„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

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Leserfrage: Ich möchte, dass meine Klientin sich sicher fühlt bei mir. Wie schaffe ich das?

25.02.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ich möchte demnächst eine Frau begleiten. Sie braucht jemanden, der mit ihr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt. Es ängstigt sie, allein zu fahren, ihre Vergangenheit kenne ich allerdings nicht. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Menschen, die PTBS haben.
Ich möchte der Frau so angenehm wie möglich sein. Ich möchte ihr helfen und sie unterstützen, sodass sie sich bei mir sicher und wohl fühlt. Ich bin eine Studentin ohne derlei Erfahrung, (1) möchte aber nichts falsch machen. Gibt es irgendwelche speziellen Tipps, die Sie mir geben könnten?
Was mache ich, wenn sie von einem „Trigger“ plötzlich in einen Anfall (2) gedrängt wird, wie muss ich reagieren, damit es ihr schnell besser geht oder wie kann ich sie unterstützen, damit sie sich nicht in dem Anfall verliert, sondern entweder es selbst schafft, da rauszukommen oder dass ich ihr mit dem Gefühl von Sicherheit zur Hilfe komme?
Außerdem möchte ich ihr das Gefühl vermitteln, dass ich sie und die PTBS ernst nehme, ohne direkt so taktlos darüber zu sprechen (3) – ich empfinde es als taktlos von mir, sie direkt darauf anzusprechen. Ich habe gehört, dass man vor allem bei PTBS-Patienten, wie auch bei depressiven Menschen, sehr auf seine Wortwahl achten muss, weil diese Menschen die Worte meist (4) negativ interpretieren. Ich überlege deshalb schon die ganze Zeit, wie ich ihr diese Ernsthaftigkeit vermitteln kann. Haben Sie Tipps für mich? Hätten Sie generell Hinweise für mich, wie ich mich am Besten (5) verhalten soll? Mein Ziel ist nicht, sie zu therapieren, dafür hat sie ihre Therapeutin, sondern für sie ein Fels in der Brandung zu sein, während sie mit mir durch die Gegend fährt. Eine Vertrauensperson (6), eine Sicherheit, jemand, bei dem sie sich wohlfühlt, sich sicher fühlt.

Liebe Leserin,

das sind viele Fragen und es gäbe wirklich viel zu sagen. Ich habe die Fragen durchnummeriert, auf die ich antworten kann.

Zu (1) Sie können nichts falsch machen. Es liegt nicht in Ihrer Hand, wie der andere reagiert. Das ist auch nicht Ihre Verantwortung. Jeder ist nur für sich selbst verantwortlich. Für sein Verhalten, seine Gefühle und seine Gedanken. Selbst wenn Sie in der besten Absicht versuchen, Gutes zu tun, kann es beim anderen genau das Gegenteil bewirken. Wenn Sie anderen helfen wollen, dann geht es immer darum, herauszufinden, was das Beste für den anderen ist. Um das herauszufinden, muss man fragen und offen darüber reden. Es bedeutet auch, dem anderen nicht alles abzunehmen, um es einfacher zu machen. Manchmal heißt es nur Mut machen, damit der andere es selbst tut, auch wenn es ihm schwer fällt.

Zu (2) Trigger sind Reize, die eine Warnreaktion auslösen, einen Fehlalarm. Keinen Anfall. Ein Flashback ist kein Anfall, sondern ein Flashback oder eine Erinnerungsattacke oder eben ein Fehlalarm. Einen Fehlalarm beendet man am schnellsten mit der Hier und Jetzt Übung. Gut ist es, wenn Betroffene lernen, diese Übung selbst zu machen.

Zu (3) Es ist nicht taktlos, über eine psychische Störung zu sprechen. Es sollte normal sein. Wenn die betroffene Frau nicht akzeptiert und sieht, dass sie ein Handicap hat, dann kann sich nichts ändern. Zu akzeptieren, dass es so ist, ist ein wichtiger Schritt Richtung Gesundheit. Also lernen Sie zu fragen, was Sie wissen wollen oder wissen müssen. Die meisten Betroffenen wissen, was Ihnen hilft. Vor allem, wenn Sie schon länger mit ihrem Problem leben. Also kann man sie fragen. Offenheit und Ehrlichkeit sind die besten Berater. Außerdem gibt es in der Textreihe zur PTBS viele Hinweise und Strategien, die man eine nach der anderen Ausprobiert, bis man findet, was hilft.

