„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts in Leserfragen

Leserfrage: Werde ich beim Gerichtsprozess wieder alle Trauma-Symptome haben?

30.10.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich wurde vor einem halben Jahr vergewaltigt. Mir ging es am Anfang sehr schlecht und ich wusste nicht, was mit mir los war. Ich musste am Tattag zur Kripo, in die Klinik usw. Das war soweit OK. Am nächsten Tag war dann nichts mehr wie vorher. Ich konnte nicht richtig sprechen, der Film lief wie in einer Dauerschleife usw. Hilfe konnte ich mir am Anfang nicht holen, weil mir auch in der Klinik auf Station alle gefährlich vorkamen. 3 Monate später bin ich dann doch nochmal in die Klinik gegangen. Heute geht es mir relativ gut. Aber nächsten Monat ist der Prozess. Wenn ich den Täter sehe, glauben Sie, dass dann alles wieder zurück kommt?

Lieber Leserin,

rechnen Sie mal damit, dass wenn Sie den Täter sehen, Ihr Hirn eine Alarmreaktion macht, was ja grundsätzlich sinnvoll ist, weil dieser Mann ja gefährlich war.

Allerding ist die Situation heute ja eine andere. Es sind andere Menschen da. Menschen, die nicht zulassen werden, dass er Ihnen noch einmal etwas antut.

Es lohnt sich, sich gut auf den Prozess vorzubereiten:

  • Schauen Sie sich den Gerichtssaal vorher einmal mit einer vertrauten Person, evtl. Rechtsanwalt an, damit Sie die Abläufe kennen und alles schon einmal gesehen haben. Dann können Sie sich überlegen, wie Sie aus dem Raum kommen, wenn Ihnen alles zu viel wird.
  • Gehen Sie für den Prozess an Ihren sicheren Ort.
  • Ziehen Sie ein Liebeskleid an.
  • Nehmen Sie Personen des Vertrauens mit (Rechtsanwalt sollte ja da sein, wenn Sie Nebenklägerin sind, Freunde, Partner, Therapeut(in))
  • Überlegen Sie sich, was passieren kann, was Ihnen Sorge macht und wie Sie damit umgehen wollen. Machen Sie einen mentalen Plan für schwierige Situationen wie zum Beispiel die Befragung durch den Richter oder blöde Bemerkungen durch den Verteidiger oder Blicke des Täters. Zum Beispiel könnten Sie sich vornehmen, jede Frage, die der Verteidiger Ihnen stellt, erstmal in eigenen Worten wieder zu geben, ob Sie verstanden haben, was er wissen will. Dann merken Sie trotz Anspannung vielleicht schneller, wenn er eine doofe Frage stellt und können sich besser schützen. Überlegen Sie sich Antworten, Gegenfragen, und auch, was Sie tun, wenn Sie eine Erinnerungsattacke (Flashback) haben sollten, was möglich ist.
  • Überlegen Sie, was Sie sonst noch brauchen, um sich im Gerichtssaal und im Wartebereich wohl zu fühlen. Etwas zu trinken? Lieblingskleidung, Kaugummi, etwas Süßes, einen angenehmen Geruch?

Je besser Sie vorbereitet sind, desto besser werden Sie den Prozess schaffen. Sie werden wissen, dass Sie die Situation beeinflussen können und Sie für Ihre Sicherheit sorgen können.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft dafür.

Leserfrage: Ist Malen für Flüchtlingskinder gefährlich?

06.10.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich arbeite in meiner Freizeit mit Flüchtlingskindern, d.h. wir malen, puzzlen und spielen. Speziell beim Malen entstehen nicht nur Bilder mit „Heilewelt“-Motiven. Meine Frage wäre: Sehen Sie eine besondere Gefahr z.B. einer Retraumatisierung beim Malen mit Flüchtlingskindern? Würden Sie andere Spiele vorziehen? Was kann ich beachten?

Lieber Leser,
erstmal mein ganz persönlicher Dank, dass Sie sich ehrenamtlich engagieren. Das finde ich immer wieder großartig weil es zeigt, wie viele wunderbare Menschen dieses Land hat.

