„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Suizidalität"

Leserfrage: Ambulante Traumatherapie oder Klinik mit Traumatherapie?

28.04.2014 Veröffentlicht von Leserfragen 1 Kommentare

Ich werde immer wieder gefragt, was im Fall einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) denn besser sei, eine ambulante Traumatherapie oder ein Klinikaufenthalt mit Traumatherapie.

Ganz grundsätzlich bin ich kein Fan von Klinikaufenthalten für PTBS-Betroffene.

Aber natürlich gibt es Umstände, die einen Klinikaufenthalt notwendig und auch sinnvoll machen, genauso wie es Gesundheitszustände von PTBS-Betroffenen gibt, in denen die Gabe von Psychopharmaka oder Schlafmitteln angesagt sind.

Aus meiner Erfahrung haben ganz viele PTBS-Betroffene deswegen Schwierigkeiten in ihrem Alltag zu Recht zu kommen, weil ihr limbisches System ständig „Fehlalarme“ auslöst. Diese Fehlalarme, die zu den belastenden Erinnerungs- und Gefühlsattacken führen, werden häufig durch Reize in der Lebensumgebung ausgelöst/getriggert, z.B. weil der „Tatort“ in der Nähe ist. Wenn Betroffene in eine Klinik gehen, dann sind sie den Auslösereizen/Triggern ihrer Erinnerungsattacken häufig nicht oder deutlich weniger ausgesetzt, allein weil sie sich in einer fremden Umgebung befinden. Die Symptome der PTBS verbessern sich fast von allein. Wenn man dann zurück in die gewohnte Umgebung kommt, dann habe ich schon oft gehört, dass die Beschwerden sich plötzlich wieder verschlechtern, was sehr frustrierend für Betroffene ist. Der Grund ist einfach, dass man den Auslösereizen zu Hause wieder mehr ausgesetzt ist. Und in der Umgebung der Klinik war es wegen der fehlenden Auslösereize nicht möglich, das Hirn darauf zu trainieren, geeignete von ungeeigneten Auslösereizen zu unterscheiden, um dadurch die Erfahrung dauerhaft zu „verarbeiten“.

Deswegen empfehle ich bei einer PTBS aufgrund eines einzelnen traumatischen Erlebnisses lieber eine ambulante Traumatherapie bei einem qualifizierten Therapeuten zu machen, weil dies schnell und zuverlässig zum Erfolg führt.

Klinikaufenthalte sind dann sinnvoll, wenn jemand über einen längeren Zeitraum Gewalt erlebt hat und neben den Erinnerungsattacken noch andere Fähigkeiten nicht lernen konnte, z.B. sich abzugrenzen, Beziehungen zu führen, sich selbst als wertvoll zu erleben oder zu wissen, welchen Einfluss man auf sein Leben hat und wo die tatsächlichen Grenzen des Einflusses sind, den eigenen Körper zu spüren oder eigene Entscheidungen zu treffen. Hier kann ein Klinikaufenthalt einen sicheren Rahmen bieten, in dem man diese grundlegenderen Probleme angehen kann. Menschen, die sehr viel Gewalt erlebt haben, können diese Fertigkeiten manchmal nur im Rahmen eines Klinikaufenthaltes erlernen.

Oder wenn die betroffene Person sich aktuell noch im Einzugsbereich des Täters befindet. Fortschritt ist bei PTBS Patienten oft mit einem Gefühl der Sicherheit und dem „wieder vertrauen können“ verbunden. Sollte der Täter also noch regelmäßig Zugang zu seinem Opfer haben, sollte ein Klinikaufenthalt in Erwägung gezogen werden. Natürlich ist es keine Dauerlösung sich vor dem Täter in der Klinik zu „verstecken“. Parallel zum Aufenthalt in der Klinik sollte dafür gesorgt werden, dass der Täter nicht weiter Kontakt zu der betroffenen Person aufnehmen kann.