Zu (4) Dass traumatisierte Menschen dazu neigen, Reize und vor allem auch Worte negativ zu interpretieren, ist eine Beobachtung, die oft zutrifft und einen guten Grund hat. Wer viel Gewalt erlebt, dessen Gehirn verallgemeinert die negativen Erfahrungen: Eine Person verletzt mich, alle Menschen sind gefährlich (Einmal immer Fluch). Vor allem, wenn es nicht bei einer Gewalterfahrung blieb, sondern wiederholt Verletzungen ertragen werden mussten, kommt es zu stabilen, negativen Verallgemeinerungen. Dazu kommen all die negativen Sätze, die jemand mit Gewalterfahrungen von seinem Täter oder seinen Tätern gesagt bekam: Dir glaubt sowieso niemand, wir finden Dich überall, Du bist nichts wert, Dich will sowieso niemand und so weiter.

Zu (5) Am besten ist man ehrlich und offen und transparent. Nicht um den heißen Brei reden, sondern die Dinge beim Namen nennen. Darüber reden, was Auslösereize = Trigger = Warnreize sind und wie man mit ihnen umgehen kann. Und niemals über den Kopf hinweg entscheiden, sondern immer entscheiden lassen, selbst in kleinen Dingen und selbst wenn es wiederholte Entscheidungen sind. Zum Bespiel frage ich meine Klienten jedes Mal neu, ob Sie etwas zu trinken möchten und wenn ja, ob es Wasser oder Tee sein soll. Selbst wenn die Person jedes Mal den gleichen Tee wollte, bekommt sie den von mir auch beim 13 Besuch nicht automatisch, sondern muss sich wieder und wieder bewusst dafür entscheiden. Das ist es, was jemandem mit Gewalterfahrung zeigt, dass er Dinge in seinem Leben mitbestimmen kann.

Zu (6) Vertrauen bedeutet, sich sicher fühlen können, weil man sich dafür entscheidet, dass der andere es wohlwollend meint. Sicherheit entsteht durch Vorhersehbarkeit. Vorhersehbarkeit entsteht durch Ankündigungen, Einhalten von Absprachen und Versprechen sowie durch eigene Entscheidungen. Eine große Aufgabe, wenn Ihr Gegenüber viel Gewalt erlebt hat.

Darüber hinaus braucht es Menschen wie Sie, die sich interessieren und sich nicht davon abschrecken lassen, wenn keine Veränderungen wahrnehmbar sind. Ein Heilungsweg kann lange dauern und ist von vielen Tiefen und kleinen Fortschritten geprägt. Es braucht also Menschen, die durchhalten.

Das wünsche ich Ihnen, dass Sie die Kraft haben, durchzuhalten.

Leserfrage: Was tun bei chronischen Schmerzen?

11.02.2018 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ich bin komplex traumatisiert und habe sehr viele Therapien hinter mir. Seit 3 Jahren leide ich an höllischen Nervenschmerschmerzen von den Sitzhöckern bis runter in die Füße. Die Schmerzen treten sofort nach dem Aufwachen auf und verschwinden auch durch Akupunktur, KG etc. nicht. An Medikamenten habe ich Tavor, Opium etc. genommen, was keine Dauerlösung ist.

Liebe Leserin,

Nervenschmerzen sind eine üble Sache. Sie machen ohnmächtig. Sie zermürben. Sie rauben alle Kraft, die wir für anderen Dinge sinnvoller einsetzen könnten.

Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Wenn medizinische Gründe ausgeschlossen sind, dann ist die spannende Frage, ob gängige Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) anschlagen. Wenn ja, wäre das für mich immer erstmal ein Hinweis auf eine aktuelle körperliche Komponente des Schmerzes, also zum Beispiel Spannungs(kopf)schmerzen, Wirbel verschoben.

Aber ich erlebe auch immer wieder Fälle, in denen Schmerzmittel nicht anschlagen. Das ist für mich ein Hinweis auf einen Flashback, einen Fehlalarm, eine Erinnerungsattacke.