Zu Ihrer Frage kann ich Ihnen das Buch von Dorothea Weinberg empfehlen: Verletzte Kinderseele – Was Eltern traumatisierter Kinder wissen müssen und wie sie richtig reagieren. Einen Link finden Sie am Ende des Artikels.

Grundsätzlich ist es gut, wenn Kinder Ihren Gefühlen in dieser Form Ausdruck verleihen. Wenn es möglich ist zu kommunizieren, können Sie sich die Bilder erklären und davon erzählen lassen. Helfen Sie den Kindern, die Geschichten positiv zu Ende zu erzählen. Es ist traurig, jemanden verloren zu haben oder zurücklassen zu müssen, aber es steckt auch viel Liebe darin, wenn Eltern ihre Kinder in Sicherheit bringen wollen. Es ist nicht nur ein Abschieben oder Wegschicken, sondern der Versuch, Leben zu retten. Darin steckt viel Liebe der Eltern für ihre Kinder. Dann gibt es Gott (egal ob der Christliche oder der Muslimische, wenn Sie das Wort Gott verwenden, verstehen Kinder sicher, was Sie meinen, die meisten werden Kontakt mit dem Glauben haben, mehr als wir hier oft denken). Gott hat dafür gesorgt, dass sie jetzt hier sind, ein Dach über dem Kopf haben und sicher sind und zu essen und warm, und dass es jetzt ganz viele Menschen wie Sie, lieber Leser, gibt, die alles dafür tun, damit das so bleibt und die Kinder trotzdem möglichst bald wieder mit Ihren Familien zusammen sein können. Da alle nur Menschen sind, kann es sein, dass das nicht gelingt, aber jeder wird jeden Tag aufs Neue sein Bestes geben.

Frau Weinberg stellt tolle Techniken und Strategien vor, wie man mit Stofftieren arbeiten kann. Das Buch ist eine gute Fundgrube an Fallbeispielen und guten Erklärungen.

Malen und spielen ist gut. Wenn es zu belastend wird, kann man immer als Helfer fragen, ob man mitspielen darf. Dann kann man den Helfer spielen, der das Kind vor dem „Bösen“ im Spiel beschützt. Das war in der Realität nicht so, aber es ist jetzt im Spiel so. Und irgendjemand hat geholfen, sonst wäre das Kind jetzt nicht hier. Und was immer in der Vergangenheit passiert ist, ist vorbei. Auch wenn jetzt noch keine vollständige Sicherheit gegeben ist.

Körperkontakt, wenn von den Kindern gesucht oder freiwillig genommen, ist vor allem für die Jüngeren auch eine wichtige Größe, um wieder Sicherheit und das Gefühl von Schutz herzustellen. Aber immer darauf achten, dass Sie es nur anbieten und niemals aufzwingen.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Engagement für Ihre Arbeit.
Herzliche Grüße
Stefanie Rösch

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Hier geht es zum Amazonpartnerlink von Verletzte Kinderseele: Was Eltern traumatisierter Kinder wissen müssen und wie sie richtig reagieren (Fachratgeber Klett-Cotta) von Dorothea Weinberg.

Leserfrage: Kann ich PTBS dadurch bekommen, dass ich glaube, HIV zu haben?

13.09.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich habe mir über 12 Wochen eingeredet, ich könnte mich mit HIV infiziert haben. Angst, Stress und negative Gefühle waren meine ständigen Begleiter. Zum Glück war es nicht so. Trotz des guten Testergebnisses, fühle ich mich psychisch stark angegriffen. Kann das auch so etwas wie PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) sein?

Lieber Leser,

So lange zu glauben, man hätte eine Krankheit, die wir immer noch für ein sicheres Todesurteil halten, löst nachvollziehbarerweise eine Stressreaktion aus.

Ob es sich tatsächlich um eine PTBS handelt, kann ich so auf die Entfernung und ohne weitere Informationen natürlich nicht sagen. Vielleicht lesen Sie sich einfach mal die ersten zwei Einträge meiner Artikelserie zu diesem Thema durch. Vielleicht erkennen Sie sich darin ja noch ein bisschen mehr wieder?

