„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Mentales Training"

Grundbedürfnisse, Teil 3: Sicherheit

11.11.2013 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle 0 Kommentare

Der Kreislauf des Grundbedürfnisses Sicherheit lässt sich wie folgt wiedergeben:

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Die Spannung entsteht darüber, dass Sie Sich am Leben bedroht fühlen.
Drohende sexuelle und körperliche Gewalt lassen diese Spannung wieder und wieder entstehen. Der beste Weg damit umzugehen ist, vor dem Angreifer zu flüchten. Wenn Sie von der Gefahr/dem Angreifer weit genug entfernt sind, können Sie Sich wieder sicher fühlen. Die Zwickmühle an dieser Stelle kann zum Beispiel sein, dass ein Kind dieser Gefahr kaum aus eigener Kraft entkommen kann. Es erlebt also immer wieder, dass es am Leben bedroht ist und nichts dagegen tun kann. Es lernt, hilflos zu sein. Ja erlernte Hilflosigkeit gibt es wirklich! Hierbei handelt es sich um ein erlerntes Denkmuster indem sich die Person stehts als hilflos ansieht. Einmal erlernt, wird die betroffene Person auch dann keine Hilfe suchen oder sich selbst helfen, wenn diese eigentlich möglich wäre (Link erlernte Hilflosigkeit). Alles, was ihm bleibt, ist die Hilflosigkeit zu ertragen. Das ist ein Weg in die Depression, immer wieder hilflos zu sein und keine Möglichkeit zu haben, etwas dagegen tun zu können. Das Gleiche gilt auch für Sie als erwachsene Person. Auch Ihnen kann es passieren, dass Sie eine gefährliche Situation nicht einfach verlassen können.

Ein weiteres Problem ist, dass Ihr Warnsystem immer wieder anschlägt (siehe PTBS 2 ff), wenn Sie häufig in Lebensgefahr waren. Für das in seiner Abhängigkeit gefangene Kind bedeutet das, es erlebt neben der Machtlosigkeit ständig, dass das Warnsystem anschlägt, wenn die nächste Gefahr droht und oft genug schlägt es auch an, wenn keine Gefahr ist. Wenn die Warnreaktion eine echte Gefahr anzeigt, erlebt das Kind „sehenden Auges“, dass das Warnsystem nichts nützt, weil es der Gefahr nicht entgehen kann. Ein weiterer Grund, depressiv zu werden, oder andere schwerwiegende Folgen zu entwickeln, zum Beispiel eine Posttraumtische Belastungsstörung (PTBS).

Wenn ein Kind im Außen nicht flüchten kann, dann flüchtet es im Innen, z.B. indem es sich vorstellt, in der Wand zu verschwinden oder sich in die Ritze am Bett zu zwängen, oder indem es beginnt, alle möglichen Dinge zu zählen, die sich gerade in seinem Blickfeld befinden. Eine weitere Möglichkeit der inneren Flucht ist, sich innerlich von der lebensbedrohlichen Erfahrung zu distanzieren, Teile der Erinnerung abzuspalten (zu dissoziieren) und so vielleicht sogar eine DIS, eine Dissoziative Identität (früher Multiple Persönlichkeit) zu entwicklen. Die innere Flucht kann in der Therapie in Form eines sicheren Ortes gezielt eingesetzt werden.