Wenn es eine Körpererinnerung (Flashback) ist, dann kann es hilfreich sein, sich in den Schmerz hinein zu spüren und ihn ganz genau wahrzunehmen. Das bringt manchmal die dazugehörigen restlichen Erinnerungsteile zurück.

Eine hilfreiche Frage ist: Was, lieber Körper, was lieber Schmerz willst Du mir sagen? Wenn wir hinspüren, kann so manchmal eine Antwort kommen.

Bei mir selbst ist es manchmal so, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn Klienten mit einem geistlichen Thema kommen, wenn es darum geht, dass Gott Großes mit ihnen vorhat. Dann bekomme ich als Ausdruck des geistlichen Angriffs Kopfschmerzen. Mein Glaube an die Wirkung von Schmerzmitteln ist allerdings so groß, dass sie helfen, obwohl es erstmal keine körperliche Ursache gibt. Anspannung vielleicht, ja, das mag sein. Manchmal ist der Schmerz allerdings nicht so stark oder taucht schlagartig während einer Sitzung auf, wenn das Thema von Psychologie hin zu Glaube wechselt. Und wenn die Person geht, ist der Schmerz, die Müdigkeit und andere Beschwerden schlagartig wieder weg.

Man könnte jetzt sagen, das kommt von der Entspannung, sozusagen der Erleichterung, weil das „schwierige“ Gespräch vorbei ist und ich froh bin, dass der andere weg ist. Mag sein. Ich erlebe es anders. Es sind oft die besonders berührenden und heilsamen Gespräche, die durch solche Kopfschmerzattacken „behindert / attackiert“ werden.

Wenn es um Entspannung gehen würde, müsste eine Entspannungstechnik helfen. Tut sie aber nicht. Allein mein Glaube – an die Medikamente und an Gott, in Form eines Gebets hilft. Manchmal auch ein gemeinsames Gebet.

Ich weiß nicht, welche Ursache, Ihre Nervenschmerzen haben könnten. Aber ein Entspannungsverfahren sehr gut zu lernen kann hilfreich sein, wenn sie mit Stress (Flashback-Schmerzen = Körpererinnerung) verknüpft sind. Alle Strategien, die gegen Erinnerungsattacken helfen, können Entlastung bringen (Hier und Jetzt, der Sichere Ort) oder aber genau das Gegenteil: Sich in den Schmerz hineinspüren und ihn fragen, was er mir sagen will. Allen Mut zusammen zu nehmen und den Körper nach dem Rest der Erinnerung fragen. Was nur funktionieren kann, wenn die Schmerzen Teil einer Erinnerung sind.

Frei nach Louise Hay könnte folgende Interpretation eine Hilfe sein:

Schmerz, Dauerschmerz verweist auf Schuldgefühle, die im Schmerz ihre Bestrafung finden. Dem kann ich mit einem neuen Gedankenmuster (Giftige Gedanken) entgegenwirken: „Liebevoll lasse ich die Vergangenheit los. Die anderen sind frei und ich bin frei. Alles ist jetzt gut in meinem Herzen.“

Komplexe Traumafolgestörungen gehen oft damit einher, dass Täter einen zwingen, Täterverhalten zu zeigen. Sie wollen, dass sich ihre Opfer genauso schuldig fühlen wie die Täter selbst sich schuldig machen. Sie reden ihren Opfern Schuld ein. Aber ein Opfer hat keine Wahl und damit auch keine Schuld. Schuldgefühle, wenn sie die Ursache der Schmerzen sein könnten, sind ein wichtiger und komplexer Schutzmechanismus gegen Ohnmacht (Schuldgefühle). Sollte das ein Thema sein, so geht es darum zu sehen, dass Sie keine Wahl hatten und deswegen ohne Schuld sind. Sie hatten in der Gewaltsituation keine Wahl, auch wenn das von heute aus betrachtet anders aussehen mag.

Ich bin tief und fest davon überzeugt, dass niemand sich schuldig machen würde, wenn er eine echte, freie Wahl sehen würde. Aber oft haben wir sie nicht oder sehen sie nicht. Als Opfer von Gewalt reden wir uns ein, wir hätten eine Wahl, wo es nie eine gab, um die Ohnmacht nicht mit aller Macht spüren zu müssen und so die Illusion von Einfluss auf die Situation und damit das eigene Wohlbefinden aufrecht erhalten zu können.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie die Ursache der Schmerzen entdecken und ans Licht bringen und sich so davon befreien können.