Aber im Grunde ist es vielleicht gar nicht wichtig, ob es einen PTBS oder eine andere Störung ist, sondern vielmehr, dass Sie sich an mich gewandt haben, weil es Ihnen nicht gut geht und Sie unsicher darüber sind, was Sie damit machen sollen, dass es Ihnen schlecht geht?

Es zeigt mir, dass Sie bemerkt haben, dass es Ihnen nicht gut geht und Sie Unterstützung suchen. Das allein ist großartig. Damit haben Sie den wichtigsten Schritt getan, der dazu führen wird, dass Sie sich wieder gesund fühlen können.

Es gibt so viele Menschen, die nicht einmal merken, dass es ihnen im Grunde nicht gut geht. Sie betäuben sich, sie laufen weg und tun so, als wäre nichts. Oder Sie weigern sich einfach zu spüren wie es ihnen wirklich geht. Das tun Sie nicht. Sie spüren sich, Sie bemerken es UND Sie wollen es ändern.

Wenn ich mehr darüber wüsste, könnte ich Ihnen womöglich noch den einen oder anderen Hinweis geben, was Sie für sich tun können. Da ich nicht mehr weiß, kann ich Ihnen auf diesem Weg, so wie allen anderen, die in einer ähnlichen Situation sind wie Sie, nur dazu Mut machen, Hilfe zu suchen. Es gibt auf jeden Fall Hilfe. Manchmal ist es mühsam, jemanden zu finden, der einem den passenden Weg zeigen kann. Aber es gibt diesen Weg, Ihren ganz persönlichen Weg zur Gesundheit. Lassen Sie sich nicht davon abhalten, weiterzugehen und weiter zu suchen!

Am besten ist es immer, man hat einen Menschen, mit dem man Auge in Auge besprechen kann, was los ist, um dann ihren ganz einzigartigen Weg zu finden, um sich wieder gut zu fühlen.

Hier eine Seite, auf der ein paar Ideen sind, wie Sie so eine Person in Ihrer Nähe finden können.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.

Leserfrage: Wie kann ich für meine Partnerin da sein und gleichzeitig für mich selbst sorgen?

28.06.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Nach inzwischen 2 Jahren, in denen ich meiner traumatisierten Freundin jetzt schon beiseite stehen darf, muss ich leider nach ausgiebiger Selbstprüfung sagen, dass es mir weit mehr an die Substanz geht, als ich gern zugeben will. Und seit ein paar Monaten bin ich darüber hinaus, was ich als meine „Belastbarkeitsgrenze ohne weitere Nebenwirkungen“ definieren würde.
Gibt es außer den üblichen Tipps „Kümmern Sie sich auch um sich selbst!“ und „Treffen Sie regelmäßig ihre Freunde und nicht nur Ihren Partner.“ auch noch andere, die helfen könnten? Zum Beispiel eine Sicht der Dinge, die es manchen erleichtert solche schwierigen Umstände hinzunehmen?

Lieber Leser,

aus meiner Sicht gibt es im Grunde nur eine Haltung, die es einem leichter macht:
Jeder ist für sich selbst verantwortlich und hat auch das Recht, dass es ihm schlecht gehen darf und vor allem das Recht, selbst über sein Leben zu entscheiden.

Es ist die schwierigste Übung von allen, mit einem leidenden/kranken Menschen eine Partnerschaft zu leben. Es fordert uns auf, bedingungslos zu lieben. Und das, wo wir selbst auch bedürftig sind und auch geliebt werden wollen.

Am meisten hilft mir da mein Glaube. Viele Menschen fragen, wie kann Gott das zulassen? Und weil sie keine passende und nachvollziehbare Antwort bekommen, verzweifeln sie. Mir hat in diesem Fall das Buch „Die Hütte“ die wichtigste Erkenntnis geliefert. Ich habe viel aus Büchern gelernt. Viele sind mir „zugefallen“ und dann sind Menschen in mein Leben getreten und haben mich berührt. Irgendwann habe ich begriffen, dass es jemanden gibt, der sich um mich sorgt. So hat Gott mich irgendwann erreicht. Seitdem gehe ich leichter durchs Leben und doch auch schwerer, weil die Aufgaben emotional anspruchsvoller werden.

