„Überwundene Angst bringt Freiheit und Verantwortung“ – Stefanie Rösch, 2013

Achtung Gott: PTBS 13 Ergänzung: Gott, warum hast Du das zugelassen?

29.10.2013 Veröffentlicht von Achtung Gott!, Erklärungsmodelle 2 Kommentare

Eine Klientin erzählte mir einmal, dass ein Pfarrer ihr auf die Frage, warum ihr Kind habe sterben müssen und wie Gott das zulassen konnte, geantwortet habe: „Gott nimmt die, die er liebt, früh zu sich.“ Darauf meine Klientin: „Und warum werden dann die Nonnen so alt, die doch ein Leben leben, wie Gott es befiehlt?“ Darauf wusste der Geistliche dann keine Antwort mehr und zerstörte damit den restlichen Glauben dieser Klientin an Gott.

Das Schlimme darin ist die Anmaßung dieses Geistlichen, der sich einbildete, zu wissen, was Gottes Plan ist. Ja, diese Anmaßung geschieht aus Hilflosigkeit angesichts der Grausamkeiten, die um uns herum geschehen. Diese Anmaßung ist menschlich und psychologisch nachvollziehbar. Das ist die Erklärung, jedoch keine Entschuldigung für derart unprofessionelles und noch tiefer verletzendes und wenn man es genau nimmt, satanisches Gerede. Satanisch sage ich deswegen, weil diese Antwort nicht von Gott kommen kann. Warum nicht? Weil diese Antwort diese Klientin von Gott entfernte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Gott mit uns Beziehung haben will und nicht uns von sich fortstoßen will. Derjenige, der uns von Gott entzweien will, heißt Satan.

Die ehrliche Antwort auf die Frage „Warum lässt Gott das zu?“ muss lauten „Ich weiß es nicht.“ Es gibt keine andere Antwort.

Meine Antwort lautet inzwischen: „Ich weiß es nicht, aber ich weiß sicher, dass Gott nicht für alle schrecklichen Dinge auf der Welt verantwortlich gemacht werden kann. Schließlich gibt es da auch noch einen Gegenspieler. Der dessen Namen wir uns nicht trauen auszusprechen: Satan.“ John Eldredge schreibt in einem seiner Bücher, dass der schlimmste Trick Satans ist, dass wir nicht mehr an ihn denken und Gott für alles verantwortlich machen. Ich fand diesen Hinweis auf Satan sehr hilfreich, weil er es mir so viel leichter macht, Gott weiter zu vertrauen und ich gleichzeitig auch auf der spirituellen Ebene jemanden für das Übel dieser Welt verantwortlich machen kann.

Je länger ich als Traumatherapeutin mit den Grausamkeiten der Welt zu tun habe, mit der Gewalt, die ein Mensch dem anderen antut, desto sicherer bin ich mir, dass dieser Krieg, den wir Menschen gegen uns selbst führen zwei Ebenen hat.

Es gibt immer eine psychologische Ebene. Wir können in den meisten Fällen aus der Lebensgeschichte eines Menschen erklären, warum er sich auf eine bestimmte Weise verhält. Auch Gewalthandlungen können wir psychologisch erklären. Die „schlechte“ Kindheit ist sicher die einfachste, platteste Formulierung dieser Erklärungen. Im Einzelfall können wir sehr differenziert begründen, warum jemand zum Täter wurde.
Jedoch hat die Psychologie in meinen Augen zum Beispiel keine ausreichende Erklärung dafür, warum das eine Opfer von Gewalt seine Gewalterfahrungen weitergibt und selbst zum Täter wird und das andere Opfer bei ähnlicher Gewalterfahrung kein Täterverhalten ausbildet. Wir haben in meinen Augen auch keine ausreichend gute Erklärung für Menschen wie Hitler oder den Massenmörder von Norwegen.

An dieser Stelle kommt für mich die zweite, die spirituelle Ebene ins Spiel: Wir mit Gott gegen Satan.

Wir lassen uns zu schlechten Entscheidungen verführen. Das bedeutet nicht, dass wir alle Schuld dem Bösen geben dürfen. Wir sind verantwortlich für unser Handeln. Aber für manch einen ist es leichter zu stehlen als Sozialhilfe zu beantragen. Für manch einen ist es leichter, andere zu schlagen, um sich nicht mehr so hilflos zu fühlen. Für manch einen ist es leichter, vor dem Gesetz davon zu laufen, anstatt Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Für manch einen ist es leichter, vorschnell Erklärungen zu geben, um die eigene Hilflosigkeit und die eigene Verunsicherung im Glauben nicht aushalten zu müssen.

Wir alle gehen von Zeit zu Zeit den „für manch einen ist es leichter“-Weg. Das ist okay. Wir sind Menschen. Wichtig ist nur, dass wir wieder zurück finden, und Gott nicht für Dinge verantwortlich machen, die Folge von Satans Versuchungen und von Fehlentscheidungen der Täter sind.

Mir persönlich hat das Buch „Die Hütte“ an dieser Stelle geholfen zu verstehen, dass Gott jeden einzelnen von uns so sehr liebt, dass er keinen von uns in seinem freien Willen beschneidet, auch nicht, wenn wir uns gegenseitig verletzen. Deswegen greift er nicht ein, auch wenn er es könnte. Diese Erklärung hat mich persönlich überzeugt, auch wenn sie mir nicht gefällt.
Wenn ich daran denke, wie weh es tut, zu sehen, dass jemand, den man liebt, sich selbst immer wieder schadet, und man selbst kommt an den Punkt, an dem man versteht und fühlt, dass man dem anderen nicht helfen kann, sondern ihn in Liebe gehen lassen muss, dann stelle ich mir vor, dass es ein Funke des Schmerzes ist, den Gott über uns empfinden muss.