Herzliche Grüße und viel Kraft für diesen Weg

Stefanie Rösch

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Amazonpartnerlink zu Louise Hay: Heile deinen Körper: Seelisch-geistige Gründe für körperliche Krankheit

Leserfrage: Was ist der Unterschied zwischen giftigen Gedanken und Täterintrojekten?

24.06.2017 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 4 Kommentare

Liebe Frau Rösch, ich habe viele Ihrer Artikel in diesem Blog gelesen, vor allem das Thema giftige Gedanken berührt mich sehr. Ich habe eine Frage und hoffe, dass Sie vielleicht weiterhelfen können. Ich habe eine Traumkonfrontationstherapie gemacht, jedoch nicht erfolgreich. Die Therapeutin sagte, ein zu starkes Täterintrojekt würde die Zusammenarbeit unmöglich machen. Jetzt bin ich etwas ratlos, wie wird das behandelt? Ich weiß, dass diese giftigen Gedanken sehr stark sind und kämpfe dagegen an wo ich kann. Gibt es dabei eine Möglichkeit zur Unterstützung für mich? Seit dem Abbruch der Therapie habe ich fast jeden Tag Panikattacken und weiß nicht mehr weiter.

Liebe Leserin,

könnte es sein, dass Ihre „Panikattacken“ im Grunde Flashbacks sind (–> Erinnerungsattacken/Fehlalarme des Hirns)? Dann könnte alles helfen, was bei Flashbacks hilft (–> Was hilft gegen Flasbacks, weitere Möglichkeiten).

Dringender scheint mir jedoch die Frage nach den giftigen Gedanken und dem Täterintrojekt zu sein. Dazu möchte ich zuerst versuchen zwischen giftigen Gedanken und einem Täterintrojekt zu unterscheiden.

Giftige Gedanken, sind negative Gedanken, die im Autopiloten (–> Was ist der Autopilot?) in unserem Hirn unterwegs sind und uns meist, indem sie Angst auslösen, daran hindern frei zu sein. Aber es sind nur Gedanken. Wenn man sie entdeckt hat, dann reicht als Gegenmaßnahme, den Autopiloten „neu zu programmieren“, was aus meiner Erfahrung in erster Linie durch blanke Wiederholung erreicht werden kann (–> Giftige Gedanken). Hilfreich ist es, wenn man noch subjektive Beweise für den neuen, gesunden, positiven Gedanken finden kann.

Ein Beispiel: Wenn ich denke „Ich bin wertlos“, dann ist das ein giftiger Gedanke, der mich daran hindert frei zu sein. Bei allem, was ich tue, flüstert dieser Gedanke im Hintergrund, dass ich es nicht schaffe, weil ich wertlos bin. Wenn ich diesen Gedanken entlarvt habe (1), dann entscheide ich zuerst, dass ich in Zukunft „Ich bin wertvoll“ über mich selbst denken will (2), oder vielleicht auch „Ich liebe und akzeptiere mich so wie ich gerade bin“ (2). Dann wiederhole ich den Satz, täglich über mindestens 3 Wochen (3). Aus der Sportpsychologie weiß man, dass es ein paar Tausend Wiederholungen braucht, um einen Bewegungsablauf automatisch abrufen zu können. Für giftige Gedanken kann man sich das einfach genauso vorstellen. Wenn man jetzt noch dazu aufschreibt, was dafürspricht, dass man wertvoll ist (4), z.B., weil es Freundin A und B gibt, oder mein Hund sich freut, mich zu sehen, oder die Verkäuferin freundlich gelächelt hat, dann kann man den neuen Gedanken in den Autopilotenzustand (unbewusst/automatisiert) bringen.

Ein Täterintrojekt, wie ich es verstehe und meine, wenn ich in meinem Blog darüber schreibe, ist ein Bündel von Gedanken, das ein intensives Eigenleben führt. Im Grunde wie eine eigene Person (auch Ich-Zustand genannt). Meist sind diese inneren Anteile in ihrer Zeit (Zeitpunkt einer traumatischen Erfahrung) eingefroren. Sie können auf unterschiedliche Weise in Erscheinung treten. Bis dahin, dass sie das Handeln der Person übernehmen wie bei der Dissoziativen Identitätsstörung (DIS –> Definition und Beschreibung).