Eine weitere sehr heilsame Haltung ist: Ich liebe und akzeptiere mich, so wie ich gerade bin. Das kann man vielleicht nicht immer sagen oder fühlen, aber es bedeutet, dass ich mich in meiner Hilflosigkeit und Schwäche genauso annehme wie in meiner Kraft, meiner Kompetenz, meiner Liebe und meinem Gefühl von Einfluss und Kontrolle. Es ist die Kehrseite von der Überzeugung, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist.
Denn wenn jeder verantwortlich nur für sich selbst ist, dann werden wir unweigerlich Momente der Ohnmacht erleben. Zu akzeptieren, dass diese genauso zu uns dazu gehören, wie unsere Macht oder unser Einfluss, ist die stärkste Waffe gegen die Hoffnungslosigkeit.

Daran schließt sich für mich die Überzeugung: Egal was kommt, ich finde eine Lösung. Irgendwie wird es weitergehen und wieder gut werden.
Was das angeht, habe ich als Traumatherapeutin in all den Jahren von all den Menschen gelernt, denen ich begegnen durfte. Sie haben mir genau das beigebracht. Einen Teil habe ich mit 17 Jahren erfahren, als ich selbst am Abgrund stand und einen Nervenzusammenbruch erlitt, weil ich mit meinem Leben einfach überfordert war. Depressiv. Ich habe es erlebt, diese Lähmung, diese Antriebslosigkeit, diese Freudlosigkeit, dieses Egal-Gefühl selbst für die Dinge, die man bisher geliebt hat. Aber es ging vorbei. Irgendwann habe ich mich aufgerafft und hab einfach weiter gemacht. Ich fing an, meinem Inneren kreativen Ausdruck zu geben. Das tue ich noch. Meine beste Form der Psychohygiene. Was ist Ihre? Wo lassen Sie ihre Gefühle? In einem Tagebuch? In Gedichten? Geschichten? Bilder? Es ist gut, eine Möglichkeit zu haben, das, was wir an Verzweiflung spüren, in irgendeiner Form auszudrücken. Im Idealfall auch mit Worten.
Irgendwann habe ich das Licht am Ende der Depression gesehen. Ich habe gelernt, dass ich mich immer wieder ausruhen darf und dass meine Kraft dann wiederkommt. Eine Therapie damals hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet und mich zum großen Teil zu der Therapeutin gemacht, die ich heute bin.

Insofern ist die Frage, wo Sie Ihre Gefühle lassen? Ihre Verzweiflung? Ihre Ohnmacht? Denn egal was Sie tun im Leben, diese Momente der ohnmächtigen Liebe wird es wahrscheinlich geben. Trotzdem ist es wichtig, sein Herz nicht zu verschließen, sondern immer wieder zu öffnen. Das Herz gut zu behüten, aber nicht verschlossen zu halten. In dem Moment wo wir es öffnen, sind wir verletzlich. Oft genug werden wir dann verletzt. Und trotzdem: wenn wir uns geheilt haben, öffnen wir uns wieder und beschenken die Welt mit der Liebe, die uns gegeben ist. So bleiben wir fühlend und lebendig. Das geht nicht ohne Leid. Glaube ich bis jetzt noch. Aber wer weiß, vielleicht belehrt mich das Leben da irgendwann eines Besseren.

Bleiben Sie sie selbst. Und ja, sorgen Sie für sich! Suchen Sie die Dinge im Leben, die Ihnen unabhängig von einer Partnerschaft, unabhängig von jeder Partnerschaft und Freundschaft Freude schenken. Etwas, wo Sie sie selbst sein dürfen und auf niemanden Rücksicht nehmen, sondern einfach sind.

Gleichzeitig bin ich auch davon überzeugt, dass Sie in aller Weisheit erkannt haben, dass die Haltung entscheidend ist, die Haltung mit der wir dem Leben begegnen.