Auch die vor allem nach extremer, oft organisierter Gewalt immer wieder auftretende Suizidalität kann ein guter Grund für die Sicherheit eines Klinikaufenthaltes sein.

Gleichzeitig ist es möglich, dass Tätergruppen Betroffene immer wieder mit Klinikeinweisungen und damit bedroht haben, dass ihnen niemand glaubt. Dann können Kliniken selbst zu Auslösereizen/Triggern werden und wären somit nicht hilfreich. Dann wäre es möglich, dass Betroffene den gesamten Klinikaufenthalt „weg“-dissoziiert, also innerlich nicht anwesend, sind und damit therapeutische Angebote wenig effektiv nutzen können.

Im Übrigen geht es bei der Behandlung der PTBS darum, etwas zu lernen. Das heißt als Betroffener muss man viel üben und durchhalten und Mut zeigen, sich mit den belastenden Erinnerungen auseinander zu setzen und auch und vor allem mit der dazugehörigen Stressreaktion und den belastenden Gefühlen. Dafür braucht jeder seine Zeit und einen geeigneten Begleiter. Der richtige Begleiter ist in meinen Augen wichtiger als die Lernumgebung, also die Frage nach Klinik oder Praxis.

Entscheiden Sie selbst, welcher Weg für Sie der passende ist.

Recht auf Notwehr – auch gegen innere Täter

04.08.2013 Veröffentlicht von Strategien 0 Kommentare

Viele schwertraumatisierte Menschen kämpfen gegen innere Täteranteile. Wir Psychotherapeuten sprechen gerne von Täter-Introjekten, einfach gesagt Gedanken, Gefühle und Handlungen der betroffenen Person, welche dem Handeln, Fühlen und Denken des Täters/der Täter im Außen ähneln.

Ursprünglich übernahmen diese inneren Täteranteile eine positive Rolle. Sie schützten Betroffene vor vermehrter Gewalt oder z.B. auch davor, dass Drohungen des Täters von Gewalt gegen Dritte umgesetzt wurden.

Aber! Täterverhalten im Innen schützt auch immer die Täter im Außen. Denn selbstverletzendes Verhalten wird von Außen-Tätern dafür eingefordert, dass die betroffene Person sich irgendwelchen Regeln des Täters widersetzt, oft der Verschwiegenheit oder einer anderen Form der Unterwerfung. Diese Regeln schaffen Täter, damit sie nicht erwischt und von der Justiz für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden können. Das heißt, selbstverletzendes Verhalten in diesem Sinne ist Täterschutz.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Nicht alles selbstverletzende Verhalten ist als Täterschutz zu verstehen!

Und ganze wichtig: Täterschutz ist in diesem Sinne tatsächlich auch Schutz der Opfer, solange der oder die Täter Zugriff auf ihr Opfer haben.

Wenn es keinen Täterkontakt im Außen mehr gibt, kämpfen Betroffene trotzdem oft noch Jahre lang mit ihren inneren Tätern.

Ich kann sehen, dass innere Täteranteile ursprünglich positive Aufgaben haben. Trotzdem fand ich es naheliegend, dass für die innere Welt die gleichen Rechte und Gesetze gelten wie in der äußeren Welt.

Im Außen sind Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Nötigung, Entführung, Menschenhandel, Zwang zur Prostitution, Mord, Totschlag, Körperverletzung und schwere Körperverletzung (wenn eine Waffe im Spiel ist), Beleidigungen, Bedrohungen und andere Straftaten. Das Gesetz verbietet, dass ein Mensch einem anderen diese Dinge aufzwingt.

Damit wir uns schützen können, gibt es die Notwehr. Im Grunde ist es so, dass wenn jemand mich töten will, ich mein Leben verteidigen darf, auch wenn diese Verteidigung zum Tod meines Angreifers führt.