Täterintrojekt werden diese Erinnerungs- /Ich-Zustände genannt, weil sie Verhalten und Forderungen eines Täters in unseren Köpfen weiterleben lassen (Introjekt = im Inneren abgebildet = wie eine Kopie des Täters in unserem Kopf). Man kann mit ihnen sprechen. Mit einem giftigen Gedanken kann man nicht sprechen, es ist nur ein einzelner Gedanke. Wie eine Haltung oder eine Erwartung. Ein Täterintrojekt ist komplexer. Mehrere Gedanken, Erwartungen und Haltungen, die täterfreundlich sind oder sich verhalten, um einem Täter zu gefallen, weil das mit weniger Gewalt oder Geschenken oder sonst wie belohnt wird. Sie beschützen die Täter durch ihr Verhalten.

Täterintrojekte behandle ich wie eigenständige Menschen, wie eine Person im Kopf meiner Klienten. Ich rede mit ihnen und versuche herauszufinden, was sie wollen. Manchmal verraten sie es und manchmal zicken sie rum. Wenn Sie rumzicken oder schaden wollen, zum Beispiel durch selbstverletzendes Verhalten, dann ermutige ich die Klientin, sich im Kopf zu wehren. (–>Täterintrojekte, das Recht auf Notwehr)

Damit das klappt, so meine Erfahrung, braucht es äußere Sicherheit. Also Sicherheit für den eigenen Körper. Es braucht eine stabile Beziehung (die Therapeutin), die zur inneren Notwehr ermutigt und Ideen liefert, wie das gehen kann. Die Therapeutin hilft zu erkennen, dass nichts passieren kann, wenn man sich gegen die Stimmen im eigenen Kopf wehrt. Täterintrojekte versuchen, Ihnen Angst zu machen. Lassen Sie das nicht zu! Was auch immer es ist, zum Zeitpunkt der Therapiesitzung ist es vorbei und Sie sind sicher. Davon gehe ich jedenfalls aus, denn sonst wäre die Therapeutin/der Therapeut Täter.

Alles, was in Ihrem Kopf stattfindet, können Sie lernen zu beherrschen. Machen Sie sich bewusst, wer da unterwegs ist und was derjenige von Ihnen will. Bisher habe ich den Eindruck, dass das nur mit einem furchtlosen Gegenüber (Therapeutin) geht, das Sie unterstützt und manchmal vorlebt, wie man sich wehrt.

Das kann ein sehr langer Prozess sein, aber man kann sich auch von hartnäckigen Täterintrojekten befreien. Bisher konnten meine Klienten und ich in meinen Therapien noch jedes Täterintrojekt in die Knie zwingen und rauswerfen.

Auch wenn es ein ziemlicher Kampf sein kann. Ja, ein Kampf. Immer ein innerer und manchmal auch äußerer Kampf, wenn zum Beispiel das Täterintrojekt meint, es muss den Therapieraum verlassen, um die Therapie abzubrechen. Für diese Fälle habe ich mit der Klientin dann VORHER abgesprochen, dass ich es daran hindere, seinen Plan auszuführen, indem ich mich zwischen Tür und Täterintrojekt im Körper der Klientin stelle und so verhindere, dass das Täterintrojekt gehen kann. Gleichzeitig spreche ich wie vereinbart mit der Klientin und sage ihr, dass sie jeder Zeit gehen kann, wenn sie will, aber sie muss es mir selbst sagen. Von Täterintrojekten lasse ich mir nichts sagen 🙂

Wenn die Introjekte durch rituelle Gewalt entstanden sind, dann mögen sie es gar nicht, wenn man laut ein Gebet spricht oder ein Lobpreislied singt und sie dann wegschickt. Aber auch Lieder wie „Die Gedanken sind frei“ haben sich schon als hilfreich herausgestellt. Manchmal passiert dann so etwas wie im Filmausschnitt am Ende bildlich dargestellt: Die Böse Hexe des Westens (unser Täter) schmilzt (verschwindet aus dem Kopf) nachdem Dorothy versehentlich einen Eimer Wasser über sie kippt (sich gewehrt hat/Notwehr) als Sie ihren Freund Vogelscheuche retten will, den die Hexe in Brand gesteckt hat (Letztendlich retten Sie sich selbst).

