Pflanze, Tassen im Regal oder Bücher. Selbst Schneeflocken oder die Huppel in einer Raufasertapete lassen sich zählen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, sich wegzudenken. In die Wand hineinzudenken. Also eine Phantasie darüber zu entwickeln, nicht im eigenen Körper zu sein, sondern außerhalb zum Beispiel in der Deckenleuchte oder im Teppichboden oder draußen im Baum vor dem Fenster.

Eine dritte Möglichkeit, sich wegzudenken ist, sich vorzustellen, wie das Geschehen nicht aus dem Blickwinkel meiner Augen aussieht, sondern wie es zum Beispiel aussehen würde, wenn ich an einer anderen Stelle im Raum bin. Diese Fähigkeit, sich etwas aus einer anderen Perspektive vorzustellen haben wir alle. Wenn das Gehirn diese Strategie wählt, dann entsteht der Eindruck, die Person habe ihren Körper verlassen. Weil sie die Gefühle nicht mehr bewusst wahrnehmen kann, weil die Denkprozesse alles Bewusstsein verbrauchen oder füllen, entsteht der Eindruck von Getrenntsein vom Körper. Betroffene schildern das als „neben sich stehen“ oder „wie im Film“, weil die Gefühle fehlen. Die werden in diesem Zustand nicht mehr wahrgenommen.

Es gibt Menschen, die bleiben in einem dissoziativen Zustand stecken.

Wenn das Gehirn nicht erkennen kann, dass die Gefahr vorbei ist, dann kann es sein, dass Menschen in so einem abgeschalteten Zustand wie hängen bleiben. Sie leben dann in einem ständigen Alarmzustand, der auf Dauer sehr anstrengend ist.

Eine andere variante kann sein, dass jemand so oft in einem lebensbedrohlichen Zustand war, dass das Gehirn/der Körper sich beim ersten Anzeichen von Gefahr „wegbeamt“, also „wegdenkt“ anstatt andere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Neues zu lernen macht vielen Menschen Angst. Es ist leichter auf Strategien zurückzugreifen, die automatisch ablaufen, weil sie gut geübt sind. Da es um Überlebensmechanismen geht, sind diese Prozesse im Körper und im Hirn so verankert, dass sie automatisch ablaufen und deswegen viel Anstrengung brauchen, weil sie nur durch bewusste Entscheidungen zu verändern sind. Das wiederum setzt voraus, dass man diese automatischen Prozesse lernen muss, bewusst wahrzunehmen, um dann überhaupt eingreifen zu können. Das ist der Grund, warum gerade der Umgang mit dissoziativen Zuständen so zeitaufwendig ist und Therapien lange dauern.

Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.
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Eine PTBS entsteht aus einem gesunden Überlebensmechanismus, der ein Update bräuchte.

Eine PTBS nennen wir eine Gruppe von Beschwerden, die im Grunde der Versuch unseres Gehirns ist, uns vor weiteren Gefahren zu schützen.

Erinnerungsattacken sind der Versuch unseres Gehirns, uns vor einer drohenden Gefahr zu warnen, indem es sagt: Schau, das war doch gefährlich, das passiert gleich wieder! Achtung! Aufgepasst! In den meisten Fällen handelt es sich um einen Fehlalarm, weil es keine Gefahr gibt. Während das Gehirn diese Warnung durch die Erinnerung „ausspricht“, bereitet es den Körper durch Stresshormone auf den Kampf oder die Flucht vor. Wenn das ständig passiert, dann entstehen dadurch alle anderen Beschwerden der PTBS: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Anspannung, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche. Das ist so unangenehm, dass Betroffene versuchen, die Erinnerungsattacken (sich aufdrängende Erinnerungen, Intrusionen, Flashbacks) zu vermeiden.

Keine Gefühle spüren zu können ist für die meisten Menschen sehr unangenehm.

Auf der anderen Seite fühlt es sich kurzfristig besser an, große und starke Gefühle nicht zu spüren. Das ist wie eine Sicherung, die vor Überspannung im Haus sorgt. Wenn die Spannung zu groß wird, schaltet die Sicherung ab. Im Grunde macht das Gehirn das gleiche. Zum Schutz.

