„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Posts zum Tag "Trauma"

Arbeit mit Flüchtlingskindern

07.01.2016 Veröffentlicht von Lesestoff 0 Kommentare

Die Redaktion der Zeitschrift KiTa-Aktuell stellt eine Artikelsammlung zum Thema Flüchtlingskinder in der KiTa zur Verfügung. Hier geht es zu der Sonderseite.

Unter anderem enthält diese Sammlung auch meinen Artikel zum Thema: Willkommen! – Jetzt bist Du wieder sicher.

 

Leserfrage: Werde ich beim Gerichtsprozess wieder alle Trauma-Symptome haben?

30.10.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich wurde vor einem halben Jahr vergewaltigt. Mir ging es am Anfang sehr schlecht und ich wusste nicht, was mit mir los war. Ich musste am Tattag zur Kripo, in die Klinik usw. Das war soweit OK. Am nächsten Tag war dann nichts mehr wie vorher. Ich konnte nicht richtig sprechen, der Film lief wie in einer Dauerschleife usw. Hilfe konnte ich mir am Anfang nicht holen, weil mir auch in der Klinik auf Station alle gefährlich vorkamen. 3 Monate später bin ich dann doch nochmal in die Klinik gegangen. Heute geht es mir relativ gut. Aber nächsten Monat ist der Prozess. Wenn ich den Täter sehe, glauben Sie, dass dann alles wieder zurück kommt?

Lieber Leserin,

rechnen Sie mal damit, dass wenn Sie den Täter sehen, Ihr Hirn eine Alarmreaktion macht, was ja grundsätzlich sinnvoll ist, weil dieser Mann ja gefährlich war.

Allerding ist die Situation heute ja eine andere. Es sind andere Menschen da. Menschen, die nicht zulassen werden, dass er Ihnen noch einmal etwas antut.

Es lohnt sich, sich gut auf den Prozess vorzubereiten:

  • Schauen Sie sich den Gerichtssaal vorher einmal mit einer vertrauten Person, evtl. Rechtsanwalt an, damit Sie die Abläufe kennen und alles schon einmal gesehen haben. Dann können Sie sich überlegen, wie Sie aus dem Raum kommen, wenn Ihnen alles zu viel wird.
  • Gehen Sie für den Prozess an Ihren sicheren Ort.
  • Ziehen Sie ein Liebeskleid an.
  • Nehmen Sie Personen des Vertrauens mit (Rechtsanwalt sollte ja da sein, wenn Sie Nebenklägerin sind, Freunde, Partner, Therapeut(in))
  • Überlegen Sie sich, was passieren kann, was Ihnen Sorge macht und wie Sie damit umgehen wollen. Machen Sie einen mentalen Plan für schwierige Situationen wie zum Beispiel die Befragung durch den Richter oder blöde Bemerkungen durch den Verteidiger oder Blicke des Täters. Zum Beispiel könnten Sie sich vornehmen, jede Frage, die der Verteidiger Ihnen stellt, erstmal in eigenen Worten wieder zu geben, ob Sie verstanden haben, was er wissen will. Dann merken Sie trotz Anspannung vielleicht schneller, wenn er eine doofe Frage stellt und können sich besser schützen. Überlegen Sie sich Antworten, Gegenfragen, und auch, was Sie tun, wenn Sie eine Erinnerungsattacke (Flashback) haben sollten, was möglich ist.
  • Überlegen Sie, was Sie sonst noch brauchen, um sich im Gerichtssaal und im Wartebereich wohl zu fühlen. Etwas zu trinken? Lieblingskleidung, Kaugummi, etwas Süßes, einen angenehmen Geruch?

Je besser Sie vorbereitet sind, desto besser werden Sie den Prozess schaffen. Sie werden wissen, dass Sie die Situation beeinflussen können und Sie für Ihre Sicherheit sorgen können.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft dafür.

Leserfrage: Ist Malen für Flüchtlingskinder gefährlich?

06.10.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich arbeite in meiner Freizeit mit Flüchtlingskindern, d.h. wir malen, puzzlen und spielen. Speziell beim Malen entstehen nicht nur Bilder mit „Heilewelt“-Motiven. Meine Frage wäre: Sehen Sie eine besondere Gefahr z.B. einer Retraumatisierung beim Malen mit Flüchtlingskindern? Würden Sie andere Spiele vorziehen? Was kann ich beachten?

Lieber Leser,
erstmal mein ganz persönlicher Dank, dass Sie sich ehrenamtlich engagieren. Das finde ich immer wieder großartig weil es zeigt, wie viele wunderbare Menschen dieses Land hat.