Ich hoffe, Sie finden jemanden, der diesen Kampf gegen das Täterintrojekt wieder mit Ihnen aufnimmt und an Ihrer Seite kämpft und Ihnen Mut macht, sich zu wehren. Ich weiß, dass Sie die Macht haben, das Täterintrojekt zu besiegen. Sie können es rauszuwerfen oder innerlich töten, wenn es sein muss. Auch wenn Sie das noch nicht glauben können. Ich bin mir sicher, dass Sie die Kraft dafür haben werden.

Eine ausführliche Anleitung: Die Hier-und-Jetzt-Übung

27.01.2017 Veröffentlicht von Strategien 6 Kommentare

Ich glaube, ich habe die Hier-und-Jetzt-Übung in diesem Blog noch nie ausführlich beschrieben, obwohl ich sie immer wieder erwähnt habe. Das soll sich heute ändern.

Wenn man mit belastenden Erinnerungen kämpft, Erinnerungen, die sich immer wieder wie von selbst aufdrängen, nicht enden wollen und Ihnen als grausame Erinnerungsattacken das Leben schwermachen, dann ist es aus meiner Erfahrung besonders wichtig, dass Sie erleben, dass SIE entscheiden, womit Sie sich bewusst beschäftigen wollen. Das erreichen Sie am schnellsten, wenn Sie Ihr Bewusstsein mit der Gegenwart füllen, also mit dem, was Ihre Sinnesorgane jetzt gerade wahrnehmen. Das funktioniert folgendermaßen. Beantworten Sie die folgenden Fragen, während Sie sie lesen:

Was sehen Sie jetzt gerade? Was hören Sie jetzt – im Raum oder weiter weg? Können Sie Ihre Füße auf dem Boden spüren? Was machen Ihre Hände gerade? Können Sie den Stuhl spüren, auf dem Sie gerade sitzen? Haben Sie ein Getränk in der Nähe und können einen Schluck nehmen und schmecken, welche Aromen Sie wahrnehmen? Oder haben Sie ein Parfum oder einen anderen riechenden Gegenstand, den Sie bewusst wahrnehmen können? Wonach duftet er?

Wenn Sie anfangen, sich darauf zu konzentrieren, was Sie gerade sehen, hören, schmecken, riechen und spüren, kann es hilfreich sein, das laut vor sich her zu sagen. Oder Sie können jemanden bitten, Ihnen aus der Erinnerungsattacke herauszuhelfen, indem er Sie danach fragt, was Sie gerade wahrnehmen. Diese Person kann genau nachfragen, was Sie wahrnehmen, also zum Beispiel, welche Formen, Farben, Oberflächen, Materialien. Ein Wollpulli hat eine andere Oberfläche als ein Baumwollhandtuch oder ein Holztisch oder ein Metalllöffel.

Wenn ich, Stefanie Rösch, in diesem Augenblick mein Bewusstsein mit Gegenwart füllen möchte, dann würde sich das folgendermaßen anhören: Ich sehe vor mir den Bildschirm meines Computers. Ich höre Filmmusik dazu, eine Geige im Moment mit einem leicht melancholischen Thema. Ich rieche den Duft von Beeren von meiner Kerze und mein Tee schmeckt nach Ingwer, ein bisschen zitronig und leicht scharf. Der Tee ist nur noch lauwarm, und jetzt sind viele Geigen zu hören und irgendwelche Bläser und das Klackern der Tastatur. Die Buchstaben werden rot unterstrichen, wenn ich einen Schreibfehler mache oder das Programm ein Wort wie zitronig nicht kennt und so weiter.

Machen Sie die Hier-und-Jetzt-Übung immer wieder und wieder. Sie hilft Ihnen zu spüren, dass SIE entscheiden, worüber Sie nachdenken, selbst wenn etwas sehr Belastendes passiert ist.