Das wäre der extremste Fall. Das deutsche Strafrecht erlaubt mir, mich zu wehren, auch wenn es dafür notwendig ist, selbst eine Straftat zu begehen. Also wenn jemand mich schlägt und ich nicht weglaufen kann, dann darf ich zurückschlagen. Wenn der andere dann eine blutige Nase hat, ist das zwar eine Körperverletzung, aber weil ich sie begangen habe, um mich zu wehren, ist sie gerechtfertigt. Das ist einfach gesagt und ohne Anspruch auf juristische Korrektheit. Im konkreten Einzelfall entscheidet so etwas ein Richter. Aber prinzipiell dürfen wir uns mit allen notwendigen Mitteln wehren.

Ich bin der Meinung, dass das auch in der inneren Welt so gilt. Auf dieser Annahme aufbauend schlage ich imaginative Strategien vor, die ich gleich beschreiben werde. Jedoch, dafür, dass die folgenden Beschreibungen und Vorschläge funktionieren können, ist es meiner Meinung nach notwendig, dass es keinen Täterkontakt im Außen mehr gibt. Meine Erfahrung zeigt, dass es leichter und manchmal erst möglich ist, diese Techniken einzusetzen, wenn es jemanden – in der Regel eine erfahrene Therapeutin – gibt, die einen bei der Umsetzung unterstützt.

1.    Strategie: In Rente schicken an den sicheren Ort

Manche Innenpersonen, die einem „zum Schutz“ schaden wollen, kann man davon überzeugen, sich an ihrem sicheren Ort zur Ruhe zu setzen, also in Rente zu gehen. Ihre Aufgabe ist erledigt. Den äußeren Grund für ihr Dasein gibt es nicht mehr, weil es keinen Täterkontakt mehr gibt. Deswegen kann die Chefin oder können die Chefs des inneren Teams (diesen Begriff finde ich schöner und treffender als „System“ oder auch „Viele“) die Verantwortung dafür übernehmen, für die Sicherheit von allen zu sorgen. Das geht natürlich nur, wenn die Chefin oder die Chefs auch tatsächlich schon genug über gesundes Sicherheitsverhalten und Risikominimierung gelernt haben.

2.    Strategie: Schlafen legen, das künstliche Koma

Andere Innenpersonen wollen ihrem Team nicht wehtun, haben aber das Gefühl, es zu müssen, weil sie so große Angst vor jemandem haben (innen oder außen). Dann sind diese Innenpersonen oft froh, wenn sie eine Auszeit in einer inneren, sicheren Klinik/Hotel/sicherer Ort machen dürfen, wo sie im künstlichen Koma schlafen und sich ausruhen können. Wenn sie möchten können sie für eine begrenzte Zeit schlafen und wenn sie möchten auch mit Kopfhörern auf den Ohren. Von Band bekommen sie dann gesagt, dass sie jetzt sicher sind und dass die Chefin des inneren Teams die Verantwortung und Sorge für alle übernimmt und dafür, dass alle im Außen sicher sind.
Es kann notwendig sein, eine Innenperson als Akt der Notwehr mit Zwang Schlafen zu legen. Ich kann mir vorstellen, dass das nur mit Hilfe einer Therapeutin in der Außenwelt geht. Ich beschreibe das Vorgehen trotzdem:
Wenn eine Innenperson zwar niemandem schaden will, aber sich weigert, freiwillig einen Runde zu schlafen, bis sie sich nicht mehr gezwungen sieht, den anderen im Team zu schaden, dann sehe ich es als einen Akt der Notwehr an, diese Innenperson mit Zwang „schlafen zu legen“. Dafür wird diese Innenperson in der inneren Welt auf eine Liege gelegt, von Innen-Polizisten festgehalten und bekommt von einem Innen-Arzt ausschließlich auf Anweisung der Chefin des Teams eine Infusion gelegt und wird auch nur auf Anweisung der Teamchefs schlafen gelegt. Die Innenperson wird dabei (von der Therapeutin im Außen) begleitet und gestützt, auch wenn sie schimpft und fleht und zornt. Und immer daran denken, das ist ein Akt der Notwehr! Wenn die Innenperson sich sehr wehrt, kann das wie in der Außen-Welt eine Weile dauern und eine Menge Schlafmittel in der inneren Welt benötigen. Wenn die Innenperson schläft, wird sie an einen sicheren Ort verbracht, an dem gut für sie gesorgt wird, bis das Team/Chefin entscheidet, sie wieder aufzuwecken.

