„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Sinn geben"

Noch mehr Sinn: Eine Übersicht

13.03.2015 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Die Beschäftigung mit dem Möglichkeitssinn, hat mich dazu eingeladen, andere Sinn-Wörter zu suchen. Das führte zu spannenden Erkenntnissen, die ich in den folgenden Wochen mit Ihnen teilen möchte.

Hier erst einmal das Ergebnis im Überblick.

Ich fand Wörter, die für mich mit der Bedeutung von etwas zu tun haben: Der Doppelsinn, der Nebensinn, der Unsinn, der Wortsinn und auch der Sinn des Lebens. Im Grunde auch das Wort Uhrzeigersinn, das als Bedeutung eine Richtung angibt.

Dann gab es Worte, die mit unserer Wahrnehmung der Welt zu tun haben und eine entscheidende Rolle für unser tägliches Überleben spielen: Da sind der Bewegungssinn, der Gefühlssinn, der Gehörsinn, der Geruchssinn, der Geschmackssinn, der Gesichtssinn = Sehsinn, der Gleichgewichtssinn, der Richtungssinn und der Spürsinn = Tastsinn. All diese Begriffe haben mit Vorgängen zu tun, die uns helfen, Wahrnehmungen und Erfahrungen zu teilen. Es gibt viele Konventionen, wie diese Wahrnehmungen zu verstehen sind, welche Bedeutung sie haben. Scharf ist scharf, Rauch riecht nach Rauch, Fisch nach Fisch, Trauer ist Trauer, Wut ist Wut, laut ist laut und gestreckt ist gestreckt. Auch wenn es einen Spielraum gibt, so haben wir uns auf viele Bedeutungen geeinigt, was uns erlaubt, über unsere Wahrnehmungen zu reden und zu verständigen. Außerdem haben wir Körperzellen, sogenannte Rezeptoren, die uns bei der Verarbeitung dieser Informationen helfen. Diese Zellen wandeln Reize, zum Beispiel Lichtwellen oder Druck, im Körper in elektrische Impulse um, die für unser Gehirn „lesbar“ werden. Lesbar bedeutet, wir können den Reizen eine Bedeutung zuschreiben, wie eben scharf, sauer, hell, dunkel, westlich, östlich, kalt, warm, rauchig, schmerzend, leicht, wütend, traurig, fröhlich.

Die dritte Gruppe von Sinn-Worten hat damit zu tun, was uns in unserer Umgebung besonders macht, einzigartig und was wir benötigen, um gesund zu sein oder zu bleiben: Da sind der Familiensinn, der Feinsinn = der 6. Sinn (?), der Freiheitssinn, der Frohsinn, der Gemeinschaftssinn, der Gerechtigkeitssinn, der Realitätssinn = Wirklichkeitssinn, der Scharfsinn, der Schönheitssinn, der Tiefsinn und der Wahrheitssinn. Für diese „Sinne“ haben wir keine spezialisierten Zellen in unserem Körper und doch können wir darüber reden, obwohl das bei diesen Begriffen schon deutlich schwieriger wird. Für mich haben sie jedoch gemeinsam, dass es Begriffe sind, die mit unserer psychischen Gesundheit und unserer persönlichen Freiheit zu tun haben.

Die letzte Wortgruppe besteht für mich aus den Begriffen, die damit zu tun haben, dass es uns nicht gut geht. Dazu gehören für mich der Blödsinn, der Eigensinn, der Größenwahnsinn, der Irrsinn, der Leichtsinn, der Schwachsinn, der Starrsinn, der Stumpfsinn, der Trübsinn und der Wahnsinn. Für mich haben diese Begriffe gemeinsam, dass sie entweder einen Zustand von Krankheit beschreiben oder ein Verhalten, das kurz- oder langfristig krank macht, oder dazu führt, dass es uns nicht gut geht. Wenn wir gesund sein wollen, sollten wir all das meiden. Vermeidungsverhalten wäre hier angebracht, das Mittel der Wahl.

Soviel allgemein zu diesem sinn-vollen Thema. Weitere Texte werden sich wohl mit dem einen oder anderen Begriff vor allem aus Gruppe 3 beschäftigen. Anfangen werde ich mit dem Realitäts- gleich Wirklichkeitssinn. Und dann mal schauen, was noch kommt.

Über Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare werde ich mich sehr freuen.

PTBS, Teil 13: Wann hört das auf und warum ist mir das passiert?

21.10.2013 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle, Strategien 1 Kommentare

Wenn Sie dieser Reihe gefolgt sind, dann haben Sie jetzt eine Menge darüber gelernt, was eine Posttraumatische Belastungsstörung ist und wie Sie mit den Beschwerden umgehen können. Hoffentlich konnten Sie inzwischen erfahren, dass die Beschwerden nachlassen.

Die Beschwerden werden aufhören oder auf ein Niveau zurückgehen, mit dem Sie gut zurechtkommen, wenn die Erfahrung zu Ihrem Leben dazugehören darf. Wenn Sie annehmen können, dass das, was passiert ist, auch ein Teil Ihrer Lebensgeschichte ist. Die meisten Betroffenen können sich mit diesem Gedanken nur schwer anfreunden.