Als Angehöriger ist es erstmal wichtig, diese Dinge zu verstehen. Es ist wichtig, dass Sie wissen und sich immer wieder bewusst machen, emotionslose Reaktionen auf der Seite Ihrer Frau sind kein böser Wille und haben nichts mit Ihnen zu tun. Auf der anderen Seite ist verständlich, dass es Sie schmerzt und dass Sie ja auch das Bedürfnis nach emotionalem Austausch haben. Das ist in der Tat eine schwere Zeit. Jetzt kommt es darauf an, gut für sich selbst zu sorgen und sich in echter, bedingungsloser Liebe zu üben. Bedingungslose Liebe bedeutet für mich, dem anderen die volle Verantwortung für sein Denken, Fühlen und Handeln zu überlassen und gleichzeitig eine helfende Hand anzubieten, egal was der andere tut. Das ist schwerer als man im ersten Moment denkt.

Ich wünsche Ihnen, dass sie diese bedingungslose Liebe in sich finden.

Ich wünsche Ihnen alle übernatürliche Kraft, um diese Zeit zu überstehen.

Stefanie Rösch

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Leserfrage: Lohnt es sich, ihn während der Traumatherapie zu begleiten und Anstrengung in die Beziehung zu investieren?

14.01.2021 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare
Lohnt es sich ihn in der Traumatherapie zu begleiten?
Foto von Lina Kivaka von Pexels

Hallo,
Ich habe vor einigen Wochen jemanden kennengelernt. Diese Person hat mir davon berichtet, dass sie seit ein paar Monaten wegen PTBS in Behandlung ist. Wir verstehen uns sehr gut und sind uns sehr nah gekommen. Da wir von vornherein sehr offen miteinander gesprochen haben, erzählte ich ihm, dass ich anfange Gefühle für ihn zu entwickeln. Wir haben uns schon vorher des Öfteren gesagt, dass wir uns gernhaben. Aber als es um diese konkreten Gefühle meinerseits ging, hat er gesagt, dass er zu seinen Gefühlen schon fast zwei Jahre keinen Zugang mehr hat. Manchmal empfindet er das auch so wie ich, aber es gehe auch immer wieder weg. Er macht sich große Sorgen mir zur Last zu fallen, da er davon ausgeht, dass das kommende Jahr sehr schwer für ihn wird: Er will sich seinem Trauma stellen.

Nun frage ich mich, ob es sich lohnt, ihn auf diesem Weg zu begleiten, oder ob ich mich distanzieren sollte. Es würde sicherlich belastend für mich werden, aber ich habe auch das Gefühl, dass er was Besonderes ist und dass das zwischen uns etwas Besonderes werden könnte. Aber es wäre vermutlich mit vielen schweren Phasen verbunden, gerade in der ersten Zeit. Auch weil er eben sagt, dass er dieses völlige Verliebtheitsgefühl gerade nicht empfinden kann.

Vielleicht haben sie ja Tipps für mich oder können die Situation aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Vielen Dank und liebe Grüße

Wer ist verantwortlich für die Gefühle?
Foto von David Gierth von Pexels

Liebe Leserin,

im Grunde höre ich die Frage, ob es sich lohnt, die Arbeit in diese Beziehung zu investieren.

Meine klare Antwort darauf: Ja.

Ich kann das so klar beantworten, weil sich die Arbeit in eine Beziehung immer lohnt. Sie lässt uns wachsen.

Was die Zukunft bringt, wissen Sie nicht. Wie die Traumatherapie in seinem speziellen Fall verläuft, wissen Sie nicht. Es kann auch alles viel leichter als erwartet verlaufen.

Ich vertrete durchaus die Meinung, dass Traumatherapie anstrengend ist. Aber das ist ja sein Job. Nicht Ihrer.

Wenn Sie eine offene Kommunikation haben, dann könnten Sie das nutzen, um klare Absprachen für ihre Beziehung zu treffen.