Es mag sein, dass es Ihnen am Anfang sehr schwer fällt, diesen Text am Stück zu lesen und zu verstehen, aber geben Sie nicht auf! Lesen Sie die Zeilen wieder und wieder bis Sie sie verstehen. Auch wenn es einmal 10 Minuten oder länger dauert. Das kann durchaus sein, wenn Sie etwas sehr Belastendes erlebt haben.

Kommen Sie immer wieder zurück in die Gegenwart! Zurück in den Augenblick, in dem nichts mehr passiert und in dem Sie sicher sind.

Nur Mut!

Leserfrage: Spielsucht durch traumatische Erfahrungen?

01.11.2016 Veröffentlicht von Leserfragen, Strategien 0 Kommentare

Ist es normal durch traumatische Erfahrungen extremes Suchtverhalten (Casino, Computer) zu entwickeln? Als ich überlegte, warum ich das mache, fand ich die Antwort, dass ich dadurch die unzähligen Gedanken und Erinnerungen für einen Moment ausschalte und mich im Hier und Jetzt befinde ohne denken zu müssen.

Ist es möglich, meinen Kopf auszuschalten ohne zu spielen, dass die Gedanken und Erinnerungen aufhören. Ich habe das Gefühl, dass ich 24/7 nur am Denken bin. Bin teilweise richtig abwesend und höre den Menschen um mich rum nur teilweise oder gar nicht zu bzw. vergesse Gesagtes manchmal recht schnell, da ich so in Gedanken versunken bin.

Lieber Leser,

danke für die positive Rückmeldung. Meine Gedanken und Ideen zu Ihrer Frage?

Ich finde, Sie haben das gut erkannt. Ich glaube nicht, dass es normal im Sinne von verbreitet oder häufig ist, aufgrund oder nach einer oder mehrerer traumatischen Erfahrungen eine Spielsucht zu entwickeln. Aber ich halte es für möglich und vor allem erklärbar. Sie haben die Erklärung bereits selbst beschrieben. Es ist ein Versuch, um mit den negativen Erinnerungen umzugehen, die wiederum ganz typisch sind als Folge von belastenden Lebenserfahrungen.

Hier eine grundsätzliche Erklärung

Bei Traumafolgestörungen dreht sich alles um die Fehlalarme des Hirns, die sich in Erinnerungsattacken wiederspiegeln. Wenn Sie Gefahr erlebt haben und das vielleicht nicht nur einmal, dann wird Ihr Hirn Sie immer dann warnen, wenn es einen Reiz gibt (Bild, Farbe, Geruch, Geräusch, Geschmack, Körperwahrnehmung), der an die erlebte/überlebte Gefahr erinnert. In dem Moment versucht Ihr Hirn, Sie zu warnen, indem es die Erinnerung „schickt“. Ihr Hirn kann ja nicht sagen: „Du, Achtung, hier könnte irgendwo ein Säbelzahntiger sein und die sind gefährlich, also sei vorsichtig.“ Um diese Warnung zu schicken, sehen Sie die Bilder aus der Erinnerung, spüren Sie im Körper. So wie Sie es damals gespürt haben, hören Sie vielleicht die Geräusche im Ohr und so wissen Sie: Achtung, Gefahr!

Wir haben leider verlernt, diese Erinnerungsattacken als Warnung unseres Hirns zu sehen, zumal es meistens ein Fehlalarm ist. Es also keine echte, reale Gefahr mehr gibt.

Wenn Sie diesen Zusammenhang aber nicht kennen, dann werden Sie sich Ihren Erinnerungsattacken hilflos ausgeliefert fühlen, genauso wie der ursprünglichen Gefahr. Natürlich geht mit diesen Fehlalarmen einher, dass man sich schlecht fühlt und natürlich auch, dass man darüber nachdenkt. Leider denkt man nicht immer, wie man eine zukünftige Gefahr bewältigen kann, sondern viele Menschen bleiben im Kopf, im Moment der größten Gefahr, „stecken“. Das nennt man katastrophisierendes Denken. Wenn Sie aber in Gedanken im Zustand der Gefahr bleiben, dann macht ihr Körper auch die entsprechende Alarmreaktion dazu, sprich Stress, sprich Unruhe und ein unangenehmes Gefühl.

Um das „wegzumachen“ lenken sich viele Menschen ab, zum Beispiel mit einem Suchtverhalten. Insofern haben Sie das gut erkannt!