Die innere Flucht funktioniert auch in einer echten Bedrohungssituation. So schilderte mir eine Seminarteilnehmerin einmal, dass ihre Mutter ihr als Kind abends immer von einer Blumenwiese erzählt hatte mit Schmetterlingen und gutem Wetter: Ein sicherer Ort mit der fürsorglichen Mutter anwesend. Als erwachsene Frau musste sie einmal zehn Minuten in einer Höhle zurückbleiben, ohne Licht, bis ihre Kollegen sie wieder abholten. Haben Sie einmal versucht, 10 Minuten in vollkommener Dunkelheit auszuharren? Ihr Gehirn wird sehr schnell anfangen, Ihnen Wahrnehmungen vorzugaukeln und Sie werden Angst, wenn nicht Panik bekommen. Deswegen ist Dunkelhaft als Art der Sinnesdeprivation eine Foltermethode. Was diese Frau jedoch tat war, sich hinzusetzen und sich auf ihre Wiese aus der Kindheit zu denken. Sie sah die Schmetterlinge, hörte das Brummen der Bienen, spürte die laue Brise und hörte die Stimme ihrer Mutter. So konnte sie sich weiter sicher fühlen bis ihre Kollegen sie wieder abholten. Die innere Flucht, das Sich-Wegdenken aus der bedrohlichen Situation an einen inneren sicheren Ort kann tatsächlich eine gute Möglichkeit sein, die eigene Hilflosigkeit auf ein Minimum zu beschränken, wenn man im Außen einer Situation nicht entgehen kann. Deswegen kann ich nur jedem empfehlen, sich einen inneren, sicheren Ort zuzulegen. Hier steht, wie es geht.

Eine andere Möglichkeit, mit Gefahren umzugehen, ist den Angreifer abzuwehren oder zu vernichten. Wenn es den Angreifer nicht mehr gibt, oder der Angreifer wegläuft, weil er Sie als stärker akzeptiert, dann kann auch wieder Ent-Spannung eintreten. Dann werden Sie Sich wieder sicher fühlen. Bis zur nächsten Bedrohung.

Wie können Sie nun dauerhaft für Ihre Sicherheit sorgen?

Es wird immer Situationen geben, in denen Sie nicht für Ihre Sicherheit sorgen können. Dazu spielen zu viele Faktoren eine Rolle dabei, ob Sie in Gefahr geraten oder nicht.

Das Risiko für lebensgefährliche Gefahren lässt sich jedoch klein halten. Vor allem, indem Sie auf Ihr Bauchgefühl hören, Ihre Intuition, Ihr Gefahrenradar. Wenn Ihr Bauchgefühl Ihnen sagt, eine Situation zu verlassen, dann folgen Sie diesem Gefühl! In all den Jahren meiner Tätigkeit habe ich nur eine Geschichte gehört, in der es dieses Gefühl vorher nicht gab. In allen anderen Geschichten hatte es die Warnung gegeben und die Person hat dieses Gefühl ignoriert.

Beschäftigen Sie Sich einmal mit dem Thema Sicherheit und tun nicht nur so, als könne einem nichts passieren. Damit meine ich nicht, dass Sie in ständiger Angst leben sollen, es könnte etwas passieren. Es ist gut und gesund zu glauben, dass wir die Welt unter Kontrolle haben und dass uns schon nichts passiert. Beschäftigen Sie Sich trotzdem einmal mit den wichtigsten, für Sie gefährlichen Situationen. Machen Sie einen Plan wie Sie sich verhalten wollen und spielen Sie diesen Plan dann im Kopf ab und zu durch (Mentales Training), damit Sie ihn parat haben.

Dazu gehören so einfach Dinge wie, Abstand von Menschen zu halten, die Sie unangenehm finden. Menschen, die rumschreien, aus dem Weg zu gehen oder ihnen zumindest nichts entgegen zu setzen, sondern sie ausschreien zu lassen.
Oder auf der Autobahn bei einer Baustelle lieber die rechte Spur zu nehmen, weil die meisten Unfälle im Übergang auf die linke, schnellere Spur passieren. Halten Sie Abstand, damit Sie und der Ihnen folgende Verkehr Zeit haben zu reagieren (Schrecksekunde). Sie können Sich überlegen, welche Wege Sie nehmen, wenn Sie in der Dunkelheit unterwegs sind und entscheiden, lieber einmal ein Taxi zu nehmen oder einen Umweg zu laufen, auf dem Sie Sich sicherer fühlen. Es kann auch hilfreich sein, einen Selbstschutzkurs zu besuchen oder eine Selbstverteidigungstechnik zu trainieren. Oder sich in Fragen Sicherheit von der Polizei beraten zu lassen (Einbruch).