Und wie wir dem Leben begegnen, das können wir entscheiden. Jeden Tag aufs Neue und ganz bewusst und deswegen frei!

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Leserfrage: Woher weiß ich, wer meine Inneren Täter sind?

13.02.2015 Veröffentlicht von Erklärungsmodelle, Leserfragen 0 Kommentare

Ich hab Ihren Blog schon oft gelesen, aber das mit dem Recht-auf-notwehr-auch-gegen-innere-Täter, verstehe ich nicht so wirklich. Ich kann das nicht in Verbindung mit meinem Inneren bringen. Wie soll ich auseinander halten, wer meine inneren Täter sind? Ja, ich verletze mich und all das, was Sie schreiben, aber ich verstehe nicht, wen ich schlafen legen soll.

Liebe Leserin,
Die Vorstellung von den inneren Tätern entsteht aus der Annahme, dass wenn ein Mensch lange genug etwas von außen hört und/oder aber bedroht wird und keine Möglichkeit hat, diese Situation zu verlassen, er die Spannung, die dadurch entsteht, irgendwie bewältigen, also weniger machen muss.

Ein Beispiel: Ein Kind macht die Erfahrung, dass es etwas kann. Dann klappt mal etwas nicht. Die Mutter sagt: „Du wieder, Du bist einfach zu blöd dazu.“
Das Kind erlebt in sich eine Spannung zwischen seinem eigenen Gedanken „Ich kann doch was!“ und der abwertenden Aussage der Mutter. Diese Anspannung ist sehr unangenehm und keiner will sie aushalten müssen. Also versucht das Kind, die Spannung zu verringern, indem es denkt: „Stimmt doch gar nicht. Schau, das und das kann ich wohl!“. Aber wenn die Mutter immer wieder sagt: „Du bist zu blöd.“ Dann kann es sein, dass es die Spannung irgendwann nur noch dadurch wegmachen kann, dass es denkt: „Die Mutter hat Recht. Ich bin zu blöd.“

In der Grafik ist dieses Beispiel auch nochmal dargestellt.

Für eine Situation gibt es immer viele Bewältigungsmöglichkeiten, hier als Punkte 1 bis 6 dargestellt. Dem Kind stehen bestimmte Bewältigungsmöglichkeiten noch nicht zur Verfügung, z.B. sowas zu denken wie (1). Wenn es offenen Widerstand (4) leistet, bekommt es vielleicht Schläge. Dann bleibt ihm nur der Weg über die inneren Täter, d.h. schlecht über sich selbst zu denken. Alle anderen Möglichkeiten hat man als Kind einfach noch nicht, z.B. auszuziehen oder die Polizei einzuschalten, mal abgesehen davon, dass die in diesem konkreten Beispiel mit der abwertenden Mutter auch nichts tun könnten.
Das Kind sitzt also in einer Zwickmühle. Seine eigenen Gedanken stehen im Widerspruch zu dem, was die Mutter sagt und tut. Deswegen hat es nur diesen einen Weg: Ins gleiche Horn zu stoßen wie die Mutter (6).

Dieser Gedanke „Ich bin blöd“, der mit der Stimme der Mutter im Kopf abgespeichert wird, ist ein innerer Täter. Ein anderes Wort dafür ist innerer Kritiker. Immer wenn wir etwas verändern wollen, hören wir in unserem Kopf die Stimme dieses Kritikers: „Du bist sowieso zu blöd. Lass es einfach gleich.“

Es braucht viel Mut, sich gegen diese inneren Stimmen zu erheben, weil wir glauben, dass sie – so wie die Mutter damals – Recht haben. Jedoch sind wir heute erwachsen und können viel besser selbst beurteilen, ob wir etwas können oder nicht. Ob man einen Schnürsenkel binden kann, das kann man auch selbst prüfen und beurteilen. Außerdem gibt es andere Leute, die kompetenter sind als die Mutter, die uns sagen können, ob wir etwas können oder nicht.

