„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Gerechtigkeitssinn"

Noch mehr Sinn: Gerechtigkeitssinn

05.06.2015 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Als ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe, war mir klar, dass ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe, aber ein paar andere interessante Aspekte durfte ich erst noch „erdenken“ und entdecken. Vor allem war erstmal die Frage, was denn Gerechtigkeit ist, sprich das wofür wir diesen Sinn haben?

  1. Der Begriff der Gerechtigkeit bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt. Sagt Wikipedia.
  2. Für Gerechtigkeit braucht es mindestens zwei Parteien. Es geht darum (siehe oben), etwas aufzuteilen und das auf eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Art zu tun. Das wiederum bedeutet nicht, dass es für alle das Gleiche sein muss, auch wenn das unsere einfachste Form von Gerechtigkeitsempfinden ist (siehe Kohlberg weiter unten). Das ist die Auge-um-Auge-Mentalität. Alle Kinder wollen gleich viele Bonbons oder Taschengeld. Aber als Eltern ist schnell klar, dass das nicht unbedingt gerecht ist. Wieso sollte ein fünfjähriges Kind so viel Taschengeld bekommen wie ein 10-Jähriger?
  3. Schaut man sich in der Gerechtigkeitspsychologie um (Abriss der Gerechtigkeitspsychologie) wird schnell klar, dass wir ein Gerechtigkeitsempfinden, einen Gerechtigkeitssinn haben, ohne dass dieser klar beschrieben wird. Allerdings gibt es viele Faktoren, die darauf Einfluss haben, ob wir etwas als gerecht oder ungerecht wahrnehmen, wie zum Beispiel die Wahrnehmung von Einfluss auf eine wichtige Entscheidung oder das Wissen darüber, wie eine Entscheidung zustande gekommen ist. Ein schönes Beispiel dafür sind Rechtsentscheidungen: Wir wissen ungefähr, wie sie zustande kommen, haben aber kein Mitspracherecht bei der Entscheidung. Kein Wunder, dass wir Entscheidungen, die uns persönlich betreffen, immer wieder als ungerecht empfinden.
  4. Gerechtigkeitsempfinden und Moralische Entwicklung werden von Lawrence Kohlberg gleichgesetzt. Demnach gibt es eine Entwicklung des Gerechtigkeitsempfindens. Im Detail, hier nachzulesen.
  5. Ein wie ich fand spannender Hinweis für diese Entwicklungstheorie ist folgende Erkenntnis: Neueste Forschung zeigt, dass Kinder im Alter von 3 Jahren bereits wissen, wie sie etwas aufteilen sollten (Regel, um Gerechtigkeit herzustellen), es aber nicht tun. Erst ab einem Alter von 7 bis 8 Jahren erkennen Kinder den Wert der Regel und handeln auch danach, so die Ergebnisse dieser Studie (Spiegel-Aritkel auf Deutsch und Orginal-Forschungsarbeit: Smith CE, Blake PR, Harris PL (2013) Correction: I Should but I Won’t: Why Young Children Endorse Norms of Fair Sharing but Do Not Follow Them. PLoS ONE 8(8): 10.1371/annotation/4b9340db-455b-4e0d-86e5-b6783747111f.

Ich finde schon länger den Gedanken spannend, dass es gerecht ist, wenn jeder das bekommt, was er braucht auf dem Hintergrund eines friedlichen Zusammenlebens und der gegebenen Möglichkeiten.

All das beschreibt Gerechtigkeit und weniger unseren Gerechtigkeitssinn. Aber da man ihn beforschen kann, gehen wohl alle davon aus, dass wir ihn haben. Das fand ich sehr lustig.

Unser Gerechtigkeitssinn ist also dafür da, Gerechtigkeit wahrnehmen zu können.

Gerechtigkeit benötigen wir, wenn wir mit anderen Menschen in Frieden leben wollen. Ist das Miteinander gerecht geregelt, sind wir zufrieden. Wir spüren, ob etwas gerecht ist. Gleichzeitig ist das, was wir gerecht finden einem Entwicklungsprozess unterworfen, wie auch die Entwicklung moralischer Entscheidungen.