An dieser Stelle ein Wort in eigener Sache. Zusammen mit einem Kollegen habe ich ein Buch für Mitarbeiter von Behörden geschrieben, in denen wir solche Pläne für 26 stressige und gefährliche Situationen zusammengestellt haben. Den Link finden Sie wie immer unten.

Also denken Sie darüber nach, welche Situationen Sie als gefährlich erleben, die Ihnen Angst machen und dann suchen Sie Sich die Informationen oder den Fachmann/Fachfrau, die Ihnen helfen können, einen guten Plan für Ihre Sicherheit zu entwickeln. Anschließend stellen Sie Sich genau vor, wie Sie reagieren wollen (Mentales Training). So trainieren Sie Ihren neuen Plan.

Weiter bei Grundbedürfnisse 4.

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Alte Ich-Zustände, das innere Kind, eingefrorene Gefühle und wie Sie erwachsen werden können

01.11.2013 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle, Strategien 0 Kommentare

Vielleicht haben Sie Sich schon einmal gefragt, warum Sie in bestimmten Situationen immer wieder „überreagieren“. Möglichweise fühlt es sich ganz fremd an oder irgendwie alt oder irgendwie als wenn es da noch jemanden in Ihnen gibt. Manchmal bekommt man auch gesagt „So kenne ich Dich gar nicht“ oder „Sei nicht so kindisch“ oder „Werd endlich erwachsen“ oder „Du bist wie Dein Vater“ oder ähnlich seltsame Rückmeldungen. Wollen Sie wissen, was der Grund dafür sein kann?

Es geht um eingefrorene Erfahrungen, Ihre Überlebensstrategien und die Art, wie wir uns dadurch selbst erleben. Die meisten Menschen haben ein Gefühl dafür, dass sie sie sind. Wenn ich etwas von mir erzähle, dann tue ich das mit der Vorstellung, dass ich ich bin. Eine Einheit. Ich eben. Ich käme nicht auf die Idee von mir als „wir“ zu sprechen.

Trotzdem ist es möglich, dass meine Supervisorin fragt: „Frau Rösch, wie alt sind Sie gerade?“ und wenn ich in mich hineinspüre, dann ist schnell klar, dass die Gefühle, die ich in dem Moment empfinde, alt sind und im Grunde zu einem Teil von mir gehören, der nur acht Jahre alt ist. Dieser Teil, von manchen als inneres Kind bezeichnet, mischt sich dann in mein Leben ein, obwohl ich mich erwachsen verhalten will. Aber weil ich im Alter von acht Jahren eine für mich verletzende Situation erlebt habe, reagiere ich in der Gegenwart auf eine ähnliche Verletzung so wie ich als Achtjährige reagiert habe. Das ist damals meine Überlebenstrategie gewesen.
Wenn ich mir erlaube, das aus einer inneren Distanz heraus zu betrachten, dann kann ich mich an die alte Verletzung erinnern und spüre, dass meine Gefühle zu dieser Erinnerung gehören. Ich weiß, dass ich mich so „klein“ oder „verletzt“ fühle, weil ich mich damals sehr verletzt gefühlt habe. ABER: Heute habe ich mehr Möglichkeiten, die gegenwärtige Situation zu bewältigen als damals mit acht Jahren.

Wir alle haben verschiedene Ich-Zustände (IZ). Wir fühlen uns als „Ich“, als Einheit, aber wir verhalten uns in verschiedenen Situationen sehr unterschiedlich.