Der nächste Schritt ist zu lernen, was man gegen diese Erinnerungsattacken und die damit verbundene Stressreaktion tun kann, ANSTATT zu spielen.

Der Trick ist, die Aufmerksamkeitsspanne, also das, was wir (halbwegs) bewusst denken, mit Gegenwart zu füllen. Das Spielen ist eine Möglichkeit, die jedoch den Nachteil hat, dass Sie den Fehlalarm damit nicht dauerhaft abbrechen können.

Im Grunde braucht das Hirn Ihre Unterstützung dabei zu lernen, dass es gute Warnreize gibt und ungeeignete Warnreize. Das heißt, Sie wollen Ihr Alarmsystem „besser einstellen“, damit es weniger Fehlalarme macht. Wenn man es auf das Beispiel von einem Rauchmelder anwendet, dann wollen Sie ihrem Rauchmelder (Gefahrenmelder/Limbisches System) im Hirn beibringen, nur auf einen echten Brand zu reagieren und nicht auf jede Kerze, die brennt, oder jedes Schnitzel, das Sie braten, oder jede Zigarette, die geraucht wird. Das heißt, beim nächsten Fehlalarm, schauen Sie sich um und sagen Sie sich, dass Sie jetzt sicher sind.

Es kann sein, dass das nur in kleinen Schritten geht. Aber es geht. Ich erlebe es täglich in meiner Arbeit.

Den ersten Schritt haben Sie schon bewältigt, weil Sie erkannt haben, dass Gedanken die Unruhe verursachen, die so unangenehm ist, dass Sie sie wegmachen wollen. Sie haben den wichtigsten Schritt schon getan: Sie wissen wie eine Erinnerungsattacke bei Ihnen beginnt.

Jetzt heißt es, den Feuermelder im Hirn neu einstellen, indem Sie ANSTATT zu spielen, die Hier-und-Jetzt-Übung machen und sich immer wieder mit eigenen Augen versichern, dass Hier und Jetzt keine Gefahr ist und Sie sicher sind. Es ist wichtig, sich das selbst zu sagen: Ich bin jetzt sicher, das ist nur ein Fehlalarm. Ich bin jetzt sicher.

Es braucht Übung. Wenn die Erinnerungsattacke zu schlimm ist, können Sie auch versuchen, das Spielen mit einem Wecker zeitlich zu begrenzen. Spielen Sie eine halbe Stunde und dann machen Sie wieder etwas anderes. Einer meiner Klienten kam gut damit klar, bei einer Erinnerungsattacke etwa 2 Minuten lang ein Handyspiel zu spielen. Dann hatte er sich wieder in die Gegenwart gebracht und konnte seinem Alltag weiter nachgehen. Spiele, die sich dazu besonders eigenen, sind Spiele, bei denen das Spiel selbst das Tempo vorgibt, Jump & Run-Spiele oder Spiele, die eine hohe Konzentration erfordern, z.B. Logikspiele und Puzzlespiele. Jump& Run funktioniert besser, weil es Konzentration einfordert. Es gibt sogar wissenschaftliche Untersuchungen dazu, dass Tetris-spielen helfen kann.

Weitere Möglichkeiten, Erinnerungen und die dazugehörigen unangenehmen Gedanken zu unterbrechen finden Sie hier: Sicherer Ort, weitere Stabilisierungetechniken bei PTBS.

Spielen hilft in Ihrem Fall nur kurzfristig, um die Erinnerungsattacke / Fehlalarm schnell wieder abzubrechen. Das eigentliche „Neu-Einstellen“ Ihres Feuermelders im Hirn wird stattfinden, wenn Sie sich beibringen, dass es sich bei der Erinnerungsattacke „nur“ um einen Fehlalarm handelt. So kann da Hirn die abgespeicherten Erinnerungs-Warnreize aussortieren.

Viel Erfolg und Durchhaltevermögen beim Training!

________________
Emily A. Holmes, Ella L. James, Thomas Coode-Bate, Catherine Deeprose (2009). Can Playing the Computer Game “Tetris” Reduce the Build-Up of Flashbacks for Trauma? A Proposal from Cognitive Science. PLOS, Published: January 7, 2009, http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0004153

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