  • Er allein ist dafür verantwortlich wie es ihm geht.
  • Sie allein sind dafür verantwortlich wie es Ihnen geht. Damit ist ausgeschlossen, dass er Sie belastet.
  • Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie sich belastet fühlen, sorgen Sie für sich. Das ist Ihre Aufgabe. Wenn er etwas dazu beitragen kann, sagen Sie es ihm. Er kann dann entscheiden, ob er das gerade geben kann.
  • Anders herum genauso. Wenn es ihm nicht gut geht, dann sagt er das einfach. Wenn er den Eindruck hat, dass Sie ihn unterstützen können, dann sagt er Ihnen das und auch was genau Sie tun können, um ihn zu unterstützen. Sie können dann entscheiden, ob Sie das gerade geben können.
  • Jeder akzeptiert die Entscheidungen des anderen.
  • Jeder weiß, dass der andere wohlwollend ist, unterstützen will, aber immer zuerst nach sich selbst schauen muss und akzeptiert diese Haltung.

Wenn Sie das umgesetzt bekommen, haben Sie ein gutes Fundament, um mit der Situation umzugehen und Ihre Beziehung gemeinsam auf eine gute Art zu gestalten und wachsen zu lassen. Das größte Problem entsteht dann, wenn man in eine „Opferhaltung“ gerät. Und die ist verbreiteter als man so denkt.

Die Opferhaltung ist eher ein kulturelles Phänomen, eine Art psychologische Pandemie als eine Ausnahme.

Die Opferhaltung ist eine psychologische Pandemie.
Foto von Max Ravier von Pexels

Mit „Opferhaltung“ meine ich die Haltung, dass „immer die anderen“ schuld sind. Eine Haltung, die uns immer wieder zum Opfer und damit ohnmächtig macht.

Ein paar Beispiele für diese Opferhaltung

  • Der Staat beschränkt dieser Tage meine Freiheit. Ich fühle mich eingeschränkt. Der Staat muss es anders machen.
  • Immer werden die anderen befördert.
  • Die Lehrerin mich nicht mag. Die benotet mich schlecht.
  • Der Müller ist schuld, dass ich mich so aufregen muss.

Merken Sie es? Das ist eine Frage der Ursachenzuschreibung. Ich könnte auch sagen:

  • Okay, ich nehme die Unannehmlichkeiten für die Sicherheit und Gesundheit anderer in Kauf. Ich kann auch andere Lösungen finden und habe alles was ich brauche zum Leben: Essen, trinken, ein Dach über dem Kopf und warm. Ich habe Strom und kann unendlich viele Dinge tun, um mich sinnvoll zu beschäftigen.
  • Was machen die anderen, dass sie befördert werden? Was kann ich da lernen?
  • Vielleicht habe ich nicht genug gelernt. Vielleicht bin ich auch einfach nicht so gut in Deutsch. Aber ich könnte schauen, was ich machen kann, um besser zu werden. Ich frage die Lehrerin mal, warum sie mir die schlechte Note gegeben hat.
  • Warum rege ich mich jetzt eigentlich so auf? Ach so, der Typ redet genau wie mein Sportlehrer damals. Blödes Geschwätz. Das hält mich nicht auf. Der ist es gar nicht wert, dass ich mich so aufrege. Und im Grunde hat er Recht. Auch wenn er an seinen Ausdrucksformen feilen könnte.

Und dabei geht es nicht um die konkrete Situation, sondern um eine Haltung.

Die gesunde Haltung ist: Ich bin verantwortlich für mich. Vollumfänglich.

Die gesunde Haltung: Ich bin vollumfänglich verantworltich für mich.
Foto von Valiphotos von Pexels

Ja, es ist nicht immer alles rosig. Aber ich kann immer etwas lernen und dann den nächsten Schritt in meinem Leben machen. Ich muss nicht an der Vergangenheit festkleben. Es sind nur Erfahrungen, die ich gemacht habe. Das bin nicht ich, nur meine Erinnerungen. Das bestimmt weder meine Zukunft noch mich als Person. Ich allein bin der Chef in meinem Leben. Oder die Chefin natürlich.

Das hat nichts damit zu tun, dass man Opfer einer Gewalttat werden kann.

Täter tragen die Schuld, aber Opfer sind verantwortlich für Ihr Befinden. Egal, was der Täter tut, das Befinden wird sich nur ändern, wenn die betroffene Person etwas tut.