Kein Wunder. Niemand will „das Vergewaltigungsopfer“, „das Folteropfer“, „das Unfallopfer“ oder sonst ein Opfer sein. Aber das ist es, wie viele Menschen Sie im ersten Moment sehen werden oder auch sehen wollen. Frau Kampusch ist ein trauriges Beispiel dafür, wie Betroffene angefeindet werden, wenn sie offen mit den Erfahrungen umgehen, die sie machen mussten. Vor allem dann, wenn „die Öffentlichkeit“ sich besonders dafür interessiert. Auf der einen Seite will ein Großteil „der Menschen“ wissen, möglichst in allen grausamen Details, was jemandem zugestoßen ist. Gleichzeitig weiß dann plötzlich niemand mehr, wie man mit einer Überlebenden umgehen soll und will den Schilderungen derjenigen, die etwas Grausames erlebt haben nicht glauben. Als Schutz vor der eigenen Hilflosigkeit wird dann die Betroffene abgewertet oder sogar für das, was Ihr der Täter angetan hat, verantwortlich gemacht. Ein trauriges Beispiel dafür ist Natascha Kampusch.

Wenn Sie es können, dann entscheiden Sie, wem Sie erzählen, was passiert ist, und auf keinen Fall „der Öffentlichkeit“. Ausnahme ist natürlich die Polizei, wenn Sie eine Anzeige erstatten. Details müssen aus meiner Erfahrung zwar für einen Heilungsprozess in Worte gefasst werden, gehören aber nicht immer in den Kreis der Familie und Freunde.

Vor allem Partner fühlen sich oft sehr hilflos, wenn ihren geliebten Menschen etwas Schlimmes passiert und sie es nicht verhindern konnten. Viele Männer haben große Schwierigkeiten damit, wenn ihre Partnerinnen sexuelle Gewalt erleben mussten. Ich habe schon erlebt, dass die Hilflosigkeit des Partners zu schwerwiegenderen psychischen Störungen führte als die Vergewaltigung für die betroffene Frau. Ich habe auch erlebt, dass Partnerschaften an dem Wissen über die Einzelheiten der Gewalthandlungen zerbrachen. Also seien Sie achtsam damit, wem Sie was erzählen. Partner müssen wissen, WAS passiert ist, damit sie sich informieren und unterstützen können. Aber von Details kann ich aus meiner Erfahrung nur abraten. Die gehören auf ein Blatt Papier wie hier beschrieben (PTBS 11 und 12), oder in den sicheren Raum einer Therapie.

Warum ist mir das passiert?

Das ist eine Frage, deren Antwort Sie für Sich herausfinden sollten. Wenn Sie eine gute Antwort darauf haben, dann kann jede grausame Lebenserfahrung sinnhaft werden. SIE können Ihrer Erfahrung Sinn geben. So wie der Tod einer 12Jährigen durch einen im Schreck abgefeuerten Schuss der eigenen Mutter Jahre später Sinn erfährt. Die Mutter setzte sich fortan gegen die Verbreitung von Waffen ein und gab ihrer traumatischen und schuldbeladenen Erfahrung dadurch einen Platz in ihrer Lebensgeschichte. In diesem Fall gelang dies natürlich nicht ohne entsprechende Psychotherapie bei Donald Meichenbaum, in meinen Augen einem der Väter der modernen Traumatherapie.

Eine Möglichkeit, dieser Warum-ist-mir-das-passiert-Frage auf die Schliche zu kommen, kann sein, sich zu fragen, ob es irgendetwas Gutes gibt, was aus Ihrer belastenden Erfahrung entstanden ist. Wahrscheinlich können Sie das in den ersten Tagen und Wochen noch nicht sehen, aber vielleicht kommt der Zeitpunkt irgendwann, an dem Sie es sehen können. Dann haben Sie Ihre Antwort und damit mehr inneren Frieden.

Eine zweite Frage, die ich mir und meinen Klienten irgendwann stelle, ist: Was können Sie aus dieser Erfahrung lernen? Auch das ist keine Frage für die ersten Stunden nach einer grausamen Erfahrung, sondern für eine Zeit, in der Ihr Alltag wieder Alltag werden durfte. Für eine Zeit, wenn Sie wieder über Ihr Leben bestimmen, wenn Sie wieder entscheiden, ob Sie Sich erinnern wollen oder gerade nicht. Dann wenn die Alpträume aufgehört haben und Sie nicht mehr bei jedem kleinen Geräusch zusammenzucken, dann ist der Raum da, über diese Frage nachzudenken.

Damit schließe ich diese Reihe.

Es kann der Zeitpunkt kommen, an dem Sie Sich wieder frei fühlen von Ihren belastenden Erfahrungen und den aufwühlenden Erinnerungen daran. Solange Sie üben und dran bleiben und alle Unterstützung in Anspruch nehmen, die Sie finden können, solange Sie mutig weitergehen und Ihr Leben selbst gestalten wollen, kann dieser Moment kommen. Auch wenn es manchmal Jahre dauert. Bleiben Sie dran! Geben Sie nicht auf! Sie werden es schaffen! Ich wünsche Ihnen alle Kraft für diesen Weg.

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Es gibt eine gute Dokumentation über Frau Kampusch und die Auswirkungen der Medien auf Ihr Leben:

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