3.    Strategie: Notwehr: Raketisieren, die Reise ins schwarze Loch

Klienten und / oder das innere Team haben das Recht, sich gegen Täter-Anteile zu wehren, die jemanden aus dem Team im Innen oder im Außen verletzen wollen, sei es durch nicht essen und nicht trinken, nicht schlafen lassen, Erinnerungen hervorholen und immer wieder aktivieren, sich überfordern, sich schneiden, sich verbrennen, sich umbringen sollen oder irgendeine andere Form der Selbstverletzung.

Versucht ein Täteranteil jemanden zu töten, geht er das Risiko ein, dass sein Opfer sich ganz legal wehrt. Gleichzeitig geht der Täteranteil dabei auch bewusst das Risiko ein, selbst getötet zu werden. Es gibt Täteranteile, denen das sehr bewusst ist, dass sie sich selbst und alle anderen vom Team umbringen wollen und die nicht mit sich verhandeln lassen.

An der Stelle schlage ich dann vor, sich entsprechend zu wehren. Diese unbelehrbaren Täteranteile werden von den inneren Polzisten in eine Rakete gesetzt und warten dort darauf, bis die Chefin/das Team den Startknopf drückt, um die Rakete zu zünden. Die Rakete fliegt dann in ein Schwarzes Loch, wo alle auf Nimmer-Wiedersehen verschwinden. Ich nenne das Raketisieren.
Taucht die Sorge auf, dass jemand aus dem Schwarzen Loch zurückkehren könnte, dann sollte man sich klar machen, dass das zum einen nicht geht und dass im schwarzen Loch alles umgekehrt wird. Es ist die Rückseite vom Universum sozusagen, das heißt, dass alle „Bösen“ in „Gute“ verwandelt werden. Und für wen das passt, der schickt sie ins Schwarze Loch zu Gott, der kümmert sich dann schon um die Bösen.

Eieruhr und PC-Spiele – Erfolgreich ungewollten inneren Drang verzögern

30.07.2013 Veröffentlicht von Strategien 0 Kommentare

Eine Frau erzählte mir, dass sie in der Therapie gelernt habe, eine Eieruhr gegen ihren Drang einzusetzen, aus Frust zu essen. Also immer wenn der Drang oder das Bedürfnis kommt, aus Frust oder anderen emotionalen Gründen zu essen, sollte sie eine Eieruhr – eine echte, gefüllt mit Sand und zwei durch eine enge Röhre verbundene Glaskugeln – umdrehen. Die Sanduhr brauchte 7 Minuten, um durchzulaufen. Solange der Sand durchlief sollte sie mit dem Essen warten. Danach erneut prüfen, ob es noch notwendig war, etwas zu essen oder eben nicht. Gegebenenfalls konnte sie die Uhr noch ein zweites Mal laufen lassen oder dann kontrolliert etwas essen. Sie sagte: „Und wissen Sie, was das tollste ist?“ Ich verneinte und war gespannt. Sie: „Sie hat so eine schlanke Taille!“

Mit traumatisierten Menschen nutze ich inzwischen PC-Spiele, um den – durch extreme Gewalt programmierten Drang, sich umbringen zu müssen – zu verzögern.

Ob Eieruhr oder kleine PC-Spiele (eine Partie von etwas: Solitär, Majong, Minesweeper …), ist egal, als hilfreich hat sich die Verzögerungstaktik herausgestellt. Der Drang, etwas tun zu „müssen“, ließ mit der Zeit nach oder die Person konnte dann andere Bewältigungsstrategien einsetzen, z.B. Hilfe über ein Telefon holen oder eMail schreiben oder etwas ganz anderes tun.

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