Ein Schritt, der zeigt, dass Ihr neuer Freund Verantwortung übernommen hat ist, dass er Therapie macht. Das ist doch sehr positiv.

Für eine Beziehung geht es darum zu wissen, wer für was verantwortlich ist. Für meine Gedanken, mein Fühlen und Handeln kann nur ich verantwortlich sein. Das ist in meinen Augen die zentrale Erkenntnis für ein glückliches Leben.

Um diese Beziehung unter den gegebenen Umständen zu erkunden, braucht es in erster Linie eine Haltung.

Gefühle sind überlebensnotwendig

Gefühle sind überlebensnotwendig.
Foto von Johannes Plenio von Pexels

Noch ein paar Worte zum Thema Gefühle. Sie sind Teil unseres täglichen Überlebens aber auch Teil einer menschlichen Entwicklung über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg. Hier also eine kurze Zusammenfassung.

  • Wut: Zeigt uns eine Bedrohung an, auf die wir noch reagieren können, weil wir noch „Kampfstrategien“ zur Verfügung haben.
  • Angst: Zeigt uns eine Bedrohung an, auf die wir nicht mehr reagieren können, weil uns keine Strategien mehr zur Verfügung stehen. Weiterlesen?
  • Ekel: Zeigt uns an, dass etwas giftig oder verdorben ist.
  • Trauer: Zeigt an, dass wir Hilfe brauchen, in der Regel Trost, und ist Teil der Steuerung von Beziehungen.
  • Freude: Zeigt uns an, was uns guttut. Das ist ebenfalls vorwiegend Teil der Steuerung von Beziehungen.

Liebe oder Verliebtsein sind aus meiner Sicht keine Gefühle. Meine Definitionen dafür lauten:

Liebe ist das Empfinden von tiefer Verbundenheit mit einer anderen Person oder einem Tier. Liebe hat das Wohl des anderen im Blick. Sie ist selbstlos.

Verliebtsein beschreibt für mich einen Zustand der freudvollen Unsicherheit. Das sind die Zeiten, in denen wir aufgeregt sind, weil wir uns auf den anderen freuen, aber noch unsicher darüber sind, ob der andere uns genauso mag wie wir ihn.

Im Grunde ist es das, was Sie beschreiben: Ein Zustand der Unsicherheit.

Verliebtsein ist ein Zustand von Unsicherheit.
Foto von Pixabay auf Pexels

Ihr Freund ist gerade mehr mit seiner Vergangenheit (Erinnerungen) und mit den körperlichen Folgen (Stressreaktion / PTBS) seiner belastenden Lebenserfahrungen beschäftigt. Da kann es schonmal sein, dass das im Vordergrund steht. Das wird sich ändern, wenn er lernt, was er in der Therapie lernen will.

Gefühle spüren wir, wenn wir präsent im Leben sind. Als Menschen haben wir die Möglichkeit, Gefühle auf ganz unterschiedliche Weise nicht zu spüren. Wir können sie ignorieren/wegdrücken oder unser Hirn schützt und vor zu viel Gefühl, sprich Erregung. Letzteres kommt bei traumatischen Erfahrungen öfter mal vor. Letztendlich geht es aber nur darum zu lernen, mit diesen Gefühlen und mit den Erinnerungsreaktionen umzugehen. Dafür ist die Therapie da. Oder zumindest ist das mein Ansatz für eine Traumatherapie. Das heißt nicht, dass es schnell geht. Aber es sollte für die betroffene Person wahrnehmbar sein, dass sie etwas lernt, um besser mit den Folgen der traumatischen Erfahrung umzugehen.

Ihr neuer Freund hat den Vorteil, dass Sie ihre Gefühle offenbart haben. Da gibt es keine Ungewissheit darüber. Sie haben gesagt, wie Sie sich gerade fühlen. Er kann Ihnen diese Auskunft nicht so klar geben. Das heißt, für Sie bleibt die Unsicherheit bestehen.

Mein Vorschlag, also… Tipps??

Haltung ist entscheidend und Wissen über Traumareaktionen.
Foto von João Jesus von Pexels

Machen Sie sich ihre Haltung bewusst und treffen Sie die Absprachen mit ihrem Freund. Lernen Sie etwas über traumatische Erfahrungen, die Posttraumatische Belastungsstörung und was in einer Traumatherapie passiert. Hier im Blog finden Sie dazu eine Menge Informationen, zum Beispiel meine PTBS-Reihe.