Im Grunde beschreibt der Begriff Gerechtigkeitssinn den Denkprozess, mit dem wir zu dem Ergebnis kommen, ob wir etwas gerecht finden oder nicht. Auch hier messen wir an Kriterien, ähnlich wie beim Wahrheitssinn. Ist der Wahrheitssinn etwas, das uns erlaubt, innere Wahrheiten zu prüfen, so hilft uns der Gerechtigkeitssinn unser Zusammenleben mit anderen, unsere Beziehungen hinsichtlich unserer und der Bedürfnisse der anderen zu prüfen, einzuschätzen und im Idealfall auch gerecht zu handeln. Das Ziel dieses Denkens ist, Beziehungen so zu gestalten dass alle zufrieden sind. Will man dieses hehre Ziel erreichen, wird klar, dass Gerechtigkeit etwas sehr Komplexes ist. Da ist es schon gut, dass wir dafür auch einen Sinn haben, der es uns erlaubt mit zunehmender (Beziehungs-)Erfahrung auch gerechtere und damit für alle zufriedenstellendere Entscheidungen zu treffen.

Da wir in großen Gruppen nicht mehr in der Lage sind, komplexe Entscheidungen und deren Konsequenzen auf allen Ebenen mal eben so zu durchdenken, haben wir diese Entscheidungen für gewisse Bereiche an den Staat abgegeben und ein Rechtsystem. Zum Wohle aller und manchmal entgegen dem Gerechtigkeitsempfinden des Einzelnen wird Recht gesprochen. Es ist eben ein menschliches System, das so anfällig ist, wie seine Aufgabe komplex ist.

Gerechtes Handeln erlaubt uns gewisse Freiheiten. Hätten wir das Recht nicht, dass uns unsere Freiheit(en) zusichert, würde allein das Recht des Stärkeren gelten und Gewalt und Unterdrückung würden herrschen. Eben weil wir in unserer moralischen Entwicklung nicht alle an den Punkt kommen, wo wir den Vorteil darin sehen, dass es auch anderen gut geht, im allgemeinen Frieden, in Kompromissen, deswegen ist es gut, dass wir dem Staat die Aufgabe gegeben haben, so gut es geht unsere Freiheiten durch das Recht zu schützen.
Es ist ein Rechtssystem und kein Gerechtigkeitssystem. Dafür wäre Liebe zum anderen notwendig und die absolute Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Diese Stufe der moralischen Entwicklung, in der wir das Wohl aller im Blick haben, haben wir als Menschen wohl noch nicht erreicht.

Aber wir können uns mit Gerechtigkeit beschäftigen, unseren Gerechtigkeitssinn weiterentwickeln, indem wir für innere Freiheit sorgen und somit zu mehr Eigenverantwortung finden. Das wäre ein Anfang.

Noch mehr Sinn: Wahrheitssinn

30.05.2015 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

„Dem Begriff Wahrheit werden verschiedene Bedeutungen zugeschrieben, wie Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, einer Tatsache oder einem Sachverhalt, aber auch einer Absicht oder einem bestimmten Sinn bzw. einer normativ als richtig ausgezeichneten Auffassung oder den eigenen Erkenntnissen, Erfahrungen und Überzeugungen.“ Wikipedia, 25.05.15

In meinen Worten ist Wahrheit vereinfacht gesagt etwas, das wir an einem Kriterium messen und das wir als wahr bewerten, wenn die Übereinstimmung gegeben ist.

Da wo Wahrheit überprüfbar ist, anhand von Kriterien, die wir alle oder zumindest die meisten anerkennen wie zum Beispiel anhand der Naturgesetze, benötigen wir unseren Wahrheitssinn nicht. Wir können die Wahrheit „objektiv“ prüfen.

Sinne haben immer etwas mit unserer persönlichen Erfahrung zu tun. Unsere Sinnesorgane sind der Kanal, über den wir die Welt erfahren und unsere eigenen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wir können die Reize, die wir wahrnehmen zwar beschreiben, aber so etwas Konkretes wie die Schmerzwahrnehmung zeigt uns, dass unser Schmerzerleben (Die innere Wahrheit: Das hat sehr weh getan!) nicht von dem Reiz abhängt, z.B. einer 49 Grad heißen Metallplatte, sondern davon, für wie kontrollierbar wie den Schmerz halten oder was uns gesagt wird, wie schmerzhaft der Reiz sein wird (Rüegg, 2010). Was wir also für wahr halten muss nicht notwendigerweise an äußeren Kriterien überprüfbar – und damit allgemeingültig – sein, sondern kann auch inneren Kriterien, z.B. eigenen Erfahrungen genügen, was uns zu der Bewertung bringt, dass etwas wahr ist, dass wir nicht so ohne weiteres – im Außen – überprüfen können.