Diese negativen oder giftigen Gedanken des Inneren Kritikers können, wenn jemand besonders viel Gewalt erlebt hat, konkrete Sätze der Täter wiederspiegeln: Du darfst niemandem etwas sagen. Wenn Du was sagst, passiert etwas Schlimmes. Das ist unser Geheimnis. Dich will sowieso niemand / Dir glaubt sowieso niemand. Du bist allein. Niemand kann Dir helfen. Andere interessieren sich nicht für Dich. Du bist hässlich. Du bist wertlos, bla bla bla. Täterlügen!! Alles Täterlügen!! (ein weiteres Beispiel hier)

Täterlügen sind dazu gedacht, dass der Täter seine Gewalt weiter machen kann, ohne erwischt zu werden.

Manchmal ist es so, dass jemand diese Sätze als Kind oder auch später sehr oft gehört hat und vielleicht gingen sie auch noch mit Erfahrungen von Ohnmacht und Schmerz einher; wenn das so ist, dann glauben wir diese Sätze einfach. Es gab damals keinen anderen Weg in einer so unsicheren Umgebung zu überleben, als diese Täterlügen zu glauben. Um mit der Ohnmacht umzugehen und dem Schmerz ein wenig entgehen zu können, kann es sein, dass man sich diese Sätze selbst sagte und heute immer noch sagt. Auch das sind innere Täter.

Und wenn die Gewalt besonders brutal, intensiv und gemein war, dann kann es auch sein, dass diese inneren Täter sich im Kopf breit machen und man das Gefühl hat, als wären die Täter ständig bei einem oder sogar im eigenen Kopf. Es scheint so, als würden sie dort machen können, was sie wollen. Wie eine echte Person. Eine zweite oder auch dritte Person im eigenen Kopf. Manchmal sind es auch viele.
Diese Inneren Täter haben manchmal von den echten Tätern die Aufgabe bekommen, dafür zu sorgen, dass man da immer wieder hingeht und sich damit den Tätern immer wieder selbst ausliefert. Es fühlt sich an, als könnte man nichts Anderes tun. Man fühlt sich den inneren Tätern genauso ausgeliefert und ohnmächtig und allein, wie gegenüber den äußeren Tätern.
Die Aufgabe der inneren Täter ist die äußeren Täter zu beschützen. Gleichzeitig scheint es so, als würden die Inneren Täter auch mich, die betroffene Person, beschützen. Manchmal tun sie das auch – aber nur solange man in der äußeren Welt noch Kontakt zu den echten Tätern hat.

Wenn man keinen Kontakt mehr in der äußeren Welt hat, dann beschützen die inneren Täter die äußeren Täter immer noch und machen einem damit das Leben schwer.
An der Stelle ist es dann wichtig zu wissen, dass man sich das nicht mehr gefallen lassen muss und sich wehren darf und auch kann (Recht auf Notwehr und eine Ergänzung), indem man sich vorstellt, man schläfert diese Inneren Täter ein oder schießt sie auf den Mond oder in ein Schwarzes Loch oder wurstet sie durch einen Fleischwolf. Was immer eine gute Vorstellung ist, wie man sich erfolgreich gegen diese Inneren Täter wehren möchte.

Innere Täter erkennt man also daran:

  1. Dass man sie im eigenen Kopf hören kann, manchmal sogar direkt in der Stimme des Täters oder der Täter, was auch Eltern sein können.
  2. Dass sie so tun als würden sie einen beschützen.
  3. Dass sie aber in Wahrheit die Täter beschützen, indem sie mit ihrem Verhalten und ihrem Gequatsche dafür sorgen, dass man sich keine Hilfe holt und niemandem erzählt, was einem passiert (ist).
  4. Dass sie dafür sorgen, dass es einem schlecht geht, manchmal sogar so schlecht, dass man sich umbringen will.

Das ist mal eine grobe Unterscheidung.

Im Einzelfall muss man sich mit so einer inneren Stimme mal genau unterhalten, warum sie sagt, was sie sagt. Oft verraten die sich auch. Aber aus meiner Erfahrung sollte man das nur mit einer erfahrenen Traumatherapeutin machen oder mit einem Therapeuten natürlich auch.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Erklärung ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Viel Kraft für Ihren Weg!
Stefanie Rösch

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