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2 Kommentare

  1. Maiglöckchen sagt:

    Gedanken, die ich – als Betroffene ritueller Gewalt – im Großen und Ganzen ähnlich sehe. Dennoch bin ich mir nie ganz sicher über diese scharfe Dichotomie „gut-böse“ Gott vs. Satan. Ich habe für mein menschliches, alltägliches Leben die Erfahrung gemacht, dass es nie ein absolutes Schwarz-Weiß gibt. Vielleicht vermischt sich in uns Menschen beides schlichtweg miteinander? Und wir müssen uns immer wieder zur „weißen“ Richtung hin ausrichten? Während Gott und Satan tatsächlich zwei kategorisch verschiedene Aspekte der Welt darstellen, zwischen denen es keine Zwischentöne gibt? Wie aber kann dann Gott alles wissen? Er kann weder mit mir identisch, noch mit Satan identisch sein (sonst wären Satan und ich gleichfalls Gott). Ist Satan prinzipiell so mächtig wie Gott? Das scheint mir nicht so zu sein, denn wo Menschen sich dem Göttlichen zuwenden und dem satanischen den Rücken kehren, entsteht (meinem Eindruck und eigenen Erfahrungen nach) eine verstärkte Intensität von Gottes Wirkmacht.
    Ich fände es jedoch gleichermaßen fatal, zu meinen, alles hänge von der Verantwortung eines einzelnen Menschen ab. Satanisches Wirken, so mein Eindruck, wird nicht allein im Einzelnen mächtig, sondern umso mehr, je mehr Menschen daran aktiv oder passiv (Tabuisieren, Schweigen, Geschehen-Lassen, mangelendes Verantwortungsgefühl hinsichtlich der Fürsorge für die Nächste und den Nächsten etc.) beteiligt sind und mitwirken.

    Im übrigen eine Anmerkung: Ich halte das Attribut „Massenmörder“ für unpassend. Menschen, die eine Unzahl anderer Menschenleben auf dem Gewissen haben, sind ganz tatsächlich nicht weniger und ganz genauso Menschen mit einer Würde, deren Schutz im deutschen Grundgesetzt verankert ist – sie fallen darin gleichfalls unter den ersten Artikel.

    Menschen, die das Leben oder die Gesundheit anderer Menschen auf dem Gewissen haben, haben einerseits selbst möglicherweise vielfach entwürdigende Erfahrungen gemacht – das ist keine Rechtfertigung für ihre eigenen Taten und m.E. dennoch zu bedenken beim Thema Würde -, haben andererseits in extremem Maße die Würde anderer Menschen verletzt und haben dadurch letztlich auch ihre eigene Würde zutiefst „angetastet“, denn Würde scheint mir etwas zu sein, was man auch an sich selbst „antastet“, sobald man es am Anderen „antastet“. Würde ich einen Menschen Massenmörder nennen, würde ich damit seine Würde antasten, nicht? (Denn: Worte sprechen und Worte bergen viel Gewaltpotential und der Begriff „Massenmörder“ scheint mir in seinem Gehalt entwürdigend, da entmenschlichend und übrigens nicht entdämonisierend, wie mr scheint – ein „Mörder“ ist nicht mehr so ganz ein „Mensch“, sondern eben ein Mörder; ich halte eine Bezeichnung oder Beschreibung wie „Mensch, der dieses oder jenes getan hat“ für passender.)

    Ich will zwar keine eigene Antwort darüber wagen, aber zumindest die Frage in den Raum stellen, ob – um Ihre im Text genannten Beispiele aufzugreifen – Hitler oder andere Menschen, die für den Tod oder das Leid zahlloser Mitmenschen verantwortlich sind, nicht wesentlich durch ihr nahes und dann aber auch weiteres Umfeld mitbedingt wurden. Mitbedingt durch Menschen im Umfeld, die zu wenig aufmerksam waren für das Geschehen um diese Personen herum; Menschen, die sich zu sehr betören ließen von den „Versuchungen“ Satans; Menschen, die zu wenig vielleicht auf die Stimme Gottes achteten, um hören zu können, dass Gott alle gemeinsam auffordert/e, sich nicht an solchen Verführungen zu beteiligen, in welcher stillen und subtilen Form auch immer.

    Ich glaube, Schweigen ist eine wesentliche Form satanischer Macht.

    Wertvoll finde ich im Kontext der Frage zur Verantwortung Gottes das Buch „Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens“ (Martin Schleske). Schleske vertritt die Überzeugung, dass Gott vollkommene Liebe ist. Weil Gott vollkommene Liebe ist und möchte, kann und will er uns nicht aufzwingen, Gutes zu tun (alles andere wäre Selbstwidersprüchlichkeit seinerseits oder, wie Psychologen sagen würden, Doppelbindung/Doublebind). Daher lässt Gott es in unserer Verantwortung, Gutes zu tun und ihm und seinem Sohn Jesus zu folgen.

    Diese Woche waren an einem Tag folgende zwei Tageslosungen zu finden:

    HERR, sei mir gnädig, denn mir ist angst! (Psalm 31,10)

    Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! (Apostelgeschichte 18,9)

  2. Stefanie sagt:

    Hallo Maiglöckchen,
    vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar. Ich habe mich darüber sehr gefreut und finde Ihre Fragen und Gedanken sehr spannend. Ich habe begonnen eine ausführliche Antwort dazu zu schreiben, als Artikel. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich den Text veröffentlichen kann. Aber ich habe es mir fest vorgenommen 🙂
    Herzlichst
    Stefanie Rösch

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