Lernen Sie jeden Tag ein bisschen darüber, wie wir als Menschen in den unterschiedlichsten Situationen funktionieren. Das wird dazu führen, dass Sie neue Situationen zu ihrem Vorteil wahrnehmen können und sich keine Sorgen machen müssen. Sie werden erwarten, dass es gut läuft, weil Sie wissen, dass es für alles eine gute Lösung gibt. Auch wenn es mal schwer oder schmerzhaft ist. Das Leben will gespürt, gelebt und bewältigt werden. Jeden Tag.

Dazu wünsche ich Ihnen in diesem neuen Jahr alle notwendige Kraft

Ihre Stefanien Rösch

Leserfrage: Wie kann ich mit dem Schweigen meines traumatisierten Partners umgehen?

30.07.2020 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Guten Morgen.

Ich habe folgendes Problem. Vor über 2 Jahren habe ich meinen derzeitigen Partner kennengelernt. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis er mir von seiner PTBS erzählt hat, die durch seinen gefährlichen Beruf entstanden ist. Genaueres kann ich nicht sagen, denn oftmals kann ich nur vermuten, was los ist, da er nicht mit mir spricht. Ich muss generell alles immer genau hinterfragen, damit er mir überhaupt etwas erzählt.

Letztes Jahr im Dezember habe ich die Beziehung beendet. Denn ich hatte ehrlich gesagt, nicht mehr die Kraft dafür. Nach zwei Monaten Trennung sind wir wieder zusammengekommen. Ich habe dafür die Initiative übernommen, weil ich gemerkt habe, wie sehr er mir fehlt. Wenige Monate später bekam er gesundheitliche Probleme und musste ins Krankenhaus. Durch diese schlimme Situation, sind wir uns wieder ein Stück nähergekommen.

Trotzdem ist es immer wieder so, dass er mich tageweise ignoriert. Es kommt keine Nachricht zurück, er lässt meine Anrufe unbeantwortet. Ich fühle mich dann wie auf die Reservebank gesetzt. Ich weiß, dass er nicht dafür verantwortlich ist, wie ich mich fühle.
Aber ich bekomme keinen wirklichen Zugang zu ihm. Er blockt alles ab. In guten Momenten habe ich versucht, mit ihm darüber zu reden. Vergebens.

Ich liebe ihn. Und ich möchte ihn nicht verlieren.

Vielleicht können sie mir, einen Tipp geben, wie ich in solchen Situationen reagieren soll. Denn meine bisherigen Versuche sind immer gescheitert.
Vielen Dank im Voraus.

Liebe Leserin,

das ist wirklich eine schwierige Situation. Da lieben Sie einen Mann und es fühlt sich so an, als würde er sich nicht lieben lassen wollen.

Die Situation hat wie immer mehrere Aspekte:

Vermeidungsverhalten

Das Nicht-Darüber-Reden-Wolllen ein sehr typisches Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung, von der er Ihnen ja erzählt hat.

Menschen, die in gefährlichen Berufen arbeiten, wollen ganz oft, ihre Familien vor den Grausamkeiten und dem Leid ihrer Berufe schützen und nicht damit belasten. Das ist einer der Gründe, warum Menschen nicht erzählen, was sie belastet.

Leider ist es im Fall der Posttraumatischen Belastungsstörung genau das Gegenteil von hilfreich. Tatsächlich führt das Schweigen dazu, dass die belastenden Beschwerden wie Erinnerungsattacken, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und Schreckhaftigkeit weiter fortbestehen. Das Gehirn kann unter diesen Umständen den Unterschied zwischen heute und der Situation in der Erinnerung nicht lernen. Aber genau das ist notwendig, um sich besser zu fühlen.

Das sollte nicht unbedingt in einer Partnerschaft stattfinden, sondern durch eine Traumatherapie.