Zu Ihrer Frage kann ich Ihnen das Buch von Dorothea Weinberg empfehlen: Verletzte Kinderseele – Was Eltern traumatisierter Kinder wissen müssen und wie sie richtig reagieren. Einen Link finden Sie am Ende des Artikels.

Grundsätzlich ist es gut, wenn Kinder Ihren Gefühlen in dieser Form Ausdruck verleihen. Wenn es möglich ist zu kommunizieren, können Sie sich die Bilder erklären und davon erzählen lassen. Helfen Sie den Kindern, die Geschichten positiv zu Ende zu erzählen. Es ist traurig, jemanden verloren zu haben oder zurücklassen zu müssen, aber es steckt auch viel Liebe darin, wenn Eltern ihre Kinder in Sicherheit bringen wollen. Es ist nicht nur ein Abschieben oder Wegschicken, sondern der Versuch, Leben zu retten. Darin steckt viel Liebe der Eltern für ihre Kinder. Dann gibt es Gott (egal ob der Christliche oder der Muslimische, wenn Sie das Wort Gott verwenden, verstehen Kinder sicher, was Sie meinen, die meisten werden Kontakt mit dem Glauben haben, mehr als wir hier oft denken). Gott hat dafür gesorgt, dass sie jetzt hier sind, ein Dach über dem Kopf haben und sicher sind und zu essen und warm, und dass es jetzt ganz viele Menschen wie Sie, lieber Leser, gibt, die alles dafür tun, damit das so bleibt und die Kinder trotzdem möglichst bald wieder mit Ihren Familien zusammen sein können. Da alle nur Menschen sind, kann es sein, dass das nicht gelingt, aber jeder wird jeden Tag aufs Neue sein Bestes geben.

Frau Weinberg stellt tolle Techniken und Strategien vor, wie man mit Stofftieren arbeiten kann. Das Buch ist eine gute Fundgrube an Fallbeispielen und guten Erklärungen.

Malen und spielen ist gut. Wenn es zu belastend wird, kann man immer als Helfer fragen, ob man mitspielen darf. Dann kann man den Helfer spielen, der das Kind vor dem „Bösen“ im Spiel beschützt. Das war in der Realität nicht so, aber es ist jetzt im Spiel so. Und irgendjemand hat geholfen, sonst wäre das Kind jetzt nicht hier. Und was immer in der Vergangenheit passiert ist, ist vorbei. Auch wenn jetzt noch keine vollständige Sicherheit gegeben ist.

Körperkontakt, wenn von den Kindern gesucht oder freiwillig genommen, ist vor allem für die Jüngeren auch eine wichtige Größe, um wieder Sicherheit und das Gefühl von Schutz herzustellen. Aber immer darauf achten, dass Sie es nur anbieten und niemals aufzwingen.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Engagement für Ihre Arbeit.
Herzliche Grüße
Stefanie Rösch

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Hier geht es zum Amazonpartnerlink von Verletzte Kinderseele: Was Eltern traumatisierter Kinder wissen müssen und wie sie richtig reagieren (Fachratgeber Klett-Cotta) von Dorothea Weinberg.

Leserfrage: Kann ich PTBS dadurch bekommen, dass ich glaube, HIV zu haben?

13.09.2015 Veröffentlicht von Leserfragen 0 Kommentare

Ich habe mir über 12 Wochen eingeredet, ich könnte mich mit HIV infiziert haben. Angst, Stress und negative Gefühle waren meine ständigen Begleiter. Zum Glück war es nicht so. Trotz des guten Testergebnisses, fühle ich mich psychisch stark angegriffen. Kann das auch so etwas wie PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) sein?

Lieber Leser,

So lange zu glauben, man hätte eine Krankheit, die wir immer noch für ein sicheres Todesurteil halten, löst nachvollziehbarerweise eine Stressreaktion aus.

Ob es sich tatsächlich um eine PTBS handelt, kann ich so auf die Entfernung und ohne weitere Informationen natürlich nicht sagen. Vielleicht lesen Sie sich einfach mal die ersten zwei Einträge meiner Artikelserie zu diesem Thema durch. Vielleicht erkennen Sie sich darin ja noch ein bisschen mehr wieder?

Aber im Grunde ist es vielleicht gar nicht wichtig, ob es einen PTBS oder eine andere Störung ist, sondern vielmehr, dass Sie sich an mich gewandt haben, weil es Ihnen nicht gut geht und Sie unsicher darüber sind, was Sie damit machen sollen, dass es Ihnen schlecht geht?