Als Ehefrau (Ich-Zustand) reagieren Sie auf einen Vorwurf vielleicht anders als im Beruf (anderer Ich-Zustand). Als Freundin (noch ein IZ) können Sie mit einer Abwertung anders umgehen als wenn sie von Ihrem Vater kommt (Tochter-IZ). Als Vater (IZ) können Sie mit Unterstellungen leichter umgehen, als wenn sie von Ihrem Chef kommen (Angestellten-IZ). Vielleicht reagieren Sie mit Angst auf Abwertungen und Drohungen (IZ „Abwertung“) oder erleben Panik, wenn Sie ignoriert werden (IZ „ignoriert werden“), oder sind verzweifelt, wenn andere nicht tun, was Sie wollen (IZ). Es gibt viele Dinge, die starke Gefühlsreaktionen auslösen, für die Sie selbst, wenn Sie Sich betrachten, keine gute Erklärung haben. Sie können spüren, dass Sie „zu“ emotional auf die aktuelle Situation reagieren. Trotzdem können Sie es nicht verhindern.

Diese Gefühlsreaktionen, die an bestimmte wiederkehrende Situationen gebunden sind, nennt man Ich-Zustände (IZ).

Die Erklärung dafür ist, dass Ihre alten Verletzungen mit allem, was dazu gehört, wie eingefroren in Ihnen liegen und darauf warten, aufgerufen zu werden. Das ist ein Ergebnis der Warnreaktion des Limbischen Systems. Sie fühlen sich „wie damals“ und reagieren auch „wie damals“, obwohl die Situation heute kaum mehr mit der alten Verletzungssituation zu vergleichen ist. Sie sind heute anders als damals. Sie sind erwachsen und haben andere Möglichkeiten für Sich zu sorgen. Aber Sie verhalten Sich als hätte sich nichts geändert.

Sie verhalten Sich wie damals, weil Ihr Gehirn, namentlich Ihr Limbisches System nicht begriffen hat, dass Sie größer und älter geworden sind mit mehr Lebenserfahrungen und Wissen und deswegen mit mehr Möglichkeiten auf Situationen zu reagieren. Ihr Gehirn kann an dieser Stelle noch nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden. Für Ihr Gehirn sind Sie immer noch acht oder zehn oder x Jahre alt, aber nicht so alt wie Sie tatsächlich sind. Deswegen müssen Sich in der heutigen Situation immer noch so „jung“ verhalten.

Genau das können Sie Ihrem Gehirn beibringen. Sie können Ihrem Gehirn den Unterschied zwischen Damals und Heute zeigen. Sie können erwachsen werden und damit die eigene Kraft spüren und einsetzen.

Der erste Schritt dazu ist, die Situationen aufzuspüren und sich zu notieren, in denen Sie das Gefühl haben, nicht ganz Sie selbst zu sein, irgendwie „über“ zu reagieren, als gäbe es da noch jemand anderen in Ihnen. Manchmal kann es auch helfen, sich diese Reaktion von einer vertrauten Person beschreiben zu lassen.

Nur im Zustand der bewussten Auseinandersetzung lassen sich die Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn verändern, die für diese Reaktionen verantwortlich sind (siehe auch –> Giftige Gedanken). Wenn Sie also diese Situationen aufgespürt und ins Licht Ihres Bewusstseins gezerrt haben, dann können Sie Sich fragen:

  • Woher kenne ich diese Situation?
  • Woher kenne ich dieses Gefühl/diese Gefühle?
  • Habe ich das in meinem Leben schon einmal erlebt?
  • Wann genau?
  • Was genau ist in dieser anderen Situation gewesen?
  • Wie alt war ich da?
  • Welche Möglichkeiten hatte ich damals mit der Situation umzugehen und was könnte ich heute als erwachsener Mensch machen?
  • Wie will ich heute mit der Situation umgehen, wenn die aktuelle Situation wieder auftaucht?
  • Was ist mein konkreter Plan?
  • Was will ich denken?
  • Wie will ich handeln?
  • Was will ich sagen?
  • Wie will ich reagieren?

Schreiben Sie sich die Antworten auf! (siehe auch –> Erinnerungen in die richtige Form bringen). Stellen Sie sich immer wieder vor, wie Sie in der heutigen Situation anders reagieren könnten. Wenn Sie es sich oft genug vorgestellt haben, werden Sie trotz Stressreaktion entsprechend anders handeln. Nicht mehr als kleines, hilfloses Kind, sondern als erwachsene Person mit all ihren Stärken.

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