Das bedeutet für mich, dass wir einen Sinn haben, um Wahrheit wahrzunehmen, auf jeden Fall unsere Innere Wahrheit. Für mich ist diese innere Wahrheit vor allem in Bezug auf meinen Glauben offensichtlich. Ich kann Gott nicht „objektiv“ beweisen, und trotzdem habe ich ganz persönliche Erfahrungen, die mich zu dem Schluss kommen lassen, dass es Gott gibt. Diese Erfahrungen sind mir Beweis genug für meine innere Wahrheit. Wenn etwas erstmal meine Wahrheit ist, bin ich auch nicht so leicht wieder davon wegzubringen.
Das wiederum ist etwas sehr Menschliches, dass wir an unserer Wahrheit festhalten, zur Not auch mit Gewalt. Man denke nur an all die Religionskriege in der Geschichte bis heute oder an Jeanne D´Arc. Wie viele Vordenker mussten für ihre innere Wahrheit das Leben lassen? Einer bekanntesten ist sicher Mahatma Gandhi, der für seine Überzeugung, die unter anderem das Festhalten an der Wahrheit beinhaltete, ermordet wurde. Andere wurden ignoriert wie zum Beispiel Mendel für seinen Beobachtungen zur Vererbungslehre oder heute noch Hahnemann und seine Entdeckung der homöopathischen Wirkweise von Stoffen.

Denken Sie nur an all die wissenschaftlichen „Beweise“, die wir inzwischen haben, weil wir die Methoden verändern, genauer oder anders hinschauen (z.B. Mikroskope, DNA-Analysen, fMRT oder CT) und damit die Welt auch anders begreifen können. Doch es gab immer die Menschen, die all das, was „die Wissenschaft“ heute „beweist“ schon vor Jahrhunderten wussten, oder Menschen, die heute schon wissen, was erst in 20 Jahren bewiesen werden kann. Menschen, die die Wahrheit kennen, auch ohne wissenschaftlichen Beweis.

Unterschätzen wir nicht, dass wir in uns ein Gespür für die Wahrheit haben. Das wir wissen, in unseren Herzen, was – für uns – wahr ist, und was nicht. Es schadet sicher nicht, diese Überzeugungen immer wieder am allgemeinen Wissen zu überprüfen, eben weil das, was wir glauben zu wissen, oft davon beeinflusst ist, was unsere Umwelt weiß/glaubt oder uns gesagt hat. Vor allem, wenn es darum geht, was wir für wahr über uns selbst halten (Glaubenssätze und Giftige Gedanken).

Da wo man Dinge prüfen kann, sollte man es meines Erachtens tun. Dennoch kann es sein, dass man zu dem Schluss kommt, die innere Wahrheit ist eine andere als die „objektive/wissenschaftlich beweisbare“ Wahrheit. Und was dann?

Wahrheit geht für mich mit Verantwortung einher. Meine innere Wahrheit enthebt mich nicht eines verantwortungsvollen Umgangs damit. Vor allem dort, wo das Handeln nach dieser inneren Wahrheit die Freiheit anderer beschneidet, bin ich gefragt, gerechte und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Was ja sozusagen das Motto dieses Blogs ist und worum es teilweise im letzten Artikel ging und im Artikel über den Gerechtigkeitssinn noch gehen wird.

Bei der Beschäftigung mit diesem Thema fiel mir ein weiterer Aspekt zur Wahrheit ein:

Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Wahrheit oft besser ist als Nichtwissen. Wenn Menschen verschwinden, dann möchten die meisten Angehörigen wissen, was passiert ist. Selbst wenn das bedeutet zu erfahren, dass die verschwundene Person tot ist. Die Wahrheit ist an der Stelle hilfreicher als nicht zu wissen und sich der Phantasie zu überlassen. Denn die Phantasie ist meist schlimmer als jede Wirklichkeit und jede Wahrheit.

Ähnlich habe ich es immer wieder bei Opfern sexueller Gewalt erlebt, die mit KO-Tropfen betäubt wurden. Die meisten wüssten lieber, was der Täter mit ihnen gemacht hat als mit diesem unklaren (Körper-)Gefühl und der fehlenden Erinnerungen klarkommen zu müssen.

So ist unser Wahrheitssinn vielleicht auch Ausdruck dessen, dass es zu einem gesunden Menschen dazugehört, sich der Wahrheit zu stellen.