Es zeigt mir, dass Sie bemerkt haben, dass es Ihnen nicht gut geht und Sie Unterstützung suchen. Das allein ist großartig. Damit haben Sie den wichtigsten Schritt getan, der dazu führen wird, dass Sie sich wieder gesund fühlen können.

Es gibt so viele Menschen, die nicht einmal merken, dass es ihnen im Grunde nicht gut geht. Sie betäuben sich, sie laufen weg und tun so, als wäre nichts. Oder Sie weigern sich einfach zu spüren wie es ihnen wirklich geht. Das tun Sie nicht. Sie spüren sich, Sie bemerken es UND Sie wollen es ändern.

Wenn ich mehr darüber wüsste, könnte ich Ihnen womöglich noch den einen oder anderen Hinweis geben, was Sie für sich tun können. Da ich nicht mehr weiß, kann ich Ihnen auf diesem Weg, so wie allen anderen, die in einer ähnlichen Situation sind wie Sie, nur dazu Mut machen, Hilfe zu suchen. Es gibt auf jeden Fall Hilfe. Manchmal ist es mühsam, jemanden zu finden, der einem den passenden Weg zeigen kann. Aber es gibt diesen Weg, Ihren ganz persönlichen Weg zur Gesundheit. Lassen Sie sich nicht davon abhalten, weiterzugehen und weiter zu suchen!

Am besten ist es immer, man hat einen Menschen, mit dem man Auge in Auge besprechen kann, was los ist, um dann ihren ganz einzigartigen Weg zu finden, um sich wieder gut zu fühlen.

Hier eine Seite, auf der ein paar Ideen sind, wie Sie so eine Person in Ihrer Nähe finden können.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihren Weg.

Wer leidet mehr?

24.01.2015 Veröffentlicht von Lesestoff 1 Kommentare

„Eine Kriegsgeneration ist psychisch immer stärker als die nachfolgende Generation belastet.“      (Prof. a. D. Dr. Susanne Guski-Leinwand, 2014)

Im ersten Moment dachte ich: Stimmt. Was gibt es Schlimmeres als Krieg für ein ganzes Volk? Doch dann fiel mir wieder ein, dass es keinen Sinn macht zu sagen, das eine Leid ist mehr oder schwerer als das andere. Wer steht denn so weit außerhalb, dass er Leid oder Belastung objektiv messen könnte?

Natürlich könnten wir das Leid in Anzahl der Menschen mit psychischen Störungen und körperlichen Krankheiten messen. Aber als wissenschaftlich ausgebildete Psychologin weiß ich sehr wohl wie schwer es ist, gute und zuverlässige Maße für so eine Aussage zu finden. Bei der Anzahl der Störungen bleiben zu viele Faktoren unberücksichtigt, die zu einer Störung oder Krankheit führen können.

Wer also maßt sich an, darüber zu urteilen, was nun schlimmer ist, der Krieg selbst oder das Leben mit Eltern, die schwer traumatisiert sind? Ist es schlimmer durch Kriegshandlungen oder deren Auswirkungen wie Hungersnot am Leben bedroht zu sein oder von klein auf seine Grundbedürfnisse nicht erfüllt zu bekommen, weil die kriegstraumatisierten Eltern unfähig sind, ihren Kindern zu geben, was diese brauchen?

Wozu ist so ein Vergleich gut? Hilft er irgendwem? Ich glaube nicht. Er schürt nur das Unverständnis zwischen den Generationen. Es wäre hilfreicher, wenn jeder anerkennt, dass er es schwer hatte: Die Kriegsgeneration mit der Todesangst und die Kindergeneration mit der Lieb- und Gefühllosigkeit. Immer unter der Annahme, dass Todesangst und Lieblosigkeit die entscheidenden Unterschiede für beide Generationen sind. Auch das ist sehr vereinfacht und plakativ und wird dem Erleben des einzelnen Menschen so überhaupt nicht gerecht. Genau deswegen sollten wir Aussagen darüber, wer mehr oder weniger Leid empfindet, vermeiden: Sie helfen nicht und sie werden niemandem gerecht. Im schlechtesten Fall säen sie Zwietracht zwischen den Generationen. Das kann nicht das Interesse eines fühlenden Menschen sein.

Also achten wir im Alltag wieder mehr darauf, nicht zu werten, sondern jedem zuzugestehen, dass sein Erleben und seine Gefühlswelt einzigartig ist. Schließlich beanspruchen wir das für uns auch. Oder?

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Prof. a. D. Dr. Susanne Guski-Leinwand (2014). Erlernte Tapferkeit. Report Psychologie, 39 (10), S. 388-391

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