Psychotherapie machen

Das Problem mit der Traumatherapie ist, dass es immer noch viel zu viele Vorurteile gegenüber Psychotherapie gibt. Das macht es besonders für unseren „starken“ Männern in den gefährlichen Berufen als Betroffene schwer, sich Unterstützung zu holen.

Dabei kann es mit der richtigen Unterstützung sehr schnell gehen. Ein Mann, der über zwei Jahre arbeitsunfähig war, kaum noch das Haus verlassen, geschweige denn am Leben teilhaben konnte, kann innerhalb von wenigen Wochen wieder fröhlich die meisten Dingen des Lebens ohne Beschwerden bewältigen. Einfach weil er eine gute Traumatherapeutin hatte. In der Traumatherapie geht es darum zu verstehen, warum wir uns fühlen wie wir uns fühlen oder warum wir Erinnerungsattacken haben. Wenn man das verstanden hat, dann kann man Strategien lernen, mit denen man dem Hirn beibringen kann, sich wieder sicher zu fühlen und nicht einen Fehlalarm (=Erinnerungsattacke) nach dem anderen auszulösen.

Vielleicht können Sie Ihrem Partner helfen zu verstehen, was es mit dem Vermeidungsverhalten auf sich hat und dass es Hilfe in einer Traumatherapie gibt, damit er sich diese Hilfe holt und dafür sorgt, dass es ihm besser geht.

Die Rolle der Partnerin

Als Partnerin kann man da nicht viel tun, außer immer wieder Mut zur Traumatherapie machen.

Was ist für Sie Liebe? Ist Liebe bedingungslos? Wollen wir alle geliebt werden? Was muss geschehen, um sich geliebt zu fühlen? Ich finde, das sind zentrale Fragen. Was bewirkt, dass wir uns geliebt fühlen? Es klingt, als wenn für Sie dazugehört, Zeit miteinander zu verbringen. Das erinnert mich an die Liebessprachen von Gary Chapman, kennen Sie das? Hier ein Link zum Wikipedia-Artikel mit einer Zusammenfassung des Models oder das Amazonpartnerlink zu seinem Buch Die fünf Sprachen der Liebe . Ich finde, das ist ein gutes Modell, um zu verstehen, warum wir uns geliebt fühlen oder eben auch nicht. Das ist für Sie wichtig, aber auch für ihren Partner und die Kinder.

Wir sind soziale Wesen

Letzten Endes geht es darum, dass wir soziale Wesen sind, Herdentiere. Gleichzeitig sind wir jeder für sich selbst voll verantwortlich. Das haben Sie sehr treffend geschrieben „Ich weiß, dass er nicht dafür verantwortlich ist, wie ich mich fühle.“

So ist es. Als Herdentier brauchen Sie Kontakt, Beziehung, die er Ihnen im Moment oder noch lange nicht oder nie so anbieten kann, wie Sie es brauchen (Liebessprache!). Sie sind für Ihr Wohlergehen verantwortlich.

Wie können Sie ihn so akzeptieren wie er ist und gleichzeitig gut für sich sorgen?

In der Liebe und mit Trauma gibt es leider keine einfachen Antworten.

Wie oft habe ich mir das schon gewünscht! Aber so funktioniert das Leben eben nicht. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir können den anderen so annehmen wie er ist. Wir können Mut machen zur Auseinandersetzung mit der belastenden Erinnerung im Rahmen einer Traumatherapie. Wir können für uns selbst sorgen und am Ende nur beten oder hoffen, dass der andere all seinen Mut zusammennimmt und tut, was getan werden muss, damit es ihm wieder besser geht.

Erst dann wird sich herausstellen, ob sein Schweigen Teil der Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen Lebenserfahrung war oder Teil seiner Persönlichkeit ist.

Sie können immer wieder nur nachspüren, ob Sie noch gut für sich sorgen, je nachdem wie er sich verhält. Und manchmal bedeutet das auch, festzustellen, dass er vielleicht nicht die Person ist, die Sie auch liebt, Traumareaktion hin oder her.

Ich wünsche Ihnen sehr, dass er Sie liebt und bereit ist, all seinen Mut zusammenzunehmen und seiner PTBS genauso ins Gesicht zu sehen, wie den Gefahren in seinem Beruf.

Viel Kraft für Ihren Weg

Stefanie Rösch

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