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Noch mehr Sinn: Eine Übersicht

13.03.2015 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Die Beschäftigung mit dem Möglichkeitssinn, hat mich dazu eingeladen, andere Sinn-Wörter zu suchen. Das führte zu spannenden Erkenntnissen, die ich in den folgenden Wochen mit Ihnen teilen möchte.

Hier erst einmal das Ergebnis im Überblick.

Ich fand Wörter, die für mich mit der Bedeutung von etwas zu tun haben: Der Doppelsinn, der Nebensinn, der Unsinn, der Wortsinn und auch der Sinn des Lebens. Im Grunde auch das Wort Uhrzeigersinn, das als Bedeutung eine Richtung angibt.

Dann gab es Worte, die mit unserer Wahrnehmung der Welt zu tun haben und eine entscheidende Rolle für unser tägliches Überleben spielen: Da sind der Bewegungssinn, der Gefühlssinn, der Gehörsinn, der Geruchssinn, der Geschmackssinn, der Gesichtssinn = Sehsinn, der Gleichgewichtssinn, der Richtungssinn und der Spürsinn = Tastsinn. All diese Begriffe haben mit Vorgängen zu tun, die uns helfen, Wahrnehmungen und Erfahrungen zu teilen. Es gibt viele Konventionen, wie diese Wahrnehmungen zu verstehen sind, welche Bedeutung sie haben. Scharf ist scharf, Rauch riecht nach Rauch, Fisch nach Fisch, Trauer ist Trauer, Wut ist Wut, laut ist laut und gestreckt ist gestreckt. Auch wenn es einen Spielraum gibt, so haben wir uns auf viele Bedeutungen geeinigt, was uns erlaubt, über unsere Wahrnehmungen zu reden und zu verständigen. Außerdem haben wir Körperzellen, sogenannte Rezeptoren, die uns bei der Verarbeitung dieser Informationen helfen. Diese Zellen wandeln Reize, zum Beispiel Lichtwellen oder Druck, im Körper in elektrische Impulse um, die für unser Gehirn „lesbar“ werden. Lesbar bedeutet, wir können den Reizen eine Bedeutung zuschreiben, wie eben scharf, sauer, hell, dunkel, westlich, östlich, kalt, warm, rauchig, schmerzend, leicht, wütend, traurig, fröhlich.

Die dritte Gruppe von Sinn-Worten hat damit zu tun, was uns in unserer Umgebung besonders macht, einzigartig und was wir benötigen, um gesund zu sein oder zu bleiben: Da sind der Familiensinn, der Feinsinn = der 6. Sinn (?), der Freiheitssinn, der Frohsinn, der Gemeinschaftssinn, der Gerechtigkeitssinn, der Realitätssinn = Wirklichkeitssinn, der Scharfsinn, der Schönheitssinn, der Tiefsinn und der Wahrheitssinn. Für diese „Sinne“ haben wir keine spezialisierten Zellen in unserem Körper und doch können wir darüber reden, obwohl das bei diesen Begriffen schon deutlich schwieriger wird. Für mich haben sie jedoch gemeinsam, dass es Begriffe sind, die mit unserer psychischen Gesundheit und unserer persönlichen Freiheit zu tun haben.

Die letzte Wortgruppe besteht für mich aus den Begriffen, die damit zu tun haben, dass es uns nicht gut geht. Dazu gehören für mich der Blödsinn, der Eigensinn, der Größenwahnsinn, der Irrsinn, der Leichtsinn, der Schwachsinn, der Starrsinn, der Stumpfsinn, der Trübsinn und der Wahnsinn. Für mich haben diese Begriffe gemeinsam, dass sie entweder einen Zustand von Krankheit beschreiben oder ein Verhalten, das kurz- oder langfristig krank macht, oder dazu führt, dass es uns nicht gut geht. Wenn wir gesund sein wollen, sollten wir all das meiden. Vermeidungsverhalten wäre hier angebracht, das Mittel der Wahl.

Soviel allgemein zu diesem sinn-vollen Thema. Weitere Texte werden sich wohl mit dem einen oder anderen Begriff vor allem aus Gruppe 3 beschäftigen. Anfangen werde ich mit dem Realitäts- gleich Wirklichkeitssinn. Und dann mal schauen, was noch kommt.

Über Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare werde ich mich sehr freuen.

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